Beauty and the Beast FORUM
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eine neue familie

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sheena
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New PostErstellt: 06.11.09, 23:19  Betreff: eine neue familie  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

meine geistigen ergüsse sind unter www.fanfiction.de zu finden.





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Gaya

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New PostErstellt: 06.11.09, 23:25  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Wo findet man dich denn da?

Darfst deine geistigen Ergüsse aber auch gern hier posten. 


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Kathrin

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New PostErstellt: 06.11.09, 23:29  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ich habe die Story auch gerade gesucht und HIER gefunden

***
Kathrin



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Meine FANFIC-Bibliothek
http://www.fanfiktion.de


[editiert: 06.11.09, 23:30 von Kathrin]
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Gaya

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New PostErstellt: 06.11.09, 23:36  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

ah, danke. 


Noch wer, der Stories nach Cathys Tod schreibt und die 3. Staffel somit nicht verdrängt...?

Ich sollte mich auch endlich mal wieder bei ff.de einloggen und weiterschreiben. Bin nach dem Festplattencrash noch nicht wieder dazu gekommen. *schäm*



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sheena
Tunnelexperte


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New PostErstellt: 07.11.09, 18:07  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

gibts denn leute, die so schreckliche folgen verdrängen können? ich kanns leider nicht, hat mir zu weh getan. wenn ich die heut einlege, bin ich meist hinterher immer noch total groggy.

die story umfasst inzwischen 30 seiten. soll ich die hier wirklich posten?





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Gaya

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New PostErstellt: 07.11.09, 18:20  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Es gibt etliche Fans (außerhalb D, hierzulande gibts ja fast kein Fandom mehr, hats den Anschein.) die die 3. Staffel konsequent ignorieren. Ich sag nur "Classic Alliance".   Für die ist Cathy niemals gestorben und lebt glücklich und zufrieden mit Vinnie & Klein Jacob.

Wenn du dich hier ein wenig einliest, wirst du merken, dass hier welche sind, die die 3. Staffel mögen. (*hustfastmehralsdieerstenbeidenhust*) *unschuldigzurDeckeschau*


Tu dir keinen Zwang an. 30 Seiten oder mehr, ist doch egal. Hier freut sich so mancher über neuen Lesestoff und nicht jeder schaut zu ff.de.



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sheena
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New PostErstellt: 07.11.09, 18:35  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

dann mach ich das häppchenweise. heute kapitel 1.

Name der Fanfiction: Eine neue Familie
Autor: sheena
Raiting: frei
Anmerkungen: Die Story spielt ca. fünf Jahre nach Catherines Tod. Es geht um eine junge Frau, die vor ihrem gewaltätigen Mann flieht und durch Zufall in die Tunnelgemeinde gerät.
Disclaimer: Alle Charaktere und sämtliche Rechte an der TV-Serie "Beauty and the Beast" gehören Ron Koslow and the Witt Thomas Produktion. Diese Fanfic wurde lediglich zum Spass geschrieben und nicht um damit Geld zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten zu lebenden und toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors.


1. Kapitel - Kalter Feierabend

Es war spät und dunkel geworden. Stella fror und hatte das Bedürfnis nach einer heißen Suppe, einem heißen Bad oder etwas Ähnlichem, was sie ihre blaugefrorenen Hände und Füße wieder fühlen ließ. Der alte, längst ausgediente und verschlissene Mantel konnte ihr diesen Komfort leider nicht mehr bieten. In der Sohle des rechten abgelaufenen Schuhs war ein Loch und vom anderen hatte sie den Schnürsenkel verloren. Die wollenen Strümpfe, die sie zusammen mit anderen alten Klamotten irgendwo aus einem Altkleidercontainer gefischt hatte, waren löchrig. Der Schal, den sie sich zum Schutz vor der Kälte um den Kopf gewickelt hatte, war einst eines ihrer Lieblingsstücke gewesen. Vor 10 Jahren lag er einmal unter dem Weihnachtsbaum, aber inzwischen hatte er seine beste Zeit hinter sich gebracht und spendete kaum noch Wärme.

Langsam ebbte die Menschenmenge in der Fußgängerzone immer mehr ab. Seit dem Sonnenuntergang, der um diese Jahreszeit immer zeitiger zu beobachten war, kam niemand mehr zu der jungen Frau und wollte sich eine viertel Stunde Zeit nehmen, um sich von ihr porträtieren zu lassen. Kein Wunder – bei dem Wetter! Also packte sie ihre Utensilien zusammen. Es hatte keinen Sinn mehr, sich noch länger umsonst dieser eisigen Kälte auszusetzen. Der Weg zu ihrem Unterschlupf war auch noch zurückzulegen. Also musste sie sich noch mindestens eine dreiviertel Stunde gedulden, um an einen Becher heißes Wasser zu kommen. Mehr würde die 32-jährige wohl heute in ihrem neuen Zuhause nicht vorfinden. Die wenigen Geldstücke, die sie an diesem kalten Novembertag für ein paar Skizzen von den Passanten bekommen hatte, würden nicht einmal für eine anständige Mahlzeit am Imbissstand reichen. Aber der gutmütige Chinese, der vorn an der Ecke seinen winzigen Laden betrieb, würde ihr sicher für ein paar Cents einen Brühwürfel und vielleicht sogar ein paar Instantnudeln überlassen. Der wusste selbst, wie entsetzlich Hunger und Kälte schmerzen konnten. Schon komisch, dass immer die Armen den Armen helfen und von dem Wenigen, was sie besitzen, auch noch abgeben., dachte sie. Von denen, die es sich leisten konnten, zu helfen, gab es nur wenige hier in New York, die es auch wirklich taten. Stella war jedenfalls bisher noch keiner von denen über den Weg gelaufen, geschweige denn, war einer bei ihr stehen geblieben. Sicher, ab und zu hatte sie schon ziemlich gut betuchte Leute gezeichnet, die dann aber am Ergebnis, mehr oder weniger grundlos, herummäkelten und ihr nur Pennys für ihre Arbeit vor die Füße warfen. Sie hatte auch schon beobachtet, dass diese Leute die Zeichnungen achtlos zusammenfalteten und in ihre Taschen stopften. Wer weiß, wo die Blätter landeten, wenn diese Banausen erst zu Hause angekommen waren. Dabei hatte sie, nach Meinung früherer Freunde, der Familie und ihren alten Lehrern, wirklich Talent.

Wenn Stella sich auch manchmal leid tat, so war sie doch der Meinung, dass es ihr im Gegensatz zu dem kleinen Bettler, an dem sie auf ihrem Heimweg immer vorbeikam, noch recht gut ging, denn sie hatte eine Behausung gefunden. Der arme Kerl aber, er mochte etwa 11 Jahre alt sein, schlief  in einer Seitenstraße in einer Höhle aus Pappkartons. Er erinnerte sie mit seinem blonden, zerzausten Haar, der Stupsnase und der Zahnlücke an ihren eigenen Sohn, als der im Alter des kleinen Bettlers war. Aber das war schon lange her. Sie hatte schon überlegt, ob sie diesem kleinen verdreckten Kerl anbieten sollte, bei ihr „einzuziehen“. Aber sie hatte beobachtet, dass der Bengel auch ganz gern mal lange Finger machte, da hatte sie es lieber gelassen.

Plötzlich wurde es sehr windig, was die einschneidende Kälte noch unerträglicher machte. Stella wickelte sich noch fester in ihren Mantel ein, der um ihre schmale Gestalt schlackerte, klemmte sich ihren Skizzenblock vor die Brust und fing an zu rennen, um warm zu werden.

Mit klammen Fingern öffnete sie die Ladentür von Mr. Chan und ihr wehte ein wohlig-warmer Luftzug entgegen. Es duftete nach Tee, Gewürzen und Räucherstäbchen. Sie schlüpfte hinein und schloss schnell die Tür hinter sich. Aus dem Hinterzimmer drangen leise Stimmen und fremdartige, meditative Musik. Die Ladenglocke hatte allerdings ihr Eintreten angekündigt und daraufhin erschien ein etwa 40jähriger Chinese im Verkaufsraum. Als er sie erblickt, lächelte er und nickte freundlich. Seine Augen strahlen Wärme und Güte aus. Durch sein Lächeln nahmen seine Gesichtzüge etwas Verschmitztes und Schelmisches an. Man konnte nicht anders als zurückzulächeln. „Hallo, Mrs. Kent!“, begrüßte er sie leise. „Ich heute leider sehr wenig Zeit für Sie. Hinten sitzen Kunde und warten auf Akupunktur. Aber ich haben etwas für Sie!“ Er griff unter den Ladentisch und holte einen, in Packpapier eingewickelten Gegenstand hervor.

„Das Hühnersuppe! Haben ältere Schwester gekocht. Ist gut bei diesem Wetter! Ich noch ein paar Nudeln dazugelegt. Laufen schnell nach Hause und machen das heiß, damit Sie nicht krank werden!“ Er zwinkerte ihr zu und schob das dick eingepackte Gefäß über den Ladentisch. Sie umfasste, erstaunt und beinahe zärtlich, das Päckchen mit beiden Händen und spürte einen Rest Wärme, der durch das Packpapier drang. Am liebsten hätte sie sich ihre chinesische Kostbarkeit unter den Mantel gestopft, um diese Wärme an ihrem Körper zu spüren. Aber sie wollte auf keinen Fall auch nur einen Tropfen ihres Geschenkes verschütten. Es war kaum zu fassen, dass dieser fremde Mann ihr so ein, für sie so wertvolles, Geschenk machte. Sie sah ihn mit ihren großen blauen Augen dankbar an und sagte leise: „Oh, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mr. Chan. Das wäre aber nicht nötig gewesen. Sagen Sie bitte Ihrer älteren Schwester vielen Dank!“ Er tätschelte ihr den Handrücken und meinte: „Doch, doch. Ist nötig!“ Ohne auf ihre Antwort zu warten, legte er seine Handflächen aneinander, hob sie vor die Brust und verneigte sich, wie es asiatische Sitte ist, vor Stella: „Bitte beehren Sie mich bald wieder!“ Sie konnte nur noch einmal gerührt „Vielen Dank, Mr. Chan!“ sagen, dann war er auch schon wieder im Hinterzimmer verschwunden. Stella nahm ihr Päckchen an sich und verließ widerwillig den kleinen Laden, hinaus in die eisige Kälte.

Nach 10-minütigem, unfreiwilligem Jogging, das sie sich antat, um warm zu werden, erreichte sie das alte Abrisshaus, von dem aus sie in ihren Unterschlupf gelangte. Es ging eine steile, bröckelnde Steinsteppe hinab, durch verwinkelte Kellergänge bis zu einer eisernen Klappe im Boden. Es machte ihr jedes Mal Schwierigkeiten, dieses schwere Ding hoch zu wuchten, aber sie musste da durch, um über eine lange metallene Leiter in die Katakomben unter der Stadt zu gelangen. Hier war es wenigstens nicht mehr so windig. Dadurch verlor die eisige Kälte etwas ihre Schärfe. Stella tastete nach der alten Petroleumlampe, die sie irgendwo gefunden hatte und hier versteckte, wenn sie die Tunnel verließ. Sie fand sie, entzündete die kleine Flamme und leuchtete den vor ihr liegenden Gang aus, um sich zu orientieren. Die Gänge waren niedrig und eng, aber bei ihren 1,60 cm Körperlänge kaum ein Problem. Während sie nun etwas langsamer den bereits gewohnten Weg durch die unterirdischen Gänge Richtung ihres Unterschlupfs ging, musste sie grinsend an ihren Ex-Mann David denken, der sich hier unten sicherlich eine Beule nach der anderen geholt hätte. Der war gut einen Kopf länger als sie gewesen und brachte damals mindestens doppelt so viel auf die Waage. Seine massige Statur war furchteinflößend. Diese körperliche Überlegenheit hatte er sie in den letzten Monaten ihrer Ehe mehrmals spüren lassen. Aber nicht nur diesen Vorteil hatte er eingesetzt, um ihr zu zeigen, wer der Herr im Hause war. Und das war der Grund, weswegen sie sich nicht schämte, als sie sich dabei ertappte, schadenfroh bei dem Gedanken an Beulen und Schrammen auf seinem Kopf zu lächeln. Denn das, was er ihr angetan hatte, war bei Weitem schmerzhafter und qualvoller gewesen und sollte um einiges härter bestraft werden als mit ein paar lausigen Blessuren.

Ein Zischen riss Stella aus ihren Gedanken. Sie war bei dem Dampfrohr angekommen, an dem sie nach links abbiegen musste, um an die alte Leiter zur nächsten, tiefergelegenen Ebene zu gelangen. Sie kletterte vorsichtig das morsche Ding hinab und achtete darauf, nicht auf die zweite Sprosse zu treten. Auch wenn Stella nur noch fünfzig mickrige Kilo wog - diese angebrochene Holzstrebe würde ihr Gewicht nicht mehr aushalten und sie würde schneller unten landen, als ihr lieb wäre. Heil unten angekommen, wandte sich nach rechts.

Plötzlich war ihr, als hätte sie einen Schatten gesehen. Sie blieb wie angewurzelt stehen, blies die Lampe aus und lauschte mit angehaltenem Atem. Bisher war ihr hier noch nie jemand begegnet. Sie wusste, dass hier unten noch andere Obdachlose Zuflucht gesucht und gefunden hatten. Allerdings war sie immer bemüht, nicht von denen, die, wie sie, hier unten lebten, bemerkt zu werden. Ihrer Meinung nach auch bisher mit Erfolg. Oder sollte sie sich getäuscht haben? Stella hatte die Anderen schon öfter von ihrem Schlupfwinkel aus beobachtet. Es waren überwiegend Kinder, die sich nahe bei ihrer Höhle aufhielten und Verstecken spielten. Ab und zu hatte sie die mahnende Stimme einer Frau gehört, die die Kinder zu sich rief und dann mit ihnen schimpfte. Wenn das passierte, hatte Stella danach immer ein bis zwei Wochen Ruhe.

Ihre Behausung lag allerdings noch mindestens fünf Fußminuten tiefer in den Tunneln. Sollte sich eines dieser Kinder wirklich soweit, bis hierher, gewagt haben? Sie stand immer noch wie festgewachsen, starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit und lauschte. Nichts. Langsam löste sie sich aus ihrer Starre und setzte leise und behutsam einen Fuß vor den anderen, um ja kein unnötiges Geräusch zu machen. So schob sie sich langsam, Schritt für Schritt, bis zum nächsten Durchgang und lugte vorsichtig um die Ecken. Erst nach links, dann nach rechts. Wieder nichts. Alles war ruhig, sie vernahm nur das leise Zischen der altersschwachen Dampfleitungen. Nach einigem Zögern entzündete Stella wieder die kleine Funzel und leuchtete die Gänge aus. Dann wagte sie sich vorwärts, immer darauf gefasst, plötzlich irgendjemandem gegenüber zu stehen. Sie atmete erleichtert auf, als sie dann endlich unbehelligt und unentdeckt ihren Unterschlupf erreicht hatte.




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schneeeule
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New PostErstellt: 07.11.09, 19:00  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen


Super, wenn Du Deine Geschichte hier postest. Ich lese sehr gern Fanfiktion und Deine gefällt mir sehr gut




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sheena
Tunnelexperte


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New PostErstellt: 07.11.09, 19:15  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

wirklich? auch wenn es nicht explizit um vincent geht? gut, dann mach ich weiter. freut mich, wenn es euch gefällt. aber wenn ihr ungereimtheiten entdeckt, bitte ich um meldung.

2. Kapitel - Flucht und Ankunft

Stellas Versteck musste vor vielen Jahren einmal so etwas wie eine Geräte- und Versorgungskammer gewesen sein. Als sie den kleinen, ca. acht Quadratmeter großen Verschlag mit der kaputten Tür vor vier Monaten auf der Flucht vor den Schlägern ihres Ex-Mannes fand, standen Schippen, Spitzhacken, Eimer und ähnliches Gerät mehr hier herum. Einiges davon konnte sie, als sie wieder fähig war, klar zu denken, gut gebrauchen. In einem der Eimer fing sie Wasser auf, das aus einer Leitung tropfte. Es war kalt, frisch und schmeckte sogar. Einen anderen Eimer hatte sie zu einem Feuerbecken umfunktioniert. Ein paar alte herumliegende Metallstäbe dienten als Grill- und Abstellrost und zum feuern benutzte sie die eh schon bröckelnden Holzgriffe der Werkzeuge sowie alte zersplitterte Bohlen. Um nicht auf der nackten Erde liegen zu müssen, hatte sie alte Holzkisten mit dem Boden nach oben aneinandergestellt und Dachpappe, die aufgerollt in einer Ecke stand, sowie alte Feuerwehrdecken darauf gelegt.

Bevor sie allerdings in der Lage gewesen war, sich so einzurichten, hatte sie, ihrem Gefühl nach, mindestens zwei Tage lang im Schneidersitz auf irgendwelchen schmutzigen Kohlensäcken in der Finsternis gehockt und sich nicht hinaus gewagt. Die brutalen Handlanger Davids kannten kein Mitleid und kein Erbarmen, das wusste sie aus Erfahrung. Sie war damals hier in ihrer Höhle bei jedem Geräusch zusammengezuckt und vor Angst fast gestorben. So nach und nach hatten sich aber der Verstand und der Körper gegen diese entsetzliche Furcht durchgesetzt. Sie hatte sich immer wieder gut zugeredet: Diese Trottel werden mich nicht finden! Ganz sicher nicht! Dazu sind die viel zu dumm! Nein, die finden mich nicht! Sie hatte schließlich mit einigen, eindeutig ihr gehörenden Kleinigkeiten wie Schlüsselanhänger, Zigarettenetui und Taschentuch mit ihren Initialen darauf eine falsche Fährte legen können, der die muskelbepackten Idioten auch prompt gefolgt waren. Inzwischen hatte sie sich in die andere Richtung aus dem Staub gemacht und war im erstbesten Haus verschwunden. In ihrer Panik war sie durch irgendwelche dunklen Keller und Gänge gerannt, ohne darüber nachzudenken, wie sie dort je wieder herausfinden sollte. Immer, wenn sie während ihrer kurzen Fluchtpausen ein verdächtiges Geräusch gehört hatte, war sie weiter in die Dunkelheit gestolpert, bis sie das Gefühl hatte, einigermaßen sicher zu sein. Und das war dann genau hier.

Nach zwei Tagen absoluter Unfähigkeit, klar zu denken oder logisch zu handeln hatte allerdings der Hunger angefangen, sie zu quälen und sie so aus ihrer Apathie geholt. Das Benzin in ihrem Feuerzeug war damals auch langsam zur Neige gegangen, sie hatte also irgendwas tun müssen, um irgendwie überleben zu können.

Wieder an die Oberfläche zu gehen und sich an die Polizei zu wenden kam für sie nicht in Frage, weil sie genau wusste, dass sie von dort keine Hilfe erwarten konnte. Ihr Ex hatte seine schmutzigen Pfoten in lukrativen, aber üblen Geschäften und überall gut bezahlte „Freunde“. Darüber Bescheid zu wissen und es nicht gut zu finden war ihr zum Verhängnis geworden. Irgendein korrupter Polizist hätte sie garantiert an ihn verraten und dann wäre ihr Tod sicher gewesen. Diese Schmach, dass er seine Frau nicht unter Kontrolle hatte und sie ihm weggelaufen war, hätte er niemals auf sich sitzen lassen. Diese Variante hatte sie also verwerfen müssen, wenn sie weiterleben wollte. Und so war sie auf die Idee gekommen, sich hier unten einzurichten.

Zwischen all dem sie umgebenden Gerümpel hatte sie auch die alte Petroleumlampe gefunden und einen riesigen Kanister mit dem entsprechenden Brennstoff. Ein bisschen Glück musste der Mensch ja schließlich auch mal haben! Als erstes hatte sie sich also um Beleuchtung gekümmert. Der nächste Punkt war die Sicherheit, wofür eine der herumliegenden Eisenstangen ideal geeignet war. So ausgestattet war sie auf eine mehrstündige Erkundungstour in die nähere Umgebung ihres Verstecks gegangen.

Es hatte auch nicht lange gedauert, bis sie in eine Gegend gekommen war, die sie meinte zu kennen. Ihr ausgezeichnetes fotografisches Gedächtnis war diesmal dabei ein großer Vorteil gewesen. Sie hatte die alte Leiter wiedergefunden, deren zweite Sprosse von oben etwas angeknackst war und sich nach diesem kleinen Erfolgserlebnis wieder auf den Rückweg gemacht. Am zweiten Tag hatte sie es bereits geschafft, den Weg zurück an die Oberfläche zu finden. Als sie zum ersten Mal wieder ins Tageslicht getreten war, hatte ihr ein schmerzhafter Lichtstrahl  die Tränen in die Augen getrieben. Doch dieser Schmerz war nichts im Vergleich zu dem gewesen, der seit einigen Tagen in ihrem Magen gewühlt hatte. Sie war damals auf der Suche nach Nahrung durch die Straßen gewandert und so irgendwann bei Mr. Chan gelandet. Vor seinem Geschäft war sie dann aus Schwäche zusammengebrochen. Der hilfsbereite, gutmütige Chinese hatte ihr mit einer Tasse heißem Tee und ein paar Bananen wieder auf die Beine geholfen. Als Stella einigermaßen zu Kräften gekommen war und sich auf den Rückweg machen wollte, hatte er sie nicht ohne eine riesige Tüte mit Früchten, Keksen, Milch und Tee gehen lassen. Es war ihr sehr peinlich gewesen, dass sie die Lebensmittel nicht bezahlen konnte. Sie hatte nur eine Kreditkarte besessen, aber die war natürlich inzwischen von David gesperrt worden. Um sich bei Mr. Chan zu bedanken, hatte sie ihm angeboten, bei ihm zu arbeiten. Doch eine Angestellte hatte er sich nicht leisten können oder wollen. So hatte sie ihn dann um ein Blatt Papier sowie einen Bleistift gebeten und ihn zum Dank mit geschickter Hand porträtiert. Dieses Machwerk hing nun eingerahmt in seinem Hinterzimmer. Er hatte ihr geraten, sie solle sich mit ihrem Talent doch in der Fußgängerzone Geld verdienen. Sie hatte damals erschrocken den Kopf geschüttelt und es für eine verrückte Idee gehalten. Doch da es das Einzige war, was sie wirklich gut beherrschte, hatte sie all ihren Mut zusammengenommen und sich auf „Kredit“ von Mr. Chan einen Skizzenblock sowie diverse Bleistifte besorgen lassen.  Mit diesen Utensilien und einem kleinen Klapphocker hatte sich Stella dann neben einem Kosmetikgeschäft niedergelassen. Die Geschäftsinhaberin war allerdings absolut nicht damit einverstanden gewesen und hatte mit der Polizei gedroht. Das war natürlich das allerletzte, was  passieren durfte, also war sie zu einem Spielzeuggeschäft umgezogen. Zuerst ist sie natürlich kaum beachtet worden und so hatte sie still vor sich hin gezeichnet, was ihr gerade vor die Augen kam. Aber ab und zu waren doch einige Passanten, besonders Kinder und ältere Damen, stehen geblieben und hatten ihre kleinen Kunstwerke bewundert. Und so war Stella dann doch zu etwas Geld gekommen, um ihre Schulden bei Mr. Chan bezahlen zu können. Doch damals war es warm gewesen, die Leute hatten gute Laune und Zeit. Jetzt im Spätherbst bei dem ungemütlichen Wetter mochte sich natürlich keiner in die Kälte stellen und warten, bis sie ihr Kunstwerk beendet hatte.




[editiert: 07.11.09, 19:15 von sheena]
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sheena
Tunnelexperte


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New PostErstellt: 07.11.09, 19:24  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

3. Kapitel – Arme und reichte Jungen

In der winzigen Behausung angekommen, legte Stella ihre Sachen beiseite und machte Feuer in ihrem provisorischen Kamin, um ihr Geschenk aufzuwärmen. Sie stopfte einen der Kohlensäcke in den Spalt unter der Tür, damit es nicht gar so sehr zog.  Dann hockte sie sich auf ihren „Diwan“, starrte in die kleine Flamme und dachte über den huschenden Schatten nach. War es wirklich eines dieser Kinder gewesen oder vielleicht nur ein Tier? Während ihrer Überlegungen löste sie den Schal von ihrem Kopf. Zum Vorschein kam eine fast weißblonde Haarpracht, die ihr in weichen Wellen fast bis zur Hüfte reichte und ihre skandinavische Herkunft verriet. Sie schlüpfte aus den kaputten Schuhen, zog die Beine auf ihr Bett, versteckte die kalten Füße unter ihrem langen Mantel und zog sich eine der alten muffigen Feuerwehrdecken über die Schultern. Während sich ihr Süppchen langsam erwärmte, blätterte sie in ihren Skizzen herum. Immer wieder wanderte ihr Blick zu der Zeichnung, die sie von dem kleinen, etwa fünfjährigen Jungen mit den großen strahlendblauen Augen, dem rotbraunen Wuschelkopf und der merkwürdig zusammengestellten Kleidung angefertigt hatte. Er trug keine normale Jacke, sondern eine Art Steppweste, die nicht geknöpft, sondern mit kleinen Lederschnüren zugebunden war. Darunter sah man einen viel zu großen, sehr dicken Rollkragenpullover, der aus verschieden Wollresten gestrickt worden zu sein schien. Zum Schutz vor der Kälte trug er dicke Fausthandschuhe und eine dunkelblaue Wollmütze mit großer Bommel. Damit ihm die zu langen Ärmel seines Pullovers nicht über die Hände rutschten, hatte man zur Befestigung weiche Lederschnüre um seine Unterarme gewickelt. Die kleinen Füße steckten in kniehohen Stiefeln, deren Schäfte vermutlich aus einer alten Felljacke zusammengebastelt worden waren. Diese waren ebenfalls mit Lederschnüren umwickelt worden, damit sie ihm nicht herunterrutschen.

Er hatte vor diesem Spielzeugladen gestanden und war ganz in die Auslagen vertieft, so dass sie ihn unauffällig beobachten konnte. Irgendwann war ein älteres Mädchen aufgetaucht, die ein ähnliches Outfit trug. Sie war wohl schon eine geraume Zeit auf der Suche nach dem Jungen gewesen, denn sie hatte erleichtert aufgeatmet, als sie ihn dort mit leuchtenden Augen vor dem Schaufenster stehen sah. Die etwa 13-jährige hatte den Kleinen kurz in den Arm genommen, leise, aber zärtlich mit ihm geschimpft und ihn dann, trotz seines jammernden Protestes, mit sich genommen.


Stella tat der Kleine immer noch ein bisschen leid, weil es ganz so aussah, als wenn auch er immer nur die Verlockungen des Lebens ansehen, aber nie besitzen durfte. Und dann wurde dieses Vergnügen auch noch abgebrochen, bevor er sich hatte satt sehen können. Armer kleiner Kerl, dachte Stella. Wenn ich doch nur so könnte, wie ich gern wollte! seufzte sie leise in sich hinein. Du wüsstest sicher auch die kleinsten Geschenke zu schätzen. Wenn ich dagegen an meinen Sohn denke – der war schon im Kleinkindalter mit nichts zufrieden. Ganz der Papa!  Es war völlig egal gewesen, was man dem Kind schenkte, nach zwei Minuten war es uninteressant und landete in der nächsten Ecke. Manches hatte der Junge nicht einmal ausgepackt. Er ließ sich durch kaum etwas begeistern. Spielzeug, Bücher, Musikinstrumente - nichts interessierte ihn. Sein Vater hatte ihn sehr zeitig an seinem Computer herumspielen lassen. Damit konnte sich das Kind stundenlang beschäftigen. Er bekam dann auch mit fünf Jahren seinen eigenen kleinen Kindercomputer. Aber der war nach zwei Wochen schrottreif, weil das Ding natürlich viel primitiver war als der seines Daddy's. Also flog das Gerät, weil es Jared's Ansprüchen nicht genügte, in einem Wutanfall durch die Gegend. Erst als er alt genug für einen richtigen Computer war, konnte man ihm mit teurer Technik und Unmengen von Spielen ein kleines Lächeln abringen. Allerdings musste es immer das Teuerste sein. Als Jared in der vierten Klasse war, glich sein Kinderzimmer bereits einem Flugzeugcockpit.

Es fing langsam in dem kleinen Raum an, verführerisch zu duften. Stella kramte ihren alten Plastiklöffel hervor und rührte vorsichtig in dem Töpfchen. Sie schüttete eine handvoll Instantnudeln in die Brühe und rührte weiter, bis die Nudeln bissfest waren. Sie nahm einen alten Fetzen zur Hand, um sich nicht zu verbrennen, hielt sich das Töpfchen unters Kinn und löffelte langsam, mit geschlossenen Augen die Suppe. Dabei dachte sie lächelnd und dankbar an Mr. Chan und seine ältere Schwester. Stella fühlte, wie die heiße Flüssigkeit ihre Speiseröhre entlang hinunter zum Magen rann und sich die Wärme von dort aus über den gesamten Körper bis in die Finger- und Zehenspitzen verteilte. Ein herrliches Gefühl! Es war das Köstlichste, was sie in den letzten Tagen zu sich genommen hatte. Diese Suppe hatte nur einen winzigen Fehler – sie war viel zu schnell aufgegessen! Sie seufzte vor Behaglichkeit. Endlich mal wieder mit halbwegs vollem Magen und warmen Füßen ins Bett! Sonst hatte sie ja immer nur das gegessen, was andere nicht mehr wollten. Meistens kaltes und teilweise überlagertes oder vertrocknetes Zeug, dass ihr mitleidige Seelen heimlich aus den Hintertüren der Restaurants zusteckten.

Stella stellte das kleine leere Gefäß auf den Boden, kippte auf ihrem Lager einfach zur Seite und genoss das warme Gefühl. Sie sah noch einen Moment den langsam verlöschenden Flammen in ihrem Ofen zu und war kurz darauf eingeschlafen.


 

 



[editiert: 07.11.09, 19:32 von sheena]
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schneeeule
Tunnelexperte


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New PostErstellt: 07.11.09, 19:41  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Bis jetzt ist die Geschichte noch ganzschön traurig.
Aber ich hab sie ja schon etwas weiter gelesen, im Fanfiktion.net. Da schau ich jeden Tag nach ob es weiter geht.

Jedenfalls ist sie schön zu lesen




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sheena
Tunnelexperte


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New PostErstellt: 08.11.09, 12:38  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

ich fürchte, sie wird auch nicht sehr viel lustiger werden.  tut mir leid. aber vllt. fällt mir ja später noch was fröhlicheres ein.

4. Kapitel – Auf der Suche nach Wärme

Stella wurde durch ein ungewohntes Geräusch geweckt. Da war noch etwas anderes als nur das inzwischen vertraute Knacken der Dampfleitungen, das Tropfen des Wassers sowie das Klopfen an die Rohre, von dem sie bisher nicht herausgefunden hatte, wodurch es verursacht wurde. Es schien ihr, als wäre es eigentlich gar kein richtiges Geräusch, sondern mehr eine Luftbewegung gewesen. Oder ein Traum? Sie blieb bewegungslos liegen und lauschte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. Ihr Herz klopfte rasend, als hätte sie gerade einen Sprint hinter sich. Ganz vorsichtig tastete sie nach der Eisenstange, die sie immer neben sich bereit liegen hatte. Nach zehn atemlosen Minuten, in denen sie nichts weiter als Knacken, Klopfen, Zischen sowie das stete leise Tröpfeln wahrnahm, gab sie ihre angespannte Haltung auf und setzte sich tief durchatmend auf. Langsam beruhigte sich ihr Herz wieder. Stella suchte nach den Zündhölzern, fand sie am Kopfende und machte Licht. Sie schlich an die Tür, öffnete sie einen winzigen Spalt und lauschte noch einmal angestrengt. Alles war ruhig. Nichts schien verdächtig. Stella atmete erleichtert auf, schüttelte über sich selbst den Kopf und schloss leise wieder die Tür. Wie spät war es eigentlich und wie lange hatte sie geschlafen? Sie kramte in ihren Manteltaschen nach der alten Armbanduhr. Das Uhrglas war auf der Flucht zerbrochen, aber ansonsten funktionierte sie noch. Es war gerade 5.45 Uhr. Noch viel zu früh zum Aufstehen! Aber an Schlaf war jetzt nicht mehr zu denken. Doch oben war es noch dunkel und es würde sich nicht lohnen, sich schon wieder für Nichts und wieder Nichts kalte Füße zu holen. Nicht einmal Mr. Chan würde jetzt schon geöffnet haben. Was sollte sie also dort? Hier unten war es allerdings im Moment auch nicht gerade warm. Und da sie so aus dem Schlaf aufgeschreckt war, zitterte sie am ganzen Körper.  Es war dummerweise auch kein Brennholz mehr in dem Kämmerchen zu finden, denn das hatte sie am Abend zuvor aufgebraucht. 

Aber Stella fiel etwas anderes ein: der Plastiksack in der Ecke! Er war voll mit alten Bekleidungsstücken, die sie sich vorgestern von einigen Müllplätzen zusammengesucht hatte. Zu Beginn ihrer Zeit als freiwillige Obdachlose war es ihr sehr schwer gefallen, getragene Kleidung anzuziehen. Doch was blieb ihr weiter übrig? Als sie floh, war Sommer gewesen und sie hatte damals nur ein leichtes Kleid und Pumps getragen. Aber in den Kellern, in denen sie sich versteckt hatte, war es auch bei 32° C ziemlich frisch gewesen. Als die Nächte dann anfingen, empfindlich kalt zu werden, musste sie sich überwinden. Dazu kam noch, dass mit der Zeit Schmutz und Schweiß deutliche Spuren auf dem Kleid hinterlassen hatten. Es war einfach für ein Leben in den Tunneln nicht gemacht. Stella hatte begonnen, sich auf der Suche nach geeigneterer Kleidung auf den Hinterhöfen herumzudrücken und war ziemlich schnell fündig geworden. Sie staunte, was die Leute alles so wegwarfen und wurde sich bewusst, dass sie bis vor ein paar Wochen auch dazugehört hatte. Mittlerweile hatte sie herausgefunden, auf welchen Höfen und Müllplätzen die brauchbarsten Dinge zu finden waren. Allerdings musste man entweder schnell laufen können und durfte keine Angst vor Hauswarten und Hunden haben oder man musste hübsch sein und gut schmeicheln können. Letzteres setzte sie des Öfteren ein, um einige der Hausmeister dazu zu bringen, ihr das eine oder andere Stück zu überlassen.  

Stella konnte sich erinnern, letztens eine alte Jogginghose gefunden zu haben. Sie musste in diesem Sack sein! Wieso bin ich nicht gestern schon auf die Idee gekommen? überlegte sie und wühlte in Kleidern herum. Und tatsächlich – da war das ausgebeulte Ding. Sie war unten an den Hosenbeinen etwas ausgefranst und roch muffig. Aber Stella hatte es sich schon längst abgewöhnt, in Bezug auf Aussehen und Geruch der Kleidung wählerisch zu sein. Diesen Luxus konnte man sich in so einer Situation einfach nicht leisten, obwohl sie immer bemüht war, halbwegs sauber zu wirken. Sie zog die Hose über die fadenscheinigen Strümpfe und sorgte mit einem Bindfaden dafür, dass das viel zu große Kleidungsstück nicht sofort wieder von ihrem zierlichen Körper rutschte. Stella sah an sich herunter und schüttelte den Kopf. Das war mit Sicherheit ein lächerlicher Anblick. Egal, unter dem langen Mantel würde es niemand sehen. Es achtete ja sowieso niemand auf sie. Die Zeiten, in denen sie mit Schönheit und Eleganz die Blicke auf sich zog, waren längst vorbei. Aber sich wie ein Eskimo einzumummeln konnte keine endgültige Lösung sein. Sie musste unbedingt wieder auf die Suche nach Brennholz gehen. Nicht nur, um sich wärmen, sondern auch, um wenigsten Wasser heißmachen zu können. Außerdem konnte sie dann auch Petroleum sparen. 

Sie hängte sich eine alte Schultasche über die Schulter, griff ihre Lampe sowie die Eisenstange und verließ den kleinen Verschlag. Da in Richtung Ausgang schon alles Holz, was dort herumgelegen hatte, aufgebraucht war, wollte Stella es diesmal in der anderen Richtung versuchen. Sie verspürte nämlich nicht die geringste Lust, eine halbe Stunde bis an die Oberfläche zu wandern und sich für die Holzsuche der Kälte auszusetzen. Allerdings kannte sie sich in den tieferen Gängen noch nicht so gut aus. Aber ihr fotografisches Gedächtnis und die Eisenstange, mit der sie Zeichen in den Boden ritzen konnte, würden ihr dabei helfen, wieder zurückzufinden. So machte sie sich also vorsichtig und neugierig auf den Weg.

Die junge Frau war noch gar nicht lange unterwegs, da fand sie auch schon, wonach sie suchte: einen Stapel alter, unbrauchbar gewordener Holzkisten, morsch und teilweise schon zerbrochen. Das war mindestens Vorrat für eine Woche! Da würde sie wohl einige Mal hin- und her laufen müssen, um das alles in ihr Versteck zu bringen. Stella lächelte und machte sich daran, ein paar Kisten zu zertreten, um das Material besser transportieren zu können. Sie stopfte, soviel sie tragen konnte, in die alte Tasche und machte sich auf den Rückweg. 

Als sie sich ihrer Unterkunft näherte, beschlich sie ein merkwürdiges Gefühl, eine seltsame Beklemmung, die sie sich nicht erklären konnte. Es war die gleiche ungute Ahnung, die sie damals empfand, als sie feststellte, dass David dahinter gekommen war, dass sie seine miesen Geschäfte durchschaut hatte. Noch bevor er sie zur Rede gestellt hatte, wusste sie, dass er es wusste.  Zu allem Überfluss kannte er auch ihre Fähigkeit, alles, was sie jemals gesehen hatte, haarklein wiedergeben zu können. Er war einst stolz darauf gewesen und hatte immer gern mit der Gabe seiner jungen Frau angegeben. Bis sie ihm unbequem wurde. Da fing er an, sie zu bedrohen und diesen Drohungen mit körperlicher Gewalt Nachdruck zu verleihen. Monatelang hatte sie es ertragen, ertragen müssen, weil sie niemanden hatte, an den sie sich hätte wenden können. Außerdem war sie der Meinung gewesen, dass auch ihr Sohn Schutz vor dem Vater brauchte, bis sie bemerkte, dass der 13-jährige Jared mit Haut und Haaren für seinen Dad eingenommen war. Er vergötterte David, folgte ihm auf Schritt und Tritt, ahmte ihn nach und tat alles, um ihm zu gefallen. Als der Junge sah, wie sein Vater sie behandelte, dauerte es nicht lange und er hatte allen Respekt vor ihr verloren. Der Teenager fing an, mit ihr in dem gleichen verachtenden Ton zu reden und sie bewusst zu beleidigen wie es sein Vater tat.  Der gab ihm dabei auch noch Rückendeckung und entschuldigte es mit der Pubertät. Eines Tages vergriff sich Jared an ihrer Handtasche, um sich die Kreditkarte zu nehmen. Er versuchte nicht einmal, es zu verheimlichen.  Als sie von ihm mit Nachdruck die Herausgabe verlangte, lachte er sie aus.  Dann machte sie den Fehler, ihm die Karte aus der Hand reißen zu wollen – da schlug er zu! In diesem Moment wurde ihr endgültig schmerzhaft klar, dass sie den Sohn an den Vater verloren hatte. Aber nicht der heiße Schmerz auf ihrer Wange war es, der ihr zu schaffen machte, sondern der Schmerz im Herzen, feststellen zu müssen, dass dieses einst so liebe Kind nicht wieder zu erkennen war. Sie konnte es nicht fassen und überlegte lange, wann und wo sie etwas hätte anders machen müssen. Aber der Übergang war so schleichend gekommen, dass es einen direkten Moment vermutlich gar nicht gab. 

Als Stella bewusst geworden war, dass sie nun nichts mehr besaß, überhaupt nichts mehr, was ihr noch wichtig war und sie hier halten konnte, fasste sie den Entschluss, sich scheiden zu lassen, nach Europa zurückzugehen und dort neu anzufangen. Allerdings hatte sie nicht damit gerechnet, dass David darüber ganz anders dachte, obwohl er offensichtlich gar nichts mehr für sie empfand. Sie wusste viel zu viel und darüber hinaus konnte sein männliches Ego es nicht zulassen, als Eheversager vor seinen Freunden und Geschäftspartnern dazustehen.  So fing er also an, sie einzusperren und von seinen Schlägern überwachen zu lassen. Stella hatte mehrere Versuche gestartet, zu entkommen. Die beiden Muskelprotze hatten sie aber immer wieder gefunden und eingefangen. Jedes Mal rastete David völlig aus und prügelte sie windelweich. Danach hatte er ihr im Ehebett auf äußerst brutale Weise gezeigt, welche ihr Pflichten als seine Ehefrau waren. Allerdings hatte er es nach ihrem letzten Ausbruchsversuch zu arg getrieben und ihr mit seinen Schlägen und Tritten sehr schwere innere Verletzungen zugefügt. Sogar sein Hausarzt, der sonst immer auf seiner Seite stand und ihre Verletzungen als Lappalien herunterspielte, hatte aufgegeben und zu ihrem Glück dafür gesorgt, dass David es zuließ, sie in’s  St. Sinai Hospital einliefern zu lassen. Vermutlich hatte der alte Quacksalber Angst vor David und den Behörden bekommen, sollte sie ihm unter den Händen wegsterben. Die Ärzte hatten sie mehrere Stunden operieren müssen, um ihr Leben zu retten. Zur Erinnerung trug sie nun für den Rest ihres Lebens eine riesige Narbe auf dem Bauch. Für die Ärzte hatte sie selbstverständlich einen „Unfall“ gehabt, an dem sie natürlich selbst Schuld gewesen war. Aber dieser Aufenthalt im Krankenhaus war ihr Glück im Unglück, denn sie hatte von dort in einem unbeobachteten Moment fliehen können. Allerdings war ihr Verschwinden nicht allzu lange unentdeckt geblieben und die Männer hatten sie durch halb New York gehetzt. Bis hierher!

5. Kapitel - Neugier 

Stella öffnete, so vorsichtig und leise es bei diesem baufälligen Ding möglich war, die Tür zu ihrem Kämmerchen. Aber da war natürlich niemand, alles war ruhig und dunkel. Erleichtert machte sie sich daran, ein Feuer in Gang zu bringen, um sich Wasser kochen zu können. Sie brauchte was Warmes. Ein Kaffee wäre jetzt herrlich, dachte sie sehnsüchtig. Mit Milch und ganz viel Zucker. Dazu ein Schokocroissant! Während sie darauf wartete, dass das Wasser zu kochen begann, hielt sie die kalten Hände über das Feuer. Ihr Blick viel auf die Zeichnungen. Irgendetwas war anders. Stella zog nachdenklich die Stirn kraus und überlegte, was es war. Da fiel ihr wieder ein, dass sie am Abend zuvor als Letztes das Bildnis von dem süßen Jungen angesehen hatte. Es hatte auf dem kleinen Papierstapel ganz obenauf gelegen, das wusste sie genau! Jetzt war da das Gesicht des jungen Studenten aus Frankreich zu sehen, der ihr statt Geld einen seiner Burger schenkte und dann das Bild gar nicht haben wollte.  Wo aber war die Zeichnung von dem Kleinen? Sie blätterte alles nochmals durch. Nichts! Es war verschwunden! Womöglich hatte sie es versehentlich mit ihrem langen Mantel von der Kiste gewischt, die als Tischchen diente. Stella suchte den ganzen Raum ab, aber sie fand es nirgendwo. Es blieb verschwunden. Ob sich ihre komische Ahnung bestätigte? War vielleicht doch jemand hier gewesen? Aber wer klaute denn eine Bleistiftzeichnung? Sie blätterte nochmals alles durch und – fand das Bild! Es lag ganz zu unterst! Ich glaube, ich werde langsam verrückt! Ständig glaube ich, mich würde jemand verfolgen! dachte sie und strich sich mit der Hand über die Stirn, als würden dadurch diese unangenehmen Gedanken verschwinden.  

Da hörte Stella es vor der Tür rascheln! Ein Reflex ließ sie nach der Eisenstange greifen und sich in die Ecke hinter der Tür hocken. „Wer ist da?“. Natürlich bekam sie keine Antwort, aber ihr war so, als höre sie ein leises unterdrücktes Kichern. Das konnten nur diese Kinder sein! Sie mussten ihr Versteck entdeckt haben. Stella riss beherzt die Tür auf. „Was wollen Sie von mir?“ fragte sie laut in die Dunkelheit. Sie musste sich große Mühe geben, das Zittern in ihrer Stimme nicht hören zu lassen. Wieder kam keine Antwort. Sie huschte in den kleinen Raum zurück, schlug die Tür hinter zu und lehnte sich dagegen, als würde sie dadurch verhindern können, dass doch jemand zu ihr eindrang. Also doch! dachte sie. Ich bin doch noch nicht irre. Hier war tatsächlich jemand drin und hat in meinen Zeichnungen gewühlt! Ob es wirklich nur Kinder waren? Wenn ja, wieso trieben die sich denn schon zu so früher Stunde hier herum? Es war gerade erst 7:30 Uhr! Aber ein Erwachsener hätte vermutlich versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Warum sonst hätte er sich zu solch einer Zeit auf den Weg zu ihr machen sollen? Oder nicht? Sie war völlig durcheinander. Was mache ich denn jetzt? Umziehen? Aber wohin denn? Kann ich sicher sein, dass sie mich nicht auch woanders finden? Die wohnen sicher schon viel länger hier unten als ich und kennen sich bei Weitem besser aus. Der Gedanke daran, aus ihrem kleinen Unterschlupf wieder ausziehen zu müssen, um weiterhin ihre Ruhe haben zu können, war ihr mehr als lästig. Inzwischen hatte sie soviel Kram zusammengeschafft, dass es sehr mühselig wäre, es an einen anderen Ort zu schleppen. Andererseits wäre es ja vielleicht gar nicht schlecht, jemanden in der Nähe zu wissen, der einem im Notfall helfen konnte. Man müsste nur herausfinden, mit wem man es wirklich zu tun hatte. Waren es gute Menschen? Wer Kinder bei sich hat, konnte doch eigentlich nur gut sein, oder nicht? Sie schüttelte innerlich den Kopf und musste an David und Jared denken. Die beiden waren alles, aber bestimmt keine guten Menschen! Wenn Stella herausfinden wollte, wer da um ihr Kämmerchen schlich, sich ihre Sachen ansah und zu wem derjenige gehörte, würde sie sich wohl überwinden und den Kontakt suchen müssen. 

Stella machte sich aber zunächst einmal „Frühstück“. Sie goss das inzwischen kochende Wasser in die alte Blechdose, die ihr als Tasse diente und gab einige Krümel Tee dazu. Langsam trank sie dieses leicht angefärbte Wasser, damit der Magen endlich ein wenig Ruhe gab. Sie schaute noch einmal in der Kiste nach, die sie für Vorräte, wenn sie denn mal welche hatte, benutzte. Aber da fand sich absolut nichts Nahrhaftes mehr. Nicht einmal ein alter Keks. Stella seufzte. War es schon wieder Zeit zum Betteln gehen? Oh, wie sie das hasste! Sie zählte die Geldstücke nach, die sie noch übrig hatte. 6 Cent und ein Knopf! Großartig! Gedankenverloren kaute sie an einer trockenen Nudel und fragte sich, ob sie den Winter auf diese Weise überleben würde. Es musste etwas passieren, das stand fest. Die Idee, mit den Anderen Kontakt aufzunehmen, setzte sich immer mehr in ihrem Kopf fest. Wenn die schon länger so lebten, dann wussten die vielleicht noch andere Möglichkeiten, sich Nahrung zu besorgen als an den Hintertüren der Restaurants zu betteln. Aber würden die ihre Quellen preisgeben und mit ihr teilen? Und waren die legal? Sie würde auf keinen Fall straffällig werden wollen! Dann war da noch die Frage, wie und wo sie die Anderen finden würde. Sollte sie ihnen erst einmal nachschleichen und beobachten oder gleich offen auf sie zugehen? In Anbetracht dessen, dass die hier eingedrungen waren und in ihren Sachen rumgewühlt hatten, konnte es ja möglich sein, dass die bösartig waren. Andererseits hatten sie nichts zerstört oder gestohlen. Sie hatten ihr auch nicht aufgelauert, um ihr etwas anzutun. Stella seufzte. Zögernd stellte sie die geleerte Büchse beiseite und begann, die alte Tasche neu zupacken, diesmal mit Skizzenblock und Stiften. Ebenso steckte sie ihre Handtasche ein, die sie bei der Flucht noch bei sich hatte. Der Inhalt konnte durchaus nützlich sein. Sie löschte das kleine Feuer, nahm Lampe sowie Eisenstange und machte sich auf den Weg. 

Stella wollte zuerst den Weg nehmen, der sie zu den alten Holzkisten geführt hatte. Aber dann dachte sie, dass das unsinnig wäre. Da sie den Unbekannten vorhin nicht begegnet war, mussten die aus einem anderen Gang gekommen sein. Der Weg, den sie benutzt hatte, wurde von einem anderen, kleineren Tunnel gekreuzt. Doch welcher der beiden Abzweige war denn nun der richtige? Sie entschied sich kurzerhand für den linken, aber nach einer viertel Stunde wurde der Gang immer niedriger und enger. Selbst sie, die relativ klein und zierlich war, musste sich schon in gebückter Haltung hindurchzwängen. Plötzlich war vor ihr eine Wand. Hier war also Endstation. Stella schnaufte enttäuscht und machte kehrt. Als sie am Ausgangpunkt angekommen war und nun den vor ihr liegenden Tunnelgang weitergehen wollte, stolperte sie über ein kleines Päckchen, das genau in der Mitte der Kreuzung lag. Erstaunt wollte sie danach greifen, zuckte dann aber zurück und schaute mit pochendem Herzen in jeden der Gänge. Aber da war niemand!  Es musste aber in der Zwischenzeit jemand hier gewesen sein, denn das Päckchen hatte vorher nicht dort gelegen. Das hätte sie bemerkt! Ob das eine Falle war? Stella fühlte sich plötzlich beobachtet und sehr unbehaglich. Vorsichtig stieß sie mit der Eisenstange an das, was da vor ihr lag. Es war eine Papiertüte mit irgendetwas darin. Sie wartete einen Moment, ob sich irgendwo etwas regen würde. Aber es explodierte nichts und es schlang sich auch nicht plötzlich ein Strick um sie, keine Falltür öffnete sich unter ihr und es schrillten auch keine Alarmglocken. Als all ihre schlimmen Erwartungen ausblieben, fing sie an, so lange mit der Stange an der Tüte herumzustochern, bis das Papier zerriss und etwas über den Boden rollte. Mit der Lampe beleuchtete sie dieses verdächtige Etwas. Sie konnte ihr Glück kaum fassen – ein Apfel und ein Stück trockenes Brot! Stella vergaß jede Vorsicht, ließ die Stange fallen, hockte sich auf den Boden und stopfte sich gierig das Brot in den Mund. Natürlich war das keine gute Idee, denn sie verschluckte sich daran und musste heftig husten. Sie brauchte eine Weile, um sich von dem Hustenanfall zu erholen. Als das Atmen wieder leichter fiel, versuchte Stella es noch einmal – diesmal allerdings mit  kleinen Stückchen und langsamem, gründlichem Kauen, um diese Mahlzeit so lange wie nur möglich genießen zu können. Sie lehnte sich an die kalte Wand, schloss selig die Augen und lächelte. Plötzlich kam ihr ein unangenehmer Gedanke: Was, wenn das hier jemand  verloren hat? Hoffentlich hab ich  jetzt niemandem etwas weggegessen? Könnte aber auch sein, dass meine „Schatten“ es absichtlich hier hinterlassen haben. Extra für mich? Na, wie auch immer – ich bin demjenigen jedenfalls sehr dankbar. Stella räusperte sich und rief ein lautes „Danke!“ in die Tunnel! Sie lauschte einen Moment lang, ob sie Antwort bekommen würde. Als sich wiederum nichts Außergewöhnliches tat, rappelte sie sich wieder auf und klopfte überflüssigerweise den Staub vom Mantel. Der Apfel verschwand in der Tasche. Für später, dachte sie, wer weiß, wann ich mal wieder so ein Glück habe! Dann betrat sie den nächsten Gang. 

Dieser Weg war bedeutend bequemer zu passieren. Es fiel ihr auf, dass sich in Kopfhöhe zwei Rohre durch diesen Tunnel zogen. Ab und zu hörte man dieses helle Klopfen, wie Stella es schon bis in ihr Versteck gehört hatte, nur viel deutlicher. Nach 10 Minuten musste sich die junge Frau erneut zwischen zwei Wegen entscheiden. Es schien ihr richtig zu sein, weiterhin den Rohren zu folgen. Die Durchgänge, die in unregelmäßigen Abständen rechts und links abzweigten, gähnten ihr wie riesige Mäuler entgegen. Bildete sie sich das ein oder wurde es dort vorn heller? Tatsächlich – je tiefer man in’s Innere vordrang, desto mehr wich die Dunkelheit. Da war auch ein Rauschen zu vernehmen, das immer stärker wurde. Sie überlegte, ob sie dem nachgehen sollte, aber dann würde sie den Weg mit den Rohren verlassen müssen. Die verschwanden nämlich im letzten der Durchgänge, die sie passieren mussten. Stella wählte das Licht, denn sie würde die Rohre auf dem Rückweg schon wieder finden. Wo wäre ich wohl jetzt, wenn ich den gleichen Weg an der Oberfläche zurückgelegt hätte? Nach meinen schmerzenden Füßen zu urteilen, wäre das sicher schon Alaska! Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte Stella, dass sie schon fast anderthalb Stunden unterwegs war. Bei dem Gedanken daran, dass der gleiche Weg ja noch einmal zurückgelegt werden musste, um wieder „nach Hause“ zu kommen, stöhnte sie leise. Daran hätte ich schon viel eher denken müssen! Aber erst will ich noch wissen, was da vorn so rauscht und woher das Licht kommt!  

Während Stella bisher immer bergab gegangen war, ging ihr Weg plötzlich in eine Steigung über und es wurde extrem eng. Sie musste auf allen Vieren kriechen, um den Anstieg zu bewältigen. Es war überaus anstrengend und schweißtreibend, aber sie musste unbedingt wissen, was da vorn war. Die Öffnung, durch die das Licht fiel, war nicht mehr weit entfernt. Sie hielt inne und lauschte wieder. Da waren Stimmen! Ja, helle Kinderstimmen! 



[editiert: 08.11.09, 13:10 von sheena]
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sheena
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6. Kapitel – Verborgene Wunderwelt 

Stella löschte die Laterne, damit sie der Lichtschein nicht verraten konnte. Ganz vorsichtig blickte sie durch die Öffnung, die nicht größer war als eine Dachluke und konnte kaum fassen, was sie dort sah. Ihre Augen weiteten sich und sie hielt wie verzaubert den Atem an: frontal fiel der Blick auf scharfkantige Felsen, bizarre Gesteinsformationen, vermutlich mehrere hunderttausend Jahre alt, die einen riesigen Dom bildeten. Stella wandte fassungslos den Blick nach links, in die Richtung, aus der das Rauschen kam und schnappte nach Luft. In Höhe ihres Verstecks gähnte in der Felswand eine riesige Öffnung, aus der, gleich silberner Haarsträhnen, Wasserfälle in die Tiefe stürzten. Das Licht, welches sie bis hierher gelockt hatte, fiel von sehr weit oben durch den gleichen Schacht ins Innere dieses enormen Gewölbes. Angesichts dieser Ausmaße kam sich Stella winzig wie eine Ameise vor. Die Luft flirrte, als hätte jemand Silberflitter in die Luft geworfen, der mit Glühwürmchen um die Wette tanzte. Sie kannte zwar Wasserfälle aus ihrer Heimat, aber sie hätte nie vermutet, dass man so etwas Wundervolles tief in der Erde unter einer Millionenmetropole wie New York finden würde.  

Stella rutschte noch näher an die Öffnung, um sehen zu können, woher die Stimmen kamen. Auf der gegenüberliegenden Seite, am Ufer des Auslaufs, wo sich das Wasser schon wieder etwas beruhigte, entdeckte sie fünf Kinder im Alter zwischen 8 und 14 Jahren, die mit Holz und Werkzeug hantierten. Offensichtlich wollten sie etwas bauen. Ein wenig abseits hockte ein kleinerer Junge auf dem nackten Felsboden und schaute neugierig den Großen zu. Vermutlich hätte er gern mitgearbeitet, aber wenn man noch so klein ist, schicken einen die Älteren immer weg, weil man angeblich nur stören würde! Stella kannte das aus ihrer Kindheit. Ihre großen Schwestern hatten sie auch nie mitmachen lassen, egal, wobei.  

An der Felswand hinter der kleinen Gruppe hatte es sich eine ältere, hagere Frau mit gütigem Gesicht bequem gemacht. Ihr Haar war zu einem Dutt aufgesteckt. Sie saß auf einer Decke, hatte sich an die Wand gelehnte und strickte. Neben ihr stand ein Korb mit Äpfeln. Ab und zu schaute sie lächelnd zu den Kindern hinüber und schüttelte amüsiert den Kopf. Stella bemerkte, dass alle Kinder und auch die Frau dieselbe merkwürdige Kleidung trugen wie ihr kleines Modell vor dem Spielzeugladen. Nun hatte sie eine Ahnung, wo das Kerlchen und das große Mädchen, das ihn gesucht hatte, leben könnten. Wenn die beiden zu denen da unten gehörten, waren sie anscheinend gar nicht so sehr zu bedauern, denn dann hätten sie Unterkunft, Nahrung, eine Familie und offensichtlich Spaß. 

Stella machte es sich in ihrem Versteck etwas bequemer und sah lächelnd den kleinen Handwerkern zu. Nach einer Weile nahm das Projekt der Kinder langsam Gestalt an. Anscheinend wollten sich die Burschen ein Floß zusammenbauen. Sie hämmerten Nägel in Holzbretter und banden Stricke um Stangen, lachten und stritten, überlegten und rissen wieder auseinander, um von vorn anzufangen. Man hörte Wortfetzen wie: „Aber Vater hat gesagt.....“ und „Vincent hat mir gezeigt..... „ oder auch „Mouse wollte doch noch........“.  

Der Kleine hatte sich unbemerkt dichter an die Baustelle herangeschoben und reckte den Hals, um besser sehen zu können. Das war allerdings nicht sehr klug, denn ein älterer Junge mit Brille trug ein langes Brett unter dem Arm und drehte sich nun unerwartet herum. Er erwischte versehentlich mit dem einen Ende des Brettes den Knirps an der Schulter. Der Kleine schrie laut auf und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Arm. „Jacob, was ist los?“ rief die Frau erschrocken und rappelte sich, so schnell es ihr möglich war, auf. Die anderen Kinder ließen augenblicklich alles fallen und stürzten auf den Jungen zu, der sich bemühte, die Zähne zusammenzubeißen und nicht zu weinen. Die Frau prüfte besorgt, ob er sich wirklich ernsthaft verletzt hatte, konnte aber nichts feststellen und streichelte mit tröstenden Worten den Arm des kleinen Unglücksraben. Der Große mit der Brille stand mit betroffener Miene daneben. „Es tut mir so leid, Jacob. Ich hab dich nicht gesehen.“ entschuldigte er sich. Dann wandte er sich an die Frau: „Wirklich, Mary, ich hab das nicht mit Absicht getan!“ Mary nickte verstehend: „Ist schon gut, Eric.“ Der Kleine schniefte:„Ich weiß ja, dass das keine Absicht war. Hab mich nur so erschrockt.“ Ein anderer Junge mit rostrotem Haar rief dazwischen: „Das heißt aber ‚erschreckt‘!“. „Nein“, meinte ein Dritter, „das heißt ‚erschrocken‘!“ Die Frau hob beschwichtigend eine Hand und meinte mit sanfter Stimme: „Wir werden nachher zu Vater gehen und ihn um ein Wörterbuch bitten. Dann könnt ihr nachschauen, was richtig ist!“ Sie zog den Jungen, den alle ‚Jacob‘ genannt hatten, zu sich auf die Decke, drückte ihm einen Apfel in die linke, ein Buch in die rechte Hand und gab ihm einen Kuss auf den rotbraunen Wuschelkopf. Er rückte sich zurecht, lehnte sich, wie die Frau, an die Felswand und wischte noch einmal kurz mit dem Ärmel über Augen und Nase. Bevor er sich seinem Buch zuwandte, schaute er noch einmal sehnsüchtig zu den Großen hinüber und seufzte. Plötzlich wanderte sein Blick die gegenüberliegende Felswand hinauf und blieb an Stellas Ausguck hängen. Er kniff die Augen zusammen und sah ihr für einen kurzen Moment direkt ins Gesicht. Sie duckte sich. Hatte sie recht gesehen? Das war doch der Knirps, den sie porträtiert hatte! Der vom Spielzeugladen! Diese blauen Augen – das musste er sein! Sie wartete auf irgendeine Reaktion des Jungen, die sie verraten würde. Aber alles blieb ruhig. Vorsichtig schaute sie noch einmal hinüber. Der Kleine fixierte immer noch ihr Versteck, rührte sich aber nicht. Er schien den anderen seine Entdeckung noch nicht mitgeteilt zu haben, denn alle gingen weiterhin ruhig ihren Tätigkeiten nach. Stella erwiderte nun seinen Blick und legte dabei einen Finger an die Lippen. Eine stille Bitte, sie nicht zu verraten. Einen Moment schien der Kleine zu überlegen, dann nickte er kaum wahrnehmbar. 

Die junge Frau hatte nun ungefähr eine halbe Stunde in ihrem Versteck gehockt und spürte, wie die Kälte wieder in ihr hochkroch. Darüber hinaus war es sicher besser, jetzt hier zu verschwinden. Sie trennte sich zwar nur ungern von diesem Anblick der Harmonie und Freundlichkeit, aber sie hatte schließlich noch einen weiten Weg vor sich, der noch dazu bergauf ging. Sie kroch den Gang zurück, bis es wieder möglich war, aufrecht zu stehen und streckte sich, um Gelenke und Muskeln zu lockern, die von der kauernden Haltung zu schmerzen begonnen hatten. Stella zündete ihre Laterne wieder an und machte sich nachdenklich auf den Rückweg. Sie war fasziniert davon, wie freundschaftlich, respektvoll und geduldig die Kinder miteinander umgingen. So konnte es also auch gehen, nicht nur mit Schadenfreude, Hohn und Gewalt, wie sie es von Jared und seinen Freunden kannte. 

Stella musste auf ihrem Rückweg wieder vorbei an den gähnenden Mäulern, die ihr merkwürdigerweise gar nicht mehr so unheimlich vorkamen. Als sie an dem ersten Durchbruch vorbeigehen wollte, stellte sie fest, dass man das Rauschen des Wassers durch diesen Tunnel noch viel deutlicher wahrnehmen konnte. Das hatte sie vorhin gar nicht bemerkt, weil sie sich nur auf das Licht konzentriert hatte. Stella zögerte und überlegte, ob sie sich nicht doch noch schnell mal in diesem Teil umsehen sollte. Die Neugier siegte über die Müdigkeit. Obwohl sie ja eigentlich schon längst auf dem Rückweg sein wollte, bog sie nun doch nach rechts ab. Auch hier verzweigte sich der Weg nach einigen Metern. Aber am Ende des einen Ganges sah sie wiederum Licht. Diesen betrat sie. Diesmal wurde es nicht enger und es ging auch weiterhin bergab. Sie konnte bequem aufrecht bis zum Ende gehen. „Wieso hab ich denn diesen Weg nicht gleich genommen?“ murmelte sie in sich hinein. „Nöö, da kriecht man lieber wie eine Blindschleiche auf dem Bauch und holt sich aufgeschrammte Knie und n Schnupfen!“ Schon von weitem konnte man die Reflektionen des Wassers erkennen, die wie hektische kleine Spots über die Tunnelwände huschten. Einen Moment blieb Stella stehen und schaute den tanzenden Lichtflecken zu. Sie musste sich auf gleicher Höhe mit dem Gewässer befinden. Tatsächlich – am Ende des Ganges stand sie direkt am Ufer des Flusses, der zur rechten Seite hin in den Wasserfall überging. Stella hielt inne und lehnte sich an die Felsen, um diesen unglaublichen Anblick in sich aufnehmen zu können. An den Felswänden hatte sich wie ein dicker Teppich ein Geflecht von Moosen gebildet,  über den man unwillkürlich mit der Hand streichen wollte. Myriaden von Wassertropfen blitzten in diesem Gewebe wie Silber auf. Das alles hatte etwas Berauschendes und Mystisches. Stella stand da und staunte wie ein Kind auf dem Weihnachtsmarkt. Sie schloss die Augen und horchte nur noch auf das Rauschen des Wassers. Sie sog den Duft der feuchten Luft ein, der sich mit dem von Erde mischte. Sie spürte den feinen Wasserstaub auf ihrem Gesicht und fühlte, wie er sich wie ein Schleier auf ihr Haar legte. Plötzlich stellte sie fest, dass in der Geräuschkulisse etwas fehlte. Sie hörte die Kinder nicht mehr! Langsam öffnete Stella die Augen und lauschte angestrengt. Wurden die Stimmen vom Rauschen des Wasserfalls verschlungen oder war sie tatsächlich allein in diesem riesigen Gewölbe? Schritt für Schritt schob sie sich auf dem schmalen Uferweg entlang in Richtung Fallkante, um dann seitlich auf den frei fallenden Fluss und den darunterliegenden See blicken zu können. Von ihrem Versteck aus war es schon ein atemberaubender Anblick gewesen, aber von hier aus in die Tiefe zu blicken ließ sie taumeln. Das feinzerstäubte Wasser und das Licht zauberten über dem Auslauf des Wasserfalls einen Regenbogen. Eine Märchenkulisse!  Alles schien so unwirklich und war doch da vor ihr zu sehen!



[editiert: 08.11.09, 13:19 von sheena]

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sheena
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New PostErstellt: 11.11.09, 10:35  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

7. Kapitel – Gefährlicher Weg

Vorsichtig beugte sie sich vor, um unbemerkt die andere Seite des Seeufers sehen zu können. Das Werkzeug und die Baumaterialien lagen verwaist auf dem Felsboden. Die Frau mit dem kleinen Jungen war auch verschwunden. Nur die Decke, auf der die beiden gesessen hatten, und das Buch des Kleinen lagen noch da. Es deutete alles darauf hin, dass sie vorhatten, wieder zurückzukommen. Stella überlegte, ob sie ihnen folgen sollte. Sie war ja eigentlich hierher gekommen, um Kontakt mit diesen Leuten aufzunehmen. Die Frau hatte einen freundlichen Eindruck gemacht. Man brauchte sicher keine Angst zu haben, dass sie einen angreifen oder fortjagen würde. Stella nickte fest entschlossen in sich hinein und wollte sich auf den Weg machen. Aber wie? Sie musste feststellen, dass hier an dieser Stelle der Weg für sie zu Ende war. Wie sollte sie über den Fluss kommen? An der Seite des Wasserfalls hinabzuklettern wäre einfach, da die Felsen gut dafür geeignet wären. Allerdings würde sie unten wieder vor dem gleichen Problem stehen. Stella entschied, zum Durchgang zurückzuklettern und sich in der anderen Richtung, flussaufwärts, umzuschauen. Vielleicht gab es hinter der Flussbiegung eine Möglichkeit, die Seiten zu wechseln.

Der Weg am Ufer entlang war schmal und glitschig, das erschwerte das ganze Unterfangen erheblich. Dazu kam noch, dass Stellas Kräfte nun doch sehr nachließen und sie in jedem Muskel und Knochen die Anstrengungen der letzten Stunden spürte. Aber sie wollte unbedingt noch schauen, ob sie einen Übergang finden konnte. Sie setzte vorsichtig einen Fuß nach dem anderen, tastete mit den Händen an den Felswänden nach Gelegenheiten, die Halt geben konnten. Der Pfad wurde nach ein paar Metern so schmal, dass sie nur noch seitlich Schritt für Schritt vorwärts kam. Stella presste sich an bäuchlings an die Wand und klammerte sich an kleinen Vorsprüngen fest, so gut sie konnte. Plötzlich löste sich unter ihrem Fuß ein kleiner Stein. Sie verlor den Halt und rutscht ab. Kaltes Wasser umspülte ihre Beine. Die Jogginghose und der Saum ihres langen Mantels sogen sich augenblicklich voll und wurden immer schwerer. Die alte Tasche auf ihrem Rücken zog sie noch zusätzlich in Richtung Wasser! Stella wurde panisch und versuchte verzweifelt, mit ihren Füßen wieder Halt zu finden. Sie keuchte vor Anstrengung und Angst. Wenn sie hier in den Fluss fiele, würde sie das nicht überstehen. Die schwere Kleidung würde Stella in die Tiefe ziehen und sie würde ertrinken. Sollte sie es wider Erwarten schaffen, sich über Wasser zu halten, wäre spätestens am Wasserfall ihr Leben zu Ende. Den Sturz in die Tiefe würde sie sicher nicht überleben. Die Kraft in den Händen ließ rapide nach. Hektisch suchten ihre Füße nach Halt. "Hilfe!", keuchte sie tonlos. "Hilft mir denn keiner? Das kann es doch nicht gewesen sein!" Die rechte Hand rutschte nun endgültig von dem feuchten Felsvorsprung ab. Dafür hatte mit einem Mal der Fuß wieder festen Grund. Nun konnte sie sich mit der Kraft des Beines etwas hochdrücken, um sich so wieder mit beiden Händen am Fels festhalten zu können. Dann zog sie sich mit aller Kraft auf den schmalen Pfad zurück. Als Stella unter beiden Beinen festen Boden spürte, musste sie erst einmal innehalten und ausruhen. Ihr Atem flog und das Herz raste. Ihr war heiß und kalt zu gleich. Der ganze Körper zitterte vor Anstrengung. Trotz der hohen Luftfeuchtigkeit war ihre Kehle wie ausgedörrt. Stella stand festgekrallt an der Wand und wagte kaum, sich zu rühren. Aber sie musste hier weg. Irgendwie! Es war niemand da, der ihr hätte helfen können. Sie war ganz auf sich allein gestellt. Die Kräfte ihrer zitternden Glieder ließen immer mehr nach, also musste so schnell wie möglich was passieren. "Los, Stella! Weiter! Du musst! Weiter! Du schaffst das! Du musst das schaffen!" sprach sie sich selber Mut zu.

Stella bedauerte ihren Leichtsinn sehr. Wie konnte sie so etwas Gefährliches allein unternehmen? Aber gut, sie war nun mal hier und musste irgendwie weiter. Doch hatte es überhaupt noch Sinn, sich weiterhin dieser Gefahr auszusetzen? Sollte sie nicht lieber versuchen, heil zum Durchgang zurückzukommen, bevor es zu spät war und sie Mut sowie Kraft vollends verließen? Also wie jetzt weiter? Vorwärts? Ja, auf jeden Fall! Den gleichen Weg zurückzugehen schien ihr unlogisch, denn dann müsste man irgendwann diesen Wahnsinn noch einmal wagen. Vielleicht war ja auch direkt hinter der Biegung ein Übergang! Wenn doch nur diese verdammt Neugier nicht wäre! Dummerweise war die wieder mal stärker als die Vernunft. Stella wollte keinen weiteren Gedanken mehr daran verschwenden, dass sie ja noch den weiten Weg bis zu ihrem Versteck zurücklegen musst und auch nicht daran, ob es von dort, wohin sie jetzt wollte, überhaupt einen Weg zurück geben würde. Möglicherweise waren ja die Chancen zu überleben, auf der anderen Seite des Flusses viel größer. Eine wärmere Höhle, Menschen, die es gut ihr meinten, ihr halfen und sie vielleicht auch brauchten. Stella seufzte und zuckte leicht die Schultern: "Was soll’s! Ich werde es ja merken, wenn es ein Fehler war. Schlimmer kann es ja kaum noch werden! Also, vorwärts, Mädchen! Du bist schon zu weit gegangen, um umzukehren!" Sie wagte es, sich leicht nach hinten zu lehnen, um besser in die Flussbiegung einsehen zu können, doch ein Felsvorsprung versperrte ihr die Sicht. Also noch einen winzigen Schritt vorwärts! Diesmal war Stella klüger und prüfte jeden Stein unter ihren Füßen auf seine Widerstandfähigkeit. Der Absatz, auf dem sie sich entlanghangelte, war gerade so breit wie ein Fuß lang, aber er schien fest zu sein. Als sie die nächsten Meter sicher hinter sich gebracht hatte, wurde sie wieder zuversichtlicher und gewann ihren Mut zurück. Irgendwann wurde dieser Sims so breit, dass man nicht mehr seitwärts gehen musste. Jetzt konnte man auch hinter dem Felsvorsprung weit in den Tunnel hineinsehen, aus dem sich ihr der Fluss durch sein unterirdisches Bett entgegenschlängelte. Stella kniff die Augen zusammen, um durch das Halbdunkel hindurch in der Ferne etwas erkennen zu können. Sie hörte ein metallenes Rasseln und Klappern. Was war das und woher kam dieses Geräusch?

Es erinnerte sie an ihre Kindheit. Im Garten der Großeltern hatte der Großvater für sie und ihre Schwestern an einem dicken Kirschbaumast eine Schaukel befestigt. Diese hing an Ketten, die das gleiche Geräusch verursachten, wenn die leere Schaukel durch den heftigen Wind, der vom Meer herüberwehte, bewegt wurde. Für einen kurzen Moment war Stella wieder in diesem Garten, sah sich als Sechsjährige auf dem dicken Ast sitzen und von oben ihre fünf Jahre ältere Schwester Birgit mit Kirschkernen bespucken. Zur Strafe, weil die sie nicht auf die Schaukel gelassen hatte. Leider hatten die Kirschkerne auf Birgits Kleid winzige, rote Spuren hinterlassen. Stellas Strafe dafür bestand darin, dass sie tags darauf am Waschtrog stehen und das Kleid waschen musste. Birgit und die ein Jahr jüngere Marlen hatten ihr hämisch grinsend dabei zugesehen und fleißig Kirschen in sich hineingestopft. Damals hatte Stella sich geschworen, dass sie den beiden das irgendwann heimzahlen würde. Aber das erübrigte sich, denn zu ihrer größten Freude hörte sie die Schwestern in der Nacht wegen heftiger Bauchschmerzen jammern. Am nächsten Tag mussten die beiden mit Kamillentee und Wärmflasche im Bett bleiben. Da hatte sie die Schaukel ganz für sich allein.

Der Gedanke an ihre Kinderzeit bei den Großeltern wärmte sie ein wenig, denn durch die nasse Kleidung, den Hunger und die Müdigkeit fror sie erbärmlich. Stella bedauerte, dass sie nicht daran gedacht hatte, ein paar Holzscheite in ihre Tasche zu packen, dann hätte sie sich jetzt ein kleines Feuer machen können. So musste sie in Bewegung bleiben, um nicht einzuschlafen und völlig auszukühlen. Aber hier, an dieser Stelle, wäre ein Feuer sowieso nicht möglich gewesen.

Sie hatte sich inzwischen ein gutes Stück diesem Rasselgeräusch genähert. Jetzt war auch zu erkennen, wodurch es verursacht wurde. Vor ihr tauchte undeutlich etwas auf, das den Fluss überspannte - eine Hängebrücke! Stella konnte es kaum fassen! Wer, um alles in der Welt, baute hier unten so ein Ding? Aber das war ihr jetzt so ziemlich egal. Wichtig war für sie nur, dass sie endlich gefunden hatte, wonach sie so angestrengt gesucht hatte. Nun konnte sie darauf hoffen, den Winter zu überleben.

Stella hatte endlich die Brücke erreicht. Sie kletterte seitlich an dem Pfosten, an dem die starken, dicken Ketten befestigt waren hoch und ließ sich völlig entkräftet rücklings auf die Planken fallen. Sie schloss die Augen und wollte nie wieder aufstehen. Ihr Körper war wie mit Blei gefüllt. Die Hände taten ihr weh und brannten von der ungewohnten Anstrengung, sich an rauen Steinen festkrallen zu müssen. Die Knie zitterten noch im Liegen und die Füße fühlten sich wie Eisblöcke an. Ihre Lunge pumpte heftig Sauerstoff in sich hinein und das Herz raste. Stella wäre am liebsten regungslos liegen geblieben, bis ihr Körper wieder seinen normalen Zustand erreichte, doch die Kälte ließ das nicht zu. Ächzend setzte sie sich auf und sah sich um. Eigentlich ein wunderschöner Platz, wenn man in der richtigen Stimmung war. Aber im Moment hatte sie keinen Sinn für den Liebreiz dieser unterirdischen Wunderwelt.

Stella stand mühselig auf und hielt sich krampfhaft an der Kette fest, die als Handlauf diente. Eine äußerst wackelige Angelegenheit! Sie schaute zu dem Ende der Brücke, an welchem sie hier heraufgeklettert war und stutzte. Nein, dass konnte nicht wahr sein! Sie sah entgeistert auf die Tunnelöffnung, die ihr da entgegengähnte! Hierher führte also auch ein weit weniger gefährlicher Weg! Sie hätte nur sämtliche Gänge abklappern müssen und wäre dann irgendwann mit trockenen Füßen hier angekommen. Genervt verdrehte sie die Augen und schüttelt ungläubig den Kopf über ihre eigene Dummheit. Vorsichtig drehte sie sich nun in die andere Richtung und versuchte, dieses Schaukelding unter ihren Füßen nicht zu sehr in Bewegung zu bringen. Als sie nach dieser Wackeltour unbeschadet das andere Flussufer erreicht hatte, sah sie zurück, lächelte zufrieden und war ein ganz kleinwenig stolz auf sich. Vor einer Viertelstunde hatte sie noch geglaubt, sie müsste in diesem eiskalten Wasser ertrinken und niemand würde je ihre sterblichen Überreste finden. Plötzlich war das alles hier gar nicht mehr so entsetzlich, wie es vorhin noch den Anschein hatte. Mit einem Ruck drehte sich Stella um und betrat den weiterführenden Tunnel.

Hier sah alles irgendwie anders aus. Es brannten Fackeln, die in Abständen an den Tunnelwänden befestigt waren. Dadurch war es hier bedeutend wärmer als auf der anderen Seite der Brücke. Der Boden war viel ebener und man stolperte nicht ständig über Geröll. Stella folgte diesem Gang, stieg eine schmale steinerne Treppe hinab und stand unverhofft in einem Zugang, der direkt zu der Stelle führte, an dem die Kinder gespielt und die Frau und der kleine Junge gesessen hatten. Die junge Frau stand mit offenem Mund und staunenden Augen am Ufer und versuchte, das alles zu erfassen. Aus dieser Perspektive bot der Wasserfall ein noch beeindruckenderes Bild als von ihren Ausguck dort oben. Wenn sie sich vorhin schon winzig vorgekommen war, dann wurde dieses Gefühl hier und jetzt noch bei weitem überboten. Die Mächtigkeit und die Höhe dieses Doms waren atemberaubend. Stella konnte sich von diesem Anblick einfach nicht trennen. Unbewusst nahm sie auf der Decke Platz, die liegengelassen worden war und bestaunte diese unterirdische Märchenwelt. Sie wartete auf die Feen und Trolle, von denen der Großvater ihr und den Schwestern an den langen, dunklen Winterabenden erzählt hatte. Diese langohrigen, knollnasigen Gestalten mussten doch jeden Augenblick hinter den Felsen hervorkommen! Großvater hatte allerdings immer berichtet, dass sich diese Märchenwesen meist in den riesigen skandinavischen Wäldern aufhielten und dort ihr Unwesen trieben. Es gab aber auch Hausgeister, die in den Häusern zwischen den Wänden lebten. Sie versteckten sich hinter den Öfen, wo es schön warm war. Stella hatte oft hinter den Kamin in Großmutters gemütlicher Küche geschaut, ob sie nicht doch einen Troll entdecken würde. Jedes Mal wurde sie enttäuscht. Sie wollte doch nur mal einen sehen, vielleicht auch mit ihm eine Weile spielen, weil sie ja sonst niemanden hatte. Wenn sie dann traurig auf ihrem Bänkchen saß und in die Flammen starrte, setzte sich die Großmutter zu ihr, bürstete ihr die langen blonden Zöpfe und nahm sie tröstend in den Arm. Ja, die Großmutter! Sie hatte sie weich und warm in Erinnerung, mit einem sanften, gütigen Lächeln auf dem runzeligen Gesicht und einer Brille auf der Nasenspitze. Wenn Stella irgendwo der Duft von Suppengrün und Äpfeln in die Nase zog, sah sie unweigerlich die geliebte Oma vor sich. So wie jetzt! Die alte Frau tauchte plötzlich aus einem lichtdurchfluteten Nebel auf und kam auf sie zu. Doch woher? Oma war doch schon lange tot! Doch dieser Duft war ganz dicht bei ihr! Sie sog ihn tief ein und lächelte. "Omi!" murmelte sie und streckte die Arme nach ihr aus. Eine warme Hand griff nach der ihren und hielt sie ganz fest. Die andere streichelte ihre Wange. Eine sanfte Stimme flüsterte: "Hallo, junge Frau!" Warum sagte Oma "junge Frau" zu ihr? Na ja, sie hatten sich ja ewig nicht gesehen. Allerdings klang ihre Stimme so merkwürdig. "Hallo, Augen auf!" hörte Stella. Sie versuchte angestrengt, die Lider zu heben. Und wieder diese merkwürdige Stimme, die so gar nicht zu Omas Gesicht passte: "Kommen Sie, wachen Sie auf!" Das Streicheln auf ihrer Wange ging zu einem herben Tätscheln über. Nach und nach fand Stella aus ihrem Traum in die Realität zurück, öffnete die Augen und sah durch einen Nebelschleier hindurch in das besorgte Gesicht von Mary.



[editiert: 13.11.09, 23:33 von Gaya]
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sheena
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New PostErstellt: 11.11.09, 10:42  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

das mit der formatierung tut mir sehr leid. ist alles bissel winzig. im original ist es die gleiche wie in den kapiteln zuvor, aber die wird merkwürdigerweise immer wieder verändert, egal, was ich anstelle!

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Gaya

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New PostErstellt: 11.11.09, 11:47  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

ja, das ist hier oft so blöd.



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sheena
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New PostErstellt: 13.11.09, 23:30  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

8. Kapitel - Krank 

Wie aus weiter Ferne und mit einem dumpfen Echo hörte Stella verschiedene Stimmen, die ihr Fragen stellten, deren Sinn sie allerdings nicht erfassen konnte. Ihre Augen brannten, der Kopf tat ihr weh und sie zitterte am ganzen Körper so sehr, dass ihre Zähne aufeinander schlugen. Als Mary in die glasigen Augen der jungen Frau sah, ahnte sie schon, was mit ihr los war. Sie legte ihre Hand auf Stellas Stirn und ihre Ahnung wurde bestätigt. „Sie hat hohes Fieber! Wir müssen ihr helfen!“ sagte sie zu ihrer Begleiterin,  die etwa in Stella’s Alter war. „Bitte hilf mir, Rebecca. Wir müssen sie zu Vater bringen, auch wenn er noch so sehr schimpfen wird.“ Die beiden Frauen griffen Stella unter die Arme und halfen ihr, so gut es ging, auf die Beine. Rebecca legte ihr die Decke über die Schultern, um sie zu wärmen. Mary wies an: „Ihr Kinder bleibt hier. Kipper, du bist der Älteste, du hast das Sagen, verstanden? Macht keinen Unsinn. Wenn wir die junge Frau versorgt haben, komme ich wieder! Und passt mir auf Jacob auf!“ Der Halbwüchsige, den sie angesprochen hatte, nickte ernst mit dem Kopf und griff automatisch nach der Hand des kleinen Jungen. „Mach dir keine Sorgen, Mary! Wir kriegen das hier schon hin!“ Mary nickte. Sie wusste, dass sie dem Jungen vertrauen konnte. Er war bisher immer zuverlässig gewesen. Dann legte sie sich den Arm der fiebernden Frau um die Schulter, um sie zu stützen. Rebecca tat das Gleiche auf der anderen Seite. Stella bekam das alles nur wie durch einen dicken Nebel mit. Der Tunnel, durch den sie geführt wurde, schien unendlich zu sein. Trotz der Hilfe der beiden fremden Frauen konnte sie sich kaum auf den Beinen halten. Kalter Schweiß bedeckte ihr Gesicht. Schüttelfrost hatte sie gepackt und ließ ihren ganzen Körper schlottern. Der Puls raste, ihr Kopf dröhnte bei jedem Schritt und Beine schien sie gar nicht mehr zu haben. Sie keuchte. Jeder Atemzug schmerzte in der Brust und reizte zum Husten. Als Mary dicht neben ihr nach einem „Vater“ rief, hatte sie das Gefühl, eine Sirene würde direkt in ihrem Kopf losgehen. Wann war diese Tortour endlich zu Ende? Sie wollte nur noch liegen und schlafen. 

Endlich wurde sie auf ein Bett gelegt. Ruhe! Schlafen! Nur noch Schlafen! Aber im nächsten Moment wurde sie schon wieder aufgerichtet, um ihr den feuchten, schweren Mantel, den Pullover und die Unterwäsche ausziehen zu können. Man befreite sie auch von den völlig durchnässten Schuhen, Strümpfen und der Jogginghose. Stattdessen zog man ihr ein langes, flauschiges Nachthemd an. Dann fühlte sie eine weiche Decke, die sie warm einhüllte. Der Brustkorb der jungen Frau pumpte wie ein Blasebalg. Ein harter, trockener Husten schüttelte krampfartig den kranken, fiebernden Körper.  Als sich der Anfall gelegt hatte, fiel Stella völlig entkräftet in die Kissen zurück. Jemand hob vorsichtig ihren Kopf an und hielt ihr einen Becher an die aufgesprungenen Lippen. Angenehm warmer Kräutertee rann durch die ausgetrocknete Kehle. Sie konnte gar nicht genug davon bekommen und wollte gierig den ganzen Becher auf einmal austrinken. Doch sie hörte, wie Rebecca’s Stimme leise mahnte: „Langsam, schön langsam!“ Sie gehorchte. „So ist es gut.“.  

Mary saß auf der Bettkante und legte der Kranken einen kühlenden Lappen auf die Stirn. Sanft strich sie der Fremden eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht und redete beruhigend auf sie ein. Als Mary Schritte hörte, sah sie auf. Angesichts der grimmig dreinschauenden Person, die ihre Kammer jetzt betrat, wechselt ihr Gesichtsausdruck von Mitleid zu Besorgnis. Rebecca versuchte sich unsichtbar zu machen und verzog sich in  eine Ecke, um sich um die nassen, schmutzigen Kleider der Frau zu kümmern. Gleich würde der alte, grauhaarige Mann wieder diese schon allseits bekannte Predigt halten. Er hatte ja Recht – es war immer ein großes Risiko, Fremde hierher zu bringen. Aber es war doch ein Notfall. Wenn er erst gesehen hatte, wie schlecht es der Frau ging, würde er das schon einsehen und sich beruhigen. Das war bis jetzt immer so abgelaufen, wieso nicht auch heute? Und in Fällen wie diesem musste man einfach helfen. Gerade er als Arzt verstand das letztendlich auch. Er würde selber auch nicht anders gehandelt habe.  

Da stand er nun vor Mary, hatte sein energisches Gesicht aufgesetzt und blickte streng über den Brillenrand. In der einen Hand hielt er eine alte abgewetzte Arzttasche, mit der anderen stützte er sich auf einen Gehstock. „Wie oft soll ich Euch noch ………“ begann er. Doch Mary fiel ihm ein wenig respektlos ins Wort: „Ja, ja, Vater. Ich kenne die Gesetze genauso gut wie du. Ich war dabei, als wir sie damals beschlossen hatten. Und diese Rede hast du schon oft genug gehalten. Dafür ist jetzt aber keine Zeit! Sie braucht deine Hilfe!“ Etwas konsterniert hob der alte Mann eine Augenbraue und verschluckte den Rest des Satzes, der ihm noch auf der Zunge lag. Gegen diese Frau kam er ja doch nicht an und Recht hatte sie auch noch. Er wechselte mit Mary die Plätze und begann, Stella zu untersuchen. Er hörte sie mit einem veralteten Stethoskop ab, fühlte den Puls und schob ihr ein Thermometer in den Mund. „Wo habt ihr sie gefunden?“ fragte er. „Sie lag am Ufer des unteren Sees, am Wasserfall.“ antwortete Mary. „Wie ist sie nur ungesehen bis dorthin gekommen? Und wer ist sie?“ überlegt er. Mary zuckte die Schultern und erneuerte den feuchten Lappen auf Stellas Stirn. „Das hab ich sie auch schon gefragt, aber sie konnte einfach nicht mehr antworten.“ Der alte Arzt zog seiner Patientin das Thermometer aus dem Mund und wiegte beim Ablesen besorgt den Kopf. „39,8°C! Ich werde ihr eines von unseren kostbaren Antibiotika geben müssen. Hoffentlich schleppt sie uns hier nicht irgendeine Seuche ein, wie es damals bei Dimitri der Fall war!“ Mary versuchte, ihn zu beruhigen: „Wir fanden sie in klitschnasser Kleidung. Ich denke eher, dass sie ins Wasser fiel und ziemlich lange mit diesen durchnässten Sachen herumirrte. Dabei wird sie sich erkältet haben. Sie hustet ganz furchtbar“ Vater knurrte mürrisch: „Ja, das hat man durch sämtliche Tunnel gehört. Hoffen wir, dass es nur eine Bronchitis ist.“ Er flößte Stella mit einem Löffel Hustentropfen ein und ließ sie mit Wasser nachspülen. „Dimitri hat auch gehustet und auf diese Weise fast die gesamte Tunnelgemeinde mit der Lungenpest angesteckt. Ihr wisst selbst am besten, wie es ausgegangen ist! Wieviel Mühe wir hatten, die Epidemie in den Griff zu bekommen!“  

Dank einiger Helfer, die bereit gewesen waren, sich der Gefahr der Ansteckung auszusetzen, konnten die entsprechenden Medikamente besorgt werden. Allein die Beschaffung so großer Mengen war schon riskant. Jeder Zeit hätten die falschen Leute aufmerksam werden können und die Tunnelgemeinde wäre entdeckt worden. Mary, Vincent, Catherine und einige Andere hatten Tag und Nacht geschuftet, um ihm zu helfen, die tödliche Krankheit erfolgreich zu bekämpfen. Trotzdem hatten sie Dimitri und die hübsche, kleine Elli verloren. Noch so eine Epidemie konnten sie hier unten nicht gebrauchen.  

Mary und Rebecca ließen wortlos Vaters Vorwürfe über sich ergehen und warfen sich hinter seinem Rücken vielsagende Blicke zu. Sie waren überzeugt davon, richtig gehandelt zu haben. Jeder andere hätte das gleiche getan. Der alte Mann vorne weg! 

Vater kramte in seinem Arztkoffer und holte ein Tablettenröhrchen hervor. „Hier! Bitte sorg dafür, dass sie die regelmäßig einnimmt“ Er drückte Mary das Antibiotikum in die Hand und tätschelte versöhnlich ihren Arm. „Wenn sich ihr Zustand verschlechtert, dann sag mir schnellstens Bescheid. Dann muss ich weitere Untersuchungen durchführen, um sicher zu gehen, dass es nicht doch etwas Gefährlicheres als eine Bronchitis ist.“ Mary drückt die Hand, die noch immer auf ihrem Arm lag: „Das mache ich. Du kannst dich auf mich verlassen.“ Er ließ ein kurzes Lächeln sehen. „Ich weiß.“ murmelte er. Dann verließ er die Kammer. Mary sah ihm lächelnd nach. Sie hatte schon vorher gewusst, dass er so handeln und so reden würde. Sein Zorn hielt nie lange an, er konnte einfach nicht nachtragend sein, wenn es um solche Dinge ging. Doch wenn er merkte, dass er hintergangen wurde oder jemand der „Familie“ schaden wollte, dann konnte er auch hart und unerbittlich reagieren. Seine Art, die Gemeinde zu führen, war die beste, die sich Mary vorstellen konnte. Schon damals, als sie hier runter kam, um Zuflucht zu finden, war sie von diesem Mann stark beeindruckt gewesen. Er hatte für sie eine unglaubliche Ausstrahlung. Wenn er den Raum betrat, war es nicht notwendig, dass er etwas sagte oder tat. Sein Charisma sorgte dafür, dass er sofort die Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte, auch wenn er nur in einer Ecke stand. Als er sie damals vor der kleinen Gemeinschaft begrüßte, hatte er sie mit einem Blick angesehen, der ihre Knie weich werden ließ. Sie war fast im selben Augenblick in ihn verliebt gewesen und liebte ihn auch heute noch. Doch Mary musste nach einiger Zeit einsehen, dass er in ihr nur eine hilfebedürftige, junge Frau sah und ihre Zuneigung nie erwidern würde. Trotzdem war sie bereit, alles zu tun, um ihm dabei zu helfen, diese kleine unterirdische Welt weiter auf- und auszubauen für Menschen, die, wie sie, nicht mehr weiter wussten und für die es „oben“ keine Chance mehr auf ein glückliches Leben gab. 

Mary sah noch einmal nach der Kranken und erneuerte die kühlenden Umschläge. Die Medikamente, die Vater der Fremden verabreicht hatte, schienen zu wirken, denn sie atmete sehr viel ruhiger und schlief fest. „So ist es gut“ flüsterte Mary, „schlaf dich gesund.“ Sie betrachtete Stella für einen Moment. Wie hübsch sie war, trotz der Blässe und der dunklen Augenringe. Hoffentlich war ihr Charakter genauso schön. Mary wollte nicht bereuen müssen, sie hierher gebracht zu haben. Doch so, wie sie ihren Pflegling aufgefunden hatte, schien sie auch nicht gerade in einen Glückstopf gefallen zu sein. Woher diese Frau wohl kam? Wie hieß sie und was hatte sie in die Tunnel verschlagen? Während Mary darüber nachgrübelte, kam Rebecca mit Stellas Sachen über dem Arm aus der Ecke. Sie legte den Apfel, den sie in der Manteltasche gefunden hatte, auf den Nachttisch und zeigte Mary die Skizzen: „Sieh dir das mal an!“ Die ältere der beiden Frauen blätterte erstaunt in dem Block. „Das ist ja unglaublich! Die sind wunderschön!“ Rebecca zog das letzt Bild hervor und legte es obenauf: „Und was sagst du hierzu?“ Mary blickte sprachlos auf: „Das ist Jacob! So langsam fange ich an, misstrauisch zu werden, Rebecca! Irgendwo muss sie den Jungen ja gesehen oder getroffen haben, sonst hätte sie ihn nicht so brilliant zeichnen können, oder was meinst du? Ob sie schon länger hier unten rumspioniert?“ Die Jüngere zuckte die Schultern. Mary legte den Block wieder in die alte Tasche und sah nachdenklich auf die Kranke. Zur Zeit bestand sicher kein Grund, sich Sorgen zu machen. Die Frau war im Moment nicht in der Lage, irgendeinen Schaden anzurichten, egal, welcher Art. Wenn es ihr allerdings morgen oder übermorgen ein klein wenig besser ging, würde sie sich ein paar Fragen gefallen lassen müssen.  

Die beiden Frauen verließen das Zimmer, um die Kranke in Ruhe schlafen zu lassen. Mary musste sich auch wieder um die Kinder kümmern. Sie bat Rebecca, ab und zu nach der Patientin zu sehen, dann machte sie sich wieder auf den Weg zum Wasserfall. 

Am See unter dem Wasserfall war tatsächlich ein kleines Floß entstanden. Als Mary wieder zurückkam, waren die Burschen gerade dabei, es zu Wasser zu lassen. Der kleine Jacob stand daneben und beobachtete das Treiben. Er hielt einen Hammer in der Hand und strahlte über das ganze, völlig verdreckte Gesichtchen. Als er Mary sah, lief er auf sie zu und rief aufgeregt: „Ich hab einen Nagel in ein Brett geschlagen! Ganz allein!“ Eric maulte dazwischen: „Ja, und meinen Daumen hat er gleich mitgetroffen. Ich hab den Nagel nämlich festgehalten!“ Jacob schaute verschämt auf seine Schuhspitzen und wurde rot. „Na, es war doch mein erster Nagel und entschuldigt hab ich mich doch auch!“ Mary musste schmunzeln. Sie wuschelte durch Eric’s Haar und meinte: „Na, dann seid ihr beide ja jetzt quitt, nicht wahr?“ Dann begutachtete sie das Kunstwerk und ließ sich geduldig einige Dinge erklären.  

Sie zuckte zusammen, als sie Jacobs quietschende Stimme vernahm, der lauthals „Daddy!“ krähte und auf eine riesige Gestalt, die den gesamten Zugang ausfüllte, zurannte. Der Mann lachte leise in sich hinein und fing den kleinen Wirbelwind auf. Er stemmte den Zwerg kurz in die Höhe, bevor er ihn auf den Arm nahm und an sich drückte. Er sah seinem Sohn liebevoll in das verschmierte Gesicht.  

Das Herz ging ihm auf, doch in seiner Magengrube krampfte sich gleichzeitig etwas schmerzhaft zusammen. Wie ähnlich der Fünfjährige doch seiner Mutter sah! Der Kleine hatte zwar die gleichen aquamarinblauen Augen wie er selbst, aber das dunkle Haar, in dem einige blonde Strähnen golden schimmerten, die vollen Lippen und die kleinen, kräftigen Hände hatte er von seiner Mutter geerbt. Obwohl Jacob sie nie kennenlernen durfte, war er ihr auch in seiner ganzen Gestik und Mimik so verdammt ähnlich. Es machte den Mann unendlich glücklich, in dem Kind die Frau wiederzuerkennen, die er so sehr geliebt hatte. Andererseits zerriss ihm der Gedanke an ihren tragischen Tod immer wieder aufs Neue das Herz. Aber dafür konnte der Junge ja nichts. Er liebte seinen Sohn über alles, vermutlich weil er so hart hatte um den Kleinen kämpfen müssen. Man hatte ihn dem Leib seiner Mutter förmlich entrissen und unmittelbar nach seiner Geburt entführt. Es hatte lange gedauert und die Hilfe einer engagierten Freundin bedurft, bis er seinen Sohn endlich nach Hause bringen konnte. 

Mit tiefer, sonorer Stimme fragte er: „Na, Jacob, was hast du heut gemacht? Hast du fleißig lesen geübt?“ Der Kleine hob den Hammer in die Höhe, den er immer noch in seiner Hand hielt und sagte stolz: „Ich hab Eric auf den Daumen gehauen!“ Dann stutzt er: „Nein, ich hab einen Nagel gehauen und Eric’s Daumen geschlagen!“ Verwirrt schaute der Mann seinem Sohn ins Gesicht und nahm ihm sanft das Werkzeug aus der Hand, bevor noch ein weiteres Unglück geschehen konnte. „Du hast WAS?“ fragte er entsetzt. Mary kam lachend auf die beiden zu und stellt die Sache richtig. „Mach dir keine Sorgen, Vincent“, beruhigte sie den Vater des Kleinen. „Es ist alles halb so wild. Der Daumen ist noch dran und die beiden haben sich schon wieder vertragen. Und um auf deine Frage zurückzukommen: Ja, Jacob hat lesen geübt und er macht große Fortschritte. Er hat sich nämlich fest vorgenommen, dich zu Weihnachten beim Vorlesen von Dickens „Weihnachtsgeschichte“ abzulösen“ Vincent schmunzelte, aber der Junge nickte mit ernster Miene. Dann fragte: „Darf ich jetzt wieder zu den anderen? Die lassen gleich den Floß ins Wasser!“ Vincent stellte den Sohn wieder auf seine eigenen Beine: „Es heißt ‚das’ Floß! Ja, du darfst, aber du nimmst besser kein Werkzeug mehr in die Hand. Und bleib vom Wasser weg!“ „Ja, Daddy! Äh, nein! Ja, mach ich!“ rief er, während er schon zu den Anderen hüpfte. An Mary gerichtet meinte Vincent: „Ich habe gehört, Vater hat jetzt Ernsthafteres zu versorgen als blaue Daumen?“ Die Frau nickte und berichtete ihm von Stella. Er hörte ihr schweigend zu und meinte dann: „Ich bitte dich, herauszufinden, durch welche Tunnel sie bis hierher gekommen ist. Es sind doch eigentlich immer alle Ausgänge bewacht Wir müssen irgendein Schlupfloch übersehen haben.“



[editiert: 13.11.09, 23:56 von sheena]

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sheena
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New PostErstellt: 13.11.09, 23:37  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

wie löscht man einen eintrag? vermutlich gar nicht, oder?



[editiert: 13.11.09, 23:58 von sheena]
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krümmel
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New PostErstellt: 14.11.09, 01:48  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: sheena

    wie löscht man einen eintrag? vermutlich gar nicht, oder?

Löschen können wir garnicht, das können nur die Admins - wir können den Beitrag nur editieren - du kannst ihn natürlich auch weg, also auch leer editieren




Batb - "The wreck of my memories"
(Song of Orpheus, Staffel 1)
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schneeeule
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New PostErstellt: 14.11.09, 20:58  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ich hoffe hier geht es bald weiter. Bin so gespannt.





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sheena
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9. Kapitel – Neue Freunde 

Stella lag vier Tage im Fieber. Was um sie herum geschah, nahm sie teilweise nur wie in einen Kokon gehüllt wahr. Das Atmen war Schwerstarbeit. Heftige Hustenanfälle ließen sie mehrmals das Medikament erbrechen, so dass es nur schwer zu Wirkung kommen konnte. Der Magen rebellierte auf Grund der spärlichen Ernährung im letzten viertel Jahr sogar gegen die Hühnersuppe, die man versucht hatte, ihr einzuflößen. Doch die Menschen um sie herum versuchten alles, was ihnen möglich war, um zu helfen und zu lindern.  

Vater war bei seinem nächsten Besuch schon nicht mehr so brummig. Mary hatte er ja schon beim letzten Wort seiner Moralpredigt verziehen gehabt. Ihm war eigentlich von Anfang an klar, dass sie aus Nächstenliebe und Pflichtbewusstsein gehandelt und richtig entschieden hatte. Aus der Bronchitis war nun doch eine handfeste Lungenentzündung geworden, die er nur schwer in den Griff bekam. Angesichts der kleinen, so zerbrechlich wirkenden Person regte sich wohl auch in ihm ein wenig der Beschützerinstinkt. Er spürte, dass die junge Frau Angst hatte, zu ersticken und versuchte, sie so gut, wie es ihm möglich war, zu trösten und zu beruhigen. Mary und Rebecca wechselten sich in der Pflege ab. Eine von den beiden Frauen war immer bei ihr. Die Kinder brachten Essen. Bei der Gelegenheit warfen sie natürlich auch neugierig einen Blick auf die Fremde. Leise tuschelnd standen sie an Stellas Krankenbett und mutmaßten, wer sie wohl war und woher sie gekommen sein mochte. Die Mädchen bewunderten das wunderschöne, lange, blonde Haar. Die Jüngeren malten Bilder und stellten sie ihr auf den Nachttisch. Jacob stand manchmal einfach nur so an ihrem Bett und betrachtete sie, bis Mary ihn dann flüsternd zu den anderen schickte, damit er seine Aufgaben erledigte. Aber er fand oft einen Vorwand, um sich wieder in Mary’s Kammer aufhalten zu können. Als er am Abend des dritten Tages kam, um sich gemeinsam mit den anderen Kleinen seine Gute-Nacht-Geschichte abzuholen, hatte er ihr sein Lieblingsspielzeug aufs Kissen gelegt – eine kleine Puppe mit freundlichem Gesicht, niedlicher Stupsnase und blondem Haar. Er meinte, die beiden würden sich so ähnlich sehen und darum wolle er Stella seinen Liebling borgen, bis sie wieder gesund sei. 

Vincent und die anderen staunten, dass sein Sohn dieses Spielzeug hergab, denn seit der Kleine es vor zweieinhalb Jahren in einer Truhe in Vincents Kammer gefunden hatte, schien der Junge mit diesem Püppchen verwachsen zu sein. Ohne, dass er es wusste, trug Jacob ständig ein Andenken an seine Mami Catherine umher. Er hatte jedes Mal Zeter und Mordio gebrüllt, wenn man es ihm abnehmen wollte. Also musste man sich in der Tunnelgemeinde damit abfinden, dass hier unten ein Junge mit einer Puppe unter dem Arm herumlief, aber niemand kam auf die Idee, den Kleinen dafür hänseln, auch die Kinder nicht. Alle wussten, dass seine Mutter Minuten nach seiner Geburt durch eine Überdosis Morphium getötet wurde. Diana, eine Freundin und engagierte Polizistin, hatte den Mord an Catherine aufklären können und dann aus dem Nachlass die erinnerungsträchtigsten Gegenstände zusammengetragen und an Vincent übergeben. So auch das Püppchen. Darüber hinaus hatte sie auch unter Einsatz ihres Lebens den Entführer des kleinen Jacob gefunden. Somit konnte sie Vincent den Weg ebnen, seinen Sohn aus der Gewalt dieses gemeingefährlichen Verbrechers zu befreien und nach Hause in die Tunnelgemeinde zu bringen.  

Seither waren fünf Jahre vergangen. Aus dem Baby, das einen mit einem Blick angesehen hatte, als wüsste es über alles in der Welt bereits Bescheid, war ein intelligenter, aufgeweckter Junge geworden. Er hatte ein freundliches, bescheidenes Wesen und strahlte, obwohl er noch ein Kind war, bereits eine gewisse Charakterstärke und Sicherheit aus, die jeden beeindruckte. Allerdings war er für sein Alter viel zu ernst. Die Streiche und Albernheiten der anderen Kinder beobachtete er meist nur skeptisch und war äußerst selten aktiv dabei. Seine Bewegungen waren flink und geschmeidig wie die seines Vaters. Ebenso hatte er das ausgezeichnete Gehör und die Fähigkeit, im Dunkeln besser sehen zu können als jeder andere Mensch, von Vincent geerbt. Lernen fiel ihm nicht schwer und er tat es gern. Der Junge hatte, trotz seiner Ernsthaftigkeit, eine Art an sich, die jeden noch so mürrischen Griesgram zugänglicher werden ließ, was Vater auf die leicht empathischen Fähigkeiten des Jungen zurückführte. Jacob tat einfach gut und war so etwas wie das Maskottchen in der Tunnelgemeinde. Jeder mochte ihn. 

Stella stieg ein Geruch in die Nase, der sie an Weihnachten erinnerte und sie langsam zu sich kommen ließ. Was war das? Sie kramte in ihrem Gedächtnis nach der Erinnerung an diesen Duft. Kerzen! Es war der Geruch von Kerzenwachs! Schon wieder ein Traum? Wie kamen Kerzen in ihr Versteck? Ihr fiel ein, dass sie ja zuletzt gar nicht in der kleinen Versorgungskammer gewesen war, sondern sich nass, durchgefroren und halb verhungert an dem unterirdischen Wasserfall auf eine Decke hatte fallen lassen. Aber wieso war ihr dann so wohlig warm? Und woher kam dieser Wachsgeruch! Sie versuchte, die Lider zu heben, aber die Augen zu öffnen war im Moment noch eine unlösbare Aufgabe. Sie hörte das wohlbekannte Klopfen in den Rohren und das Knacken und Knistern von brennendem Holz, spürte die Wärme des Feuers. Sie musste dicht an einem Kamin liegen. Das zu erkennen war nicht schwer. Das Gehirn arbeitete also schon wieder, doch der Körper tat noch nicht wirklich das, was er sollte. Aber sie konnte spüren, dass das, worauf sie lag, nicht ihr harter Apfelsinenkistendiwan war. Sie fühlte eine Matratze im Rücken und ihr Kopf lag auf einem Kissen. Warme, weiche Decken gaben ihr ein Gefühl von Geborgenheit. Weit, weit entfernt hörte sie Kinder singen. Ein Weihnachtslied! Oh, da war ein falscher Ton dabei! Kurze Pause. Dann begann das Lied von vorn. Stella war völlig konfus. Woher kamen auf einmal Kinderstimmen, die Weihnachtslieder sangen? Das musste ein Traum sein! Nun zwang sie sich, die Augen zu öffnen. Ihr erster Blick fiel auf eine alte Kommode, auf der Bilder auf Häkeldeckchen und ein fast blinder Spiegel standen. So sanft der Schein der überall im Raum aufgestellten Kerzen auch war, er blendete wie Halogenscheinwerfer und zwang dazu, die Augen schnell wieder zu schließen. Stella drehte sich auf die Seite und legte die Hände vor das Gesicht. Das konnte doch nicht sein! Was hatte sie da eben gesehen? Doch so nach und nach sickerte das Bild bis ins Gehirn und ließ ihr bewusst werden, dass es real war. Sie nahm die Hände vom Gesicht und blinzelte, um sich langsam an dieses Licht gewöhnen zu können. Die Kommode mit dem Bildern und dem Spiegel stand immer noch dort! Stella setzte sich auf und sah sich verwirrt um. Sie schüttelte den Kopf, als könne sie damit den restlichen Nebel aus ihrem Hirn vertreiben. Gott, wo war sie nur? Vermutlich immer noch unter der Erde, das erkannte sie an den felsigen Wänden und beruhigte sie ein wenig. Ihre Hände strichen über die dicke, weiche Patchworkdecke und den Stoff des Nachtshemdes, das sie trug. Langsam lichtete sich der Schleier und die Erinnerung kehrte bruchstückweise zurück. Die Frau, die die Kinder Mary nannten, war bei ihr gewesen und hatte ihr aus den nassen Kleidern geholfen. Sie konnte sich auch an eine kleine Kinderhand erinnern, die zaghaft die ihre gestreichelt hatte. Ebenso an eine brummige Männerstimme, kühlende Umschläge auf ihrer Stirn und leise, beruhigende Worten. Sie wusste noch, wie der bittere Geschmack der Medizin durch den warmen Tee neutralisiert wurde, aber nicht, wie sie in dieses Zimmer gekommen war. 

Stella sah sich um. Es war gemütlich eingerichtet. Das Bett war etwas durchgelegen, aber bequem. Es wurde von einer Art Alkoven aufgenommen, der in den Fels geschlagen worden war. Mit einem Vorhang konnte man es vom übrigen Raum trennen und vor neugierigen Blicken schützen. Rechts neben dem Kopfende stand ein kleiner Nachttisch, auf ihm eine alte Lampe, an die eine kleine Puppe gelehnt saß. Auf der linken Seite hatte man ein Feuerbecken aufgestellt, in dem das Feuer still vor sich hin brannte und Behaglichkeit verströmte. Das Fußende des Bettes wurde durch eine Holztruhe abgeschlossen. Mitten im Raum stand ein großer, beinahe weißgescheuerter Tisch mit mehreren Stühlen. Vermutlich versammelten sich hier des Öfteren Leute. In einer weiteren kleinen Nische lud ein alter, abgewetzter, aber gemütlicher Sessel zu Ausruhen ein. Die restliche Möblierung bestand aus einem Sammelsurium kleinerer und größerer Kommoden. Alles war liebevoll mit Kerzenständern, Bildern, die überwiegend Kinder zeigten, und anderem kleineren Zierrat dekoriert. Auf einem Hocker in der Ecke stand ein Weidenkorb, in dem sich Wäschestücke häuften. Links neben dem Eingang verdeckte ein Paravent ein riesiges Monstrum von Kleiderständer sowie eine kleine Waschecke. Auf der anderen Seite ragte ein merkwürdig aussehendes Regal fast bis zur Decke empor, das mit Büchern vollgestopft war. Wie Stella erkennen konnte, waren es überwiegend Kinderbücher. Daneben war eine Spielzeugkiste deponiert. Wohnte hier ein Kind?  

Stella bemerkte am Eingang zu der Kammer, vor dem eine dicke Zeltplane als Sichtschutz hing, eine kleine Bewegung und zuckte zusammen. Sie zog die Decke mit beiden Händen bis zum Kinn, um sich im Notfall schnellstens darunter verkriechen zu können. Eine ziemlich alberne Aktion, denn wenn ihr jemand etwas hätte antun wollen, wäre das längst geschehen, überlegte sie. Sie ließ die Hände samt Decke wieder sinken und fragte mit belegter Stimme: „Ist da jemand?“. Sie war sich nicht ganz sicher, ob die vermeintliche Bewegung vielleicht nur Einbildung gewesen war. Gespannt beobachtete sie den Eingang. Die Falten der Plane gerieten sanft ins Schwingen, ein schmaler Spalt wurde sichtbar und dahinter die Hälfte eines kleinen Gesichtes. Noch einmal fragte sie: „Hallo? Ist da jemand?“ Der Spalt wurde breiter und ein Junge betrat den Raum. Er blieb am Eingang stehen und schaute ihr ruhig in die Augen. „Ich wollte dich nicht wecken. Nur schauen, ob es dir besser geht.“ Stella war über die ruhige bedächtige Sprechweise des Knaben überrascht. Die meisten Kinder würden in so einer Situation herumstottern oder albern kichern. „Du hast mich nicht geweckt. Komm ruhig näher!“ Sie beobachtete den Jungen, der mit gemäßigten Schritten an das Fußende des Bettes trat und dann auf die Holztruhe kletterte. Er kniete sich auf den Deckel und schaute Stella geradewegs ins Gesicht. Sie erkannte den Jungen wieder: „Du bist Jacob, nicht wahr?“ Er nickte nur und sah ihr direkt in die Augen. Stella bekam bei diesem intensiven Blickkontakt eine Gänsehaut. Der Junge schien ihr direkt in die Seele zu schauen. „Du hast mich doch da oben in meinem Versteck in der Felswand entdeckt, stimmts?“ Er nickte wieder. „Warum hast du mich nicht verraten?“ Der Kleine zuckte die Schultern und entgegnete ruhig: „Weil ich keine Angst vor dir hatte.“ Mit dieser Antwort konnte Stella nicht viel anfangen: „Wie meinst du das?“ Jacob überlegte einen Augenblick und antwortete dann: „Na, wenn ich vor jemandem Angst habe, soll ich Daddy Bescheid sagen. Aber ich hatte keine Angst.“ Stella forschte weiter: „Dein Daddy – ist das der Mann mit den grauen Haaren und dem Bart, der mich gesundgemacht hat?“ Jacob schüttelte den Kopf: „Nein, das ist Vater.“ „Aha“, überlegte sie verwirrt, „Vater ist also nicht dein Daddy?“ Sie erhielt ein Kopfschütteln als Antwort. „Wer ist dein Daddy?“ „Na, Daddy ist Daddy!“ bekam sie mit leicht genervten Unterton zu hören. „Und Daddy passt immer auf alle auf und verjagt böse Menschen!“ Für Jacob war damit dieses Thema erledigt. Er ließ sich von der Truhe gleiten, ging zum Nachttisch und griff nach der Puppe. Dann krabbelte er aufs Bett und hielt ihr das Spielzeug vor die Nase: „Gefällt sie dir?“  Stella nahm vorsichtig die Puppe in die Hand und betrachtete sie lächelnd: „Ja, sehr! Ein hübsches, kleines Ding!“ „Hat Mami gehört.“ erklärte er kurz. Stella fragte skeptisch: „Ist deine Mami auch nicht böse, wenn die Puppe hier bei mir ist?“ Jacob schüttelte den Kopf: „Ich glaube, nicht.“ Sie gab ihm das Spielzeug zurück: „Sollten wir sie nicht besser fragen, ob es in Ordnung ist, dass die Puppe hier ist? Es wäre mir gar nicht recht, wenn die Mami deswegen schimpft.“ Der Kleine drückte seinen Liebling an sich und meinte überzeugt: „Mami schimpft nicht. Mami ist ein Engel und Engel schimpfen nie!“ Mit ein wenig Stolz in der Stimme erklärte er: „Sie wohnt im Himmel, weißt du?“ Stella erschrak. „Das tut mir sehr leid.“ flüsterte sie. Jacob sah sie verständnislos an: „Wieso? Im Himmel ist es doch schön. Mami geht’s gut. Ist nur doof, dass Daddy manchmal so furchtbar traurig ist, weil sie da oben ist und nicht hier bei uns.“ Stellas Augen wurden feucht. Sie kannte diesen Mann gar nicht, hatte aber unendliches Mitleid. Sie streichelte mit einer Hand die kleine Puppe und mit der anderen die Wange des Jungen. Der wischte sich verstohlen mit dem Ärmel über die Nase. Plötzlich hob er den Kopf und lauschte. „Was ist?“ fragte Stella. „William ruft. Abendessen!“ kam die knappe Antwort. Stella konnte beim besten Willen nichts hören. Dazu war vermutlich auch dieses Geklopfe in den Rohren zu laut. Bevor sie Jacob noch irgendetwas fragen konnte, war der schon vom Bett gerutscht und aus der Kammer geflitzt. Stella hörte ein „Hoppla! Langsam!“ und im nächsten Augenblick betrat eine hübsche, junge Frau mit blondem Pferdeschwanz den Raum. „Hallo, ich bin Jamie!“ stellte sie sich vor. „Ich bring dir was zu Essen. Ich hoffe, du hast ein wenig Hunger und magst Gemüsesuppe.“ Sie stand mit einem kleinen Henkelkörbchen in der Hand am Fußende und wartete auf Antwort. Stella horchte in sich hinein und stellte fest, dass tatsächlich ihr Magen knurrte. Sie nickte: „Ja! Ich glaube, ich könnte wirklich was vertragen!“ Jamie lächelte: „Fein! Ich habe auch noch nichts gegessen. Ich dachte, du würdest vielleicht lieber in Gesellschaft essen. Da schmeckt’s doch gleich viel besser, oder?“ Mit flinken Händen deckte sie den Tisch und half dann Stella beim Aufstehen. Sie war noch sehr wackelig auf den Beinen und brauchte einen Moment, um den Schwindel zu überwinden. Jamie half ihr in den Morgenmantel und rückte ihr den Stuhl zurecht. „Hm, das riecht ja wirklich sehr gut.“ staunte Stella. „Wo habt ihr das denn her?“ Jamie überlegte, was und wieviel sie der Fremden erzählen durfte. Doch da sich diese Frau ja schon eine ziemlich lange Zeit in den Tunneln aufhielt und vermutlich auch weiterhin hier bei ihnen wohnen würde, sollte sie ruhig über ein paar Kleinigkeiten Bescheid wissen. Sie musste ja nicht allzu sehr ins Detail gehen. Während die beiden jungen Frauen die Suppe löffelten, erzählte Jamie von der Tunnelgemeinde, den Helfern oben, die sie hier unten mit Lebensmitteln versorgten und von William, dem dicken Koch, der voll und ganz darin aufging, die Leute satt zu machen. Stella war überrascht. Niemals hätte sie gedacht, dass es unter dieser riesigen Stadt noch eine „Stadt“ gäbe. Zwar um vieles kleiner, allerdings mit einer ganz anderen, wie sie fand, besseren Gesellschaftsordnung. Wenn man sich diese Leute in ihrer alten abgetragenen, geflickten oder auch selbst zusammengenähten Kleidung so ansah, kam man in Versuchung, sie zu bedauern. Aber sie waren mit Sicherheit reicher als die Millionäre in ihren protzigen Villen und ihren dicken Bankkonten, denn sie hatten viele wirkliche Freunde und eine Familie, auf die sie sich verlassen konnten. Etwas Wertvolleres gab es auf dieser Welt nicht.  

Stella schaffte in Jamies Gesellschaft fast eine ganze Schüssel der köstlichen Suppe. Sie lehnte sich zurück und strich sich über den fast nicht vorhandenen Bauch: „Ich glaube, ich platze gleich!“ Jamie musste kichern. „Mary und Vater werden sich freuen, dass du endlich essen konntest. Sie haben sich große Sorgen gemacht. Du warst wirklich sehr krank“ Sie räumte das Geschirr zusammen und half Stella dann, sich etwas frisch zu machen. Sie versorgte sie mit frischer Wäsche und schüttelte die Kissen auf. Stella versuchte inzwischen, mit ihrem langen Haar fertig zu werden, aber die Bürste in ihrer Hand wog ihrer Ansicht nach mindestens zwei Zentner. Ihre Arme wurden schwer und machten die Abendtoilette zum Kraftakt. Jamie nahm ihr wortlos die Bürste aus der Hand und ließ sie sanft durch die langen Haarsträhnen gleiten. „Darf ich dich was fragen?“ setzte sie vorsichtig an. „Aber ja!“ entgegnete Stella. Sie vermutete, dass Jamie wissen wollte, was sie in die Tunnel geführt hatte. Aber stattdessen kam die Frage: „Hast du eigentlich gemerkt, dass wir dich schon eine ganze Weile in deiner kleinen Abstellkammer beobachtet hatten?“ Stella drehte sich überrascht zu Jamie um und schüttelte den Kopf. „Ihr habt gewusst, dass ich dort untergekrochen bin?“ Jamie nickte nur. Stella schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich dachte immer, ich hätte mich gut versteckt. Ich hörte zwar Kinder, hab aber gemeint, sie würden dort nur spielen!“ Jamie lächelte etwas verlegen: „Haben sie ja auch. Und dabei entdeckten sie dich! Sie haben Mouse und mir von dir erzählt und wir beide sind dann ab und zu heimlich nachschauen gegangen, wie es dir geht und was du so machst. Ob du vielleicht gefährlich für uns werden könntest.“ „Mouse?“ fragte Stella neugierig. „Ja, Mouse ist mein Freund. Unser aller Freund. Ein lieber Kerl. Handwerklich sehr begabt. Er hat schon vieles hier unten gebaut, was uns das Leben erleichtert.“ Sie zeigte in Richtung Tür. „Dieses Bücherregal dort war eines seiner ersten ‚Machwerke’. Da war er noch ein Junge“ Sie lachte leise. „Es ist zweimal in sich zusammengefallen, bevor er herausbekommen hatte, wie er es anstellen muss, damit es auch stehen bleibt. Heute baut er Alarmanlagen und Sicherheitstüren, die uns vor Eindringlingen schützen!“ Stella hörte Stolz in Jamies Stimme. „Gehört ihr zusammen? Ich meine - liebst du ihn?“ war die nächste Frage. „NEIN!“ lautete die fast erschrockene Antwort, die ein klein wenig zu schnell kam. „Nein, er ist nur mein Freund!“ Eine leichte Röte überzog Jamies Wangen. Stella schmunzelte, bohrte aber nicht weiter nach.  

Auf dem Tunnelgang waren Schritte und Flüstern zu hören, die näher kamen. Die Zeltplane wurde zur Seite geschoben und Mary’s Gesicht erschien. „Oh, du bist ja aufgestanden! Dann geht es dir also besser, ja?“ fragte sie freundlich. Stella nickte: „Oh ja, danke. Es geht mir sehr viel besser.“ Jamie ergänzte lächelnd: „Sie hat einen Teller Suppe gegessen und für den ersten Tag ziemlich viele Fragen gestellt!“ „Das klingt ja schon mal sehr gut! Das wird Vater freuen, zu hören.“ Mary ging auf Stella zu, legte ihr die Hand auf die Stirn und nickte zufrieden. „Aber trotzdem würde ich vorschlagen, du legst dich jetzt wieder hin. Du bist noch sehr schwach.“ Sie half ihr wieder ins Bett und deckte sie zu wie ein Kind. Stella ließ sich das gern gefallen. Diese halbe Stunde Abendessen hatten sie so sehr ermüdet, als hätte sie den ganzen Tag Steine geschleppt. Und so umsorgt wurde sie schon lange nicht mehr. Mary stellte ihr eine frische Kanne Tee auf den Nachttisch und fragte dabei: „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich die Kinder hereinlasse? Sie versammeln sich jeden Abend hier, damit ich ihnen ihre Gute-Nacht-Geschichte vorlese.“ „Es macht mir ganz und gar nichts aus! Ich liebe Gute-Nacht-Geschichten!“ entgegnete Stella mit leuchtenden Augen. Sie fühlte sich schon wieder in die Kindheit versetzt. „Mary, wer wohnt eigentlich sonst hier in diesem Raum?“ wollte sie wissen. „Ich nehme doch sicher irgendjemandem den Platz weg, oder?“ Während die Kinder leise das Zimmer betraten und sich auf Sessel, Stühlen und Bettkanten setzten, erklärte ihr die Frau: „Das hier ist meine Kammer. Aber im Moment wohne ich bei Elisabeth. Die wirst du auch noch kennenlernen und ihr werdet euch sicher sehr gut verstehen, denn sie malt auch!“ Stella stutzte. Woher wusste die Frau, dass sie zeichnete? Doch bevor sie fragen konnte, erklärte Jamie weiter: „Eigentlich hätten wir dich ja im Krankenzimmer untergebracht, wie sich das gehört. Aber vorige Woche ist im Kinderzimmer ein Rohr geplatzt und alles war überschwemmt. Also mussten wir die Kinder auf das Krankenzimmer und die Gästekammern verteilen.“ Mary machte es sich in dem alten Sessel bequem und nahm eines der Kinderbücher zur Hand. „Im Normalfall lese ich die Gute-Nacht-Geschichte ja im Kinderzimmer vor, wenn die Kleinen alle schon in ihren Betten liegen. Aber da sie alle verteilt sind, machen wir das nun hier.“ Sie zog ächzend die kleine Nicky zu sich auf den Schoß und legte ihr eine Decke um. „Hey, du bist schwer geworden!“ neckte sie und kitzelte die Kleine am Bauch. Das etwa dreijährige Mädchen quietschte lachend auf. Dann kuschelte sie sich an, steckte den Daumen in den Mund und wartete darauf, dass Mary endlich mit dem Vorlesen begann. Jacob griff sich sein Püppchen und drängelte sich zu Stella ans Kopfende. Er lehnte seinen Kopf an ihre Schulter, als wenn er sie schon jahrelang kennen würde. Diese vertrauliche Geste rührte sie und sie konnte nicht umhin, ihm lächelnd die Wange zu streicheln. Als endlich Ruhe eingekehrt war, begann Mary, aus dem dicken Geschichtenbuch vorzulesen.  

Weitere drei Tage später ging es Stella schon wieder so gut, dass sie fürchterliche Langeweile quälte. Sie hatte sich durch das gute Essen und die liebevolle Pflege schnell erholt und wollte nun endlich wieder aufstehen und etwas tun können. Doch Mary und Vater waren strenge „Eltern“, wie sie die beiden insgeheim nannte, und gestatteten ihr nur ein bis zwei Stunden am Tag, das Bett zu verlassen. Zum Glück kamen öfter einige der Kinder zu ihr und sie spielten zusammen, lasen Geschichten oder malten. Stella hatte inzwischen von fast jedem Kind ein Porträt gezeichnet. Die Knirpse waren damit stolz ins Kinderzimmer getrabt und hatten die Bilder an jeder nur auffindbaren freien Stelle ihres kleinen Reiches aufgehängt. Die Kleinen versuchten sich nun auch in dieser Kunst. Stella hatte ihnen ein wenig über Perspektiven, Licht-Schatten-Wirkung und Zeichentechniken beigebracht. Einige schienen tatsächlich talentiert zu sein. So langsam wurden allerdings die Zeichenblätter knapp und man griff auf die Rückseiten alter, unbenutzter Tapetenrollen zurück, die ein Helfer gestiftet hatte. Überall lagen nun die kleinen  Meisterstücke ihrer Schüler herum, so dass man beschloss, so eine Art Galerie im Schulzimmer einzurichten.  

Während Stella mit den anderen Kindern zeichnete, saß Jacob immer ganz dicht an ihrer Seite und schaute wie gebannt zu. Erzählte sie von ihrer Kindheit in Schweden, von den Großeltern, deren Hof und dem Meer, klebten seine leuchtenden Augen förmlich an ihren Lippen. Er suchte ständig ihre Nähe. Beim abendlichen Vorleseritual verteidigte er vehement seinen Platz an ihrer Schulter. Auch bei seinen Leseübungen durfte nur noch Stella helfen. Es war ihr Mary gegenüber ein wenig peinlich, aber die gutmütige Frau nahm das mit einem nachsichtigen Lächeln hin. Sie hatte noch viele andere Verpflichtungen, so dass es ihr gar nicht so unrecht war, dass Stella ein wenig die Lehrerin spielte. 

Als Vater bei seinem letzten Krankenbesuch feststellen konnte, dass seine Patientin kein Fieber mehr hatte, durfte sie endlich aus dem Bett. Rebecca stattete sie mit geeigneter Kleidung aus, die sie vor der Kälte und der in den Tunneln ständig herrschenden, leichten Zugluft schützen sollte. Während sie Stella beim Ankleiden half, warteten Jacob und Samantha, eines der älteren Mädchen, vor Mary’s Kammer, um Stella zu einer kleinen Tunnelführung abzuholen. Die Beiden zeigten ihr das Kinderzimmer, das gerade wieder eingerichtet wurde. Einige Betten standen schon wieder und zwei Jungen waren dabei, das Spielzeug in Regale einzuräumen. Jacobs Bett stand dicht am Eingang, daneben eine Kiste mit seinen Kleidern. Man fiel benahe beim Betreten des Raumes darüber. Eigentlich sollte er ja auch seine Sachen in den kleinen Schrank räumen, der neben dem Kopfende aufgestellt war, aber er verspürte nicht die geringste Lust dazu. Er wollte eigentlich sowieso nicht wieder ins Kinderzimmer zurückziehen. Während der Überschwemmung hatte er bei seinem Vater geschlafen, das war viel besser gewesen. Dort war gab es so viele interessante Dinge und wenn der Papa auf einem seiner Kontrollgänge durch die Katakomben war, konnte man schön in seinen Sachen stöbern. Morgens durfte er auf sein riesiges Bett krabbeln und hatte ihn dann fast eine Stunde lang ganz für sich allein. Sie hatten geredet und geredet. Er konnte seinen Kummer bei Daddy loswerden und der hatte ihm von seiner Mami erzählt. Jacob verstand nicht, warum er nun wieder zurück sollte. Doch Vincent war der Ansicht, dass es besser für den Fünfjährigen wäre, unter Gleichaltrigen zu sein. Es hatte zwischen ihm und seinem Sohn einen kurzen, aber heftigen Disput deswegen gegeben. Jacob sollte keine Sonderstellung einnehmen, nur weil sein Großvater und sein Vater an der Spitze der Gemeinde standen. Als der Junge merkte, dass sein Daddy hart bleiben würde, hatte er trotzig mit dem Fuß aufgestampft, war anschließend zum Spiegelteich gelaufen und hatte wütend Steine ins Wasser geworfen. Vincent hatte ihm eine Weile Zeit gegeben, sich abzureagieren und war ihm dann gefolgt. Er hatte das kleine, schniefende Kerlchen, das da am Ufer hockte, in den Arm genommen und sanft auf es eingeredet.  Er verstand ja seinen Wunsch, aber jetzt durfte auf keinen Fall nachgegeben werden. Als Jacob sich bockig Vincent’s Arm von seiner Schulter schüttelte, änderte dieser seine Strategie. Mit Strenge hatte er nichts erreicht, also packte er den Knaben bei der Ehre, machte ihm klar, dass seine Zimmerkameraden ihn doch so vermissen würden und traurig wären, wenn er nicht mehr bei ihnen wohnen wolle. Das konnte Jacob nun auch wieder nicht zulassen. Also hatte er, aber nur, um dem Vater und seinen Freunden einen Gefallen zu tun, maulend seine Sachen gepackt und ins Kinderzimmer getragen. Aber das war’s dann auch schon mit seiner Einsicht. Um seinen Protest auszudrücken, ließ er die Kiste einfach mitten im Weg auf den Boden plumsen, drehte sich auf dem Absatz um und ging ohne Umwege zu Stella, um sich von ihr mit Geschichten ablenken und trösten zu lassen. Und so, wie er die Kiste hatte fallen lassen, blockierte sie noch immer den Eingang zum Kinderzimmer und würde es wohl auch noch weiterhin tun, wenn hier nicht irgendwann ein Erwachsener ein Machtwort sprach. 

Die Führung ging weiter durch sauber gefegte und beleuchtete Tunnelgänge, wie Stella sie schon am Wasserfall kennengelernt hatte. Jacob wollte natürlich unbedingt zum Spiegelteich und zur Flüstergalerie. Samantha zeigte ihr das Krankenzimmer und ihr eigenes kleines Reich. Fast jeder Erwachsene hier unten hatte seinen eigenen Raum, den er sich so schön und individuell wie möglich einrichten konnte. Danach ging es in die Küche. Hier versuchte ein unglaublich dicker Koch hektisch, vier Feuerstellen unter Kontrolle zu halten, um nichts anbrennen zu lassen. Der schwitzende Mann, den alle William nannten, nickte den Dreien nur kurz lächelnd zu und kümmerte sich dann wieder um die Töpfe, die ebenso gewaltige Ausmaße hatten wie der Küchenchef. 

Die beiden Kinder führten Stella dann weiter zur Rohrkammer, der Kommunikationszentrale. Dort herrschte Pascal, der, einer Spinne gleich, sich blitzschnell in dem Gespinnst von Leitungen hin- und herbewegte und wie ein Schlagzeuger mit zwei eisernen Stangen Nachrichten an die Rohre trommelte. Der kleine Mann mit der Glatze und den etwas abstehenden Ohren war ihr sofort sympathisch, wenn er auch irgendwie geistesabwesend zu sein schien. Er war sehr bemüht, Stella  das System zu erklären, unterbrach sich aber oft mitten im Satz, weil ihm dann in diesem Moment die Klopfzeichen in den Leitungen wichtiger waren als sein Gast. Man spürte, dass er für seine Arbeit lebte und sie ihm sehr viel bedeutete. Dieses Kommunikationssystem war ja auch enorm wichtig für die unterirdische Gemeinde, da mit dessen Hilfe schon viele Gefahren rechtzeitig erkannt und abgewehrt und sogar Leben gerettet werden konnten.  

Stella beeindruckte die Geschwindigkeit, mit der Pascal zwischen den Leitungen hin und her huschte, an den Rohren horchte und im Morsealphabet Antworten gab oder weiterleitete. Sie hätte ihn gern noch eine Weile bei der Arbeit beobachtet, wollte aber den fleißigen Mann nicht länger bei seiner wichtigen Aufgabe stören und verabschiedete sich nach einer Viertelstunde. Die Kinder zogen sowieso schon ständig an ihren Ärmeln und wollten weiter. Vater hatte die beiden gebeten, Stella nach der Führung in seine Kammer zu bringen.  

Die drei blieben an einer kurzen, schmalen Treppe stehen, die in den fast kreisrunden Hauptraum hinabführte. Hier also wohnte der Mann, der sie wieder gesund gemacht hatte. Doch er schien nicht da zu sein. Das gab Stella die Gelegenheit, sich einen kurzen Moment umzusehen. Sie stand auf der obersten Stufe und ließ die Atmosphäre des Raumes auf sich wirken, der den Eindruck vermittelte, in der Unterkunft eines Wissenschaftlers aus dem Mittelalter angekommen zu sein. Es hätte sie nicht gewundert, wenn sie hier Vater, in ein Gespräch mit Leonardo da Vinci vertieft, angetroffen hätte.  

Der Durchgang zu der Kammer war vollgestellt mit Gegenständen, die eigentlich niemand brauchte. Aber die Dinge, mit denen Vaters Raum dekoriert war, führte einen auf eine Art Zeit- und Weltreise zu gleich. Zwischen all den Büchern standen aus verschiedenen Kulturen und vergangenen Epochen kleinere Kostbarkeiten, aber auch moderner Kitsch.  

Hatte man den schmalen Korridor passiert, wurde man von der rechten Seite her von der marmornen Büste einer barocken Schönheit begrüßt. Links entlang führte ein breiter, von einem Geländer aus Bücherstapeln begrenzter Mauersims in eine Schlafnische. Eine griechische Statue, die ein Gefäß auf dem Kopf trug, schien Vaters Bett zu bewachen. Hinter dieser Schlafnische befand sich ein weiterer Zugang zu der Kammer. 

Am Fuß der kleinen Treppe stand eine riesige ägyptische Bodenvase. In der linken Hälfte des Raumes bildete ein großer, achteckiger Tisch, der über und über mit Büchern und Plänen bedeckt war, den Mittelpunkt. Er war umringt von fünf verschiedenen Armstühlen.  

Auf einer freien Ecke des wuchtigen Tisches stand ein wunderschönes, altes Schachspiel mit handgeschnitzten Figuren. Eine davon war besonders auffallend. Sie stellte einen vermenschlichten Löwenkopf dar. Gleich daneben war ein Bauer positioniert, der wie Jamie aussah. Beide standen zum Schutz des weißen Königs, in dem man Vater wiedererkennen konnte, in der vorderen Reihe. Miniaturen von Pascal und einem anderen, sehr kräftig gebauten, Mann nahmen die Positionen der Läufer ein. Die Stellung der Figuren ließ vermuten, dass das letzte Spiel gerade begonnen worden war und irgendwann später weitergespielt werden sollte.  

Das andere Ende des Tisches war mit einem Teeservice gedeckt. Auf einem Stövchen dampfte leise eine Teekanne vor sich hin. Daneben standen auf einem kleinen Tablett zierliche Tassen bereit. Genau wie bei den anderen Gegenständen in diesem Raum passten auch sie nicht zueinander. Jede war von anderer Farbe und Form.  

An der Stirnseite des Tisches prangte, einem Thron gleich, ein großer Sessel. Er musste einst ein Prunkstück gewesen sein. Doch nach den vielen Jahrzehnten hatte der weiche, rote Samtstoff sehr an Struktur und Farbe verloren, so dass er an Sitz, Rücken- und den Armlehnen kahle, beigefarbene Stellen aufwies. Die goldenen Tressen waren nur noch verblasste, gelbliche Streifen. 

Die rechte Hälfte des Zimmers war wohl so etwas wie ein Büro. Dort stand ein monströser Schreibtisch, auf dem eine gewisse Ordnung herrschte. Die Wand dahinter wurde fast vollständig von einem gigantischen, reich mit Holzschnitzereien verzierten, Bücherschrank verdeckt. An den Wänden oder auch mitten im Raum standen, wie auch in Mary’s Kammer, altmodische Sideboards , selbstgebaute Regale, antike Vertikos und Buffettschränke so wie wunderschön verzierte Truhen. Sie versuchten, mehr oder weniger erfolglos, Unmengen an Büchern zu fassen – darunter teilweise sehr wertvolle literarische Antiquitäten, gemischt mit den billigsten Schmökern, Groschenromane, die man einmal las und dann wegwarf. Zwischen all dem Durcheinander standen dicke, flackernde Stumpen auf ausgedienten Tellern, lange, schlanke Kerzen in angelaufenen Kandelabern und alte Tiffanylampen, die dieses malerische Durcheinander in ein warmes Licht tauchten und Gemütlichkeit aufkommen ließen.  

In ungefähr zweieinhalb Metern Höhe umrundete eine Art Galerie den enorm großen, gewölbeähnlichen Raum. Zwei Treppen führten hinauf – eine eiserne Wendeltreppe, die sich an der Wand gegenüber der kleinen, schmalen Zugangstreppe befand, und eine kleinere Holzstiege etwas weiter links im Raum. Dort oben befanden sich zwei weitere Tunnelzugänge. Die Brüstung des balkonähnlichen Gebildes setzte sich aus mehreren verschiedenen Elementen zusammen. Es mussten früher einmal Balkongitter, Zaunfelder und Treppengeländer gewesen sein. Die Empore, die aus Abfallholz zusammengezimmert worden war, wurde von unten durch mehrere, dicke Balken und Säulen sowie einen alten Kleiderschrank gestützt. Auch hier lagen in hohen Stapeln Bücher und Zeitschriften, so dass sich der Boden bereits gefährlich durchbog. Der Geruch und der Anblick dieser Büchermassen erinnerte Stella an eine Bibliothek. Sie wünschte sich, hier mal ein wenig herumstöbern zu dürfen. Wenn nur diese Unordnung nicht wäre!  

„Wer ist denn da?“ hörte Stella die ihr bereits bekannte Stimme des alten Arztes, aber sehen konnte sie ihn nicht. Jacob hatte seinen Großvater allerdings bereits entdeckt und schlängelte sich an einem großen Standglobus vorbei durch die Bücherberge. „Opa, wir bringen dir Stella.“ Vater tauchte hinter einem alten Sideboard auf und schaute wie immer über den Brillenrand hinweg in Richtung Eingang, wo Stella noch immer mit offenem Mund stand und über die Bücherflut staunte. „Das ist lieb von euch, mein Junge. Nun geh mit Samantha mit. Soweit ich mich erinnern kann, solltest du doch deinen Schrank wieder einräumen. Sie wird dir helfen.“ Augenblicklich verwandelte sich Jacobs freudiges Gesicht in einen Flunsch. Er ließ die Schultern sinken und trottete mit hängendem Kopf seiner großen Freundin hinterher. Vater sah ihm mitleidig lächelnd nach und seufzte leise. Doch sein Adoptivsohn hatte entschieden, also konnte er nicht dagegenreden. Außerdem hatte Vincent Recht.  

Dann wandte er sich an Stella: „Komm her zu mir und setz dich! Ich möchte mich gern mit dir unterhalten und dich besser kennenlernen.“ lud er sie mit einer freundlichen Geste ein. Stella erfasste ein unangenehmes Gefühl. Sollte das hier ein Verhör werden? Er kannte sie doch schon von den Krankenbesuchen, wo er ihr bereits Löcher in den Bauch gefragt hatte. Was hatte der Mann denn vor? Sie wegjagen? Leichte Panik erfasste sie. Er war doch bis jetzt immer so freundlich, wenn auch reserviert, gewesen! Aber er hatte „kennenlernen“ gesagt. Das wollte sie als gutes Zeichen werten. „Mary hat uns Tee gemacht. Möchtest du?“ Als wenn sie auf ihr Stickwort gewartet hätte, betrat Mary den Raum. Sie brachte Gebäck. „Du hast hoffentlich nichts dagegen, wenn Mary sich zu uns setzt?“ Stella hatte absolut nichts dagegen, denn sie hatte schon längst zu der gütigen Frau Vertrauen gefasst und fühlte sich in ihrer Gegenwart nicht ganz so unsicher. Sie setzte sich in einen der kleinen Armstühle und nahm dankend die gefüllte Teetasse entgegen, die zu ihrem Erstaunen aus feinstem chinesischem Porzellan gemacht war. Diese Welt hier unten überraschte sie in einem Fort. Vater hatte ihren verwunderten Blick bemerkt und meinte lächelnd: „Tja, so manch einer weiß gar nicht, was er da wegwirft!“ Stella nickte nachdenklich und bemerkte leise: „Ja, und ich habe auch einmal dazugehört.“ Vater räusperte sich und setzte sich der jungen Frau direkt gegenüber, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können. Er hatte vor, herauszubekommen, wie ehrlich und vertrauenswürdig sie war. Das konnte er am besten aus der Mimik seines Gegenübers herauslesen. Er machte es sich in seinem großen Lehnstuhl bequem, nahm ebenfalls seine Teetasse und schaute Stella mit forschendem Blick in die Augen: „Wie meinst du das?“. Die junge Frau seufzte und begann, ihre Geschichte zu erzählen.



[editiert: 14.11.09, 22:35 von sheena]
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sheena
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New PostErstellt: 17.11.09, 10:20  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

10. Kapitel – Vater und Sohn 

Anfangs hatte Stella keine Probleme, Vater und Mary von ihrem früheren Leben zu berichten. Als sie David damals auf einer Studienreise in die USA kennenlernte, war ihre Welt noch in Ordnung. Sie war in der Hotellobby über einen Koffer gestolpert und ihm genau in die Arme gefallen. Bei der Erinnerung an das umwerfende Lächeln des großen, gutaussehenden Mannes mit den breiten Schultern, an die charmante Einladung zum Abendessen und an die folgenden Tage in seiner Begleitung, die so aufregend und unvergesslich für sie waren, konnte Stella sogar lächeln. Sie erzählte von der traumhaften Verlobungszeit und der romantischen Hochzeit mit nahezu 200 Gästen, von dem Glück, dass sie beide empfanden, als sich der Nachwuchs ankündigte. David hatte seine kluge, wunderschöne, blonde Schwedin auf Händen getragen und ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Niemand war so stolz auf den Sohn wie er. Zum Dank für die anstrengende Schwangerschaft und die komplizierte Geburt des fast acht Pfund schweren Stammhalters überschüttete der junge Vater sie mit Geschenken. Er baute für die kleine Familie ein wunderschönes Haus und sorgte für allen erdenklichen Komfort und Luxus. Aber all das finanzierte er mit Geldern aus schmutzigen Geschäften wie Drogen- und Waffenhandel. Als Stella zu diesem Kapitel in ihrem Leben kam, wurde ihre Stimme immer leiser und sie brachte die Worte nur schwer über die Lippen. Von den Misshandlungen durch David konnte sie nur mit Unterbrechungen erzählen, weil sie immer wieder um Fassung ringen musste. Als sie allerdings von Jared berichtete, bahnten sich die Tränen mit aller Macht ihren Weg. Die schmerzliche Erinnerung an den Jungen mit der gegen sie erhobenen Hand, den sie an den gewalttätigen Vater verloren hatte, überwältigten sie.

Mary war während Stellas Bericht aufgestanden und wanderte, ihr Taschentuch knetend, im Zimmer umher. Vater saß mit gesenktem Kopf in seinem Lehnstuhl und wischte sich mit einer Hand verstohlen über die Augen. Dass die junge Frau mit ihrer Behauptung, von ihrem Mann schlecht behandelt worden zu sein, stark untertrieben hatte, wusste er von den Untersuchungen. Er hatte die Narben mit eigenen Augen gesehen. Stella hatte eine kurze Pause eingelegt, um die Tränen zu trocknen und sich die Nase zu putzen. Sie atmete tief durch und trank ihren Tee aus. So nach und nach beruhigte sich die aufgewühlte Stimmung im Raum wieder. Etwas gefasster erzählte sie dann den Rest ihrer Geschichte, von der Flucht aus dem Krankenhaus bis zu dem Moment, wo sie am Wasserfall durch die absolute Erschöpfung und Unterkühlung eingeschlafen war. Den Rest kannten Vater und Mary selbst. Als Stella mit ihrer Geschichte fertig war, sah sie gespannt von einem zum anderen und wartete auf deren Reaktion. Mary schien noch völlig ergriffen zu sein und Vater hatte grübelnd die Stirn in Falten gelegt. Keiner sagte ein Wort. „Vater“ unterbrach die junge Frau die Stille, „Rebecca und Jamie haben mir erzählt, dass es sehr schwer ist, in eure Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Ich erwarte das auch gar nicht. Dazu kennt ihr alle mich ja auch noch nicht gut genug. Sowie ich wieder bei Kräften bin, werde ich verschwinden und euch nicht mehr stören, das verspreche ich dir! Aber ich bitte dich: lass mich wenigstens über den Winter weiterhin in meiner kleinen Abstellkammer wohnen.“ Sie blickte flehend in Vaters prüfende Augen und wartete, innerlich betend, auf seine Antwort. Vaters Blick wanderte von einer Frau zur anderen und wieder zurück. Die Augen seiner ältesten Freundin sahen ihn in der gleichen Weise an wie die der jungen Frau. Eigentlich hatte er seine Entscheidung schon getroffen, aber er entgegnete mit bedauerndem Ton: „Weißt du, Stella, unser Gesetz fordert in solchen Angelegenheiten die Einberufung des Rates. Nach dem Mittagessen sind hoffentlich alle Ratsmitglieder in der Nähe. Ich werde dir noch vor dem Abendessen die Entscheidung mitteilen, einverstanden?“ Er tätschelte beruhigend ihre Hand und zwinkerte ihr mit einem Lächeln zu. Stella hörte Mary laut aufatmen. Das konnte eigentlich nur Gutes bedeuten. Auch der Blick der lieben Frau war sehr zuversichtlich.

Plötzlich hörte man in dem Tunnelzugang auf der Galerie Unruhe aufkommen. Zwei von den älteren Jungen, Eric und Kipper, kamen atemlos in den Raum gestürzt und riefen aufgeregt: „Vater, du musst kommen! Mouse hat die neue Alarmanlage ausprobiert und einen schlimmen elektrischen Schlag bekommen.“ Der alte Mann verdreht die Augen und seufzte laut: „Nicht schon wieder! Mary, bitte  begleite mich, ja? Hach, dieser Bengel bringt mich noch ins Grab mit seinen Verrücktheiten! Oder er steigt noch vor mir in die Grube!“ Kopfschüttelnd griff er nach seinem Gehstock und humpelte, so schnell er konnte, in Richtung Ausgang. Mary griff hastig nach dem alten Arztkoffer und fragte im Hinausgehen: „Findest du allein in meine Kammer zurück?“ Stella fragte statt zu antworten: „Kann ich euch irgendwie helfen?“ Mary überlegte kurz und entgegnete: „Kümmere dich ein wenig um die Kinder, ja?!“ Stella nickte nur und war im nächsten Augenblick allein. Während sie die Tassen zusammenräumte und auf das kleine Tablett stellte, fiel ihr Blick auf das Schachspiel. Die Figuren faszinierten sie. Es waren wunderschöne Schnitzereien. Sie nahm die Figur des Königs in die Hand und betrachtete sie genauer.

Derjenige, der diese Miniaturen angefertigt hatte, musste ein wahrer Künstler sein. Sogar Vaters Blick über den Brillenrand hatte er genau getroffen. Die Haarsträhnen in Jamies langem Zopf waren genauestens herausgearbeitet und die Figur des Pascal schien jeden Moment mit den Eisenstangen lostrommeln zu wollen. Ein großes Rätsel war ihr allerdings der Springer mit dem löwenähnlichen Gesicht. Wen oder was hatte der Holzschnitzer mit dieser Figur darstellen wollen? Waren ihm die Vorbilder ausgegangen und er hatte sich daher eine Märchengestalt ausgedacht? Oder liebte Vater vielleicht eine besondere Geschichte, in der so ein Wesen vorkam? Dieses Gesicht war so rätselhaft. Es hatte etwas Majestätisches und trotzdem Gütiges an sich. Die Melancholie in den tiefliegenden Augen rührte einen ans Herz. Stella strich mit den Fingerspitzen sanft über die wilde Mähne, die dieses Gesicht umrahmte. Vorsichtig stellte sie den Springer wieder auf seine Position und verließ nachdenklich Vaters Kammer.

Stella wollte zunächst einmal im Kinderzimmer nach dem Rechten schauen und eventuell Jacob beim Auspacken seiner Kleiderkiste helfen. Aber der große Raum war leer, die Kiste war verschwunden und Jacobs Sachen lagen ordentlich zusammengelegt in dem kleinen Schränkchen. Stella überlegte, wo die Kinder wohl sein konnten und wollte es als nächstes im Schulzimmer versuchen. Auf dem Weg dorthin hörte sie plötzlich leise eine Melodie durch die Tunnel. Sie blieb stehen und lauschte. Es klang wie eine Spieluhr, denn es war immer dieselbe Tonfolge. Woher kam das? Stella ging bis zum nächsten Durchgang, der in einen Korridor mündete, ähnlich wie vor Vaters Kammer. So leise wie möglich ging sie auf den dahinter liegenden Raum zu. Die Melodie wurde lauter. Sie hatte sich also nicht geirrt. Vorsichtig trat sie an den Eingang und sah von dort aus Jacob auf einem riesigen Bett hocken. Er saß im Schneidersitz in die Kissen gekuschelt und presste einen silbernen Bilderrahmen an seine Brust. Neben ihm dudelte eine Spieluhr in Form eines kleinen Karussells immer wieder die gleiche Melodie. Leise, um ihn nicht zu erschrecken, fragte sie: „Jacob, was machst du denn hier so ganz allein? Ist alles in Ordnung?“ Der Junge nickte wortlos mit dem Kopf. Stella trat zögernd ein und setzte sich zu Jacob auf die Bettkante. Sie streichelte sanft sein Gesicht: „Ist wirklich alles in Ordnung mit dir? Du siehst so traurig aus!“ Der Junge nickte wieder und flüsterte: „Ich denke nur grad an meine Mami.“ Er lockerte die Umklammerung des Bildes und ließ Stella einen Blick darauf werfen. „Das ist deine Mami?“ fragte sie flüsternd. Jacob nickte wieder nur. Stella schaute erstaunt zwischen dem Foto und Jacobs Gesicht hin- und her. Er war das Ebenbild seiner Mutter – bis auf die Augen! Die hübsche, junge Frau auf dem Foto lächelte mit vollen, roten Lippen sanft in die Kamera. Das zarte Gesicht wurde von rotbraunem Haar umschmeichelt. Die langen, schwarzen Wimpern umrahmten wunderschöne, graugrüne Augen, in deren Blick eine rätselhafte Melancholie lag und Stella an irgendjemanden erinnerte. Sie überlegte angestrengt, bei wem sie das letzte Mal diesen Gesichtsausdruck gesehen hatte, kam aber nicht drauf. Die Liebe und Zärtlichkeit, die diese Augen aussandten, konnte man beinahe spüren. Wenn ihr Charakter genauso schön gewesen war wie ihr Gesicht, dann verwunderte es Stella nicht, dass sie bei allen hier unten so beliebt gewesen war. Dass der Kleine und sein Vater diese Frau hatten hergeben müssen, tat ihr unendlich leid. Sie hätte sie sehr gern kennengelernt. „Deine Mami ist eine wunderschöne Frau gewesen. Sie ist bestimmt der schönste Engel im ganzen Himmel.“ flüsterte sie dem Kleinen zu. Jacob strahlte Stella dankbar an, als hätte sie ihm dieses Kompliment gemacht. Sie nahm den Knirps in die Arme und drückte ihn an sich. Überraschenderweise umschlang er sie mit seinen Ärmchen und kuschelte sich an sie, während er weiterhin das Foto betrachtete. So saßen sie unbeweglich beieinander und genossen den Moment. Stella fühlte sich wieder als Mutter und Jacob bekam seine mütterlichen Zärtlichkeiten, die er, wie beinahe jedes Kind hier unten, vermisste. Die gute, alte Mary tat zwar ihr Bestes, aber so intensiv, wie diese Kinder es brauchten, konnte sie ihnen nun doch nicht die ersehnten Streicheleinheiten zukommen lassen. Allerdings hatte Jacob ja im Gegensatz zu den anderen Kindern noch seinen Vater. Es war unverständlich, wieso der Kleine dann so nach elterlicher Zuwendung ausgehungert zu sein schien. Wenn Stella es sich recht überlegte, hatte sie von diesem Mann bisher nur reden hören. Gesehen hatte sie ihn noch nicht. Wo war er? Warum kümmerte er sich so wenig um seinen Sohn? Wieso überließ er Jacob so lange Zeit Mary und den anderen? Sie verstand das nicht. Ein lieberes und unkomplizierteres Kind als Jacob hatte sie selten erlebt. Der Kleine hatte so geweint, weil er wieder in das Kinderzimmer zurück sollte, aber der Vater war hart geblieben. Warum wollte der Mann den Jungen nicht um sich haben? Wie konnte er ihn nur so von sich weisen? Sie seufzte und schüttelte bei diesen Gedanken den Kopf. Wie sehr sie sich irrte, ahnte sie nicht.

Während Stella den Kleinen sanft wiegte und dabei zärtlich seinen Haarschopf streichelte, blickte sie sich ein wenig in der Kammer um. Diese war mit ähnlichen Möbeln ausgestattet wie Vaters Raum. In der Mitte stand ebenfalls ein achteckiger Tisch, der allerdings kleiner war, jedoch genau so mit Büchern und Zeitschriften überladen. Daneben ein großer Armsessel mit ziemlich durchgesessenen Lederpolstern. Auch die Figur am Eingang war die gleiche griechische Wasserträgerin wie die vor Vaters Schlafnische. Die Besonderheit dieses Raumes bestand in einem großen, halbrunden Fenster mit bunter Bleiverglasung. Unter dem Fenster stand das Bett. Eine alte Tiffanylampe hing von der Decke und eine ähnliche stand auf dem Nachttisch. Der Rest der Möblierung bestand, wie auch in den Räumen der anderen Bewohner, aus alten Schränken, ramponierten Kommoden und schweren Truhen. Überall stand gesammelter Zierrat herum, der nicht unbedingt auf seinen Besitzer schließen ließ. Zwischen zerkratzten Schwertern himmelten sich kleine Porzellanengel gegenseitig an und neben einem alten Röhrenradio stand eine angeschlagene Kristallvase mit einer künstlichen, langstieligen Rose. Dazwischen, wie sollte es anders sein, Bücher, Bücher, Bücher!

Am Fußende des Bettes stand ein kleiner runder Tisch mit weißem Spitzendeckchen. Darauf waren eine Vase mit frischen Rosen und eine kleine Büste drapiert, in der sie die Frau von dem Foto wiedererkannte! Daneben brannten auf einem silbernen Kandelaber drei weiße Kerzen. Auf die freie Stelle zwischen den Rosen und dem Kerzenständer gehörte vermutlich der Bilderrahmen, den Jacob zärtlich streichelte.

Stella fiel plötzlich ein, dass sie ungebeten in den privaten Raum eines Fremden eingetreten war und wollte nun lieber wieder diesen Ort verlassen, bevor der Mann, der hier wohnte, zurückkam und sie vielleicht erwischte. Sie löste sich sanft von dem Jungen und stand auf. „Mary hat mich gebeten, nach den anderen Kindern zu sehen. Möchtest du noch hier bleiben oder begleitest du mich?“ fragte sie. Jacob überlegte einen kleinen Augenblick. Dann sprang er vom Bett und stellte die Spieluhr vorsichtig und sorgfältig in einen großen Kleiderschrank. „Daddy wird sonst böse, weißt du!“ erklärte er, während er den Schrank verschloss und den Schlüssel in eine kleine Schatulle legte. „Ich darf die Spieluhr eigentlich nicht nehmen. Er hat sie nämlich von Onkel Devin bekommen, als er noch klein war. Einmal hab ich sie schon fallen lassen und da war sie kaputt. Da hat Daddy mir verboten, sie zu nehmen, wenn er nicht dabei ist.“ Dann schaute er sich um, als kontrolliere er, dass auch ja nichts darauf hinwies, dass er was Verbotenes getan hatte. Stella schmunzelte über seine kindliche Umsicht. Nachdem Jacob sich vergewissert hatte, dass der Papa nichts merken würde, nahm er Stella bei der Hand und zog sie in den Tunnel.

Es war inzwischen Mittag geworden und es duftete nach Gemüsebrühe und Äpfeln. Stella knurrte automatisch der Magen. Sie ließ sich bereitwillig von Jacob, dem es nicht anders zu gehen schien, in Richtung Küche ziehen. Man hörte aus dem großen Gemeinschaftsraum, der einer mittelalterlichen Taverne glich, geschäftiges Treiben. Da nicht allzu viele Plätze vorhanden waren, war es Gewohnheit geworden, die Kinder zuerst essen zu lassen. Diese standen um den großen Kessel herum, in dem William mit einer überdimensionalen Kelle die heiße Suppe umrührte, und warteten ungeduldig auf ihre Mittagsmahlzeit. Rebecca und Jamie versuchten, die kleinen Raubtiere unter Kontrolle zu halten, während Grace und Mary Teller und Besteck heranschafften. Stella griff unaufgefordert zu. Nebenbei fragte sie: „Wie geht es Mouse? Ist alles in Ordnung?“ Mary antwortete: „Ach, der Junge ist hart im Nehmen. Er hat ein paar Verbrennungen an den Händen. Vater hatte ihn kaum wieder auf die Beine gestellt und die Wunden versorgt, da war er schon wieder dabei, sein Projekt zu verbessern, damit so etwas ja nicht noch einmal passiert! Und womöglich noch jemand anderen als ihm!“ Mary lächelte. „Er ist schon ein lieber Kerl. Immer hilfsbereit und um die anderen besorgt.“ Jamie, die zwischen den Kindern stand, hatte Mary’s Lob gehört und freute sich für ihren Freund.  Sie lächelte, als hätten die Worte ihr gegolten und bekam vor Stolz rote Wangen.

William gab den Startschuss zur Essensausgabe. Jedes der Kinder griff sich einen Teller und stellte sich artig in die Schlange. Mit Suppe und Apfel bewaffnet suchte sich jedes einen Platz. Nach dem Tischgebet hörte man nur noch leise Gespräche, genießerisches Schmatzen und Schlürfen. Die Jüngsten wurden gefüttert. Grace hatte ihr Baby auf dem Schoß und versuchte, den Löffel in den Mund ihres kleinen Noah zu bekommen. Dem schien allerdings entweder der Brei nicht zu schmecken oder er hatte keinen Hunger. Jedenfalls fing seine Mami schon an zu schwitzen, weil sie keinen Erfolg mit ihren Bemühungen hatte. Dem Kleinen machte es großen Spaß, mit seinen molligen Händchen nach dem Löffel zu greifen und dabei gleichmäßig das Essen auf der Kleidung zu verteilen. Plötzlich flog der Löffel in hohem Bogen durch die Luft und fiel laut klappernd in die Abfalltonne, die in drei Metern Entfernung an einer Wand stand. Noah quietschte dabei vor Vergnügen und strampelte mit den dicken Beinchen, so dass er fast vom Schoß seiner Mutter rutschte. „Das hältst du also von meinen Kochkünsten!“ brummte William, die Hände in die Seiten gestemmt. Die Kinder lachten laut und die Frauen schmunzelten in sich hinein. Doch der dicke Koch verstand in dieser Hinsicht keinen Spaß und blickte böse um sich. Sofort verstummte das Gelächter und die Köpfe sanken so tief auf die Tische, so dass sie beinahe in die Teller tunkten. Nur Jacob saß aufrecht und stocksteif auf seinem Stuhl und starrte mit offenem Mund hochkonzentriert in die Ferne. Dann ließ er klirrend den Löffel auf den Teller fallen und rannte aus dem Raum.

„Jacob!“ rief Stella dem Jungen verwundert nach und wollte ihm folgen. Doch Mary legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm und erklärte: „Mach dir keine Sorgen. Es ist alles in Ordnung mit ihm. Er spürt, dass sein Vater heimkommt und läuft ihm entgegen.“ Als sie Stella’s verwirrten Blick bemerkte, erklärte sie weiter: „Die beiden haben ein ganz besonderes Verhältnis zueinander, weißt du? Was der eine spürt, spürt auch der andere, egal, wo sich beide in dem Moment befinden.“ Stella war verblüfft. „Vincent ist oft sehr weit weg von hier, um die Tunnel und die Eingänge zu kontrollieren.“ warf Jamie ein. Mary übernahm wieder das Wort: „Unsere Welt hier unten dehnt sich über, oder vielmehr, unter ganz New York aus. Da wir ja hier unten keine Fahrzeuge einsetzen können, wie die Leute in der Welt über uns, muss Vincent seine Kontrollgänge zu Fuß absolvieren. Das dauert natürlich seine Zeit und manchmal ist er mehrere Tage unterwegs. Dann verfällt Jacob öfter in diese Art von Trance. Man könnte meinen, die beiden würden miteinander telepatisch kommunizieren. Aber es ist doch noch irgendwie anders, da es sich um Gefühle handelt und nicht um Gedanken.“ Nun verstand die junge Frau gar nichts mehr. „Es ist schwer zu erklären.“ entschuldigte sich Mary.  Jamie versuchte, es verständlicher zu machen: „Mary meint, wenn Jacob zum Beispiel Angst hat, dann spürt Vincent diese Angst und spendet ihm mit seinem starken Gefühl der Furchtlosigkeit Trost und Mut, verstehst du? Er kann ihm also helfen, diese Angst zu überwinden, egal, wo er sich gerade befindet. Auf diese Weise teilen die beiden auch Freude miteinander. Vincent kann spüren, ob sein Sohn zufrieden und glücklich ist.“ Stella staunte. „Ich habe über dieses Phänomen zwar schon gelesen, es aber für übertrieben gehalten. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das funktioniert, noch dazu über größere Entfernungen.“ Mary entgegnete: „Die Strecke von Chinatown bis hierher ist noch gar nichts! Vincent hatte zu Jacobs Mutter die gleiche Art von Verbindung. Sie nannten es immer „ihr Band“.  Er hat ihr sogar auf Grund dieser besonderen Gabe über den Kontinent hinweg das Leben retten können.“ Sprachlos schaute Stella von einer Frau zur nächsten, um festzustellen, ob man sie nur auf den Arm nehmen wollte, aber alle nickten bestätigend. Doch auf Grund dieser Erklärungen bekam sie nun so eine Idee, wieso der Mann so selten hier war und es ihn überhaupt nicht zu seinem Sohn zu ziehen schien. Dieser Vincent brauchte sich natürlich keine Sorgen um den Kleinen zu machen, wenn dieser ihm auf diese Art mitteilen konnte, dass alles in Ordnung war. Außerdem wusste er ihn ja auch bei Mary in guter Obhut. So war es ihm möglich, unbeschwert seiner Aufgabe nachzugehen. Wenn sie Jamie richtig verstanden hatte, war er wohl hier unten für die Ordnung und Sicherheit verantwortlich.

Die Kinder waren inzwischen mit ihrer Mahlzeit fertig geworden. Nach dem Essen war eine Chorprobe für die Weihnachtsaufführung angesetzt und alle wollten pünktlich im Schulzimmer sein. Eilig machten sie also Platz für die Erwachsenen, die nach und nach eintrafen. Unter ihnen waren auch Vater und der verarztete Mouse. Der trug demonstrativ seine verbundenen Hände vor sich her. Als Jamie ihn den Raum betreten sah, sprang sie sofort auf und lief ihm entgegen. Der junge Mann bemerkte die Sorge in ihren Augen und beruhigte sie mit einem tapferen Lächeln. Doch er vergaß auch nicht, dabei vor Schmerz das Gesicht zu verziehen, um eine gehörige Portion Mitleid zu bekommen. Jamie nahm für ihn und sich die gefüllten Suppenteller entgegen und brachte sie zu einem freien Tisch. Es war rührend, mit anzusehen, wie sie ihn umsorgte und er ließ sich das gern gefallen. Es kam nämlich nicht allzu oft vor, dass seine Freundin so liebevoll mit ihm umging. Das Mädchen legte normalerweise ihm gegenüber einen ziemlich ruppigen Ton an den Tag. Der blonde, etwas untersetzte junge Mann hörte ihn zwar nicht immer gern, aber er half ihm des Öfteren auf die Sprünge, wenn er sich mal wieder schwer tat, etwas zu begreifen. Es gab allerdings auch Gelegenheiten, da brauchte Jamie noch nicht einmal etwas sagen. Dann reichte es aus, ihn nur mit einem ganz bestimmten Blick anzufunkeln und er gehorchte wie ein Hündchen. Er war schon lange in sie verliebt und würde für sie alles tun. Allerdings quittierte sie seine kleinen Liebesbeweise meist nur mit einem knappen und nicht gerade überschwänglichen „Danke“, was ihn manchmal schon enttäuschte. Wenn er dann schon mal von ihr verwöhnt wurde, genoss er das natürlich auch ausgiebig. Man musste dazu allerdings schon ein bisschen dicker auftragen, denn dieses Mädchen war leider nicht gerade der mitleidige und mütterliche Typ. Und so stöhnte er nun öfter, als unbedingt notwendig, leise auf und kniff vor angeblichem Schmerz die Augen zu. Als Jamie ihm tröstend den Handrücken streichelte, grinste er verschmitzt in sich hinein und hielt ganz still. Diese kargen Zärtlichkeiten musste man unbedingt auskosten!

Vincent war vier Tage unterwegs gewesen, um die Zugänge, Barrikaden und Alarmsysteme der am südlichsten gelegenen Tunnel zu kontrollieren. Er hatte einige Stützbalken erneuern müssen, ein verrostetes Schloss repariert und ein paar Rohre abgedichtet. Am Zugang, der hinter der Subway-Station Whitehall Str. lag, stellte er fest, dass sich irgendjemand zu weit in die Tunnel vorgewagt hatte. So hatte er Geröll und Schutt zusammengetragen und damit eine Sackgasse geschaffen. Es war schwere Arbeit gewesen, die zwei starke Männer ordentlich zum Schwitzen gebracht hätte, aber Vincent zog es vor, solche Kontrollgänge und Reparaturen allein durchzuführen. So konnte er auf dem Weg durch die stillen Katakomben und Tunnel seinen Gedanken nachhängen und brauchte mit niemandem reden. Seit dem Tod seiner geliebten Catherine war er ein sehr introvertierter Mann geworden. Er wollte und brauchte die Einsamkeit, um seinen Gefühlen auch einmal freien Lauf lassen zu können. Wenn er in den Pausen am Feuer saß und seine Gedanken in sein Tagebuch schrieb, dann kam es schon mal vor, dass er weinte oder auch wütend Gegenstände an den Tunnelwänden zerschmetterte.

Obwohl Catherine’s entsetzliche Ermordung jetzt fünf Jahre zurücklag, fehlte sie ihm so sehr, dass er manchmal glaubte, nicht weiterleben zu können. Der Hass auf ihren Mörder, der ihm auch noch seinen neugeborenen Sohn entführt hatte, war nach all den Jahren nicht abgeflaut. Vincent müsste eigentlich Genugtuung verspüren, da der Mann seine gerechte Strafe erhalten hatte, denn er war tot. Aber für seinen Geschmack hatte dieser Verbrecher vorher viel zu wenig gelitten. Die Erinnerung an die sterbende Geliebte in seinen Armen, ihre letzten Worte und ihre streichelnde Hand auf seiner Wange taten ihm immer noch körperlich so sehr weh, dass es ihm fast die Sinne raubte. Jedes Mal dachte er, er könne nicht mehr weiterleben. Aber dann gab ihm ein Herzschlag, der nicht der seine war, den Lebenswillen zurück. Das waren die Momente, in denen er die Lebensfreude oder auch Schmerz und Sehnsucht seines Sohnes fühlte. Der Gedanke an Jacob hatte ihn schon mehrfach davon abgehalten, lebensgefährliche Dummheiten zu begehen. So hatte Vincent am Abend zuvor dicht an einer starkstromführenden Leitung der U-Bahnstrecke gestanden und die Hand bereits ausgestreckt. Der Gedanken, einfach zuzugreifen und es endlich hinter sich zu bringen, war ihm mehr als nur einmal durch den Kopf geschossen. Doch im selben Moment, es musste die Zeit der Vorlesestunde gewesen sein, als Jacob bei Stella auf dem Bett saß und Mary beim Geschichten erzählen zuhörte, sandte ihm der Kleine ein ungewöhnlich starkes Gefühl von Glück und Geborgenheit. Das hatte den Mann dazu veranlasst, erschrocken die Hand wieder wegzuziehen und hastig einen großen Schritt zurückzutreten. Er war hinterher entsetzt über sich selber gewesen, da er doch genau wusste, welch großen Kummer er damit Vater, Jacob und der gesamten Gemeinde machen würde. Vor allem hoffte er inbrünstig, dass sein Sohn die todessehnsüchtigen Empfindungen, die ihn in diesem Augenblick total einnahmen, nicht empfangen hatte.

Am Morgen danach hatte Vincent sich auf den Heimweg gemacht. Seine Gedanken waren bei seinem Jungen. Das schlechte Gewissen trieb ihn schneller als gewöhnlich voran, weil er nicht genau wusste, ob er mit seiner unbedachten Aktion dem Kleinen vielleicht Leid zugefügt hatte. Nichts lag ihm ferner! Er wollte und musste doch als Vater für ihn da sein, ihm Mut und Trost spenden. Wie hatte er sich nur so gehen lassen und diesem Anfall von Lebensmüdigkeit nachgegeben können?! Aber er konnte keine ängstlichen Empfindungen seines Sohnes empfangen, also schien es dem Kleinen gut zu gehen.

Im diesem Augenblick hatte er die oberste Stufe der großen Wendeltreppe erreicht, als ihn ein extrem starkes Glücksgefühl entgegenschoss. Er beschleunigte seine Schritte, rannte fast durch die Gänge. Als er die Treppen der Kammer der Winde betrat, stand auf der obersten Stufe sein kleiner Sohn. Beide blieben einen kurzen Augenblick stehen und sahen sich strahlend in die Augen. Vincent breitete die Arme aus und Jacob flog direkt hinein. „Daddy!“ murmelte der Junge und bemühte sich, seine kleinen Ärmchen um die breiten Schultern des Vaters zu legen. Vincent drückte den Kleinen an sich und wiegte ihn zärtlich hin und her. Beide genossen die Nähe und es bedurfte keiner weiteren Worte, um zu wissen, was der andere jetzt fühlte. Nach einer Weile stemmte sich Jacob leicht von der Schulter seines Vaters und sah ihm ernsthaft ins Gesicht. „Das ist so schön, dass du wieder da bist, Daddy!“ Er drückte seinem Papa einen ziemlich feuchten Kuss auf die Wange. „Ich freue mich auch, dass ich wieder hier bin. Du hast mir gefehlt, mein Kleiner!“ Er sah Jacob prüfend ins Gesicht: „Wie geht es dir? Ist alles in Ordnung?“ Jacob nickte und wollte runtergelassen werden. Er nahm seinem Vater die, für ihn viel zu große, Umhängetasche ab und zerrte sie die Stufen hoch. Dabei erzählte er, was er alles Neues gelernt und Interessantes gesehen hatte. Er berichtete von Stella, die so schön malen konnte, ihm beim Lesenüben half und ihn bei der Abendgeschichte in den Arm nahm. Er schwärmte förmlich von dieser Frau. Aber er erzählte auch von den vielen Bildern, die die Kinder gemalt hatten, dass nun endlich seine Kiste ausgepackt war und auch von dem fliegenden Babylöffel. Vincent ging langsam hinter dem Jungen her und hörte sich mit einem Schmunzeln geduldig das Geplapper an. Er war so froh, dass Jacob anscheinend nichts von seinen absurden Gedanken mitbekommen hatte, denn dann würde der Kleine sich anders verhalten. Und er wusste nun auch, wieso er von Jacob öfter als gewöhnlich dieses Glückgefühl empfangen hatte. Diese Stella schien ja auf den Jungen einen starken Eindruck gemacht zu haben. Man konnte fast meinen, der Kleine hätte sich verliebt. Und mit dieser Idee lag Vincent auch gar nicht so falsch.

Kurz bevor die beiden Vincents Kammer betraten, kam ihnen Kipper entgegen, der einen Zettel in der Hand hielt. Er begrüßte Vincent herzlich und sagte: „Hallo, Vincent! Ich wollte dir gerade eine Nachricht von Vater auf den Tisch legen. Es soll eine kurze Ratsversammlung stattfinden. Du musst natürlich auch kommen. Es geht um Stella und ob sie hier bei uns bleiben darf.“ Vincent legte dem Jungen die Hand auf die Schulter und antwortete: „Danke, Kipper. Bitte sag Vater, dass ich mich nur schnell wasche und umziehe. Danach komme ich.“ Kipper nickte knapp und wollte schon gehen, drehte sich dann aber noch einmal kurz um und meinte lächelnd: „Schön, dass du wieder da bist.“ Dann wandte er sich um und flitzte davon.

Als Vincent seine Kammer betrat, fiel sein Blick als erstes auf das Bild seiner Cathy, das auf dem Bett lag und nicht an seinem gewohnten Platz stand. Er wusste, dass der Junge sich öfter heimlich hier her verzog, das Foto seiner Mami an die Brust drückte und davon träumte, wie es wohl wäre, wenn sie bei ihnen sein könnte. Es war der gleiche Traum, den auch er sehr oft träumte. Vincent nahm seinen staubigen Umhang von den Schultern und ließ ihn achtlos auf den Boden fallen. Er nahm das Bild in die Hand und streichelte sanft mit dem Daumen über das kalte Glas. Er bildete sich allerdings dabei ein, er würde Cathy’s zarte Wange berühren. Sehnsüchtig seufzend stellte er den silbernen Bilderrahmen wieder an seinen Platz auf dem kleinen Tisch, zwischen die Rosen und die Kerzen.

Jacob sah seinem Vater schuldbewusst dabei zu und versuchte zu erklären: „Daddy, ich hab… ich wollte...“ Er fand irgendwie nicht die richtigen Worte, darum sagte er einfach nur: „Bitte nicht böse sein!“ Vincent kniete vor seinem Sohn nieder und umfasste mit seinen verhältnismäßig riesigen Händen die schmalen Schultern des Jungen. Er sah ihm verständnisvoll ins Gesicht und sagte sanft: „Aber Jacob, wie könnte ich dir denn böse sein! Du hast alles Recht der Welt, dir die Mami anzusehen und an sie zu denken, wann immer dir danach ist, verstehst du? Nur bitte, geh sorgsam mit dem Bild um. Es ist das Einzige, das wir von ihr haben!“ Jacob schluckte und nickte. Vincent nahm den Kleinen zärtlich in die Arme und drückte ihn fest an sich. Er spürte, wie der Junge aufatmete und lächelte in sich hinein. Dann löste er sich von Jacob und stand schwungvoll auf. „So, dann wollen wir uns mal ein bisschen beeilen. Wenn Vater den Rat so kurzfristig zusammen ruft, dann muss das mit dieser Stella ja ziemlich dringend sein.“ sagte er, während er Wasser aus einer Wasserkanne in eine Waschschüssel goss. Er legte sein Hemd ab und spülte sich den Staub von Gesicht und Oberkörper. Der Rest musste warten, bis er Zeit für ein ausgiebiges Bad fand. Jacob saß auf dem großen Lehnstuhl, in dem er fast versank und sah seinem Papa beim Waschen zu. Er bewunderte die muskulösen Arme und den mächtigen Oberkörper. Er wollte später auch einmal so stark werden. Nur diese vielen Haare auf der Brust wollte er nicht haben. Er erklärte mit wichtiger Miene: „Ja, das ist auch ganz doll wichtig. Stella soll ja weiter hier wohnen, damit sie mir beim Lesenüben helfen kann. Und sie kann so wunderschöne Bilder malen. Und dann erzählt sie immer schöne Geschichten aus ihrer Kinderzeit in Sch….Schwie…Schwe…, na von da, wo sie herkommt. Und sie ist ganz lieb!“ Vincent schüttelte den Staub aus dem Haar, zog sich ein sauberes Hemd und die Steppweste, die seine Schultern noch breiter aussehen ließ, über und legte den obligatorischen Ledergürtel an. Ohne es zu wissen, betonte er damit seine ohnehin schon sehr beeindruckende Figur auf’s Vorteilhafteste. „Na, du bist ja ganz begeistert von ihr! Du willst also, dass sie hier bleibt?“ Jacob nickte eifrig. „Dann wollen wir sie uns doch mal anschauen und hören, wie die Anderen über sie denken.“ Er stand vor seinem Sohn stramm und fragte: „Bin ich sauber? Kann ich so unter die Leute gehen?“ Jacob spielte den strengen Kontrolleur und wies seinen Daddy an, sich zur Begutachtung im Kreis zu drehen. Schmunzelnd tat der große Mann dem Kleinen den Gefallen und spielte mit. Der Junge hatte sich auf den Stuhl gestellt, die Ärmchen in die Seiten gestemmt und machte ein verkniffenes Gesicht. „Na ja, geht so!“ Im nächsten Moment kauerte er sich zusammen, weil er wusste, was passieren würde. Vincent schoss auf ihn zu und kitzelte ihn ab: „Was heißt hier ‚geht so’?! Sowas Respektloses! Na warte, du Früchtchen!“ Jacob quietschte vor Lachen und wand sich in den starken Armen seines Vaters wie ein Aal, allerdings chancenlos. Vincent warf sich den Knaben über die Schulter und verließ den Raum. Auf dem Weg zu Vaters Kammer lud er seine Last im Schulzimmer ab, wo die Chorprobe in vollem Gange war. Danach wollte er noch schnell in der Küche nach etwas Essbaren schauen, damit sein Magenknurren nicht sie Ratssitzung störte. Die Mittagszeit war zwar schon vorbei, aber sein Freund William würde ihm sicher ein Sandwich zurechtmachen.



[editiert: 22.11.09, 11:59 von sheena]
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Gaya

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New PostErstellt: 17.11.09, 14:59  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

da isses ja, das Sandwich... *lol*

hab leider noch keine Zeit zum Lesen gefunden, kommt noch.



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schneeeule
Tunnelexperte


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New PostErstellt: 17.11.09, 18:48  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Da hast Du wieder eine schöne Fortsetzung geschrieben!

So viele Kleinigkeiten ... der fliegende Löffel, Jacob beim Bild anschauen ...
Einfach toll und ganz nach meinem Geschmack.




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sheena
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New PostErstellt: 17.11.09, 19:10  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

*rot wird: danke!
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schneeeule
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New PostErstellt: 17.11.09, 19:18  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Da beneide ich Dich um Deine Phantasie. Ich würde an die vielen kleinen Dinge garnicht denken.

Ich wünsch Dir noch viele neue Ideen (hoffe, Du behältst sie dann nicht für Dich)




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sheena
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New PostErstellt: 17.11.09, 19:33  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

 neeee, dafür bin ich viel zu schwatzhaft!  

manchmal befürchte ich allerdings, dass ich zu langatmig und zu ausschweifend schreibe. nur ich krieg ja leider kein feedback, nur von dir. also denke ich, dass es so ok ist. freu mich, wenn wenigstens du und meine freundin es lesen und es euch gefällt.



[editiert: 17.11.09, 19:41 von sheena]
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schneeeule
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New PostErstellt: 17.11.09, 19:40  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ich finde es nicht langatmig. Genau richtig.
Deine Geschichte hätt ich gern mal als Folge im Fernsehen gesehen. Das kann ich mir beim lesen gut vorstellen.




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Anja
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New PostErstellt: 18.11.09, 14:31  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Hi!

Also deine Geschichte hört sich sehr gut an.
Habe gestern schon ein wenig zum lesen angefangen und bin auch fertig geworden.

Spitze wie du das alles beschreibst.
Weiter so.

Bin schon sowas von gespannd wie es weiter geht.
Ich denke sie kann bleiben. Vincent wird das schon machen. Jacob hat ihm ja schon einiges über sie erzählt.
Wer weiss vieleicht verliebt sich ein gewisser jemand in sie.

schöne grüsse
Anja




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sheena
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New PostErstellt: 18.11.09, 17:49  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

dank dir für das lob.
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sheena
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New PostErstellt: 05.12.09, 18:43  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

11. Kapitel – Die erste Begegnung

 

Nachdem die Leute der Tunnelgemeinde die Mahlzeit beendeten hatten und gegangen waren, half Stella beim Abräumen und Abwaschen. Sie hatte ja sonst nicht weiter zu tun. Außerdem war sie ein bisschen nervös, weil sie noch auf das Ergebnis der Ratssitzung warten musste. Hier zu helfen hatte sie ein wenig von ihren Gedanken abgelenkt. Aber nun war die Arbeit erledigt, doch sich irgendwo still hinsetzen und abwarten konnte sie einfach nicht. Stella entschloss sich, einen kleinen Spaziergang zur Flüstergalerie zu machen. Auf dem Weg durch die Tunnel überlegte sie, wie sich die Gemeinde wohl entscheiden würde. Sie hatte ja Vater gegenüber schon betont, dass sie gar nicht erwartete, hier in diesem Teil der Tunnel leben zu dürfen. Aber wenigstens ihre Abstellkammer sollten sie ihr lassen. Und vielleicht durfte sie auch ab und zu als Besucher hierher kommen und ein wenig Zeit mit Jacob verbringen. Dieser kleine, süße Junge war ihr in der kurzen Zeit so sehr ans Herz gewachsen. Sie fühlte sich mit diesem Kind mehr verbunden als mit ihrem eigenen Sohn. Wenn man beschloss, dass sie wieder gehen sollte, würde der Junge ihr am meisten fehlen.

Ein Geräusch riss Stella aus ihren Gedanken. Was sie hörte, waren schwere Schritte, die auf sie zukamen. Im nächsten Moment füllte eine riesige Silhouette den vor ihr liegenden Durchgang aus. Stella war zu Tode erschrocken. Sie blieb, wie zur Salzsäule erstarrt, stehen und meinte, ihr Herz würde augenblicklich aufhören, zu schlagen. Sie sah nur diese mächtige Gestalt, die der ihres Ex-Mannes so ähnlich war und ihre Beine fingen an zu zittern. Sie fühlte, wie sich die kleinen Härchen in ihrem Nacken aufstellten und ihr die Luft wegblieb. Panik machte sich in Bruchteilen von Sekunden in ihr breit. „David!“ keuchte sie tonlos. „Geh weg!“ Sie kam gar nicht auf die Idee, dass es nahezu unmöglich war, dass er und seine Männer sie hier unten suchten, geschweige denn, fanden. Sie sah nur die große Gestalt und war überzeugt, dass es David war. Flashbacks schossen durch ihren Kopf. Sie sah sich wieder am Boden liegen und David mit erhobenen Fäusten über sich. Sie spürte wieder die Schläge in ihrem Gesicht und die Tritte auf ihrem Körper. Mit angstgeweiteten Augen starrte sie auf den Schatten in dem Durchgang. Die Gestalt löste sich von der Tunnelwand und machte einen Schritt auf sie zu. „Geh weg!“ kreischte Stella mit einer angsterfüllten Stimme, die nicht mehr die ihre zu sein schien. Sie ging zwei, drei Schritte rückwärts, nicht in der Lage, die Augen von der vermeintlichen Gefahr, die da auf sie zukam, zu nehmen. Dann drehte sie sich blitzschnell um und rannte, ohne darauf zu achten, wohin ihre Flucht sie führte.

Vincent stand erschrocken im Tunnel und wusste nicht recht, wie er reagieren sollte. Er hatte nicht damit gerechnet, einer Fremden hier zu begegnen. Das konnte nur diese Stella gewesen sein. Und bevor er etwas hatte sagen können, war sie auch schon panisch davon gerannt. Wenn er gewusst hätte, dass sie hier allein durch die Tunnel streifte, wäre er vorsichtiger gewesen. Hatte sie denn niemand vorbereitet? Sie war doch nach Jacobs Erzählungen so oft mit dem Jungen zusammen gewesen. Warum hatte sie dann keiner vorgewarnt? Es musste doch jedem klar gewesen sein, dass sie beide unweigerlich irgendwann aufeinander treffen würden! Er entschied, der Frau nachzulaufen. Sie kannte sich hier unten nicht aus und es gab eine Menge Gefahrenstellen, in die sie zu geraten drohte. Er übermittelte eine schnelle Nachricht über die Rohre und nahm dann die Verfolgung auf. Die Richtung, die diese fremde Frau eingeschlagen hatte, führte genau zu den Wasserfällen.

Die Ratsmitglieder hatten sich bereits in Vaters Raum versammelt und warteten auf Vincent, dessen Rückkehr sich schon durch die Kinder herumgesprochen hatte. Ho und Jamie hockten auf den Stufen der Wendeltreppe und unterhielten sich flüsternd über Frauenangelegenheiten. Cullen hatte sich als Sitzplatz eine freie Ecke des großen Schreibtisches gesucht und schnitzte an einem Stück Holz herum. Pascal saß entspannt zurückgelehnt in einem der Armsessel und lauschte mit geschlossenen Augen dem Stakkato der Klopfzeichenmelodien in den Rohren. William trommelte ungeduldig mit den Fingern auf der Tischplatte herum und brummte unverständliches Zeug in sich hinein. Mary saß mit ihrem Strickzeug auf den Knien neben Vater, der missbilligend auf Cullens Hände starrte. Zu dessen Füßen hatte sich bereits ein kleiner Spanhaufen gebildet. Mouse rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin- und her. Auch er gehörte inzwischen zum Rat, da er sozusagen der technische Leiter der Gemeinde war. Doch er hatte weitaus Wichtigeres zu tun, als darüber zu beraten, wer hier wohnen durfte und wer nicht. Ihm waren alle Leute recht, solange sie ihn nicht bei seinen Projekten behinderten oder ihm Vorschriften machten. Das taten Vater, Cullen und Jamie schon zur Genüge. Plötzlich setzte sich Pascal kerzengerade auf und verlangte mit einem kurzen, aber bestimmten „Pssst!“ absolute Ruhe von den Anwesenden. Als diese sein konzentriertes Gesicht bemerkten, horchten auch sie genauer auf die Signale in den Leitungen. Vater bemerkte leise: „Das ist Vincent!“ Pascal nickte und ergänzte: „Es ist was passiert. Er ist auf dem Weg zum Wasserfall und kommt später!“ Jamie fragte: „Ob er Hilfe braucht? Vielleicht sollte jemand von uns nachschauen gehen?“ Mouse war das nur zu recht und rief aufgeregt: „Ja, Vincent hilft Mouse auch immer, also wird Mouse auch für Vincent da sein. Ich gehe und helfe!“ Schon sprang er auf und lief in Richtung Ausgang. Jamie rief ihm nach: „Du mit deinen kaputten Händen kannst ihm doch gar nicht helfen! Warte, ich komme mit!“ Damit war auch sie im Tunnel verschwunden. Vater schüttelte resigniert den Kopf und seufzte. Ob es mal einen Tag gab, an dem sie nicht irgendeine mittlere Katastrophe heimsuchte? „Na gut“ meinte er dann, „solange wir auf Vincent warten, kann ich euch ja schon mal berichten, worum es hier heute gehen soll.“ Er begann, Genaueres von Stella zu erzählen, damit nachher entschieden werden konnte, ob man sie in die Gemeinde aufnehmen sollte oder nicht.

Stella war am ganzen Körper vor Angst bebend und völlig atemlos erst an der Hängebrücke wieder stehen geblieben. Ihre Beine waren kurz davor, ihr den Dienst zu versagen. Sie war durch die Krankheit für solche Anstrengungen noch viel zu schwach, aber die entsetzliche Furcht vor David und seinen Schlägern hatte sie sämtliche Kräfte mobilisieren lassen. Doch jetzt musste sie erst einmal kurz verschnaufen. Sie fiel auf die Knie und legte den Kopf in den Nacken, um tief durchzuatmen. Doch kaum war sie ein wenig zu Atem gekommen, hörte sie erneut Schritte hinter sich. Da war er wieder, dieser riesige Mann. Sie rappelte sich auf und wollte über die schwankende Hängebrücke hetzen. „Bleib stehen! Das ist gefährlich!“ hörte sie eine tiefe, heisere Stimme rufen! Sie klang beinahe ängstlich und besorgt, doch das nahm sie in ihrer Hysterie gar nicht wahr. Erneut schoss Stella die grenzenlose Angst in die Glieder und gab ihr die Kraft, trotz der Warnung über die Brücke flüchten. Sie schaffte einen oder vielleicht auch zwei Meter, dann glitt sie auf den nassen Planken aus und stürzte. Sie schrie auf und versuchte, sich festzukrallen, doch ihre Hände fanden nirgends einen Halt. Wie in Zeitlupe rutschte sie von der Brücke. Stella keuchte vor Angst und Panik. „Das war’s!“ dachte sie. „Ein zweites Mal werde ich kein Glück haben und hier heile rauskommen!“ Ihre Füße berührten beinahe schon die Wasseroberfläche, da fühlte sie, wie etwas derb ihren rechten Unterarm umfasste und sie in emporzog. Im nächsten Moment lag sie bäuchlings auf festem Untergrund. Ihr Atem raste, das Herz überschlug sich beinahe und ihr war übel vor Angst. Stella lies die Stirn auf die nassen Brückenplanken fallen und schloss erschöpft die Augen. Sie fühlte, wie eine warme Hand sanft ihren Rücken rieb. „Ist alles in Ordnung mir dir?“ fragte eine leise, besorgte Männerstimme. Sie nickte, ohne aufzublicken. Inzwischen war ihr klar geworden, dass derjenige, der sie aus dieser Notlage befreit hatte, nicht David oder einer seiner Kraftprotze gewesen sein konnte. Die hätten seelenruhig daneben gestanden und zugeschaut, wie sie ertrank. „Komm, du kannst hier nicht liegen bleiben! Du wirst wieder krank!“ versuchte die Stimme, sie zum Aufstehen zu bewegen. Er hatte Recht. Stella versuchte, sich zu erheben, doch die Beine gehorchten ihr nicht. Zwei kräftige Arme umfassten ihre Taille und halfen ihr, sich aufzurichten. „Ich danke dir! Du hast mir das Leben gerettet!“ keuchte Stella tonlos und krallte sich an der Hand fest, die ihr aufhelfen wollte. Sie fühlte Haar, viel Haar und meinte, es wären Handschuhe. Doch dann sah sie derbe Finger, deren Enden mit langen, spitzen Krallen ausgestattet waren. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen und sie zog erschrocken ihre Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. Stella wandte den Kopf und sah in das Gesicht des Mannes, dem die Hand gehörte, in das Gesicht ihres Retters. Sie war zu Tode erschrocken über das, was sie sah. Das konnte doch nur ein Alptraum sein. Sie fing an, wie wild um sich zu schlagen und Vincent abzuwehren. Ihre Arme flogen ihm wie Windmühlenflügel entgegen, so dass er Mühe hatte, auszuweichen. In einem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit traf sie ihn im Gesicht. Ihre Fingernägel hinterließen auf seiner linken Wange kleine rote Streifen. Vincent brüllte kurz auf und ließ ungewollt reflexartig seine Fänge aufblitzen. Dieser Anblick war zu viel für Stella. In ihrer Panik schrie sie mit aller Kraft um Hilfe, bis ihr die Luft wegblieb. Sie hörte nur noch ein flehendes „Bitte hab doch nicht solche Angst! Ich tue dir nichts!“, dann umfing sie die barmherzige Dunkelheit und Stille der Bewusstlosigkeit.

Vincent kniete ratlos vor der besinnungslosen Frau. Er hätte sie sicher aus der Ohnmacht holen können, aber war es ratsam, sie zu wecken, so, wie sie auf ihn reagiert hatte? Einen Moment lang betrachtete er sie. Die Flechten des langen, blonden Zopfes hatten sich gelöst und das Haar lag wirr über ihrem Gesicht. Vorsichtig strich Vincent die Strähnen beiseite. Er sah nun in ein blasses, aber wunderschönes, zartes Gesicht mit einem Teint wie Alabaster. Über hohen Wangenknochen schwangen sich zwei dunklen Bögen aus langen Wimpern. Er vermutete unter den geschlossenen Lidern blaue Augen. Die schmale, gerade Nase war eigentlich ein wenig zu klein und stupsig, so dass die Frau etwas Kindchenhaftes an sich hatte. Damit ähnelte sie tatsächlich Cathy’s Püppchen, das Jacob immer mit sich herumgeschleppt hatte. Zuletzt blieb sein Blick an ihren vollen, leicht geöffneten Lippen hängen, die in diesem Moment fast weiß waren. Sie musste sich zu Tode erschrocken haben! Es tat Vincent unendlich leid. Er war verärgert, dass man eine Fremde hier unten ohne Begleitung herumlaufen ließ. Was sollte er jetzt nur tun? Er konnte sie unmöglich hier allein lassen, um Hilfe zu holen. Aber sie zu Vater zu tragen, war auch problematisch. Was, wenn sie auf dem Weg dorthin wieder zu sich kam? Doch sie konnte auf keinen Fall hier so liegen bleiben. Vincent musste es riskieren. Er bedauerte, seinen Umhang mit der großen Kapuze nicht dabei zu haben für den Fall, dass die Frau wieder zu sich kam. Damit hätte er sein Gesicht vor ihr ein wenig verbergen können, um sie nicht erneut zu erschrecken. Vincent nahm Stella auf die Arme und stellte fest, dass sie federleicht war. Er beeilte sich, mit ihr auf dem schnellsten Wege zur Krankenkammer zu kommen. Gerade hatte er die nächste Wegbiegung erreicht, da kam ihm Jacob entgegen. Der Junge blieb erschrocken vor seinem Vater stehen und sah auf die bewusstlose Stella. „Daddy, was ist mit ihr? Warum schläft Stella und warum trägst du sie wie ein Baby?“ Vincent ignorierte die Frage und befahl dem Kleinen: „Jacob, lauf und hol Vater in die Krankenkammer! Beeil dich!“ Der Junge sah in das besorgte Gesicht seines Dad’s und schoss ohne eine weitere Frage los.

Vincent hatte kurz darauf mit Stella auf den Armen die Krankenkammer erreicht. Sanft legte er sie auf eines der Betten, deckte sie vorsichtig zu und setzte sich dann in eine dunkle Ecke des Raumes.  Von dort konnte er die junge Frau im Auge behalten, ohne dass sie ihn gleich bemerkte, sollte sie wieder zu sich kommen. Keine zwei Minuten später erschien Jacob mit Vater und Mary im Gefolge. Der Arzt begab sich sofort zu Stella und prüfte ihren Zustand. Vincent raunte leise aus seiner dunklen Ecke: „Sie ist nur ohnmächtig.“ Vater drehte sich in die Richtung, aus der die wohlbekannte, ruhige Stimme kam und fragte: „Was ist denn bloß  passiert?“ Sein Adoptivsohn erhob sich langsam und erklärte mit verlegenem Blick, wieso Stella bewusstlos war. Mary legt mitfühlend die Hand auf Vincents Arm, um ihn zu trösten. „Es ist doch nicht deine Schuld.“ meinte sie leise. Er zuckte mit den Schultern und verließ die wortlos die Kammer.

„Mary, bitte gib mir das Riechsalz.“ bat Vater seine Freundin. Die wühlte bereits in dem Arztkoffer und fand dann auch, wonach der alte Mann verlangt hatte. Er hielt Stella das Röhrchen unter die Nase. Augenblicklich verzog sie angewidert das Gesicht und drehte den Kopf zu Seite. Langsam öffnete sie die Augen und sah verschwommene Umrisse vor sich stehen. Die letzten Sekundenbruchteile vor der Ohnmacht schossen ihr durch den Kopf und sie schlug abermals schreiend um sich. Vater trat erschrocken ein Schritt zurück und machte für Mary Platz, die beruhigend auf Stella einredete. Jacob stand mit offenem Mund daneben und beobachtete die Szene. Als Stella erkannte, wen sie vor sich hatte, beruhigte sie sich langsam und schaute sich, ängstlich an Mary geklammert, im Zimmer um. „Wo bin ich?“ flüsterte sie verschreckt. „Was ist eigentlich passiert?“ Vater setzte sich zu ihr auf die Bettkante und erklärte: „Nun, wir, ich meine, die Ratsmitglieder, haben zusammengesessen und auf Vincent gewartet. Ich hatte dir ja versprochen, dass wir nach dem Mittagessen darüber beraten werden, ob wir dich in unsere Gemeinschaft aufnehmen. Da hörten wir plötzlich….“ weiter kam er nicht. Stella schnitt ihm mitten im Satz das Wort ab: „Ihr braucht gar nicht weiter darüber nachdenken! Ich bleibe nicht hier, auf keinen Fall! Ich werde noch heute meine Sachen packen und aus den Tunneln verschwinden! Und ihr solltet das auch tun!“ Mary fragte erstaunt: „Aber warum denn? Wo willst du denn hin mitten in diesem eisigen Winter, kurz vor Weihnachten, ohne Unterkunft und Nahrung? Was ist denn auf einmal so schrecklich, dass du uns verlassen willst? Und warum, in Gottes Namen, sollen auch wir von hier verschwinden?““ Stella setzte sich auf und sah ungläubig von Vater zu Mary und wieder zurück. „Wisst ihr eigentlich, dass ihr hier unten nicht allein lebt?“ Vater nickte: „Ja, natürlich wissen wir das. Es sind viele Familien und Personen hier unten heimisch geworden.“ Stella schüttelte unwillig den Kopf und unterstrich die Geste mit aufgeregten Handbewegungen: „Nein, nein, nein! Ich meine, wisst ihr, dass hier unten auch etwas lebt, das irgendwie kein Mensch ist? Es ist riesig, geht auf zwei Beinen und hat langes Haar, sieht aber aus wie ein Tier! Mit riesigen Klauen und Reißzähnen! Es hat mich verfolgt“ Vater wusste sofort, wen Stella meinte. Bevor er zu einer Erklärung ansetzen konnte, prustete Jacob los: „Aber das ist doch nur mein Daddy!“ Stella schüttelte wieder den Kopf: „Nein, mein Kleiner, das war sicher nicht dein Dad!“ Vater fragte als nächstes: „Was wollte er denn von dir? Hat er etwas gesagt oder getan?“ Die junge Frau überlegte und nickte dann langsam: „Er hat mir eine Warnung hinterher gerufen, als ich über die Hängebrücke wollte. Ich bin ausgerutscht und wäre fast in den Fluss gestürzt, aber er hat mich festgehalten.“ Ihre Stimme wurde immer kleinlauter, als sie ihr Erlebnis Revue passieren ließ. „Er hat mich gerettet!“ flüsterte sie mit Tränen in den Augen. „Sag ich doch, das war Daddy!“ beharrte Jacob. „Ich hab ja gesehen, wie er dich hierher getragen hat!“ Stella konnte die Worte des Jungen nicht glauben und schüttelte immer noch den Kopf. „Warte!“ sagte er kurz und war dann auch schon verschwunden. Vater saß immer noch dicht neben ihr und sah etwas verlegen auf seine Hände: „Ich glaube, wir haben versäumt, dich in ein sehr wichtiges Geheimnis einzuweihen. Eigentlich wollte ich dir davon erst erzählen, wenn ganz sicher ist, dass du bei uns bleiben wirst. Damit zu warten, war aber offensichtlich ein Fehler. Weißt du – der Mann, den du getroffen hast, der dich so sehr erschreckt hat, ist einer von uns. Auch wenn er anders ist als wir, so ist er doch ein von uns allen sehr geliebtes Familienmitglied. Er ist einfach etwas ganz besonderes.  Und - er ist tatsächlich Jacobs Vater. Du brauchst dich wirklich nicht vor ihm zu fürchten!“

Jacob hatte seinen Vater gesucht und in dessen Kammer auch gefunden. Er saß dort in der für ihn üblichen Haltung, wenn er nachdachte – die Ellenbogen auf die Armlehnen des großen Sessels gestützt und den Blick über die in Kinnhöhe verschränkten Hände hinweg starr auf eine Kerzenflamme gerichtet. „Daddy, du musst mitkommen. Stella glaubt nicht, dass du mein Daddy bist!“ Er hob den großen Umhang auf, der immer noch auf dem Boden lag und reichte ihn wie selbstverständlich seinem Vater. „Nein!“ sagte Vincent leise, aber bestimmt und unterstrich diese Ablehnung mit einem Kopfschütteln. „Sie hat Angst vor mir.“ Jacob bettelte: „Bitte komm doch! Vater und Mary sind doch bei ihr. Das mit dem Umfallen passiert ganz bestimmt nicht noch mal! Ich muss ihr doch zeigen, dass sie sich gar nicht fürchten muss. Bitte, Daddy!“ Als Antwort kam nur ein gequältes „Ach, Jacob!“ Vincent war es immer noch sehr unangenehm, dass er die Frau mit seinem Aussehen so erschreckt hatte. Das war ihm ja schon einige Male passiert, aber noch nie war jemand deswegen in Ohnmacht gefallen. Es hatte aber auch Personen gegeben, die neugierig auf ihn gewesen waren und überhaupt keine Hemmungen gehabt hatten, ihn anzusehen, ihn zu berühren, ihn sogar schön zu finden. Doch er erinnerte sich, dass auch seine Cathy bei der ersten Berührung seiner Hand zurückgezuckt war und beim ersten Blick in sein Gesicht erschrocken aufgeschrieen und mit einem Gegenstand nach ihm geworfen hatte. Damals hatte er genauso empfunden wie heute – er hatte sich geschämt. Nun wollte Jacob unbedingt, dass er sich Stella vorstellte. Die Aussicht darauf, noch einmal in das entsetzte Gesicht dieser schönen, jungen Frau sehen zu müssen, bereitete ihm Unbehagen. Doch irgendwie hatte der Kleine ja Recht. Man würde es auf die Dauer nicht vermeiden können, sich ab und an zu begegnen. Jacob hing an seiner Hand und zerrte ihn in Richtung Ausgang. Widerwillig stand Vincent auf, legte seinen Umhang über die Schultern und ging mit dem Jungen mit.  Doch im Korridor vor der Krankenkammer blieb er unschlüssig stehen und überlegt, ob er nicht doch lieber wieder gehen sollte. Jacob hing immer noch an seiner Hand und wollte ihn wie einen störrischen Maulesel hinter sich herziehen. Doch der große Mann stand wie festgewachsen im Gang. Der Junge ging um seinen Vater herum und verlegte sich aufs Schieben, was ebenso erfolglos war wie das Ziehen. „Los, Daddy! Du bist doch sonst immer so mutig! Hast du etwa Angst?“ Vincent seufzte und nickte kaum merklich. Ja, der kleine Bengel hatte es erfasst – er hatte tatsächlich Angst. Aber es musste wahrscheinlich sein. Also zog er die Kapuze seines großen Umhanges über den Kopf und betrat leise die Krankenkammer.

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schneeeule
Tunnelexperte


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New PostErstellt: 05.12.09, 19:01  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Der arme Vincent.
Hat er wieder jemanden erschreckt und kann nix dafür.

Du hast wieder so realistisch geschrieben. Mir haben von ihren Schreien auch die Ohren geschlackert.




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Anja
Tunnelstammgast


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New PostErstellt: 05.12.09, 19:41  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Toll es geht mit Stella und Vincent weiter.
Wau was für ein toller Teil wieder von dir.

Was wird er zu ihr sagen wenn er drinnen ist.
Hallo ich bin Vincent oder ?

Wird Stella Vincent dann sagen warum sie davon gelaufen ist von ihm? Das sie gedacht hätte er wäre ihr EX-Mann und der hinter ihr her ist.
Der Arme macht sich sonst noch weitere vorwürfe das er sie so erschreckt hat.

Vincent braucht keine Angst haben wenn er zu Stella in die Krankenkammer hinein geht es ist ja noch Vater , Mary und auch Jackob ist da.
Er wird das schon schaffen. Und wer weiss vieleich entwickelt sich dann bei den beiden eine tolle Freundschaft. Und dann wird aus Freundschaft Liebe.

Lg Anja






Märchen schreibt die Zeit, immer wieder wahr, eben kaum gekannt dann doch zugewandt unerwartet klar, märchen schreibt die zeit es ist ein altes lied, bittersüß verwirrt, einsehn das man irrt und auch mal vergiebt....

die Schöne und das Biest
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schneeeule
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New PostErstellt: 05.12.09, 19:52  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Sie wird ihm schon erklären müssen, warum sie so sehr erschrocken ist. Dann wird er es verstehen. Wenn sie ihn erst besser kennt, wird sie merken wie sanft Vincent ist.

Du hast das so schön realistisch geschreiben. Ich glaube, wenn ich ihn das erste Mal gesehen hätte, hätt ich mich auch erschreckt. Auf den ersten Blick sieht man ja nicht, dass er kein Bösewicht ist.

Hoffentlich weißt Du schon, wie die Geschichte weiter geht.






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Anja
Tunnelstammgast


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New PostErstellt: 05.12.09, 20:07  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ist besser wenn sie ihm alles sagt. Vincent wird das alles verstehen.
Und wenn sie doch einmal auf kreuzen dann kann er Stella auch Helfen.

Du hast das so toll  realistisch geschreiben das ganze.

Wie schneeeule schon sagt
Ich glaube, wenn ich ihn das erste Mal gesehen
hätte, hätt ich mich auch erschreckt. Auf den ersten Blick sieht man ja
nicht, dass er kein Bösewicht ist.






Märchen schreibt die Zeit, immer wieder wahr, eben kaum gekannt dann doch zugewandt unerwartet klar, märchen schreibt die zeit es ist ein altes lied, bittersüß verwirrt, einsehn das man irrt und auch mal vergiebt....

die Schöne und das Biest
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sheena
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New PostErstellt: 10.01.10, 13:29  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

12. Kapitel - 

Mary drückte Stella in die Kissen und redete sanft auf sie ein: „War wohl alles ein bisschen viel für dich! Ruh dich aus und versuch, ein wenig zu schlafen.“ Vater nickte beipflichtend und nahm noch einmal ihr Handgelenk, um den Puls zu fühlen, der mit einem Male zu rasen begann. Erschrocken schaute er seiner Patientin ins Gesicht und bemerkte ihre angstgeweiteten Augen, die zum Eingang starrten. Er folgte ihrem Blick und seufzte, als er seinen Sohn dort stehen sah. Wie es dessen Art war, hatte er beinahe lautlos den Raum betreten und stand nun dort, bewegungslos abwartend. Vater taten die beiden jungen Leute leid – Stella, weil sie sich vor Vincents Erscheinung so fürchtete und Vincent, weil er ihn lange genug kannte, um zu wissen, wie elend dieser sich in dem Moment fühlte. Er hielt immer noch Stellas Hand und umfasste sie nun etwas fester, um ihr Sicherheit zu vermitteln. Mit einer bittenden Geste forderte er Vincent auf, näher zu treten. Dieser machte zögernd einen Schritt auf ihn zu und blieb dann wieder stehen, den Kopf tief gesenkt. Mary zog sich das Herz im Leib zusammen, als sie den sonst so majestätisch wirkenden, stattlichen Mann so verschüchtert im Raum stehen sah, der es nicht wagte, die Kapuze vom Kopf zu nehmen und sein Gesicht zu zeigen. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Stella in ihren Kissen immer kleiner wurde. Sie setzte sich zu ihr aufs Bett und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. „Du brauchst dich nicht fürchten, wirklich nicht!“ flüsterte sie Stella zu. „Niemand wird dir etwas tun!“ Aber die junge Frau schien sie gar nicht zu hören. 

Vater räusperte sich und sagte mit leiser Stimme: „Stella, ich möchte nun endlich nachholen, was schon längst hätte geschehen sollen: ich möchte dir Vincent vorstellen – Jacobs Vater, meinen Sohn und unser aller Freund und Beschützer.“ Die letzten Worte betonte er besonders. Er wandte sich an Vincent: „Bitte, komm doch näher!“ Dieser hatte jedoch währenddessen Stella unter der Mähne hervor aufmerksam beobachtet. Er bemerkte, wie sie sich versteifte, sah ihre Lippen zittern und die weit aufgerissenen Angstaugen. Diese offensichtliche Abscheu hielt ihn davon ab, auch nur einen Finger zu rühren, geschweige denn, einen Schritt auf sie zuzugehen. Auch Stella hatte den großen Mann die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen, aus Furcht, dieser könne jeden Moment über sie herfallen.  

Jacob verfolgte die Szene vom Eingang aus. Als er merkte, dass sein Daddy keine Anstalten machte, sich Stella zu nähern und Stella wiederum ihre ablehnende Haltung beibehielt, traten ihm Tränen der Verzweiflung in die Augen. Er stürzte in den Raum und blieb zwischen den beiden, sich gegenseitig belauernden Erwachsenen stehen. Unschlüssig, wen er zuerst anflehen sollte, schnappte er schluchzend nach Luft, um dann mit beiden Händen den Arm seines Vaters zu greifen und, so derb er konnte, zu schütteln, als wolle er ihn wecken. „Daddy! Bitte!!!“ Doch der senkte seinen Kopf noch tiefer. Als der Junge merkte, dass er keinen Erfolg haben würde, wandte er sich an Stella und bettelte die junge Frau förmlich an: „Stella, bitte, das ist doch mein Daddy! Er ist der liebste Mensch auf der Welt! Bitte, hab doch nicht solche Angst! Ich hab doch auch keine!“ Vincent tat es in der Seele weh, seinen Kleinen für ihn so um Stellas Gunst betteln zu sehen, doch er wartete geduldig, was geschehen würde. Jacobs verzweifeltes Flehen schien die Frau aber nicht zu erreichen. Sie schüttelte ununterbrochen den Kopf und schob den Jungen sanft von sich. „Ich kann nicht, Jacob, bitte hör auf!“  

Vincent hatte genug. Was sollte das? Es hatte keinen Sinn, dieser Frau seine Bekanntschaft aufzudrängen. Sie musste von allein zu der Erkenntnis gelangen, dass diese übertriebene Angst kindisch war. Es musste ihr doch klar sein, dass sie von ihm nichts zu befürchten hatte, wenn sogar ein kleiner Junge, ein alter Mann und das gesamte übrige Tunnelvolk keine Bedenken hatten, mit ihm zusammenzuleben! Und die hatten schon Einiges mit ihm mitmachen müssen! Als er merkte, dass sich die Verkrampfung der Frau trotz Vaters und Jacobs Versicherung nicht löste, knurrte er ein kurzes: „Jacob, komm!“. Dann drehte er sich abrupt um und verließ die Kammer ohne ein weiteres Wort. Er verstand Stellas Verhalten nicht, denn er konnte ja nicht wissen, dass sie seine Erscheinung mit ihrem brutalen Ex-Mann assoziierte. 

Der kleine Junge stand mitten im Raum und wollte eigentlich nicht gehen, ohne vorher Stella von der Harmlosigkeit seines Daddy’s überzeugt zu haben. Doch er hatte zu gehorchen. Es machte ihn sehr traurig, aber auch wütend, dass die beiden Erwachsenen sich einfach nicht vertragen wollten. Er warf seiner großen Freundin einen vorwurfsvollen Blick zu, stampfte wütend mit dem Fuß auf und rannte schluchzend aus dem Raum. „Jacob!“ rief Vater ihm erschrocken nach, denn solches Gebaren hatte er bei seinem kleinen Enkel noch nie beobachtet. Doch im Korridor blieb es still. Er fragte Mary: „Sollte nicht einer von uns nach ihm schauen?“ Diese hatte die ganze Zeit still auf dem Bett gesessen und all das mit Tränen in den Augen beobachtet. Sie schluckte an einem großen Kloß, der ihr im Hals saß, bevor sie antworten konnte. „Nein, nein. Lass ihn. Vincent wird sich schon um ihn kümmern.“ Dann stand sie seufzend vom Bett auf, sah Stella mit traurigen Augen an und sagte: „Dir scheint es ja jetzt wieder besser zu gehen. Ich muss mich um die Kinder kümmern.“ Stella schien es, als würde ein leicht verärgerter Unterton in ihrer Stimme mitschwingen. Sie sah Vater an, der enttäuscht seine Sachen im Arztkoffer verstaute. „Bitte, versteht mich doch. Es ist doch keine böse Absicht, aber euer Vincent macht mir Angst. Ich kann das einfach nicht überwinden. Noch nicht!“ Vater nickte wortlos, nahm seinen Gehstock und humpelte zum Eingang. Es schien Stella, als wenn er noch ein wenig gebeugter und schleppender ging als sonst. Mary folgte ihm. Schon halb im Korridor drehte er sich noch einmal kurz um und meinte nur: „Ruh dich noch ein wenig aus. Wir sehen uns dann zum Abendessen.“ Dann war Stella allein. 

Vincent war nach dem Verlassen der Krankenkammer hinter der nächsten Wegbiegung stehen geblieben und hatte sich an die Tunnelwand gelehnt. Er stand mit gesenktem Kopf und starrte nachdenklich auf seine Stiefelspitzen. Wieso ging ihm das Erlebnis mit Stella so nah? Warum kränkte ihn ihre Abneigung so sehr? Er war es eigentlich gewöhnt, dass Neuankömmlinge, besonders Erwachsene, bei der ersten Begegnung erschraken, aber mit freundlichen, ruhigen Begrüßungsworten hatte er sie immer sehr schnell davon überzeugen können, dass er es gut mit ihnen meinte und sie nichts zu befürchten hatten. Es störte ihn, dass er so gar keinen Zugang zu Stella fand. Nicht einmal, nachdem er sie vor einem Sturz in den Fluss bewahrt hatte. Er würde sehr gern mit der Fremden gut auskommen wollen, schon allein deshalb, weil Jacob sie so sehr mochte. Doch gegen den Widerwillen, der ihm entgegengebracht wurde, war er machtlos. Auf diese Art war ein Kennenlernen unmöglich. Er schüttelte ratlos den Kopf. Wahrscheinlich musste er der Frau mehr Zeit lassen. Sie wusste ja jetzt, wer er war und wie er aussah. Sie musste sich nur erst an den Gedanken gewöhnen. Jacob, Vater und die anderen würden sicher auch noch ihren Teil dazu beitragen, ihr die Furcht vor ihm zu nehmen. Er nahm sich vor, Jacob zu Liebe geduldiger mit ihr zu sein.  

Die Schritte kleiner Füße und ein vernehmliches Nasehochziehen rissen ihn aus seinen Gedanken. Vincent hockte sich in den Gang, um mit ausgebreiteten Armen seinen unglücklichen Sohn in Empfang zu nehmen. Er drückte ihn tröstend an sich und wartete geduldig, bis sich sein Junge ausgeweint hatte. Dann nahm er das kleine Kinn in die eine Hand und wischte mit der anderen die Tränen von Jacobs Wangen. „Ist schon gut.“ flüsterte er, zog ein Taschentuch hervor und wollte dem Jungen die Nase putzen. Der aber trat einen kleinen Schritt zurück, nahm seinem Daddy das Tuch aus der Hand und meinte bockig: „Ich kann das schon alleine. Bin doch keine Baby mehr!“ Vincent stand auf, nickte und antwortete ernst: „Selbstverständlich! Entschuldige bitte!“ Lächelnd schaute er auf den Knaben hinab und wartete, bis dieser mit dem Taschentuch erledigt hatte, was dringend notwendig zu sein schien. Dann legte er ihm einen Arm um die Schulter und sie wanderten schweigend durch die Tunnel. In stummem Einverständnis  landeten sie am Ufer des Spiegelteiches. Dort sammelten sie kleine Steinchen auf und ließen diese abwechselnd über die Oberfläche des Sees hüpfen. Nach einer Weile brach Jacob das Schweigen: „Daddy, warum hat Stella Angst vor dir?“ Vincent hatte schon geahnt, dass irgendwann diese Frage kommen würde. Er setzte sich im Schneidersitz dicht ans Ufer des Sees und klopfte leicht mit der flachen Hand auf die freie Stelle neben sich. Ein Zeichen für Jacob, sich zu ihm zu setzen. Nach kurzer Überlegung sagte er leise: „Stella hat sicher noch nie einen Menschen wie mich gesehen. Es gibt Leute, die alles, was sie nicht kennen, meiden oder auch fürchten. Gib ihr Zeit. Sie wird sich schon an mich gewöhnen. Das kann man nicht erzwingen, weißt du?“ Jacob war mit dieser Antwort nicht wirklich zufrieden: „Aber Grace und der kleine Noah hatten doch auch keine Angst, als sie zu uns kamen.“ In dem Moment, als er versuchte, Jacob seine Frage zu beantworten, wurde ihm klar, dass er selbst bisher auch noch nicht darüber nachgedacht hatte, wieso diese Frau dermaßen panisch auf ihn reagierte. Vincent neigte leicht den Kopf zur Seite und sah den Jungen an: „Jeder Mensch ist da eben anders. Stella scheint besonders ängstlich zu sein. Wir können nicht wissen, was sie schon alles mitgemacht hat, bevor sie hierher kam. Vater weiß sicher mehr über sie. Wir werden ihn nachher fragen, einverstanden?“ Vincent wog einen grauen Kiesel in der Hand und warf ihn dann mit einer kleinen Bewegung locker aus dem Handgelenk fast bis in die Mitte des Teiches. Der Junge nickte und versuchte, zu verstehen. „Ich will so gern, dass Stella hier bleibt. Ich will nicht, dass sie Angst hat, denn wenn sie lacht, ist sie so schön! Dann glitzern ihre Augen so fröhlich!“ Er holte mit dem Arm weit aus und warf ein kleines Steinchen so weit er konnte. Der Kiesel traf fast genau die gleiche Stelle, an der vorher sein Vater den Stein versenkt hatte. Er nickte zufrieden und ließ ein leises „Yeah!“ hören. Vincent lächelte amüsiert. Jacob redete mit verträumtem Blick weiter: „Und wenn ich abends bei ihr auf dem Bett sitze und wir Geschichten hören, dann guckt sie mich manchmal so komisch an.“ Vincent legte die Stirn in Falten: „Komisch? Wie meinst du das?“ Jacob sah seinen Dad an und überlegte, wie er das erklären sollte. „Na, eben so komisch. Sie lächelt dabei und guckt so wie die Mami auf dem Bild!“ Vincent zuckte zusammen. Er schloss die Augen und unterdrückte ein Stöhnen. Jacob hatte ja in letzter Zeit viel von der Fremden geschwärmt und er, Vincent, verstand das auch nur zu gut, aber der Vergleich mit Catherine versetzte ihm nun doch einen schmerzhaften Stich ins Herz. Es störte ihn ein wenig, dass der Junge mehr für diese Stella zu empfinden schien als für seine Mutter. Doch konnte und wollte er dem Jungen keine Vorwürfe machen, denn der hatte seine Mama ja nie kennengelernt. Er selbst dagegen konnte sich natürlich noch kein genaues Bild von Stella machen. Es würde sicher noch eine Weile dauern, herauszukriegen, ob Jacob mit seiner Behauptung wirklich Recht hatte. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es irgendwo auf dieser Welt irgendjemanden gab, der Catherine in irgendeiner Weise ähnlich war.  

Jacob hatte die plötzliche Veränderung im Gesicht seines Vaters bemerkt und fragte vorsichtig: „Daddy? Ist alles in Ordnung mit dir?“ Vincent nickte nur. Er atmete tief durch und versuchte, den Kleinen neben sich anzulächeln, der ihn mit seinen großen, blauen Augen besorgt ansah. „Du hast Stella sehr lieb, was?“ fragte er ihn. Jacob stand auf und war nun auf Augenhöhe mit seinem Dad. Er nagte an seiner Unterlippe und zögerte, bevor er leise antwortete: „Weißt du, Daddy, wenn ich mir früher Mamis Bild angesehen habe, dann hab ich mir immer überlegt, wie sie wohl gesprochen und gelacht hat, als sie noch hier bei uns lebte.“ Er grinste schelmisch: „Oder auch, wie sie mit mir schimpfen würde, wenn ich was anstelle.“ Sein Gesichtchen wurde wieder ernst: „Und dann, als Stella plötzlich da war und ich hab mir dann Mamis Bild angeguckt, da hatte Mami in meinen Gedanken auf einmal Stellas Stimme. Das war ganz komisch. So ein Mischmasch, verstehst du?“ Und ob er verstand! Der Kleine wollte eine Mutter und bastelte sie sich nun auf diese Weise zurecht. Jacob trat dicht an seinen Vater heran und legte seine Ärmchen um dessen Nacken. Zwei aquamarinblaue Augenpaare trafen sich und beide hatten den gleichen melancholischen Ausdruck. Vincent zog den Jungen an sich: „Ich verspreche dir, dass ich mir große Mühe geben werde, mich mit Stella zu vertragen. Es tut mir so sehr leid, was da vorhin passiert ist. Aber so ganz allein werde ich es nicht schaffen. Sie muss sich auch ein bisschen anstrengen. So lange sie es nicht will, kann ich nichts machen.“ Jacob nickte. „Ja, ich weiß. Heute Abend nach der Geschichte kann ich ja noch mal mit ihr reden. So kann das mit euch beiden ja schließlich nicht weitergehen!“ meinte er mit wichtiger Mine und klopfte seinem Vater auf die Schulter. Vincent lachte leise, da er in diesen Worten und diesem Tonfall eindeutig Vater wiedererkannte. 

Stella hockte mit einem furchtbar schlechten Gewissen im Bett und starrte vor sich hin. Sie hatte Vater und Mary ganz sicher nicht enttäuschen wollen und auf keinen Fall war es ihre Absicht gewesen, Jacob so wehzutun und seinen Vater zu brüskieren. Es war zum Verzweifeln, dass sie die Aversion gegen große, breitschulterige Männer nicht ablegen konnte. Eigentlich wäre der Besuch bei einem Psychologen dringend notwendig. Stella war sich unschlüssig darüber, was sie nun machen sollte. Jetzt, wo sie allein war und die letzte Stunde noch einmal Revue passieren ließ, wurde ihr langsam klar, dass sie auf die anderen ziemlich kindisch gewirkt haben musste. Alle hatten sich so bemüht, ihr nach der Krankheit wieder auf die Beine zu helfen und waren stets freundlich zu ihr. Sie kam sich so undankbar vor, aber sie hatte das Gefühl, niemals im Leben dieses Trauma, das David ihr verpasst hatte, überwinden zu können. Würde sie jemals mit diesem Vincent warm werden? Es war doch aber unmöglich, ihm ständig aus dem Wege zu gehen, um Geschehnisse wie das der letzten Stunde zu vermeiden. Ebenso konnte man von Vincent nicht verlangen, sich wegen ihr rar zu machen. Dieser Mann war fester Bestandteil der Tunnelgemeinschaft - von allen geliebt, verehrt und bewundert, das war ihr klar. Vater war hier unten der Regent und Vincent sozusagen der Thronfolger. Niemand hatte mehr als er das Recht, sich hier aufzuhalten und frei zu bewegen. Sie selbst dagegen war nur ein geduldeter Gast, der zufällig in den Tunneln gelandet war und den man aus Barmherzigkeit nicht weggejagt hatte. Sie wurde zwar von niemandem angefeindet, aber als voll integriertes Tunnelmitglied anerkannt war sie noch lange nicht. Diesen Status würde sie sich erst noch verdienen müssen, das hatte Vater unmissverständlich klargestellt. Welchen Nutzen hatte ihre Anwesenheit denn schon für die Leute hier unten? Eigentlich war sie doch nur ein Esser mehr, der versorgt werden musste. Bisher hatte sie nichts weiter getan als die Kinder ein wenig zu unterrichten und Mary etwas zu entlasten. Es würde sie nicht wundern, wenn man sie nicht in die Gemeinschaft aufnehmen würde, besonders nach dem, was vorhin passiert war. Ausgerechnet gegen Vincent diese extreme Abneigung zu hegen war ein dicker Minuspunkt. Wieso musste dieser Mann auch im Halbdunkel David so ähnlich sehen? Ihr Magen krampfte sich zusammen, wenn sie an die Gestalt dachte, die den gesamten Tunnelgang ausgefüllt hatte. Schon allein bei diesem Gedanken stellten sich ihr die Nackenhaare auf. Ihr wurde immer bewusster, dass sie auch hier in den Tunneln eine ständige Angst verfolgen würde. Mit dieser allgegenwärtigen Furcht wollte und konnte sie nicht leben. Das hatte sie ihren Ehejahren zu Genüge aushalten müssen. Stella dachte an die riesige, behaarte Hand mit den langen, bedrohlichen Krallen. Sie spürte den schraubstockähnlichen Griff immer noch an ihrem Handgelenk, ebenso die Stärke des Armes, der sie mühelos emporgezogen hatte. Bei der Erinnerung an dieses Gesicht, das dem eines Raubtieres glich, die blitzenden Reißzähne und die wilde Mähne gefror ihr das Blut in den Adern. War er wirklich so harmlos, wie die anderen ihr vermitteln wollten? Sie konnte sich sehr gut vorstellen, dass dieser Mann bei Weitem gefährlicher und tödlicher als David sein konnte, würde er erst einmal in Wut und außer Kontrolle geraten. Andererseits – er hatte ihr das Leben gerettet. Hätte er ihr etwas Böses antun wollen, dann wäre ihre Bewusstlosigkeit eine ideale Gelegenheit dafür gewesen. Doch er hatte ja überhaupt kein Motiv, ihr weh zu tun oder sie gar zu töten. Doch einen Grund, sie vor dem Absturz zu bewahren, gab es für ihn auch nicht, und doch hatte er es getan. Aus Reflex? Aus Mitleid? Aus Menschlichkeit? Eigentlich sollte es für sie gleichgültig sein, warum dieser Mann so gehandelt hatte – sie schuldete ihm in jedem Falle Dank! Er trug schließlich keine Schuld an ihrer Phobie.  

Nach diesen Überlegungen kamen für Stella nur zwei Möglichkeiten in Frage – eine zweite Flucht in ihre kleine Versorgungskammer, wieder in der Fußgängerzone Bilder malen und an Hintertüren um Essen betteln oder eine selbstverordnete Konfrontationstherapie, um hier unten mit den Leuten, besonders mit Jacob, ohne Angst zusammenleben zu können. 

Stella entschied sich, Letzteres zuerst zu versuchen. Verschwinden konnte sie immer noch. Sie schlug die Decke zurück und schlüpfte in ihre Stiefel. Die Bewegungen fielen ihr schwer. Sie war müde und erschöpft. Am liebsten wäre sie sofort wieder ins Bett gekrochen, um sich in die warme Decke einzurollen. Aber wenn sie jetzt nicht sofort versuchte, ihren Plan in Angriff zu nehmen, würde sie ihn vermutlich ganz schnell wieder über den Haufen werfen und weglaufen.



[editiert: 17.01.10, 13:33 von sheena]
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schneeeule
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New PostErstellt: 10.01.10, 15:55  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Dass Stella so eine Angst hat ist ja schrecklich. Da hätten Vater und Mary besser reagieren sollen und mehr zu ihr sprechen müssen. Aber auch Vincent hat nix weiter gesagt. Sonst reagieren doch alle auf seine Stimme.






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Anja
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New PostErstellt: 12.01.10, 18:09  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ja das hast du wieder super geschrieben.

Och der Arme Vincent wie muss es ihm jetzt gehen nach dieser begegnung mit Stella.

Sie soll den anderen beiden das von ihren EX - Mann sagen so das sie ihre reagtion verstehen und ewentuel Vin auch.

Werden sie jemals Freunde die beiden?

Ich kann nur sagen spitze wieder.

LG Anja




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sheena
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New PostErstellt: 12.01.10, 18:11  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

ich danke dir. na, sie ist ja schon dabei, das zu ändern. schaun wa ma, ne?!
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sheena
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New PostErstellt: 17.01.10, 13:35  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

ich habe das 12. Kapitel überarbeitet.
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Anja
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New PostErstellt: 17.01.10, 20:46  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Habe mir deine überarbeitung durchgelesen.

Ich sage dir das hört sich ja alles ganz super an.

Bin gespannd was sie jetzt vor hat.

Geht sie jetzt zu Vincent um mit ihm zu reden und ihm alles zu sagen.

Bin schon so was von gespannd wie es da jetzt weiter geht.

LG Anja




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schneeeule
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New PostErstellt: 17.01.10, 21:12  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Nun hast Du das letzte Kapitel verändert. Das ist sehr gut geworden. Aber es bleibt wieder die Frage, wie es weiter geht. Ich bin schon sehr gespannt darauf.







[editiert: 17.01.10, 21:12 von schneeeule]
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sheena
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New PostErstellt: 24.01.10, 02:45  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Da das hier schon wieder mit der formatierung nicht klappt, häng ich diesmal das 13. kapitel hinten dran.


[editiert: 24.01.10, 03:00 von sheena]



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schneeeule
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New PostErstellt: 24.01.10, 08:36  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Wieder ein schönes Kapitel. Du hast prima beschrieben wie sich alle Sorgen um Vincent machen. Aber nun hat er auch etwas über sie erfahren.
Ich bin schon gespannt, wie es weiter geht.




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sheena
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New PostErstellt: 24.01.10, 14:56  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

ist in arbeit! 
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sheena
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New PostErstellt: 28.01.10, 18:46  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

vielleicht interessierts ja jemanden. (siehe anhang)



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schneeeule
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New PostErstellt: 28.01.10, 21:07  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ich bin von Deiner Geschichte begeistert. Du hast wieder ein wunderschönes Kapitel geschrieben. Wie sie neugierig lauscht und mit sich kämpft um die Angst zu überwinden und wieder ist es Vincents Stimme, die den Ausschlag gibt. Einfach herrlich. Und endlich hat sie Vincent erzählt warum sie solche Angst hatte.

Ich hoffe, Du schreibst die Geschichte bald weiter. Ich kann garnicht genug bekommen.




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Anja
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New PostErstellt: 28.01.10, 21:52  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Bin ja sowas von deiner Geschichte begeistert. Ein wunderschönes Kapitel hast du da wieder geschrieben. Wie sie das hinbeckommen hat mit ihrrer Angst. Einfach herrlich. Und
endlich hat sie Vincent erzählt warum sie solche Angst hatte.
Ich hoffe dieser Kerl taucht nicht mal in den Tunnels auf. Ob sich er dann da beherrschen kann um ihn da keine zu scheuern? Vin hat sich ja wirklich sehr beherschen müssen als sie das mit ihren Mann erzält hat.

Ich hoffe, Du schreibst die Geschichte bald weiter. Kann ja garnicht genug bekommen von deiner tollen Geschichte.




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sheena
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New PostErstellt: 23.04.10, 17:22  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

weiter gehts!



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schneeeule
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New PostErstellt: 24.04.10, 16:26  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Wie schön, dass es endlich weiter geht.

Dieses Kapitel gefällt mir auch wieder gut. Da muss ich Dich loben.
Endlich wieder alles in Ordnung in den Tunneln.
Ich hoffe, es geht bald weiter.




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Anja
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New PostErstellt: 01.05.10, 15:20  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

 



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New PostErstellt: 01.05.10, 15:28  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Super es geht wieder weiter.
Dieses Kapittel hast du auch wiedrer ganz toll geschrieben.
Ja auch von mir ein ganz grosses lob.

Gott sei dank ist bei den Tunnelbewohner jetzt wieder alles in Ortnung.

Ja ich hoffe auch das es bald weiter geht.

Hoffentlich taucht nicht einmal ihr Mann auf.






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New PostErstellt: 01.05.10, 16:58  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

anja, manchmal hab ich das gefühl, du stehst hinter mir und schaust mir beim schreiben über die schulter!  und irgendwie mag ich es nicht, wenn du schon immer alles vorher weißt. aber nu musste dich noch bissel gedulden. ich werd das nächste kapitel, das eigentlich schon fast fertig ist, nochmal umschreiben und dich noch bissel warten lassen. 
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Anja
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New PostErstellt: 01.05.10, 19:47  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ach erlich das ist mir noch garnicht aufgefallen.

Tja was soll ich da nur sagen sheena


Ich bin immer für eine Überraschung gut.


Liebe Grüsse




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sheena
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New PostErstellt: 09.06.10, 17:30  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

weiter gehts, wenn auch nur ein kleines stück. man könnte es auch bei www.fanfiction.de lesen!


[editiert: 09.06.10, 17:32 von sheena]



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New PostErstellt: 11.06.10, 18:16  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen


Schön hast du das geschrieben wieder.

Wird Vin ihr auch was über Catherine erzälen?

Wirklich wieder ein toller Teil.

Mach weiter so. Bin schon gespannd wie es mit den zwei weiter geht.

L G
Anja




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schneeeule
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New PostErstellt: 12.06.10, 06:20  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Habe mich gefreut, dass es wieder weiter geht mit Deiner Geschichte.
Du hast wieder so prima beschreiben, wie Jacob sich freut und dass Mary eigentlich gern wieder in ihre Kammer möchte. (Was ja verständlich ist ... )
Ja und dann Vincent ... wieder traurig weil ihn etwas an Catherine erinnerte.

Schreib bald weiter. Ich bin schon gespannt.




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sheena
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New PostErstellt: 20.06.10, 18:49  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

hier die korrektur bzw. vervollständigung des letzten kapitels.



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sheena
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New PostErstellt: 12.11.10, 10:08  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen



17.
Kapitel



Auf dem Weg zu Stellas neuem Quartier begegneten sie Mary
und ihren schwer beladenen Helfern. Mit den Kisten und Körben in den engen
Gängen aneinander vorbei zu kommen entwickelte sich zur teilweise akrobatischen
Herausforderung. Zwei Lachanfälle und mehrere blaue Flecken später hatte man
allerdings die Situation entwirrt und es konnte mit der Neueinrichtung von
Marys und Stellas Kammern begonnen werden.



Während Vincent noch dabei war, die letzten Bücher auf dem
obersten Regalbrett unterzubringen und Jamie mit Jacobs Hilfe das Bett bezog,
sortierte Stella ihre spärlichen Kleidungsstücke ein. Die zwei knöchellangen
Kleider, die aus vielen verschiedenen Wollresten zusammengestrickt worden
waren, der alte rote Mantel und die wenige Wäsche sahen in dem riesigen,
wackeligen Schrank verloren aus. Als sie noch bei David lebte, hatte sie ein
Ankleidezimmer nur für sich allein besessen, vollgestopft mit den modernsten
und teuersten Kleidungsstücken, um die sie oft beneidet wurde. Abendkleider in
schillernden Farben, geschmackvolle Hosenanzüge, Kostüme und Kleider, Mäntel
für jede Gelegenheit, teure Blusen und Pullover, von denen sie einige nur ein
einziges Mal getragen hatte, stapelweise Schuhe mit den dazu passenden
Handtaschen, von der Spitzenunterwäsche und den Nachtkleidern aus echter
chinesischer Seide mal ganz abgesehen. Aber merkwürdigerweise hatte sie diese
exquisite Garderobe in den letzten drei Wochen absolut nicht vermisst. Nur
jetzt, beim Anblick des bedauernswerten Inhaltes dieses klobigen Möbels,
erinnerte sie sich einen kurzen Augenblick an den Luxus, den sie einmal
besessen hatte. Aber sie trauerte all dem Prunk nicht eine Sekunde nach. Das,
was sie jetzt hier genießen durfte, die Freundschaft, Geborgenheit und Liebe,
war mit nichts aus der oberen Welt zu ersetzen.



Aber es war Winter und auch, wenn die Tunnel von Schnee
und eisigen Winden verschont blieben, war es hier unten kalt und immer ein
wenig zugig. Sie würde zusehen müssen, woher sie weitere warme Jacken, Pullover
und Hosen bekam, wenn sie nicht wieder eine Lungenentzündung bekommen wollte.
Da fiel ihr ein, dass ja in ihrem alten Versteck immer noch dieser große
Plastiksack stand, in dem sie sämtliche Kleidung aufbewahrte, die sie sich aus
den Altkleidercontainern zusammengesucht hatte.



„Jamie“, begann sie zaghaft „hättest du vielleicht in den
nächsten Tagen Zeit, noch einmal mit mir zu der alten Versorgungskammer zu
gehen, um von dort meine restlichen Habseligkeiten zu holen?“ Während die junge
Frau den Mund öffnete, um zu antworten, rief Jacob aufgeregt dazwischen: „Darf
ich mitkommen? Bitte! Ich war noch nie in diesem Tunnelabschnitt. Bitte, Daddy,
darf ich?“ Dabei setzte er seinen
unwiderstehlichen Bettelblick auf. Vincent überlegt nur kurz, bevor er
antwortete. „Also gut. Stella braucht sicher ein paar starke Arme, die beim
Tragen helfen.“ Er zwinkerte dem Kleinen zu. „Du darfst. Aber ihr werdet nicht
allein gehen. Ich komme mit. Die Überprüfung der Zugänge in dieser Gegend ist
schön längst überfällig.“ Mit einem entschuldigenden Blick zu Stella setzte er
hinzu: „Sie scheinen nicht mehr sicher zu sein, denn du hast uns ja auch
gefunden. Wir müssen unbedingt vermeiden, dass noch Andere den Weg hier
finden.“ Jamie fügte hinzu: „Ja, genau. Und die sind vielleicht nicht so nett
wie du!“ Stella lächelte verlegen. „Danke, Jamie.“ Sie räusperte sich und
wechselte das Thema. „Aber ich weiß nicht recht ...“ Sie zögerte und schaute
nachdenklich auf den kleinen Jungen. „Der Weg ist ziemlich anstrengend und
lang. Vincent, meinst du, Jacob schafft das?“ Diesmal war es sein Vater, dem er
in Wort fiel: „Natürlich schaffe ich das!“ rief der Kleine empört. „Ich bin
viel stärker als du denkst. Schließlich werde ich bald sechs Jahre alt!“
Vincent schmunzelt Stella an und meinte: „Da hast du deine Antwort. Außerdem
können wir ja immer mal eine Pause einlegen.“ „Pah“, gab Jacob großspurig von
sich. „aber nicht wegen mir! Wenn, dann nur wegen der Mädchen.“ Jamie und
Stella unterdrückten ein Lachen und Vincent wuschelte amüsiert mit seiner Riesenpranke über Jacobs
Haarschopf, während er entgegnete: „Ja, ja, du großer, starker Mann. Aber jetzt
geht’s erstmal zum Abendessen und dann ins Bett, damit du auch ausgeruht bist.
Ich habe nämlich keine Lust, morgen früh ein schlafendes Kind zu tragen zu
müssen.“ Mit diesen Worten schob er den
murrenden Knaben auf den Gang hinaus, dem die Aussicht, in der nächsten Stunde
ins Bett zu müssen, gar nicht gefiel.



Am nächsten Tag wurde Stella sehr, sehr früh von Jamie
geweckt. Man hatte beim Abendessen verabredet, sich zeitig auf den Weg zu
machen, um am späten Nachmittag wieder zurück sein zu können, denn bei den
Vorbereitungen zur Weihnachtsfeier wurde jede helfende Hand gebraucht. Nach
einer kurzen Morgentoilette schlichen die beiden Frauen leise durch die stillen
Tunnel, um niemanden zu wecken. Aus einigen Kammern hörte man im Vorbeigehen
leises Schnarchen und ab und zu ein Hüsteln. Nur sehr vereinzelt klang ein
gedämpftes Klopfen durch die Rohre. Nachrichten, die von sehr weit her,
vielleicht auch aus Versehen, gesendet wurden und die hier im Zentrum noch
keiner empfing. In dieser verschlafenen Stille war das platschende Geräusch der
Wassertropfen aufdringlich laut.



Als die beiden Frauen in der Küche eintrafen, war der Koch
bereits tüchtig am wirbeln, um für Stella und ihre drei Begleiter ein kräftiges Frühstück herzurichten. Es
duftete nach Kaffee, gebratenen Eiern, Speck, Toast und Pfannkuchen. Ein so
opulentes Mahl bekam nicht jeder und schon gar nicht jeden Tag, dafür war es
viel zu schwierig, an die entsprechenden Lebensmittel heranzukommen. Aber für
seinen Freund Vincent und den Kleinen, den er über alles liebte, rückte William
dann doch schon mal seine lukullischen Kostbarkeiten heraus, die er sonst streng unter Verschluss hielt. Na,
und Jamie und Stella hatten gutes Essen dringend nötig. Die Mädchen waren für
seinen Geschmack viel zu dünn. Außerdem war ja noch niemand weiter in der Nähe,
der eventuell hätte zuschauen müssen, denn normalerweise bekam man von ihm nur
Haferbrei und Tee zum Frühstück serviert.



Stella und Jamie blieben im Eingang stehen, sogen mit
geschlossenen Augen den herrlichen Duft ein und legten unbewusst die Hände auf
die Mägen. Die Wärme, die der große alte Herd ausstrahlte, erfüllte den
gesamten Raum und verbreitete eine anheimelnde Atmosphäre. Stella fühlte sich
einmal mehr in die Kindheit versetzt, in die Küche der Großeltern an einem
eisigkalten Wintermorgen. Als William die verzückten Gesichter sah, lachte er
schallend. Dieser Anblick war ihm mehr Lohn für seine Arbeit als jedes überschwängliche
Lob. Er begrüßte die Frühaufsteherinnen, drückte sie auf die Hocker und stellte
jeder eine Tasse mit dampfendem Kaffee vor die Nase. Dann überließ er die
beiden Frauen dem Genuss ihres Morgenkaffees, der eigentlich mehr Ähnlichkeit
mit heißem Teer hatte und wandte sich wieder den Pfannen und Töpfen zu.



Die letzten Pfannkuchen waren gerade fertig, als Vincent
eintraf. Hinter ihm schlurfte ein müder Junge mit winzig kleinen Äugelein
einher, der sich nicht die geringste Mühe gab, niemanden merken zu lassen, dass
diese Tageszeit nicht wirklich die seine war. Mit einem herzhaften Gähnen schob
er sich auf einen Hocker neben Stella, lehnte sich an sie und schloss die Augen
wieder. Die Männer schüttelten angesichts dieses Gebarens die Köpfe, während die
beiden Frauen mitleidig lächelten. Vincent meinte entschuldigend: „Er war so
aufgeregt, dass er heute mitkommen darf, dass er bis Mitternacht nicht in den
Schlaf fand.“ Dann wuschelte er dem Jungen über das Haar und fuhr fort: „Aber
das wird schon noch. Spätestens, wenn er die Hängebrücke betritt, wird er
richtig wach sein.“ Das war das Zauberwort, mit dem Vincent seinen Sohn
wirklich aufweckte, denn die erwähnte Brücke war ohne Begleitung von
Erwachsenen für die Kinder tabu. Den Grund dafür hatte Stella am eigenen Leib
zu spüren bekommen. Zwar betraten die meisten von ihnen dieses glitschige,
schaukelnde Ding aus Furcht sowieso nicht, aber einige von den älteren Jungen
konnten manchmal ihren jugendlichen Leichtsinn nicht zügeln und probierten aus,
wie mutig sie waren. Einige mussten ihren Übermut mit einem riesigem Schrecken,
aufgeschrammten Knien, nassen Hosen und einer gehörigen Standpauke von Vater
bezahlen. Es war schon ein großes Zugeständnis der Erwachsenen, eines der
Kinder in die Nähe dieses gefährlichen Ortes zu lassen oder gar zu erlauben,
ihn zu betreten. Mit einem Male war
Jacob ganz und gar nicht mehr müde. Er saß kerzengerade mit leuchtenden Augen
auf seinem Hocker und bettelte aufgeregt: „Darf ich ganz alleine drüber gehen?
Ich halte mich auch ganz richtig fest! Und ich werde auch ganz vorsichtig sein!
Bitte, Daddy, darf ich?“ Vincent bereute plötzlich seine Worte. Er versuchte
mit einem „Wir werden sehen.“ den Eifer des Kindes zu bremsen. „Es kommt darauf
an, wie sich der Fluss heute bewegt. Ich entscheide das, wenn wir da sind.“
Jacob verzog maulend den Mund. „Nun iss erst einmal dein Frühstück“ fuhr
Vincent fort, bevor der Junge weiter betteln und ihm den Nerv töten konnte.
Stella hatte ihm bereits einen Pfannkuchen auf den Teller gelegt und Ahornsirup
darüber gegossen. Der Duft und der Hunger lenkten den Kleinen von weiteren
Überzeugungsversuchen ab. Artig begann er, seine Mahlzeit zu essen und strengte
sich dabei mächtig an, nicht zu kleckern.



Vincent hatte sich unterdessen auf die gegenüberliegende
Seite gesetzt und rührte in seiner Kaffeetasse herum. Er beobachtete lächelnd seinen Sohn, der mühselig versuchte, mit
dem großen Besteck klar zu kommen. Es schien gar nicht so einfach für so kleine
Hände zu sein, mit diesem riesigen Messer fertig zu werden. Wenn man dann auch
noch gerade so mit dem Kopf über die Tischkante ragte, war diese ganze Prozedur
umso schwieriger. William, der in diesem Moment seinem Freund einen Teller mit
Rührei hinstellte, folgte dessen Blick. Doch statt den Jungen zu bedauern,
meinte er nur: „Gut macht er das, nicht wahr!?“ Jacob grinste mit
vollgestopften Backen und schaute stolz in die Runde. Er bekam von allen Seiten
ein bestätigendes Nicken und schien in diesem Moment ein kleines Stück zu
wachsen.



Während Jamie mit ihrer Rühreiportion und dem Speck
beschäftigt war, nagte Stella an einem Buttertoast herum. Ihr Magen war an ein
so zeitiges Frühstück nicht gewöhnt und weigerte sich, mehr als ein paar kleine
Bissen aufzunehmen. Sie legte das Brot auf den Teller zurück und wandte sich
wieder ihrer Tasse zu. Während sie Schluck für Schluck vorsichtig den heißen
Kaffee nippte, schaute sie über den Tassenrand hinweg verstohlen auf ihr
Gegenüber. Jetzt fiel ihr auf, dass sie Vincent das erste Mal essen sah.
Irgendwie hatte sie ein animalisches Essverhalten erwartet, dass er mit den
Fingern die Speisen in sich hineinstopfte, möglichst noch roh. Sie war wirklich
überrascht, wie natürlich und elegant dieser Mann mit Geschirr und Besteck
umging. Beschämt über ihre Gedanken schlug sie die Augen nieder und starrte in
ihren Kaffee. Wie konnte sie nur? Ihr wurde schon wieder bewusst, wie sehr
immer noch Vincents Äußeres sie zu den falschesten Gedanken verleitete. Dabei
sollte ihr doch eigentlich inzwischen klar geworden sein, dass es kaum ein
menschlicheres Wesen gab als ihn. Er war doch einfach nur ein Mann, dessen
Hände zu groß geraten waren und der ein wenig andere Gesichtszüge trug als der
Rest der Menschheit.



Stella wurde durch ein lautes Aufstöhnen aus ihren
Gedanken gerissen. Als sie aufschaute, sah sie eine ungehaltene Jamie, die sich
den linken Oberarm rieb. Sie hatte ihren Rucksack aufnehmen wollen, aber nicht
mit dem enormen Gewicht gerechnet. „William!“ rief das Mädchen. „Was hast du
denn da alles reingestopft?“ Schon war sie dabei, skeptisch den Inhalt zu
inspizieren. Nach dem sie die dritte Dose Corned Beef auf den Tisch geworfen
hatte und als nächstes eine ganze Salami hervorholte- was allerdings den Umfang
des Rucksacks nur unwesentlich schrumpfen lies – knurrte sie verständnislos:
„Wer soll denn das alles essen, geschweige denn, tragen? Wir wollten eigentlich
heute Nachmittag wieder hier sein und nicht nach China auswandern!“ Sie packte
alles bis auf Brot, hart gekochte Eier und Äpfel wieder aus, schnürte den Rucksack
zu und klemmte ihn sich dann unter den Arm, als befürchte sie, der Koch würde
in einem unbemerkten Moment seine verschmähten Kostbarkeiten heimlich wieder
hineinschmuggeln. William murmelte beleidigt: „Ich hab’s ja nur gut gemeint.“
Damit raffte er die von Jamie aussortierten Lebensmittel zusammen und schleppte
sie brummelnd wieder in seine geheime Vorratskammer. 



Während William noch leicht grollend das Geschirr vom
Tisch räumte, machte sich die kleine Reisegesellschaft zum Aufbruch bereit.
Vincent hatte nur das notwenigste Werkzeug in den Taschen seines großen
Umhanges verstaut, um für den Rückweg die Hände freizuhaben. Jamies schnallte
sich den nun leicht zu bewältigenden Rucksack auf den Rücken und Stella hängte
sich die alte Aktentasche über die Schulter. So machte man sich, allen voran
Jacob, auf den Weg zu Stellas alter Versorgungskammer. 






[editiert: 12.11.10, 11:54 von sheena]
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sheena
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New PostErstellt: 12.11.10, 10:12  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

merkwürdig, dass hier immer die formatierung nicht erhalten bleibt. hab alles versucht, es bekömmlicher zu gestalten, kriegs aber nicht hin.

vllt. isses so besser! (siehe anhang)


[editiert: 12.11.10, 11:55 von sheena]



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schneeeule
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New PostErstellt: 15.11.10, 11:56  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ich freu mich riesig, dass Du endlich ein weiteres Kapitel angefügt hast und ich hoffe auf mehr. Ich finde Deine Geschichte sehr schön und ich staune immer wieder, wie sehr Du die Kleinigkeiten beschreibst. Da würde ich garnicht drauf kommen.



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schneeeule
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New PostErstellt: 02.12.10, 17:11  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ich will ja nicht nerven, aber gibts bald wieder eine Fortsetzung?



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sheena
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New PostErstellt: 02.12.10, 20:02  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

ja, ist in arbeit! 
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schneeeule
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New PostErstellt: 02.12.10, 20:52  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Bist ein Schatz. Ich freu mich.




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sheena
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New PostErstellt: 08.01.11, 17:16  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen



18. Kapitel ...guckst du unten!



[editiert: 08.01.11, 17:20 von sheena]



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schneeeule
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New PostErstellt: 09.01.11, 11:54  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Wieder eine super schöne Fortsetzung. Vielen Dank. Meinetwegen hätte sie noch viiiiieeel länger sein können. Aber ich weiß dass es viel Arbeit macht.  Ich hoffe trotzdem auf viele weitere Kapitel.
 




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sheena
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New PostErstellt: 21.01.11, 10:37  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

19. Kapitel

könnte hilfe brauchen: bei www.fanfiction.de haben meine kapitel alle überschriften, aber zu diesem hier fällt mir nicht so das richtige ein.

hat jemand ne idee?


[editiert: 21.01.11, 17:17 von sheena]



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schneeeule
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New PostErstellt: 25.01.11, 16:15  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Da habe ich ja wieder mal ein neues Kapitel verpasst. Mir gings nicht gut. Da konnte ich nicht mal meinen Läppie ertragen.

Wieder ein schönes Kapitel: wenig Vincent, aber schön. Ich hoffe jedenfalls, dass es bald weiter geht.

Ja, wie könnte das Kapitel heißen?  'Erinnerungen' hast Du schon. Vielleicht einfach 'noch ein Rückblick'  oder 'Wer ist Marlon'




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Quasimodo
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New PostErstellt: 02.03.11, 01:31  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Toll ich bin froh, dass es weiter geht.




____________________
Quasimodo selbst ist ein Gegensatz: Er ist nur äußerlich hässlich, im Inneren ist er liebevoll, großzügig und mutig. :-)

Der Anblick von so viel Schönheit und Glück, füllte ihn mit Bitterkeit! Er dachte an das jammervolle Schicksal, das die Vorsehung über ihn verhängt hatte. Er dachte daran das die Frau, die Liebe, ihm ewig an den Augen vorüberzogen, dass er sie immer nur sehen und niemals kosten würde. :-(
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sheena
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New PostErstellt: 07.06.11, 19:56  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

20. kapitel und es ist immer noch nicht weihnachten und das jetzt schon fast zwei jahre lang!



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schneeeule
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New PostErstellt: 13.06.11, 07:02  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ich habe schon lange auf eine Fortsetzung gewartet und nun habe ich es fast verpasst, weil ich nicht viel Zeit habe im Moment.

Jedenfalls freu ich mich, dass es endlich weiter geht. Du hast die Geschichte wieder toll erzählt. Vincent interessiert sich endlich wieder mal für eine Frau und auch Jacob finde ich süß. Und wie Du die Tunnelbewohner beschreibst ...

Schreib bald weiter. Ich bin schon gespannt.




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sheena
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New PostErstellt: 14.07.11, 21:21  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

weiter gehts! wer fehler findet, bitte melden!



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schneeeule
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New PostErstellt: 17.07.11, 20:13  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Ich freu mich über die neue Fortsetzung, gleich 2 Kapitel!
Wie immer gefällt mir, wie Du schreibst. Meinetwegen könnte es noch weiter gehen. Also lass mich nicht so lange warten.




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sheena
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New PostErstellt: 17.07.11, 22:03  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

*hechel und ächz: jaaaa, bin feste dabei! will vorm urlaub noch die 23. fertig kriegen.

hier ist hochsommer und ich schreib von weihnachten und kalten füßen!!! aber irgendwie muss man es sich ja leichter machen. kalte gedanken bei süßen 30° im büro!  ein glück, dass sommerpause ist und wir im moment nicht soviel arbeit haben. so kann man die mittagspause auch mal um ne viertelstunde verlängern und dichten! aber -> pssssst. nicht petzen!
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sheena
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New PostErstellt: 31.01.12, 09:48  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

bissel wat zu lesen 



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schneeeule
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New PostErstellt: 31.01.12, 22:49  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Prima Fortsetzung! Es freut mich, dass Du endlich wieder ein Kapitel angefügt hast. Hoffentlich dauerts mit dem nächsten nicht wieder so lange.

Ich finde es so schön beschrieben, wie Du Vincents Gedanken beschreibst. Das er immer solche Hemmungen hat! Die muss er doch wirklich nicht haben! Und Vater soll sich bloß nicht einmischen.

Also weiter so ... ich hoffe noch auf viel mehr.




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sheena
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New PostErstellt: 01.02.12, 11:16  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

bin sehr bemüht, bitte glaub mir!

 
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Emily
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New PostErstellt: 03.02.12, 17:17  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: sheena
    bissel wat zu lesen 
Schööööön! Hach.



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sheena
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New PostErstellt: 12.02.12, 21:07  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

das nächste!  ich hoffe, es sind nicht allzu viele fehler drin.



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Emily
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New PostErstellt: 13.02.12, 15:43  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen





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schneeeule
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New PostErstellt: 13.02.12, 21:32  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Prima, dass es so schnell weiter geht. Ich freu mich.
Marlon hab ich fast vergessen, vor lauter Vincent und Stella.

Jedenfalls ... weiter so. Ich wünsch mir noch viel mehr Kapitel.






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sheena
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New PostErstellt: 19.02.12, 00:53  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

das vorerst letzte kapitel, jetzt brauch ich erstmal ne denkpause.



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hawke83
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New PostErstellt: 19.02.12, 20:21  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Wow, wunderschön geschrieben, da ist einem ja richtig warm geworden, wie du die Gefühle der beiden, die sie für einander haben beschrieben hast und sie sich näher gekommen sind. Weiter so!!




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schneeeule
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New PostErstellt: 20.02.12, 08:26  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Du hast Deine Story wieder sehr schön weiter geschrieben, die Gefühle die Vincent und Stella haben.

Ich kann nur hoffen, dass Deine Denkpause nicht zu lange dauert. 



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sheena
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New PostErstellt: 25.09.12, 07:10  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

weiter gehts

[editiert: 25.09.12, 07:43 von sheena]



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hawke83
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New PostErstellt: 25.09.12, 13:41  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Wow, wie immer wunderschön geschrieben. Freu mich schon auf das nächste Kapitel.



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schneeeule
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New PostErstellt: 26.09.12, 19:32  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Das neue Kapitel deiner Geschichte gefällt mir wieder sehr. Das hast Du ganz toll geschieben. Ich bin gespannt wie´s weiter geht.




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sheena
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New PostErstellt: 28.01.13, 08:29  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

ich muss erstmal schauen, ob ich noch weiß, wie das hier geht! wenns klappt, dann im anhang weiterlesen! 

[editiert: 28.01.13, 11:41 von sheena]



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ThePure
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New PostErstellt: 28.01.13, 16:37  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Super, es geht weiter! Dankeschööön!!!



LG
ThePure
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I cannot define my satisfaction, yet it is so.
I cannot define my life, yet it is so.
Walt Whitman
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hawke83
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New PostErstellt: 29.01.13, 12:22  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen



Wie immer sehr schön. Aber diesmal muss ich sagen, dass Vater es wirklich übertreibt. Was mischt der sich auch in die Beziehung von Vincent und Stella ein. Man war ich sauer, als ich das gelesen hab.

Hoffentlich kriegt er sich wieder ein.





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schneeeule
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New PostErstellt: 29.01.13, 18:32  Betreff: Re: eine neue familie  drucken  weiterempfehlen

Von mir auch ein großes Lob. Das hast Du wieder schön geschrieben.

Ja ... Vater. Erst wollte er sich doch zurückhalten und nun doch diese Einmischung!

Aber ich hoffe, Du schreibst bald wieder ein Kapitel.






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