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Neue Hoffnung

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Uschi-Nessaja
Tunnelexperte


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New PostErstellt: 17.06.08, 19:29  Betreff: Re: Neue Hoffnung  drucken  weiterempfehlen

Noch ein bisschen Geduld Mädels. Bin mit Kapitel 5 fast durch. Kann nicht mehr lange dauern.





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Uschi-Nessaja
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New PostErstellt: 18.06.08, 17:28  Betreff: Re: Neue Hoffnung  drucken  weiterempfehlen

So, hier kommt die versprochene Fortsetzung. Viel Spaß!

Kapitel 5

 

Vincent hatte den gesamten Vormittag mit seinem Sohn Jacob verbracht. Der Kleine war jetzt 11 Monate alt und schon sehr weit für sein Alter. Die beiden hatten zusammen ganze Burgen und Paläste aus Bauklötzen gebaut; oder besser gesagt, Vincent hatte sie aufgebaut und Jacob vor Vergnügen kreischend wieder umgeworfen. Das Kind hatte lachend in die Hände geklatscht und zum ersten Mal ganz deutlich "Papa" zu Vincent gesagt. Diesem waren Tränen in die Augen getreten. Er hatte Jacob in seine Arme genommen und an sich gedrückt. Der Gedanke, dass Catherine diesen glücklichen Moment nicht erleben durfte, hatte ihm einen heftigen Stich versetzt.

Gegen Mittag, nachdem Vincent Jacob gefüttert hatte, brachte er ihn wieder zu Mary, die sich um ihn kümmern würde, während er beschäftigt war. Es gab in den unteren Kammern ein Problem mit einem Wassereinbruch, das behoben werden musste. Er war sehr froh über diese Ablenkung, um nicht wieder den ganzen Tag zu grübeln. Mit körperlicher Arbeit konnte er die dunklen verzweifelten Gedanken einigermaßen im Zaum halten.

Vincent machte sich auf den Weg, um Mouse in seiner Kammer abzuholen. Gemeinsam wollten sie sich vor Ort ein Bild verschaffen und versuchen, eine Lösung für das Problem zu finden. Als Vincent den Gang erreichte, der zu Mouse’ Kammer führte, kam ihm dieser mit einem missmutigen Gesichtsausdruck entgegen. Gleichzeitig erreichten sie den Eingang zur Kammer und trafen dort aufeinender. „Hallo Mouse!“ begrüßte Vincent ihn. „Was ist los? Du sieht so verärgert aus.“ Mouse verdrehte die Augen und hielt Vincent seine linke Hand unter die Nase. In seinem Zeigefinger klaffte ein langer Riss und das Blut tropfte auf den Tunnelboden. „Du bist ja verletzt“ bemerkte Vincent erschrocken, „was ist passiert? Hattest du einen Unfall mit einer deiner Maschinen?“ Mouse schüttelte verärgert den Kopf und antwortete „Nein, keine Maschine. Küchendienst!“ Auf Vincents verständnislosen Gesichtsausdruck hin führte er auf seine typische Art und Weise weiter aus „Musste Kartoffeln schälen; Mittagessen. Mit dem Messer abgerutscht.“ Er verzog den Mund und machte dabei ein Gesicht, das eine Mischung aus Verlegenheit und Ärger ausdrückte. Vincent bemühte sich, ernst zu bleiben und nicht zu lachen. Mouse zum Küchendienst einzuteilen war eine recht verwegene Idee. Man musste jederzeit mit unvorhergesehen Ereignissen rechnen. Er erinnerte sich noch sehr gut an Mouse' letzten Einsatz in der Gemeinschaftsküche der Tunnelbewohner und einen riesigen Topf voll verklumptem und  angebranntem Reis. Der Gestank hatte tagelang in den Tunneln gehangen. Seit diesem Vorfall hatte man es tunlichst vermieden, Mouse in die Nähe der Küche zu lassen. Er war genial darin, Maschinen zu bauen und zu reparieren, die den Tunnelbewohnern das Leben erleichterten, jedoch in der Küche war er eine Katastrophe. Die Gemeinschaft besaß eine zwar etwas in die Jahre gekommene aber voll funktionsfähige Restaurantküche. Sie war ein Geschenk eines dankbaren mexikanischen Restaurantbesitzers, der einmal in den Tunneln für einige Zeit Zuflucht gefunden hatte, als sein Leben am Ende schien. Hier hatte er neue Hoffnung und Lebensmut gefunden und aus Dankbarkeit den Bewohnern die Kücheneinrichtung geschenkt. Die Lebensmittel kamen von den zahlreichen Helfern, die "oben" lebten. Man hatte zwei größere Kammern durch Wegnahme einer Wand zu einer verbunden, wo sich nun die Küche befand und die Tunnelbewohner ihr Essen einnahmen. An der Rückwand war die Küche aufgebaut und im vorderen Bereich standen verteilt etliche kleinere Tische, hübsch dekoriert mit Laternen, in denen dicke Kerzen brannten. Einige Frauen der Gemeinschaft hatten sich viel Mühe gegeben, den Raum gemütlich einzurichten mit Bildern an den Wänden, Teppichen auf dem Boden und Sitzecken mit Sesseln. Der Raum diente auch als Treffpunkt, wenn die Bewohner das Bedürfnis nach Gesellschaft oder einem Plausch hatten. In den Tunneln lebten meist zwischen 150 und 200 Menschen; die genaue Zahl kannte niemand, nicht einmal Vater. Um für all diese Bewohner das Essen zuzubereiten, brauchte man ständig eine ganze Reihe freiwilliger bzw. nicht ganz so freiwilliger Helfer, wie Mouse. Vincent überlegte, wer wohl das Risiko eingegangen war, Mouse auf die Kartoffeln loszulassen. Natürlich; es gab ja seit kurzer Zeit einen neuen Koch in der Gemeinschaft, der Mouse' "Kochkünste" noch nicht kannte. Vincent würde wohl William bei nächster Gelegenheit warnen müssen, um weitere Unfälle zu vermeiden.

"Komm" wandte sich Vincent an Mouse "wir gehen besser zu Vater, damit er sich das ansieht. Der Schnitt ist ziemlich tief.“ Er schob den widerstrebenden Mouse vor sich her in Richtung von Vaters Kammer. Mouse wusste genau, was ihn erwarten würde und hörte schon im Geiste den Vorwurf von Vater: „Was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?“ Bei dem Gedanken an Nadeln und Spritzen wurde ihm ganz schwach zumute. Aber Vincent war unerbittlich und ließ sich durch Mouse’ Überredungsversuche nicht erweichen. Schließlich sah er ein, dass seine Argumente bei Vincent keinen Erfolg haben würden und fügte sich in sein Schicksal. Die Arbeiten in den unteren Kammern würden eben warten müssen.

Später am Nachmittag befand sich Vincent auf dem Weg, um Narcissa einen Besuch abzustatten. Nach dem Abstecher bei Vater und der Behandlung von Mouse’ Finger, der dann schließlich doch genäht werden und mit einem umfangreichen Verband versehen werden musste, hatte er den zittrigen und sehr blassen Mouse halb in seine Kammer zurücktragen müssen. Dort  hatte er ihn auf sein Bett gepackt und ermahnt, sich für heute auszuruhen und ja keine Messer oder sonstigen Geräte mehr anzufassen. Als Vincent Mouse verließ, hatte dieser noch etwas von „dumme Arbeit“, „neue Erfindung“ und „Kartoffelschälmaschine“ vor sich hin gemurmelt. Vincent beschlich so eine gewisse Ahnung, dass es Mouse nicht lange in seinem Bett halten würde.

Da ihr beider Vorhaben bezüglich des Wassereinbruchs nun für heute gestorben war, konnte Vincent  genau so gut die Zeit nutzen, um sich über einige Dinge klar zu werden. Vielleicht war Narcissa dabei eine Hilfe. Die alte weise Frau hatte ihm schon oft wertvolle Anregungen gegeben und neue Wege aufgezeigt. Er wollte sie nach Chris und der merkwürdigen Begegnung im Park fragen und was sie davon hielt. Vincent war sich immer noch nicht sicher, was er tun sollte. Einerseits verspürte er die starke Sehnsucht, sich mit einem Menschen auszutauschen, der ihn verstand und dem es ähnlich ging. Andererseits hatte er Angst davor, zu viel von sich und seiner Welt preiszugeben.

Als Vincent Narcissas Raum betrat, war diese gerade dabei Pulver in eine Schüssel mit Wasser zu geben. Sie zerrieb es zwischen ihren Fingern und ließ es langsam hineinrieseln. Sie kehrte Vincent den Rücken zu und obwohl er sich völlig lautlos bewegte, hatte sie ihn wohl offensichtlich doch bemerkt. "Ah, Vincent! Komm' näher, ich habe dich schon erwartet." Sie drehte sich halb zu ihm herum und winkte ihn zu sich heran. Vincent schaute sie fragend an, doch bevor er etwas sagen konnte, fuhr Narcissa schon fort. „Ich habe etwas im Wasser gesehen, über dich Junge. Hast du etwas ungewöhnliches erlebt? Vielleicht jemanden getroffen?“ Sie schaute ihn gespannt an. Vincents war völlig überrascht und antwortete zögernd „Ja, das ist richtig.“ „Ah, das dachte ich mir.“ Narcissa nickte sich selbst bestätigend mit dem Kopf. „Die Begegnung hat dich innerlich berührt, verwirrt. Du weißt nicht so recht, wie du sie einordnen und mit ihr umgehen sollst.“ Das war keine Frage mehr von Narcissa, sondern eine Feststellung. Vincent schloß die Augen und ließ den Kopf hängen. Narcissa konnte man nichts vormachen. Mit einem Mal spürte er eine sanfte Berührung. Er öffnete die Augen und Narcissa stand nah vor ihm, die rechte Hand auf seine Brust gelegt. „Du bist sehr stark, Junge. Aber der Schmerz in dir ist stärker als du. Glaube mir, du kannst ihn nicht bekämpfen und herunterschlucken; du musst ihn heraus lassen. Du musst dich einem Menschen anvertrauen und deine Gefühle zulassen. Diese starken Gefühle haben dich zu Catherine geführt.“ „Und sie haben mir Leid und Schmerz gebracht“ antwortete Vincent heftig. „Ja“ erwiderte Narcissa mit einem Lächeln „aber auch noch etwas anderes: Liebe!“ Sie legte den Kopf zur Seite und schaute ihn fragend an. „Sag mir Junge, mit dem Wissen von heute, würdest du Catherine im Park liegen lassen? Dann könntest du dir dies alles ersparen; das Leid, den Schmerz und die Trauer.“ Vincent konnte nur stumm den Kopf schütteln. Tränen rannen über sein Gesicht. „Nein, das würdest du nicht tun“ antwortete Narcissa für ihn. „Und ich kann dir auch sagen warum: Die Liebe war es wert! Jede Minute mit Catherine war es wert, den Schmerz, den du jetzt fühlst zu ertragen.“ Sie lachte kurz auf, als sie Vincents überraschtes Gesicht sah. „Schau mich nicht so erstaunt an, glaubst du, ich sei immer so alt gewesen wie heute, Junge? Ich weiß, wovon ich rede.“ Dann wurde sie wieder ernst. „Diese neue Begegnung ist vielleicht deine Chance. Du darfst keine Angst haben, neue Gefühle zuzulassen, um nicht wieder verletzt zu werden. So lange wir leben, müssen wir dieses Risiko eingehen. Du kannst noch einmal ganz neu beginnen. Ich weiß, dazu braucht man sehr viel Mut. Aber den hast du, Junge.“ Sie hob ihre Hand und strich ihm sanft über die Wange. „Ich hoffe, ich konnte dir helfen. Sie schaute ihn fragend an. Vincent nickte und antwortete schließlich „Ja, das hast du. Ich danke dir, Narcissa. Ich weiß jetzt, was ich tun werde.“ Ein Lächeln huschte über Narcissas Gesicht. „Das ist gut. Besuche mich bald mal wieder. Eine alte Frau wie ich, hört auch mal gerne Neuigkeiten.“

Nachdem Vincent sich von ihr verabschiedet hatte, verließ er ihre Kammer und machte sich auf den Weg zurück. Er wusste nun, dass er heute Abend in den Park gehen würde, um Chris wiederzusehen. Und er würde ihr von Catherine erzählen.





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Gaya

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New PostErstellt: 18.06.08, 17:57  Betreff: Re: Neue Hoffnung  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: Uschi-Nessaja

    So, hier kommt die versprochene Fortsetzung. Viel Spaß!

fein, dankeschön.

    Zitat:
    die genaue Zahl kannte niemand, nicht einmal Vater.

*lol* so, hast du das also mit reingenommen

weiteren Kommi hab ich dir schon auf ff.de hinterlassen.




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Uschi-Nessaja
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New PostErstellt: 27.06.08, 23:18  Betreff: Re: Neue Hoffnung  drucken  weiterempfehlen

Und weiter geht's. 

Kapitel 6

 

Chris beendete das Telefongespräch und lehnte sich seufzend auf ihrem Bürostuhl zurück. Was für ein Tag! Es war wieder einmal sehr hektisch zugegangen und Chris hatte Mühe gehabt, sich voll und ganz auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Immer wieder waren ihre Gedanken abgeschweift und sie hatte sich dabei ertappt, dass sie an Vincent und das abendliche Treffen gedacht hatte. Ihr Herzschlag hatte sich jedes Mal beschleunigt und sie schwankte zwischen Vorfreude und Angst, dass er vielleicht nicht kommen würde. Beim Blick auf die Uhr stellte sie nun fest, dass sie schon seit einer halben Stunde Feierabend und somit Wochenende hatte. Daher schaltete sie ihren Computer aus und räumte den Schreibtisch auf. "Moses, pack' dein Zeug zusammen! Wir gehen nach Hause." sagte sie schmunzelnd zu ihrem Kater. Dieser lag nach dem äußerst anstrengenden Arbeitstag völlig erschöpft in seinem Körbchen in der Büroecke. Seine Spielzeuge waren im gesamten Büro auf dem Boden verteilt. Er hatte Bill und Joe in der Werkstatt „geholfen“, was diese zu gelegentlichen Ausrufen wie: „Moses! Wo hast du die Lederzange schon wieder hingeschleppt?“ oder auch: „Verflixter Kater! Mein Poliertuch ist verschwunden.“ veranlasst hatte. Als Chris aufstand, trat sie auf eine Gummimaus, die daraufhin protestierend quiekte. Chris bückte sich und begann stöhnend alles wieder einzusammeln. „Du könntest ruhig selber mal aufräumen.“ sagte sie anklagend zu dem Kater, was diesen nur zu einem herzhaften Gähnen veranlasste. Chris zog ihre Jacke an, hängte sich die Tasche um und stellte den Transportkorb auf den Boden. Das weckte Moses aus seiner Lethargie und er war mit einem Mal wieder hellwach. Ohne sich ausnahmsweise einmal lange bitten zu lassen stieg er in den Korb und die beiden verließen das Büro, um sich auf den Heimweg zu machen. Chris durchquerte den Laden und rief im Hinausgehen George ein fröhliches „Schönes Wochenende und bis Montag!“ zu, was dieser mit einem freundlichen Winken beantwortete, um sich gleich wieder in sein Buch zu vertiefen, in dem er gerade las. Es kam äußerst selten vor, dass man ihn einmal ohne Buch in der Hand antraf.

Auf dem Heimweg kaufte Chris im Obst- und Gemüseladen an der Ecke noch rasch etwas Frisches ein und bekam von ihrem Nachbarn, dem indischen Blumenhändler, ein paar hübsche gelbe Rosen geschenkt. Sie liebte die bunte Vielfalt in ihrem Viertel, wo Menschen vieler verschiedener Nationen lebten und arbeiteten. Die Nachbarn kannten alle ihr Schicksal und hatten ihr in der ersten schweren Zeit sehr geholfen. Eine Nachbarin hatte regelmäßig für sie eingekauft, eine andere die Wohnung geputzt und die Wäsche gewaschen; die Nachbarn hatten auch einen „Besuchsdienst“ untereinander ausgemacht. In den ersten zwei Monaten war regelmäßig einmal am Tag jemand vorbei gekommen und hatte nachgesehen, ob sie etwas brauchte, reden oder auch nur sich ausheulen wollte. Sie hatten stets ein offenes Ohr gehabt und Anteil genommen. Ohne die Hilfe, Anteilnahme und Unterstützung hätte Chris die ersten Monate sicher nicht überstanden. Dafür war sie allen sehr dankbar und froh, dass im Notfall immer jemand da war. Bis zum heutigen Tag traf man sich unter vier Nachbarinnen noch immer einmal in der Woche abwechselnd in deren Wohnungen, um miteinander zu kochen und den neuesten Tratsch aus der Nachbarschaft auszutauschen.

Chris kehrte zurück in ihre Wohnung, legte ihre Sachen in der Küche ab und räumte die Lebensmittel fort. Moses, den sie als erstes aus seinem Transportkorb gelassen hatte, war auf direktem Weg zu seinem Fressnapf marschiert und hatte sich daneben platziert. Die ganze Zeit über, wo Chris in der Küche herumlief, saß er da und folgte jedem ihrer Schritte mit den Augen, seine gesamte Körperhaltung eine einzige Anklage, dass sie nicht zuerst an das Wichtigste gedacht hatte: Sein Futter!  Chris ließ sich durch Moses „Hypnoseversuche“ aber nicht aus der Ruhe bringen. „Zuerst muss ich alles wegräumen und mich umziehen. Dann können wir zusammen etwas essen.“ teilte sie dem Kater entschieden mit. Dieser war offensichtlich völlig anderer Meinung und beklagte sich lautstark über diese Art von Behandlung. "Ja, ja, ich weiß! Du bist ein ganz armer verhungerter Kater." sagte sie lachend zu ihm.

Als sie schließlich mit allem fertig war, nahm sie aus dem Kühlschrank eine Portion Lasagne vom Vortag und stellte sie zum Wärmen in die Mikrowelle. Während ihr Essen auf dem Teller rotierte, öffnete sie eine Dose Katzenfutter, um ihr "Raubtier" zu füttern. Moses fiel wie immer heißhungrig über seinen Futternapf her. Das Signal der Mikrowelle verkündete im gleichen Augenblick, dass das Essen bereit war. Chris nahm es heraus und setzte sich an den Küchentisch. Beim Essen warf sie einen Blick in die Tageszeitung, konnte sich aber nicht auf den Artikel konzentrieren, der über einen Überfall auf ein Geschäft in der Nähe berichtete. Sie ertappte sich dabei, dass sie dreimal neu anfing, den Text zu lesen, weil ihre Gedanken jedes Mal abschweiften. Schließlich gab sie es auf und legte die Zeitung zur Seite. Die Aussicht darauf, schon bald Vincent wiederzusehen, machte sie nervös und kribbelig. Während sie ihre Lasagne aß, ohne allerdings viel davon zu schmecken, überlegte sie, was sie tun würde, wenn Vincent nicht kommen sollte. Der Gedanke, Vincent nicht mehr wiederzusehen, ängstigte sie zu ihrer eigenen Überraschung mehr, als sie jemals gedacht hätte. Sie musste sich selbst gegenüber zugeben, dass sie von Anfang an völlig von ihm fasziniert gewesen war. Chris schaute nach der Zeit und stellte fest, dass es erst 19:00 Uhr war; noch einige Stunden bis zu ihrem Treffen. Es war ungefähr Mitternacht gewesen, als sie Vincent getroffen hatte. Sie räumte ihr Geschirr fort und überlegte, was sie bis dahin tun sollte.

Sie ging unschlüssig hinüber zu ihrem Schreibtisch und betrachtete das Bild, das sie nach ihrem Traum angefertigt hatte. Noch jetzt sah sie den Ort deutlich und in allen Einzelheiten vor sich, genau wie die Menschen, denen sie begegnet war. Die Menschen! Chris setzte sich an ihren Schreibtisch, nahm einige Blätter und einen Bleistift und begann ein neues Bild. Sie schloss kurz die Augen, um sich zu erinnern. Dann zeichnete sie einen jungen Mann mit blondem Haar, der in Begleitung eines Waschbären gewesen war. Als das Bild schließlich fertig war, betrachtete sie es eingehend und wunderte sich selbst über die vielen Details, die ihr noch im Gedächtnis geblieben waren. War da nicht noch jemand, an den sie sich erinnerte? „Richtig!“ flüsterte Chris vor sich hin. „Da gab es doch noch den älteren grauhaarigen Mann mit dem Stock.“ Mit Eifer machte sie sich an das nächste Bild. Nach einer Weile legte sie den Stift hin und musterte eingehend das Ergebnis. Irgend etwas stimmte noch nicht. Chris schloss erneut die Augen und konzentrierte sich auf ihren Traum. Eine Brille! Genau, der alte Mann trug eine Brille; und zwar eine Lesebrille, wenn sie sich richtig erinnerte. Sie beugte sich erneut über das Bild und fügte noch eine Lesebrille ein, die ihm tief auf der Nase saß. Er schaute den Betrachter des Bildes darüber hinweg kritisch an und stützte sich auf seinen Stock. Der Mann auf dem Bild strahlte eine gewisse Weisheit und Autorität aus, fand Chris.

Bei einem Blick auf die Uhr stellte sie fest, dass es mittlerweile fast 22:00 Uhr war. Sie erhob sich und ging hinüber ins Schlafzimmer. Sie öffnete den Kleiderschrank und überlegte, was sie anziehen sollte. Am besten würde es sein, wenn sie dunkle Kleidung wählen würde. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es wohl besser sein würde, nicht so sehr aufzufallen, wenn sie sich nachts im Park herumtrieb. Sie wollte nicht auf einer Polizeiwache landen und erklären müssen, was sie um diese Uhrzeit dort zu suchen hatte. Also nahm sie eine Jeans, ein T-Shirt, bequeme Sneaker und eine Strickjacke mit Reißverschluss und Kapuze, alles in schwarz, heraus und legte die Kleidungsstücke auf das Bett. Dann ging sie ins Bad, um noch eine Dusche zu nehmen und ihre Haare zu waschen. Sie ließ sich viel Zeit unter der Dusche und genoss das warme Wasser, das ihre vom langen Sitzen am Schreibtisch verkrampften Schultern lockerte. Als sie schließlich in ein großes Handtuch gewickelt vor dem Spiegel stand, um sich etwas eingehender zu betrachten, stellte sie fest, dass ihre Haare in den letzten Monaten um ein gutes Stück gewachsen waren und mittlerweile fast bis zur Mitte ihres Rückens reichten. Ihr Blick fiel auf Moses, der in der offenen Tür saß und sie scheinbar kritisch musterte. „Ja, ich weiß, du hast völlig Recht. Ich muss mal wieder zum Friseur.“ stimmte sie ihm zu. „Du brauchst das natürlich nicht; du bist von Natur aus schön.“ sagte sie lächelnd zu ihm, woraufhin ihr Moses laut maunzend Recht gab. „Ach, eingebildet sind wir wohl gar nicht?“ Chris lachte, schnappte sich den völlig überrumpelten Moses und wirbelte mit ihm auf dem Arm im Flur herum. Moses maunzte laut und protestierend. Als Chris ihn schließlich absetzte, flüchtete er durch die Katzenklappe in der Tapetentür, um sich vor seiner verrückten Besitzerin in Sicherheit zu bringen. „Mach’ keine Dummheiten!“ gab ihm diese noch als guten Rat mit auf den Weg. Chris war es gewohnt, dass Moses abends immer noch zu einem „Kontrollgang“ in sein Revier aufbrach. Sowohl die Tapetentür als auch die Dachklappe hatten ein Katzentürchen, 

durch das Moses nach Belieben aus und ein gehen konnte. Sie hatte zwar immer ein Wenig Angst, dass ihm etwas passieren könnte, jedoch war er bisher jedes Mal gesund und munter wieder zurückgekehrt. Außerdem wollte sie ihm nicht dieses Stück Freiheit nehmen, das er sehr zu genießen schien.

Chris kehrte ins Bad zurück und begann, sorgfältig ihr Haar zu föhnen. Als sie schließlich mit dem Ergebnis zufrieden war, ging sie ins Schlafzimmer und zog sich an. In ihre Handtasche packte sie noch zur Vorsicht das Pfefferspray und eine kleine Taschenlampe. Dann ging sie hinüber zu ihrem Schreibtisch und verstaute die Zeichnungen in einer festen Mappe, damit sie in der Tasche nicht zerknittert würden. Chris atmete noch einmal tief durch und mit den Worten: "Also los, auf ins Abenteuer!" sich selbst Mut zusprechend verließ sie ihre Wohnung, um sich auf den Weg in den Park zu machen.


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[editiert: 28.06.08, 15:04 von Uschi-Nessaja]
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Gaya

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New PostErstellt: 28.06.08, 17:43  Betreff: Re: Neue Hoffnung  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: Uschi-Nessaja

    "Moses, pack' dein Zeug zusammen!

*lol* geil...

    Zitat:
    Die ganze Zeit über, wo Chris in der Küche herumlief, saß er da und folgte jedem ihrer Schritte mit den Augen, seine gesamte Körperhaltung eine einzige Anklage, dass sie nicht zuerst an das Wichtigste gedacht hatte: Sein Futter!  Chris ließ sich durch Moses „Hypnoseversuche“ aber nicht aus der Ruhe bringen.

    ...und beklagte sich lautstark über diese Art von Behandlung. "Ja, ja, ich weiß! Du bist ein ganz armer verhungerter Kater." sagte sie lachend zu ihm.

wolltest du mal vorbeikommen, und "Moses" live erleben?

    Zitat:
    War da nicht noch jemand, an den sie sich erinnerte? „Richtig!“ flüsterte Chris vor sich hin. „Da gab es doch noch den älteren grauhaarigen Mann mit dem Stock.“ Mit Eifer machte sie sich an das nächste Bild. Nach einer Weile legte sie den Stift hin und musterte eingehend das Ergebnis. Irgend etwas stimmte noch nicht. Chris schloss erneut die Augen und konzentrierte sich auf ihren Traum. Eine Brille! Genau, der alte Mann trug eine Brille; und zwar eine Lesebrille, wenn sie sich richtig erinnerte. Sie beugte sich erneut über das Bild und fügte noch eine Lesebrille ein, die ihm tief auf der Nase saß. Er schaute den Betrachter des Bildes darüber hinweg kritisch an und stützte sich auf seinen Stock. Der Mann auf dem Bild strahlte eine gewisse Weisheit und Autorität aus, fand Chris.

einfach wieder genial geschrieben. Ich kann mir die Bilder richtig gut vorstellen.

...aber: wie kannst du nur da aufhören, wo du aufgehört hast? *waaah*  Ich will doch wissen, wie Vince auf die Bilder reagiert...

 Ich hoffe mal, der nächste Teil kommt schnell...




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Uschi-Nessaja
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New PostErstellt: 28.06.08, 18:37  Betreff: Re: Neue Hoffnung  drucken  weiterempfehlen

Hallo liebe Gaya,

danke, danke! Freut mich unheimlich, dass dir meine Fortsetzung gefällt.

Hab ich deine Mieze wieder getroffen? Merkwürdig, dabei hab ich selbst gar keine.   Müsste ja eigentlich mal bei dir vorbeikommen und dein "Raubtier" begutachten.

Und das Ende des Kapitels musste so sein. Erhöht die Spannug

Ich bemühe mich aber, möglichst flott die Fortsetzung zu liefern. Zurzeit flutscht es gerade gut.

Liebe Grüße

Uschi





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Gaya

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New PostErstellt: 28.06.08, 21:26  Betreff: Re: Neue Hoffnung  drucken  weiterempfehlen

    Zitat: Uschi-Nessaja

    Hab ich deine Mieze wieder getroffen? Merkwürdig, dabei hab ich selbst gar keine.   Müsste ja eigentlich mal bei dir vorbeikommen und dein "Raubtier" begutachten.

Ich sag nur: Hypnoseversuche, "armer, verhungerter Kater" mimen, in der Tür auftauchen und kritisch schauen...  (was er aber sehr gut kann, ist: immer und überall vor den Füßen rumlaufen/rumliegen und urplötzlich hinter einem auftauchen, dass man beinahe ständig über ihn stolpert.)

Dass du keine hast, glaub ich dir bald nimmer.




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Uschi-Nessaja
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New PostErstellt: 02.07.08, 22:18  Betreff: Re: Neue Hoffnung  drucken  weiterempfehlen

Kapitel 7

 

Als Chris das Haus verließ, war es erst 23:15 Uhr. Sie hatte beschlossen, zu Fuß zum Park zu gehen, um noch etwas frische Abendluft zu atmen. Es war gerade Anfang Juni und die Temperatur angenehm kühl. Da die große Stadt fast nie schlief, war die Straße noch sehr belebt mit Menschen. Chris war nervös und die Bewegung tat ihr gut. Als sie auf dem Weg zum Park ihre Straße entlang schlenderte, fiel ihr ein neues Geschäft auf, das in die leeren Räume des ehemaligen türkischen Gemüseladens eingezogen war. Sie blieb interessiert vor dem Schaufenster stehen, wo ein Plakat die morgige große Neueröffnung verkündete. Es handelte sich offensichtlich um einen sogenannten "Viertelladen", wo man Second-Hand-Kleidung und gebrauchtes Spielzeug für Kinder kaufen konnte, sich Ratschläge und Tipps zum Umgang mit Anträgen bei Behörden holen und sich zu einem Austausch mit Nachbarn beim Kaffee treffen konnte. Die Tür stand offen und einige Leute waren drinnen offensichtlich noch mit den letzten Vorbereitungen für den morgigen großen Tag beschäftigt. Eine junge Frau mit langen blonden Haaren hatte Chris bemerkt und kam zur Eingangstür. "Hallo!" begrüßte sie Chris freundlich. "Ich bin Linda." Sie streckte ihr die Hand entgegen. "Wohnen Sie hier in der Gegend?" Chris erwiderte den Gruß und schüttelte Lindas Hand. Linda war ihr gleich auf den ersten Blick sehr sympathisch. "Ja, mein Name ist Chris; ich wohne 200 Meter weiter die Straße 'runter." Linda lächelte und erwiderte: "Da habe ich ja gleich richtig geraten. Es wäre nett, wenn Sie ein bisschen Werbung machen könnten in der Nachbarschaft. Möchten Sie vielleicht ein paar Flyer mitnehmen? Da stehen alle Infos drauf." Sie reichte Chris einige Exemplare. Chris nahm sie und steckte sie in ihre Tasche. "Ja, das mache ich gern. Vielleicht komme ich auch morgen zur Eröffnung, wenn es Ihnen Recht ist." "Natürlich, gern!" antwortete Linda begeistert. "Je mehr Leute kommen, desto besser." Chris verabschiedete sich und setzte ihren Weg fort. Der Laden war bestimmt eine Bereicherung für das Viertel, überlegte Chris. Sie nahm sich vor, morgen zur Eröffnung zu gehen. Die Leute schienen sehr nett zu sein.

Als Chris schließlich an dem Parkeingang ankam, wo sie sich von Vincent verabschiedet hatte, war es zehn Minuten vor zwölf. Je näher sie ihrem Ziel gekommen war, desto nervöser war sie geworden und desto heftiger hatte ihr Herz geklopft. Chris kam sich vor wie ein Teenager beim ersten Rendezvous. „Jetzt reiß dich aber mal zusammen!“ schimpfte sie leise mit sich selbst. „Du bist schließlich 35 Jahre alt und keine 17 mehr.“ Sie ging ein Stück weit den Weg entlang und schaute sich um. Es war außer ihr sonst niemand in der Nähe unterwegs. Chris wandte sich nach rechts und ging einen schmalen, versteckten Pfad entlang, der zu einer fast unsichtbaren Bank führte, die hinter Büschen verborgen war. Chris hatte diesen Platz einmal per Zufall entdeckt. Sie war damals mit Peter im Park gewesen und sein Ball hatte sich genau an dieser Stelle in die Büsche „geschlagen“. Vom Weg aus war der Platz nicht einsehbar. Dies war der ideale Ort, um sich ungestört zu treffen. Chris war fest davon überzeugt, dass Vincent sie hier finden würde. Sie hatte schon bei ihrem ersten Treffen festgestellt, dass seine Sinne wesentlich schärfer entwickelt waren als bei anderen "normalen" Menschen. Außerdem, so überlegte Chris, sie an seiner Stelle wäre bestimmt schon etwas früher gekommen, um sie zu beobachten, zu seiner eigenen Sicherheit. Er hatte ganz sicher kein Interesse daran, von fremden Menschen entdeckt zu werden. Der Schein einer Laterne vom Hauptweg fiel genau auf die Bank, sodass genügend Licht vorhanden war, um sein Gegenüber gut erkennen zu können. Chris nahm auf der Bank Platz und wartete.

 

Genau wie Chris vermutete, war Vincent schon eine halbe Stunde vor der verabredeten Zeit am vereinbarten Treffpunkt und hatte sich, vor neugierigen Augen verborgen, einen Platz gesucht, um Chris’ Ankunft zu beobachten. Er tat dies aus reiner Vorsicht und gegen seinen Instinkt, denn er war fest von ihrer Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit überzeugt. Dafür hatte er ein Gespür und seine scharfen Sinne hätten ihn sicherlich gewarnt, wenn es eine Gefahr gäbe. So hatte er gesehen, wohin sich Chris gewandt hatte; auch er kannte diesen Ort, wie er den gesamten Park kannte wie seine Westentasche. Der nächtliche Park war sein Zuhause. Vincent verspürte eine Mischung aus Nervosität und Vorfreude; er schaute sich noch einmal um und verließ dann seine Deckung, um zu Chris hinüber zu gehen.

 

Chris hatte, während sie wartete, die Zeichnungen aus der Mappe genommen, um sie noch einmal anzuschauen. Sie überprüfte zum wiederholten Male die Details auf ihre Richtigkeit. Sie schloss die Augen und rief sich das Bild des blonden jungen Mannes ins Gedächtnis zurück. Er hatte etwas Lustiges, Schrulliges an sich.

Mit einem Mal wurde sie durch eine leise Stimme aus ihren Träumereien geweckt. „Chris? Geht es dir gut?“ Chris erschrak heftig, riss die Augen auf und ließ die Zeichnungen auf den Boden fallen, während sie von der Bank hochfuhr. Sie hatte keinerlei Geräusch vernommen, das Vincents Kommen angekündigt hätte. Da war er, wie aus dem Nichts aufgetaucht. Chris legte die Hand auf ihr Herz, das wild zu rasen begonnen hatte und musste sich erst einmal von dem Schrecken erholen. Sie war atemlos und konnte zuerst nicht antworten. Vincent kam ganz dicht zu ihr heran und umfasste ihre Arme mit seinen Händen. „Es tut mir Leid; ich wollte dich nicht erschrecken.“ Er schaute ihr in die Augen und ihr Herz klopfte weiter heftig in ihrer Brust, dieses Mal allerdings aus einem anderen Grund. Vincent so nah zu sein, seine Wärme zu spüren und seinen Duft einzuatmen, machte sie ganz nervös und sprachlos. Chris nahm den Geruch von Kerzen wahr und Leder. Der intime Moment war allerdings nur von kurzer Dauer. Vincent ließ sie los und schaute hinunter auf die Blätter, die zwischen ihnen auf dem Boden lagen. Er bückte sich und hob sie auf. „Du hast da etwas ver...“ der Rest des Satzes blieb ungesagt in der Luft hängen. Vincent hatte die Blätter zusammengerafft und umgedreht. Zu oberst lag nun die Zeichnung von dem Ort, den Chris in ihrem Traum gesehen hatte. Seine Hände begannen heftig zu zittern und er ließ sich auf die Bank sinken, weil seine Beine ihm den Dienst versagten. Er starrte auf die Zeichnung und Chris konnte ihn keuchend atmen hören. „Was ist?“ fragte sie erschrocken und besorgt. Sie setzte sich neben ihn auf die Bank. Vincent schüttelte den Kopf. „Nein!“ kam es leise und heiser über seine Lippen. „Das kann nicht sein!“ Er riss seinen Blick mühsam von der Zeichnung los und schaute Chris an. „Woher hast du das?“ fragte er mit erschütterter Stimme. Chris war verwirrt über seine heftige Reaktion. „Die Bilder habe ich gezeichnet nach einem Traum. Ich habe letzte Nacht von dir geträumt und von diesem Ort auf dem Bild.“ Vincent starrte sie nur an und sagte kein Wort. Darum fuhr Chris fort und schilderte in allen Einzelheiten ihren Traum. Als sie geendet hatte, blieb es lange still. Vincent schaute wieder das Bild in seinen Händen an. Schließlich nach einer Ewigkeit, wie es Chris vorkam, sah er ihr in die Augen. „Das ... ist die Kammer der Winde.“ erklärte er leise. Chris war wie erstarrt. „Du meinst ...“ sie stockte und flüsterte schließlich „...diesen Ort gibt es wirklich? Du kennst ihn?“ Vincent nickte nur. Chris nahm mit zitternden Fingern die oberste Zeichnung fort und legte sie auf ihren Schoß. Darunter kam das Bild mit dem jungen Mann und seinem Waschbären zum Vorschein. Vincent keuchte erneut: „Oh Gott, das ist Mouse.“ Er stöhnte. „Mouse?“ fragte Chris verständnislos. „Ja, Mouse. Das ist sein Name. Ich kenne ihn.“ Chris blätterte stumm die nächste Zeichnung auf und schaute Vincent ängstlich ins Gesicht. Vincent ließ sich auf der Bank zurücksinken und schloss die Augen. Mit tonloser Stimme sagte er: „Vater!“ Beide schwiegen und mussten das eben Gehörte erst einmal „verdauen“.

Chris war wie vor den Kopf geschlagen. Sie hatte also von einem Ort geträumt, den es wirklich gab, wo sie aber noch nie gewesen war; außerdem von zwei Menschen, die ebenfalls existierten, die sie aber noch nie getroffen hatte. Plötzlich wurde ihr klar, wie das auf Vincent wirken musste. Musste er nicht glauben, dass sie ihm und diesen Menschen, die sie gesehen hatte, Böses wollte? Es war ja wohl offensichtlich so, dass Vincent und noch andere Menschen an einem versteckten Ort lebten und kein Interesse hatten, dort gefunden zu werden. Bei Vincent war ihr völlig klar, aus welchen Gründen dies so war. Sie dachte mit Grauen daran, was man wohl mit ihm machen würde, wenn er von Fremden entdeckt würde.  Seine Mitbewohner hatten sicherlich auch gute Gründe, sich aus dem „normalen“ Leben zurückzuziehen. „Vincent!“ Chris drehte sich halb zu ihm herum und ergriff seine Hand. Vincent zuckte leicht zusammen und öffnete die Augen, entzog ihr aber seine Hand nicht. Er schaute sie fragend an. „Ich schwöre dir“, dass ich noch nie an diesem Ort war und auch die Menschen noch nie wirklich getroffen habe, nur in meinem Traum. Ich ...“ Vincent unterbrach sie, indem er die Hand hob. „Chris, daran habe ich keinen Augenblick gezweifelt. Ich vertraue dir. Dass du es ehrlich meinst, kann ich fühlen. Ich bin zwar keine Hexe, aber dafür habe auch ich ein Gespür.“ Er flüchtiges Lächeln flog über sein Gesicht. Chris verspürte eine große Erleichterung und die Angst, die sie empfunden hatte, Vincent könnte ihr misstrauen und sie verlassen, wich mit einem Mal von ihr. Sie stieß den Atem aus, den sie unbewusst angehalten hatte und musste ein paar Mal schlucken, um die Tränen zurückzudrängen. Sie konnte nicht antworten, sondern drückte stattdessen Vincents Hand. Dieser fuhr fort: "Ich habe sofort gewusst, dass unsere Begegnung etwas ganz Besonderes ist. Unser ähnliches Schicksal hat uns zusammen geführt. Ich glaube, es ist eine Chance, ins Leben zurückzufinden; eine Chance, den Schmerz und die Trauer zu überwinden." Chris nickte zustimmend: "Ja, ich denke, du hast Recht. Wirst du mir erzählen, was dich so traurig macht?" fragte sie vorsichtig. Vincent schloss für einen Moment die Augen und antwortete schließlich: "Das werde ich und ich werde dir zeigen, wo ich lebe; wo auch Mouse und Vater leben." Er erhob sich und reichte ihr seine Hand, um ihr aufzuhelfen. "Komm, ich denke, Vater wird unsere Geschichte bestimmt hören wollen. Es ist zwar in unserer Gemeinschaft nicht üblich, fremde Personen mitzubringen, aber dies ist etwas Besonders." Die beiden verließen den versteckten Platz und die Bank und Chris folgte Vincent ins Ungewisse. Sie hatte keine Vorstellung davon, was sie erwarten würde. Chris war aufgeregt und erwartungsvoll und sie dachte: Ich glaube, ich ginge überall mit ihm hin. Das klingt zwar wie ein Satz aus einem Kitschroman, aber es ist die Wahrheit.





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Gaya

Administrator

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New PostErstellt: 03.07.08, 20:29  Betreff: Re: Neue Hoffnung  drucken  weiterempfehlen

Ich bin ja soo unwürdig  

*lol* einfach wieder klasse... und schon wieder an der spannendsten Stelle aufgehört... *grml*  (gehört sich ja so, ich weiß.)




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Uschi-Nessaja
Tunnelexperte


Beiträge: 284
Ort: Aachen


New PostErstellt: 03.07.08, 21:50  Betreff: Re: Neue Hoffnung  drucken  weiterempfehlen

Oh bitte, ich werd ja ganz rot

Klar muss an der Stelle wieder Schluss sein, damit es so richtig kribbelt

Aber keine Panik! Ich hab schon das nächste Kapitel angefangen.





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