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Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Nichtamtliche deutsche Übersetzung aus dem Französischen
Quelle: Bundesministerium der Justiz, Berlin
13/07/00 - Fall ELSHOLZ gegen DEUTSCHLAND (Beschwerde Nr. 25735/94)
Straßburg, den 13. Juli 2000
Dieses Urteil unterliegt noch der Schlussredaktion, bevor seine endgültige Fassung in der amtlichen Urteils- und Entscheidungssammlung des Gerichtshofes veröffentlicht wird.
In der Rechtssache Elsholz . /. Deutschland
ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als Große Kammer durch die folgenden Richter:
Herr L. WILDHABER, Präsident,
Frau E. PALM,
Herr J.-P. COSTA,
Herr L. FERRARI BRAVO,
Herr L. CAFLISCH,
Herr W. FUHRMANN,
Herr K. JUNGWIERT,
Herr J. CASADEVALL,
Herr B. ZUPANČIČ,
Herr J. HEDIGAN,
Frau W. THOMASSEN,
Frau M. TSATSA-NIKOLOVSKA,
Herr T. PANTÎRU,
Herr A.B. BAKA,
Herr E. LEVITS,
Herr K. TRAJA,
Herr R. MARUSTE, Richter
sowie die Vizekanzlerin, Frau M. DE BOER-BUQUICCHIO,
nach Beratung in nicht öffentlicher Sitzung am 1. März 2000 und am 14. Juni 2000 am letztgenannten Datum zu folgendem Urteil gelangt:
VERFAHREN
1. Der Fall ist dem Gerichtshof gemäß den vor Inkrafttreten des Protokolls Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (,,die Konvention")1 anzuwendenden Bestimmungen von der Europäischen Kommission für Menschenrechte (,,Kommission") am 7. Juni 1999 und von einem deutschen Staatsangehörigen, Herrn Egbert Elsholz (,,Beschwerdeführer") am 25. Mai 1999 vorgelegt worden (Artikel 5 Abs. 4 des Protokolls Nr. 11 und die früheren Artikel 47 und 48 der Konvention).
2. Dem Fall liegt eine gegen Deutschland gerichtete Beschwerde (Nr. 25735/94) zugrunde, mit welcher der Beschwerdeführer die Kommission aufgrund des früheren Artikels 25 der Konvention am 31. Oktober 1994 befasst hatte.
3. Der Beschwerdeführer behauptete, der ihm verweigerte Umgang mit seinem nichtehelichen Sohn stelle eine Verletzung des Artikels 8 der Konvention dar. Als Vater eines nichtehelichen Kindes sei er unter Verletzung des Artikels 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention diskriminiert worden. Er rügte, das Verfahren vor den deutschen Gerichten sei nicht fair i.S.d. Art. 6 Abs. 1 der Konvention gewesen.
4. Die Kommission hat die Beschwerde am 30. Juni 1997 für teilweise zulässig erklärt. In ihrem Bericht vom 1. März 1999 (früherer Artikel 31 der Konvention) bringt sie zum Ausdruck, Artikel 14 der Konvention in Verbindung mit Artikel 8 sei verletzt worden (15 zu 12 Stimmen). Artikel 8 sei für sich betrachtet nicht tangiert (15 zu 12 Stimmen). Artikel 6 Abs. 1 sei verletzt worden (17 zu 10 Stimmen).1
5. Der Beschwerdeführer ist vor dem Gerichtshof durch Herrn Peter Koeppel, einem Anwalt aus München, vertreten worden. Die deutsche Regierung (,,die Regierung") ist durch ihre Verfahrensbevollmächtigte, Frau H. Voelskow-Thies, Ministerialdirigentin im Bundesministerium der Justiz, vertreten worden.
6. Am 7. Juli 1999 entschied der Ausschuss der Großen Kammer, dass die Rechtssache von der Großen Kammer geprüft werden solle (Artikel 100 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes). Nachdem sich der für Deutschland gewählte Richter, Herr G. Ress, der an der Prüfung der Rechtssache in der Kommission teilgenommen hatte, für befangen erklärt hatte (Artikel 28), ist die Regierung aufgefordert worden mitzuteilen, ob sie einen Richter ad hoc (Artikel 27 Abs. 2 der Konvention sowie Artikel 29 Abs. 1 der Verfahrensordnung) benennen wolle. Da die Regierung nicht innerhalb von 30 Tagen antwortete, galt dies als Verzicht auf eine solche Benennung (Artikel 29 Abs. 2 der Verfahrensordnung). Folglich ist Herr Ress durch Herrn L. Ferrari Bravo, erster Ersatzrichter, in der Großen Kammer ersetzt worden (Artikel 24 Abs. 2 Buchstabe b der Verfahrensordnung).
7. Sowohl Beschwerdeführer als auch die Regierung haben Stellungnahmen vorgelegt.
8. Nach Beratung mit der Verfahrensbevollmächtigten und dem Anwalt des Beschwerdeführers, hat die Große Kammer beschlossen, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht notwendig ist (Artikel 59 Abs. 2 der Verfahrensordnung in fine).
SACHVERHALT
I. DIE UMSTÄNDE DES FALLES
9. Der 1947 geborene Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger und lebt in Hamburg. Er ist Vater des am 13. Dezember 1986 nichtehelich geborenen Kindes C. Am 9. Januar 1987 hat er die Vaterschaft anerkannt und sich zur Unterhaltsleistung für seinen Sohn verpflichtet. Dieser Unterhaltsverpflichtung ist er regelmäßig nachgekommen.
10. Der Beschwerdeführer lebte seit November 1985 mit der Mutter des Kindes und deren älterem Sohn Ch. zusammen. Im Juni 1988 zog die Mutter zusammen mit ihren beiden Kindern aus der Wohnung aus. Der Beschwerdeführer sah seinen Sohn weiterhin regelmäßig bis Juli 1991. Er verbrachte auch mehrfach seine Urlaube mit den beiden Kindern und deren Mutter. Danach fanden keine weiteren Besuchskontakte mehr statt.
11. Der Beschwerdeführer bemühte sich, seinen Sohn durch Vermittlung des Jugendamts Erkrath zu sehen. Bei einer Befragung durch einen Jugendamtsmitarbeiter im Dezember 1991 in der häuslichen Wohnung, äußerte C., dass er keinen weiteren Kontakt zum Beschwerdeführer wünsche.
12. Am 19. August 1992 beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Mettmann die gerichtliche Regelung des Umgangs mit seinem Sohn, und zwar an jedem ersten Samstag im Monat zwischen 13 und 18 Uhr. Der Beschwerdeführer behauptete, dass die Mutter ihm den Umgang mit C. verweigert habe, da er ihr vorgeworfen habe, die Aufsichtspflicht gegenüber dem Kind verletzt zu haben, als dieses sich bei einem Unfall im Juli 1991 auf einem Spielplatz den Arm gebrochen hatte. Als Folge dieses Vorfalls habe er die monatlichen Zahlungen in Höhe von 700,- DM eingestellt, die er auf Bitten der Mutter über den festgesetzten Kindesunterhalt hinaus freiwillig geleistet habe. Die Mutter wies diese Behauptungen des Beschwerdeführers zurück und erklärte, dass dieser ihr gegenüber zwar immer sehr großzügig gewesen sei, ihr jedoch keinen Unterhalt gezahlt habe.
13. Nach der mündlichen Verhandlung vom 4. November 1992 und nach Anhörung des C. vom 9. November 1992 wies das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 4. Dezember 1992 zurück. Das Gericht bemerkte, dass § 1711 Abs. 2 BGB über den persönlichen Umgang des Vaters mit seinem nichtehelichen Kind (s. Nr. 24 unten) als eng auszulegende Ausnahmebestimmung konzipiert sei. Folglich habe das zuständige Gericht einen solchen Kontakt nur dann zu beschließen, wenn er dem Kindeswohl nützlich und förderlich sei. Diese Voraussetzungen sah das Gericht im Fall des Beschwerdeführers als nicht gegeben an. Das Amtsgericht führte aus, dass das Kind angehört worden sei und dabei zum Ausdruck gebracht habe, dass es seinen Vater nicht mehr sehen wolle, der böse sei und seine Mutter mehrfach geschlagen habe. Auch habe die Mutter starke Vorbehalte gegen den Vater, die sie an das Kind weitergegeben habe, dem so kein Freiraum bleibe, ein unbefangenes Verhältnis zu seinem Vater aufzubauen. Das Amtsgericht schloss damit, dass Kontakte zum Vater dem Kindeswohl nicht dienlich seien.
14. Am 8. September 1993 beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht, der Kindesmutter aufzugeben, der Durchführung einer Familientherapie für ihn und seinen Sohn zuzustimmen, sowie die Umgangsregelung nach erfolgreicher Wiederanbahnung der Vater-Kind-Kontakte festzulegen.
15. Am 24. September 1993 empfahl das Jugendamt Erkrath dem Gericht, ein psychologisches Sachverständigengutachten zur Frage des Umgangsrechts einzuholen.
16. Nach Anhörung des C. am 8. Dezember 1993 wie der seiner Eltern in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 1993 wies das Amtsgericht den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Umgangrechts mit Beschluss vom 17. Dezember 1993 zurück.
Hierbei bezog sich das Gericht auf seinen vorausgegangenen Beschluss vom 4. Dezember 1992 und vertrat die Auffassung, dass die Voraussetzungen gemäß § 1711 BGB nicht vorlägen. Es stellte fest, dass das Verhältnis des Beschwerdeführers zur Kindesmutter dermaßen gespannt sei, dass die Durchsetzung eines Umgangskontaktes nicht in Frage komme, da dies dem Kindeswohl nicht dienlich wäre. Das Kind kenne die Vorbehalte der Mutter gegen den Beschwerdeführer und habe sie verinnerlicht. Müsste C. gegen den Willen der Mutter mit dem Beschwerdeführer zusammen sein, würde er in einen Loyalitätskonflikt geraten, mit dem er nicht zurechtkäme und der sein Wohlbefinden gefährde. Das Gericht fügte hinzu, dass es nicht darauf ankomme, welcher Elternteil die Spannungen verursacht habe. Ausschlaggebend sei insbesondere, dass erhebliche Spannungen bestünden und zu befürchten sei, dass die Wiederaufnahme der Kontakte mit dem Vater die weitere ungestörte Entwicklung des Kindes in der Familie des sorgeberechtigten Elternteiles stören werde. Nach zwei längeren Gesprächen mit dem Kind gelangte das Amtsgericht zu der Überzeugung, dass die Entwicklung des Kindes gefährdet wäre, wenn es gegen den Willen der Mutter die Kontakte mit seinem Vater wieder aufnehmen müsse. Bei diesen Gesprächen hatte das Kind seinen Vater ,,böse" oder ,,doof" genannt und hinzugefügt, dass es ihn auf gar keinen Fall sehen wolle. Auch gab es an: ,,Mama sagt immer, dass Egbert nicht mein Vater ist. Mama hat Angst vor Egbert".
Das Amtsgericht war außerdem der Auffassung , dass der vorliegende Sachverhalt evident und vor dem Hintergrund des § 1711 BGB umfassend aufgeklärt sei, so dass es der Hilfe eines Sachverständigen nicht bedürfe.
17. Am 13. Januar 1994 legte der Beschwerdeführer durch einen Anwalt Beschwerde gegen diesen Beschluss ein und beantragte die Aufhebung dieses Beschlusses, die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Umgangs und des diesbezüglichen tatsächlichen Kindeswillens, sowie die entsprechende Festsetzung des väterlichen Umgangsrechtes.
18. Am 21. Januar 1994 wies das Landgericht Wuppertal ohne Anhörung die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Hierbei stellte es zunächst fest, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestünden, da der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12. Januar 1994 das Gericht der ersten Instanz davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass er die Entscheidung dieses Gerichts respektiere und um Mithilfe bei einer einvernehmlichen Lösung bitte. Zudem war das Landgericht der Ansicht, dass die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe nicht mit dem erstinstanzlichen Begehren des Beschwerdeführers in voller Übereinstimmung stünden.
Das Landgericht ließ jedoch die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde offen und beschloss, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Umgangsrechtes zurückzuweisen sei, da dies nicht dem Wohle des Kindes diene. Es reiche nicht aus, dass solche Kontakte dem Kindeswohl entsprächen; sie hätten dem Kindeswohl nützlich und förderlich und zudem für das Kind seelisch notwendig zu sein. Die Frage, ob diese Voraussetzungen vorlägen, sei vom Standpunkt des Kindes aus unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles zu entscheiden. In diesem Zusammenhang müsse unter anderem geprüft werden, aus welchen Gründen der Vater den Kontakt mit seinem Kind erstrebe, das heißt, ob seine Motive emotionaler Art seien oder ob andere Faktoren eine Rolle spielten. Hierbei sei auch das Verhältnis der Eltern zueinander zu berücksichtigen.
Das Landgericht gelangte im Einklang mit dem angefochtenen Beschluss zu der Schlussfolgerung, dass die Spannungen zwischen den Eltern negative Auswirkungen auf das Kind hätten, wie die Anhörungen des Kindes vom 9. November 1992 und vom 8. Dezember 1993 gezeigt hätten, und dass Kontakte mit dem Vater daher nicht dem Kindeswohle dienten, zumal diese Kontakte bereits etwa zweieinhalb Jahre unterbrochen gewesen seien. Hierbei sei es ohne Belang, wer für den Beziehungsabbruch verantwortlich sei. Es zähle allein, dass sich in der gegenwärtigen Situation Kontakte mit dem Vater negativ auf das Kind auswirken würden. Dieser Schluss war nach Meinung des Landgerichts eindeutig, so dass es der Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens nicht bedürfte. Zudem sehe § 1711 Abs. 2 BGB keine Psychotherapie vor, um ein Kind auf den Umgang mit seinem Vater vorzubereiten. Das Landgericht bemerkte abschließend, dass eine erneute Anhörung der Eltern sowie des Kindes nicht erforderlich sei, da nichts dafür ersichtlich sei, dass eine solche Anhörung dem Beschwerdeführer günstigere Erkenntnisse erbringen könnte.
19. Am 19. April 1994 hat das Bundesverfassungsgericht durch eine aus drei Richtern besetzte Kammer beschlossen, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht zur Entscheidung anzunehmen.
Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes warf die Beschwerde keine Frage grundsätzlicher Bedeutung auf, welche die Achtung des Grundgesetzes beträfen. Insbesondere stelle sich nicht die Frage, ob § 1711 BGB mit dem in Artikel 6 Abs. 2 GG verankerten Recht auf ein Familienleben im Einklang sei, da die ordentlichen Gerichte den Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Umgangsrechts nicht allein mit der Begründung abgelehnt hätten, dass ein solches Recht dem Kindeswohl nicht dienlich sei, sondern auch mit der stärkeren Begründung, dass die Gewährung dieses Rechts mit dem Kindeswohl nicht vereinbar wäre. Weiterhin sei das Recht auf ein faires Verfahren nicht deshalb verletzt, weil der Beschwerdeführer nicht persönlich angehört worden und seinem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht entsprochen worden sei.
II. DAS EINSCHLÄGIGE INNERSTAATLICHE RECHT
A. Das derzeit geltende Familienrecht
20. Die gesetzlichen Bestimmungen zum Sorge- und Umgangsrecht finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch. Sie sind mehrfach geändert und zahlreiche von ihnen mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (BGBl 1997, S. 2942), das am 1. Juli 1998 in Kraft getreten ist, aufgehoben worden.
21. § 1626 Abs. 1 lautet wie folgt:
,,Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
22. Gemäß dem neu eingefügten § 1626a Abs. 1 BGB üben die Eltern eines nichtehelichen Kindes die Sorge gemeinsam aus, wenn sie eine Erklärung dahingehend abgeben (Sorgeerklärungen) oder sie einander heiraten. Gemäß § 1684 n. F. hat ein Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, wobei jeder Elternteil zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt ist. Außerdem haben die Eltern alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung des Kindes erschwert. Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber dem Kind anhalten. Das Familiengericht kann dieses Recht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die dieses Recht für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das Familiengericht kann anordnen, dass der Umgang stattfinden darf, wenn ein Dritter, z.B. ein Mitarbeiter des Jugendamtes oder eine Institution, anwesend ist.
B. Das im damaligen Zeitraum geltende Familienrecht
23. Vor Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes lautete die betreffende Bestimmung des BGB über das Sorge- und Umgangsrecht hinsichtlich eines nichtehelichen Kindes wie folgt:
§ 1634
,,1. Ein Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht, behält die Befugnis zum persönlichen Umgang mit dem Kinde. Der Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht, und der Personensorgeberechtigte haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum anderen beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.
2. Das Familiengericht kann über den Umfang der Befugnis entscheiden und ihre Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln; soweit es keine Bestimmung trifft, übt während der Dauer des Umgangs der nicht personensorgeberechtigte Elternteil das Recht nach § 1632 Abs. 2 aus. Das Familiengericht kann die Befugnis einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist.
3. Ein Elternteil, dem die Personensorge nicht zusteht, kann bei berechtigtem Interesse vom Personensorgeberechtigten Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit ihre Erteilung mit dem Wohle des Kindes vereinbar ist. Über Streitigkeiten, die das Recht auf Auskunft betreffen, entscheidet das Vormundschaftsgericht.
4. Steht beiden Eltern die Personensorge zu und leben sie nicht nur vorübergehend getrennt, so gelten die vorstehenden Vorschriften entsprechend".
24. Die entsprechenden Bestimmungen des BGB über das Sorge- und Umgangsrecht hinsichtlich eines nichtehelichen Kindes lauten wie folgt:
§ 1705
,,Das nichteheliche Kind steht, ..., unter der elterlichen Sorge der Mutter."
§ 1711
,,1. Derjenige, dem die Personensorge für das Kind zusteht, bestimmt den Umgang des Kindes mit dem Vater. § 1634 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.
2. Wenn ein persönlicher Umgang des Vaters dem Wohle des Kindes dient, kann das Vormundschaftsgericht entscheiden, dass dem Vater die Befugnis zum persönlichen Umgang zusteht. § 1634 Abs. 2 gilt entsprechend. Das Vormundschaftsgericht kann seine Entscheidung jederzeit ändern.
3. Die Befugnis, Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu verlangen, bestimmt § 1634 Abs. 3.
4. In geeigneten Fällen soll das Jugendamt zwischen dem Vater und dem Sorgeberechtigten vermitteln".
C. Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit
25. Wie Verfahren in anderen Familienrechtssachen, unterlagen die Verfahren nach dem früheren § 1711 Abs. 2 BGB den Bestimmungen des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
26. Gemäß § 12 dieses Gesetzes soll das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufnehmen.
27. In Umgangsrechtsverfahren muss das zuständige Jugendamt vor einer Entscheidung gehört werden (§ 49 Abs. 1 Buchst. k).
28. Bezüglich der Anhörung der Eltern in Sorgerechtsverfahren bestimmt § 50a Abs. 1, dass das Gericht in einem Verfahren, das die Personen- oder Vermögenssorge für ein Kind betrifft, die Eltern anhört. In Angelegenheiten der Personensorge soll das Gericht die Eltern in der Regel persönlich anhören. Bei Maßnahmen, mit denen die Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind die Eltern stets persönlich anzuhören. Gemäß § 50a Abs. 2 hört das Gericht den Elternteil an, der nicht sorgeberechtigt ist, es sei denn, dass von der Anhörung eine Aufklärung nicht erwartet werden kann.
RECHTLICHE WÜRDIGUNG
I. DIE BEHAUPTETE VERLETZUNG DES ARTIKELS 8 DER KONVENTION
29. Der Beschwerdeführer rügt, dass die Entscheidungen der deutschen Gerichte, durch die seine Anträge auf Gewährung eines Umgangsrechts für seinen nichtehelichen Sohn zurückgewiesen wurden, Artikel 8 der Konvention verletzen, dessen einschlägige Passagen wie folgt lauten:
,,1. Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres ... Familienlebens ...
2. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist ... zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer".
A. Argumente der erschienenen Parteien
1. Der Beschwerdeführer
30. Der Beschwerdeführer trägt vor, dass er mit der Mutter und dem gemeinsamen Kind eine Familie gebildet habe, bis die Beziehung zur Mutter etwa anderthalb Jahre nach der Geburt des Kindes endete. Für ihn ist diese Situation mit der eines geschiedenen Paares vergleichbar, weshalb ihm wie einem geschiedenen Vater auch ein Umgangsrecht für sein Kind hätte gewährt werden müssen. Er ist der Auffassung, dass er aufgrund der Bestimmungen des deutschen Rechts zur Regelung der Kontakte zwischen Vätern und ihren nichtehelichen Kindern, insbesondere des § 1711 BGB, der in dem fraglichen Zeitraum galt, einen Schaden erlitten habe. Diese Bestimmung sei erst mit Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes aufgehoben worden. Dem Beschwerdeführer zufolge stützt sich die Argumentation des Bundesverfassungsgerichtes immer noch auf § 1711 BGB. Er führt aus, dass das Verhalten der deutschen Gerichte zur damaligen Zeit das Ausbleiben der Umgangskontakte zwischen ihm und seinem Sohn seit dem Jahre 1991 verursacht habe. Die deutschen Gerichte hätten zugelassen, dass die Mutter die Kontakte abbrach und seinen Sohn beeinflusste, was zur Folge gehabt hätte, dass dieser dann den weiteren Umgang mit seinem Vater ablehnte. Zwar hätte der Beschwerdeführer nach dem 1. Juli 1998 erneut ein Umgangsrecht für seinen Sohn beantragen können, doch seien inzwischen Jahre, in denen er sinnvolle Kontakte zu seinem Sohn hätte aufbauen können, unwiederbringlich vergangen.
31. Außerdem sei ihm das Kind entfremdet worden, da seit dem letzten Kontakt viel Zeit vergangenen sei. Nach Ansicht von Sachverständigen ist dieses Problem nur mit besonderer psychologischen Unterstützung zu lösen. Eine derartige Unterstützung sei aber nur dann möglich und Erfolg versprechend, wenn die allein sorgeberechtigte Mutter zustimme und das Kind mitarbeite. Es sei jedoch zu erwarten, dass das Kind, das jetzt über 13 Jahre alt ist, den Umgang mit seinem Vater ablehnen würde. In der Regel werde in den Entscheidungen deutscher Berufungsgerichte großes Gewicht auf den Willen eines Kindes in diesem Alter gelegt, dessen Meinung in Verfahren zur Regelung des Umgangsrechts der Eltern zu berücksichtigen sei. Aus diesem Grund hätten sie dem Vater gegen den Willen des Kindes kaum ein Umgangsrecht eingeräumt.
32. In ihren Beschlüssen verweigerten sowohl das Amtsgericht Mettmann als auch das Landgericht Wuppertal dem Beschwerdeführer den Umgang mit seinem Sohn, weil das schlechte Verhältnis zwischen den Eltern das Kind in einen Loyalitätskonflikt führen würde und weil das Kind den Vater bei zwei Anhörungen durch das Gericht ,,böse" oder ,,doof" genannt und hinzugefügt hatte, dass es ihn auf keinen Fall sehen wolle. Bei der zweiten Anhörung erklärte das fast sechsjährige Kind: ,,Mama sagt immer, dass Egbert nicht mein Vater ist. Mama hat Angst vor Egbert". Dem Beschwerdeführer zufolge hat das Kind diese Aussage unter dem Einfluss der Mutter oder dem Einfluss ihrer engsten Umgebung mit Billigung der Mutter gemacht. Eine weitere Erklärung des Kindes, die das Gericht festhielt, habe gezeigt, dass die Mutter das Kind erschreckt hatte, weil sie davonstürzte, als sie den Vater einmal zufällig auf der Straße traf.
33. Diese Aussagen des Kindes sind nach dem Vortrag des Beschwerdeführers von äußerster Wichtigkeit, zeigten sie doch, dass die Mutter das Kind gegen seinen Vater aufgehetzt habe, der so Opfer der Eltern-Kind-Entfremdung (PAS) geworden sei. Infolgedessen habe das Kind auch jeden weiteren Umgang mit seinem Vater abgelehnt. Wäre damals ein Familien- oder Kinderpsychologe zu Rate gezogen worden, so hätte verdeutlicht werden können, dass das Kind von seiner Mutter beeinflusst worden bzw. gegen den Vater instrumentalisiert worden war. Daher habe die Entscheidung der beiden Gerichte, einen Sachverständigen, wie vom Beschwerdeführer beantragt und vom Jugendamt empfohlen, nicht einzuschalten, eine Verletzung der Interessen nicht nur des Vaters, sondern auch des Kindes dargestellt, da die Kontakte zu dem anderen Elternteil mittel- und langfristig dem Kindeswohl dienten.
34. Durch die Weigerung, dem Vater ein Umgangsrecht zu gewähren, und durch die Entscheidungen zugunsten der allein sorgeberechtigten Mutter hätten die deutschen Gerichte, einschließlich des Bundesverfassungsgerichtes, gegen die verfassungsmäßige Verpflichtung des Staates, die Rechte seiner Bürger gegen Verletzungen durch andere Bürger zu schützen, verstoßen. Der Staat habe die Pflicht, in seiner innerstaatlichen Rechtsordnung die Wahrung der Menschenrechte sicherzustellen.
35. Die amerikanischen Forschungsergebnisse zum PAS seien seit 1984 und 1992 zugänglich. Sie hätten rasch zu einer Vielzahl von Fachveröffentlichungen geführt und seien von amerikanischen sowie kanadischen Gerichten in ihrer Rechtsprechung berücksichtigt worden.
Wäre Deutschland bereit gewesen, die Ergebnisse dieser Studien, die in den USA erfolgt sind, wo viel höhere Forschungsetats zur Verfügung stehen, zu berücksichtigen und umzusetzen, hätte das Gericht schon damals zu einer anderen Entscheidung kommen können, denn der das Kind anhörende Richter hätte dessen den Vaterablehnende Äußerungen anders auslegen können. Zumindest jedoch hätte das Gericht einen Sachverständigen beauftragen müssen, dem die besondere Psychodynamik familiärer Beziehungen vertraut ist.
36. Der Beschwerdeführer trägt abschließend vor, dass die deutschen Behörden ihre aus Artikel 8 der Konvention herrührende Pflicht, die Menschenrechte der Bürger zu schützen, verletzt hätten, da sie es bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt unterlassen hätten, den deutschen Jugendämtern und Familiengerichten die Ergebnisse der internationalen PAS-Forschung zur Kenntnis zu geben und ihnen eine entsprechende Fortbildung anzubieten.
2. Die Regierung
37. Die Regierung räumte unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom 13. Juni 1979 in der Sache Marckx ./. Belgien, Serie A, Band 30 und vom 26. Mai 1994 in der Sache Keegan ./. Irland, Serie A, Band 290) ein, dass das Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn als Familienleben im Sinne des Artikels 8 Abs. 1 anzusehen sei. Gleichwohl ist sie der Auffassung, dass die gesetzliche Regelung des Umgangsrechts für Väter nichtehelicher Kinder als solche keinen Eingriff in die von dieser Bestimmung garantierten Rechte darstelle. Die Regierung räumt hingegen ein, dass die im vorliegenden Fall aufgrund dieser Rechtsvorschriften getroffenen Entscheidungen der deutschen Gericht einen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers gemäß Artikel 8 Abs. 1 darstelle.
38. Unter Berücksichtigung der Kriterien, die in der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes bezüglich der positiven Verpflichtungen im Zusammenhang mit einer wirksamen Achtung des Familienlebens wie auch hinsichtlich der Rechtfertigungsgründe für einen Eingriff nach Artikel 8 Abs. 2 aufgeführt sind (s. Urteil oben in der Sache Marckx ./. Belgien, Urteil vom 18. Dezember 1986 in der Sache Johnston ./. Irland, Serie A, Band 112, und Urteil oben in der Sache Keegan ./. Irland), trägt die Regierung vor, dass die vom deutschen Gesetzgeber im Hinblick auf die besondere Situation nichtehelicher Kinder getroffene Regelung innerhalb des den Vertragsstaaten eingeräumten Ermessensspielraums liege.
39. Die Regierung ist der Meinung, dass die betreffenden Entscheidungen der deutschen Gerichte dem deutschem Recht entsprachen und dem Schutz des Wohls des Kindes des Beschwerdeführers dienten. Darüber hinaus sei der gerügte Eingriff notwendig in einer demokratischen Gesellschaft im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 gewesen. In dieser Hinsicht führt die Regierung aus, dass Leitlinie für die Entscheidung der deutschen Gerichten der Grundsatz des Kindeswohls war. Daher sei auch die Ablehnung eines nur zwangsweise durchzusetzenden Umgangsrechts in Bezug auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig. Die Regierung weist darauf hin, dass das Landgericht zu seiner Schlussfolgerung gelangt sei, indem es sich auf den Eindruck aus der Anhörung des Kindes gestützt habe. Das deutsche Recht kenne nicht die Möglichkeit, die Beteiligten zu verpflichten, sich einer Familientherapie zu unterziehen, um günstige Voraussetzungen für ein Umgangsrecht zu schaffen, und es könne nicht im Wohl des Kindes liegen, angesichts des Konflikts zwischen den Eltern eine Schlichtung anzuordnen.
3. Die Kommission
40. Nachdem sie im vorliegenden Fall eine Verletzung des Artikels 8 in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention festgestellt hat, hielt es die Kommission nicht für erforderlich, über die behauptete Verletzung des Artikels 8 für sich genommen zu entscheiden. Allerdings verwies sie auf die vorgebrachten Argumente hinsichtlich des Artikels 8 in Verbindung mit Artikel 14, und zog den Schluss, dass die von der Kindesmutter zum Ausdruck gebrachten Einwände offenbar erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen der deutschen Gerichte gehabt hätten. Des weiteren führte die Kommission aus, dass die Gerichte nicht die Notwendigkeit des Eingriffs geprüft hätten, d.h. die Frage, ob das Kindeswohl des C. die Verweigerung des Umgangsrechtes wirklich erforderte. In dieser Hinsicht unterschied sie zwischen dem vorliegenden Fall und den Fällen, in denen die nationalen Gerichte zu dem Schluss gekommen waren, dass das Kindeswohl die Verweigerung des Umgangsrechtes erfordere, nachdem sie einen detaillierten Bericht der Sozialen Dienste oder Gutachten von Ärzten erhalten hatten. Nach Ansicht der Kommission standen die eingesetzten Mittel zum angestrebten Zweck nicht in einem angemessenen Verhältnis.
41. Zehn Kommissionsmitglieder mit einer abweichenden Meinung jedoch gaben der Meinung Ausdruck, dass Artikel 8 nicht verletzt worden sei. Nach ihrer Ansicht hätten die Gerichtsentscheidungen gezeigt, dass die Gründe für den Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers ausreichend und zutreffend waren. Zudem sei der Entscheidungsfindungsprozess dazu angetan gewesen, dem Beschwerdeführer eine hinreichende Beteiligung zu ermöglichen. In dieser Hinsicht stellten sie fest, dass der Beschwerdeführer mit einem Vermittler des Jugendamts Erkrath in Kontakt treten konnte, vom Amtsgericht angehört worden war und das Landgericht mit einer Beschwerde befassen konnte.
42. Zwei weitere Kommissionsmitglieder mit abweichender Meinung vertraten die Auffassung, dass die Verweigerung, ein unabhängiges psychologisches Gutachten zu beantragen oder Einzelheiten anzuführen, die dem Amtsgericht als Grundlage für seine Würdigung dienten, zusammen mit der Tatsache, dass der Beschwerdeführer seine Argumente zugunsten eines solchen Gutachtens oder einer derartigen Würdigung anlässlich einer Anhörung durch das Landgericht nicht vorbringen konnte, seinen Interessen besonders geschadet hätten, denn das Umgangsrecht sei ursprünglich aufgrund der Vorbehalte der Mutter gegen den Beschwerdeführer, die sie auf das Kind übertragen habe, verweigert worden. Unter diesen Umständen habe der Beschwerdeführer bei dem Entscheidungsfindungsprozess insgesamt eine nicht hinlänglich bedeutende Rolle spielen können, wodurch ihm der erforderliche Schutz seiner Interessen gewährt worden wäre. Diese beiden Mitglieder mit abweichender Meinung folgerten daraus, dass Artikel 8 verletzt worden ist.
B. Würdigung des Gerichtshofs
1. In Bezug auf das Vorliegen eines Eingriffs in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens gemäß Artikel 8 der Konvention
43. Der Gerichtshof ruft in Erinnerung, dass der Begriff der Familie im Sinne dieses Artikels sich nicht allein auf eheliche Beziehungen beschränkt, sondern auch andere de facto ,,Familien"-Bande umfassen kann, wo die Beteiligten außerhalb einer Ehe zusammenleben. Ein aus einer solchen Beziehung hervorgegangenes Kind ist ipso jure vom Zeitpunkt seiner Geburt an und durch den bloßen Umstand seiner Geburt Teil dieses ,,Familien"-Verbandes. Daher besteht zwischen dem Kind und seinen Eltern eine Verbindung, die einem Familienleben entspricht (Urteil vom 26. Mai 1994, in der Sache Keegan ./. Irland, Serie A, Band 290, S. 18-19, Nr. 44). Der Gerichtshof weist ferner darauf hin, dass für einen Elternteil und sein Kind das Zusammensein einen grundlegenden Bestandteil des Familienlebens darstellt, selbst wenn die Beziehung zwischen den Eltern zerbrochen ist, und dass innerstaatliche Maßnahmen, die die Betroffenen an diesem Zusammensein hindern, einen Eingriff in das durch Artikel 8 der Konvention geschützte Recht bedeuten ( s. u.a. Urteil vom 7. August 1996, in der Sache Johansen ./. Norwegen, Urteils- und Entscheidungssammlung 1996-III, S. 1001-1002, Nr. 52, sowie Urteil vom 9. Juni 1998, in der Sache Bronda ./. Italien, Sammlung 1998-IV, S. 1489, Nr. 51).
44. Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer mit seinem Sohn seit dessen Geburt im Dezember 1986 bis Juni 1988, als die Mutter ihn mit beiden Kindern verließ, zusammenlebte, d.h. etwa anderthalb Jahre. Bis Juli 1991 sah er seinen Sohn weiterhin häufig. Die nachfolgenden Entscheidungen, die dem Beschwerdeführer das Umgangsrecht verweigerten, stellen daher einen Eingriff in die Ausübung seines von Artikel 8 Abs. 1 der Konvention garantierten Rechtes auf Achtung des Familienlebens dar. Unter diesen Umständen hält es der Gerichtshof für nicht erforderlich zu prüfen, ob § 1711 BGB als solcher einen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens darstellt.
45. Der vorstehend erwähnte Eingriff stellt eine Verletzung von Artikel 8 dar, es sei denn, er ist ,,gesetzlich vorgesehen", verfolgt ein oder mehrere legitime Ziele gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung und kann als ,,in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" angesehen werden.
2. In Bezug auf die Rechtfertigung des Eingriffs
a. ,,gesetzlich vorgesehen"
46. Vor dem Gerichtshof war es unbestritten, dass die betreffenden Entscheidungen auf einer Bestimmung des innerstaatlichem Rechts basierten, nämlich auf § 1711 Abs. 2 BGB in der im fraglichen Zeitraum geltenden Fassung.
b. Legitimes Ziel
47. Nach Ansicht des Gerichtshofes zielten die vom Beschwerdeführer angefochtenen Gerichtsentscheidungen eindeutig auf den Schutz ,,der Gesundheit oder der Moral" und ,,der Rechte und Freiheiten" des Kindes ab. Dementsprechend verfolgten sie im Sinne des Artikels 8 Abs. 2 legitime Ziele.
c. ,,Notwendig in einer demokratischen Gesellschaft"
48. Bei der Entscheidung darüber, ob die streitige Maßnahme ,,in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war, wird der Gerichtshof im Lichte des Falles als Ganzes prüfen, ob die zur Rechtfertigung dieser Maßnahme angeführten Gründe zutreffend und ausreichend für die Zwecke des Artikels 8 Abs. 2 der Konvention waren. Zweifellos steht bei jedem Fall dieser Art die Überlegung, was dem Kindeswohl am besten dient, stets im Mittelpunkt. Ferner ist zu bedenken, dass die nationalen Behörden in der vorteilhaften Situation sind, dass sie in unmittelbarem Kontakt zu allen Beteiligten stehen. Es ist daher keineswegs Aufgabe des Gerichtshofs, selbst an die Stelle der nationalen Behörden zu treten, um die Fragen des Sorge- und Umgangsrechts zu regeln, sondern im Lichte der Konvention die Entscheidungen zu überprüfen, die sie in Ausübung ihres Ermessens getroffen haben (Urteil vom 23. September 1994 in der Sache Hokkanen . /.Finnland, Serie A, Band 299-A, S. 20, Nr. 55, sowie entsprechend das o.g. Urteil Bronda, S. 1941, Nr. 59).
49. Der den zuständigen innerstaatlichen Behörden eingeräumte Ermessensspielraum unterscheidet sich je nach Art der streitigen Fragen und Bedeutung der betroffenen Interessen. Somit erkennt der Gerichtshof an, dass die Behörden einen breiten Ermessensspielraum haben, insbesondere bei Erwägung der Frage, ob ein Kind in Pflege zu geben ist. Hingegen ist eine genauere Kontrolle bei weitergehenden Beschränkungen erforderlich, wie beispielsweise bei Beschränkungen des Umgangsrechts der Eltern durch die Behörden, sowie bei gesetzlichen Vorkehrungen, die einen effektiven Schutz des Rechts der Eltern und Kinder auf Achtung ihres Familienlebens gewährleisten sollen. Diese weitergehenden Einschränkungen bergen die Gefahr, dass die Familienbeziehungen zwischen den Eltern und einem jungen Kind endgültig abgeschnitten werden (o.a. Urteil in der Sache Johansen, S. 1003, Nr. 64, und Urteil in der Sache K. und T. ./. Finnland, Nr. 25702/94, Nr. 135, EGMR 2000- ...).
50. Der Gerichtshof erinnert ferner daran, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen des Kindes und denen des Elternteils herbeizuführen ist ( s. z.B. Urteil vom 27. November 1992 Olsson ./. Schweden (Nr. 2), Serie A, Band 250, S. 35-36, Nr. 90). Hierbei hat der Gerichtshof dem Wohl des Kindes, das je nach Art und Bedeutung gegenüber dem Wohl des Eltern überwiegen kann, besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Insbesondere kann der Elternteil nach Artikel 8 der Konvention nicht berechtigt sein, solche Maßnahmen zu verlangen, die die Gesundheit und Entwicklung des Kindes beeinträchtigen würden (s. o. Urteil in der Sache Johansen ./.Norwegen, S. 1008, Nr. 78).
51. Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass sich die zuständigen nationalen Gerichte bei der Zurückweisung der vom Beschwerdeführer beantragten Besuchsregelung auf die Aussagen des Kindes gestützt haben, das im Alter von etwa 5 bzw. 6 Jahren vom Amtsgericht befragt worden war, dass sie das gespannte Verhältnis zwischen den Eltern berücksichtigt haben, wobei es ihres Erachtens unerheblich war, wer für die Spannungen verantwortlich war, und dass sie zu dem Schluss gelangt waren, dass die Wiederanbahnung der Kontakte dem Kind schaden würde.
52. Der Gerichtshof zieht nicht in Zweifel, dass diese Punkte erheblich waren. Gleichwohl ist festzustellen, ob der Beschwerdeführer angesichts der besonderen Umstände des Falles und vor allem angesichts der Bedeutung der zu fällenden Entscheidungen, insgesamt in den Entscheidungsfindungsprozess als Ganzes hinlänglich eingebunden war, so dass der erforderliche Schutz seiner Interessen sichergestellt war (Urteil vom 8. Juli 1987 in der Sache W. ./. Vereinigtes Königreich, Serie A, Nr. 121, S. 29, § 64). Der Gerichtshof hebt hervor, dass das Amtsgericht im vorliegenden Fall die Einholung eines Sachverständigengutachtens für entbehrlich erachtete, da der Sachverhalt evident und vor dem Hintergrund des § 1711 BGB umfassend aufgeklärt sei (s. Nr. 16 oben). In diesem Zusammenhang habe das Amtsgericht auf das gespannte Verhältnis zwischen den Eltern und vor allem auf die Vorbehalte der Mutter gegen den Vater, die sie auf das Kind übertragen habe, verwiesen. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die vom Amtsgericht angeführten Gründe nicht für die Erklärung ausreichen, weshalb es unter den gegebenen Umständen entgegen der Empfehlung des Jugendamts Erkrath ein Sachverständigengutachten für nicht erforderlich hielt. Zudem hätte sich das Landgericht im Hinblick auf die Bedeutung des Sachverhalts, nämlich die Beziehungen zwischen Vater und Kind, nicht damit zufrieden geben dürfen, sich unter diesen Umständen auf die Aktenlage und die schriftliche Beschwerdebegründung zu beziehen, sondern hätte ein psychologisches Sachverständigengutachten einholen müssen, um die Aussagen des Kindes zu bewerten. Der Gerichtshof stellt hierbei fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde die Erkenntnisse des Amtsgerichts angefochten und ein Sachverständigengutachten beantragt hat, um die tatsächlichen Wünsche seines Kindes zu ermitteln und die Frage des Umgangs auf dieser Grundlage zu entscheiden, wobei das Landgericht befugt war, alle Punkte im Zusammenhang mit dem beantragten Umgangrecht zu überprüfen.
53. Die Verweigerung eines unabhängigen psychologischen Sachverständigengutachtens und die unterbliebene Anhörung vor dem Landgericht verdeutlicht nach Meinung des Gerichtshofs eine unzureichende Einbindung des Beschwerdeführers in den Entscheidungsfindungsprozess. Der Gerichtshof kommt daher zu dem Schluss, dass die nationalen Behörden ihren Ermessensspielraum überschritten und somit die Rechte des Beschwerdeführers nach Artikel 8 der Konvention verletzt haben.
II. DIE BEHAUPTETE VERLETZUNG DES ARTIKELS 14 DER KONVENTION IN VERBINDUNG MIT ARTIKEL 8
54. Der Beschwerdeführer rügt ferner eine Diskriminierung unter Verletzung des Artikels 14 der Konvention in Verbindung mit Artikel 8. Artikel 14 bestimmt:
,,Der Genuss der in dieser Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status zu gewährleisten".
55. Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist die Regelung des § 1711 BGB betreffend die Kontakte zwischen einem Vater und seinem nichtehelichen Kind im Gegensatz zu den Bestimmungen des § 1634 BGB, der die Kontakte zwischen einem Vater und seinem ehelichen Kind regelt, diskriminierend.
56. Die Regierung hält weder die gesetzliche Regelung des Umgangrechts für nichteheliche Kinder an sich noch ihre Anwendung auf den Fall des Beschwerdeführers für diskriminierend im Hinblick auf das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens.
57. Die Regierung verweist darauf, dass die Kommission in früheren Entscheidungen festgestellt hat, dass die Bestimmungen des § 1711 BGB nicht gegen das Diskriminierungsverbot nach Artikel 14 verstoßen (Beschwerde Nr. 9588/81, Entscheidung vom 15. März 1984, Beschwerde Nr. 9530/81, Entscheidung vom 14. Mai 1984, beide unveröffentlicht). Die Erwägungen, dass Väter nichtehelicher Kinder oftmals kein Interesse an Kontakten mit ihren Kindern hätten und zudem eine nichteheliche Lebensgemeinschaft jederzeit verlassen könnten, und dass es daher normalerweise dem Kindeswohl entspreche, wenn Sorge- und Umgangsrecht der Mutter zugebilligt würden, träfen weiterhin zu, auch wenn die Häufigkeit nichtehelicher Lebensgemeinschaften zugenommen habe. § 1711 Abs. 2 BGB schaffe einen angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen, die in allen derartigen Fällen aufträten. In diesem Zusammenhang bemerkte die Regierung, dass das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts an dieser Beurteilung nichts ändere. Außerdem hätten die Gerichte im Fall des Beschwerdeführers die Meinung vertreten, dass die Gewährung eines Umgangsrechts für den Vater nicht dem Wohle des Kindes diene und die Situation des Beschwerdeführers daher mit der eines geschiedenen Vaters vergleichbar sei.
58. Die Kommission vertritt die Ansicht, dass die Argumente der beklagten Regierung hinsichtlich der Unterscheidung zwischen verheirateten und nicht verheirateten Vätern, die § 1711 Abs. 2 BGB zugrunde liegt, die Verweigerung des Umgangsrechtes nicht hinreichend begründen. Der Kommission zufolge war die Situation des Beschwerdeführers, als er ein Recht auf Umgang beantragte, mit der eines Elternteils vergleichbar, dem nach der Scheidung nicht das Sorgerecht übertragen wurde. Während nach deutschem Recht jedoch dem geschiedenen Elternteil ein Umgangsrecht eingeräumt werden konnte, soweit dies nicht dem Kindeswohl schadete, kam der leibliche Vater nur dann in den Genuss dieses Rechts, wenn der Umgang dem Wohl des Kindes diente. Die Kommission folgert daraus, dass im vorliegenden Fall eine Verletzung des Artikels 8 in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention vorliege.
59. Der Gerichtshof hält es nicht für erforderlich, zu ergründen, ob die frühere deutsche Gesetzgebung als solche, nämlich § 1711 Abs. 2 BGB, zwischen Vätern nichtehelicher Kinder und geschiedenen Vätern eine nicht zu rechtfertigende Entscheidung vornahm, die im Sinne von Artikel 14 diskriminierend wäre, da es den Anschein hat, dass die Anwendung dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall nicht zu einem anderen Ansatz geführt hätte als bei einem geschiedenen Paar.
60. Der Gerichtshof stellt fest, dass sich die Begründung des Amtsgerichtes in dem Beschluss vom 17. Dezember 1993 nach Anhörung des Kindes und der Eltern ausdrücklich auf die Gefahr stützte, die für die Entwicklung des Kindes bestanden hätte, wenn die Kontakte mit dem Beschwerdeführer gegen den Willen der Mutter wieder aufgenommen worden wären. Die grundlegende Überlegung galt daher der Gefährdung des Wohlbefindens des Kindes. Im Beschwerdeverfahren stützte das Landgericht seinen Beschluss vom 21. Januar 1994 gleichfalls auf die Erkenntnis, dass Kontakte für das Kind schädlich seien. Nach Überzeugung des Gerichtshofs hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt, dass ein geschiedener Vater in einer vergleichbaren Situation besser behandelt worden wäre. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass die ordentlichen Gerichte die gleichen Kriterien wie bei einem geschiedenen Vater angewandt hatten.
61. Demzufolge kann auf der Grundlage des hier vorliegenden Sachverhalts nicht behauptet werden, dass ein geschiedener Vater besser behandelt worden wäre. Somit lag keine Verletzung des Artikels 14 in Verbindung mit Artikel 8 vor.
III. DIE BEHAUPTETE VERLETZUNG DES ARTIKELS 6 ABS. 1 DER KONVENTION
62. Der Beschwerdeführer behauptet, dass Artikel 6 Abs. 1 der Konvention verletzt worden sei, dessen einschlägige Passagen wie folgt lauten:
,,Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen (...) von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich (...) verhandelt wird."
63. Der Beschwerdeführer behauptet, dass ihm durch die verweigerte Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie die nicht erfolgte Anhörung vor dem Landgericht die Möglichkeit genommen worden sei nachzuweisen, dass die Verweigerung des Umgangsrechts dem Wohle seines Sohnes zuwiderlaufe.
64. Die Regierung führt an, dass der Beschwerdeführer in der ersten Instanz angehört worden sei und es gemäß Artikel 6 Abs. 1 ausreiche, dass das Landgericht die Beschwerdeschrift zur Kenntnis genommen habe. Darüber hinaus stehe den Gerichten ein Ermessen bei der Beurteilung zu, welche der von den Parteien eines Zivilverfahrens angebotenen Beweise für eine Entscheidung maßgeblich seien. Im vorliegenden Fall hätten keine besonderen Umstände die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordert, um die Frage zu klären, ob Umgangskontakte des Beschwerdeführers mit C. dem Kindeswohl förderlich wären. Weiterhin sei das Landgericht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Amtsgericht C. erst einen Monat vor der Entscheidung des Landgerichts angehört hatte und sich in der Akte ein detaillierter Vermerk über diese Anhörung befand, nicht verpflichtet gewesen, C. erneut anzuhören.
65. Die Kommission ist der Auffassung, dass das Verfahren vor dem Amtsgericht Mettmann und dem Landgericht Wuppertal insgesamt nicht den Erfordernissen eines fairen Verfahrens entsprochen habe, weil ein psychologische Sachverständigengutachten nicht eingeholt worden sei und das Landgericht keine erneute Anhörung durchgeführt habe.
66. Der Gerichtshof erinnert daran, dass die Zulässigkeit von Beweisen in erster Linie durch das innerstaatliche Recht geregelt wird und generell die nationalen Gerichte das ihnen vorgelegte Beweismaterial zu würdigen haben. Gemäß der Konvention ist es vielmehr Aufgabe des Gerichtshofes zu beurteilen, ob das Verfahren insgesamt und insbesondere die Art der Beweiserhebung fair war (s. entsprechend Urteile vom 12. Juli 1988 in der Sache Schenk ./.Schweiz, Serie A, Band 140, S. 29, Nr. 45 und 46, und vom 24. Oktober 1989 in der Sache H. ./. Frankreich, Serie A, Band 162, S. 23, Nr. 60-61).
67. Unter Berücksichtigung seiner Feststellungen unter dem Gesichtspunkt des Artikels 8 (s. Nr. 52-53 oben) ist der Gerichtshof der Meinung, dass das Verfahren als Ganzes im vorliegenden Fall wegen des Fehlens eines psychologischen Sachverständigengutachtens und dem Umstand, dass das Landgericht keine erneute Anhörung durchführte, obgleich nach Meinung des Gerichtshofs die Beschwerde des Beschwerdeführers sachliche und rechtliche Fragen aufwarf, die aufgrund des dem Landgericht vorliegenden schriftlichen Aktenmaterials nicht angemessen zu lösen waren, nicht den Erfordernissen eines fairen und öffentlichen Verfahrens im Sinne von Artikel 6 Abs. 1 gerecht wird. Infolgedessen ist diese Bestimmung verletzt.
IV. ANWENDUNG DES ARTIKELS 41 DER KONVENTION
67. Artikel 41 der Konvention lautet:
,,Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist."
A. Schaden
69. Der Beschwerdeführer fordert 90.000 DM als Ersatz für den erlittenen immateriellen Schaden: Die Verweigerung der Umgangskontakte zu seinem Sohne seit 1991 habe Angst und Leid bei ihm hervorgerufen. Er betont, dass der Verlust eines Kindes in keiner Weise in Geld aufgewogen werden könne. Es sei für ihn sehr schwierig zu ertragen, dass ihn zuerst die Mutter, dann das Jugendamt und die Gerichte daran hinderten, seine Verantwortung als Vater gegenüber seinem Sohn zu übernehmen und ihn bei Bedarf zu unterstützen. Um die Schwierigkeiten bedingt durch diese Jahre des Leidens zu bewältigen, habe er psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen.
70. Die Regierung nimmt hierzu nicht Stellung.
71. Der Gerichtshof sieht sich nicht in der Lage festzustellen, ob die fraglichen Entscheidungen ohne Verletzung der Konvention anders ausgefallen wären. Dennoch vermag er nicht zu entscheiden, ob dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht ein praktischer Nutzen hätte erwachsen können. Zwar hat der Beschwerdeführer Verfahrensfehler erlitten, doch sind diese mit dem Eingriff in eines der grundlegendsten Rechte, nämlich dem auf Achtung des Familienlebens, eng verknüpft. Nach Meinung des Gerichtshofes kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer bei stärkerer Beteiligung am Entscheidungsfindungsprozess eine gewisse Befriedigung erfahren hätte, was seine künftigen Beziehungen mit seinem Kind hätte verändern können. Daher mag er tatsächlich einen Verlust von Möglichkeiten erlitten haben, die eine Entschädigung rechtfertigen. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer sicherlich infolge von Ängsten und Sorgen einen immateriellen Schaden erlitten.
72. Der Gerichtshof gelangt somit zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer einen gewissen immateriellen Schaden erlitten hat, der durch die Feststellung einer Verletzung der Konvention nicht hinreichend wiedergutgemacht werde. Keiner der oben angeführten Faktoren eigne sich zu einer exakten Berechnung. Der Gerichtshof nimmt auf der Grundlage der Bestimmungen des Artikels 41 eine Bewertung vor und billigt dem Beschwerdeführer 35.000,-- DM zu.
B. Kosten und Auslagen
73. Der Beschwerdeführer verlangt ferner 12.584,26 DM für Kosten und Auslagen vor den deutschen Gerichten und den Konventionsorganen (davon 10.049,45 DM für das letztere Verfahren).
73. Stellt der Gerichtshof eine Verletzung der Konvention fest, kann er dem Beschwerdeführer nicht nur die Kosten und Auslagen vor den Organen der Konvention zubilligen, sondern auch diejenigen, die vor den nationalen Gerichten entstanden sind, um diese Verletzung zu verhindern oder ihr abzuhelfen (s. insbesondere Urteil vom 25. August 1998 in der Sache Hertel ./. Schweiz, Sammlung 1998-VI, S. 2334, Nr. 63). Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung des Gegenstandes und der Bedeutung des Verfahrens vor den deutschen Gerichten berechtigt, zusätzlich zu den Kosten und Auslagen der Verfahren vor der Kommission und dem Gerichtshof die Erstattung der für dieses Verfahren angefallenen Kosten und Auslagen zu verlangen. Der Gerichtshof erachtet es für erwiesen, dass die Kosten und Auslagen tatsächlich und notwendigerweise entstanden sind und ihre Höhe angemessen ist (s. u.a. Urteil vom 28. Juli 1999 in der Sache Immobiliare Saffi ./. Italien, Nr. 79, demnächst in der amtlichen Sammlung des Gerichtshofes veröffentlicht).
Unter diesen Umständen hält es der Gerichtshof für angemessen, dem Beschwerdeführer die geforderten 12.584,26 DM zuzubilligen.
C. Verzugszinsen
Nach den Informationen des Gerichtshofs beträgt der in Deutschland zum Zeitpunkt dieses Urteils geltende gesetzliche Zinssatz 4 % jährlich.
AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF
1. mit dreizehn zu vier Stimmen, dass Artikel 8 der Konvention verletzt ist;
2. einstimmig, dass Artikel 14 in Verbindung mit Artikel 8 der Konvention nicht verletzt ist;
3. mit dreizehn zu vier Stimmen, dass Artikel 6 Abs. 1 der Konvention verletzt ist;
4. einstimmig
a) dass der beklagte Staat dem Beschwerdeführer innerhalb von drei Monaten zuzüglich etwaig anfallender Mehrwertsteuer folgende Beträge zu zahlen hat:
i) 35.000,00 (fünfundreißigtausend) DM wegen immateriellen Schadens;
ii) 12.584,26 DM (zwölftausendfünfhundertvierundachtzig Mark und sechsundzwanzig Pfennige) für Kosten und Auslagen;
b) dass diese Beträge nach Ablauf der genannten Frist und bis zur Zahlung um nicht kapitalisierbare Zinsen von 4 % jährlich zu erhöhen sind;
5. einstimmig, dass der Antrag auf gerechte Entschädigung im übrigen zurückgewiesen wird.
Ausgefertigt in französischer und englischer Sprache und am 13. Juli 2000 gemäß Artikel 77 Absätze 2 und 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes schriftlich übermittelt.
Luzius WILDHABER
Präsident
Maud DE BOER-BUQUICCHIO
Vizekanzlerin
Gemäß Artikel 45 Abs. 2 der Konvention und Artikel 74 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes ist dem Urteil die teilweise abweichende Meinung von Herrn A.B. Baka, der sich Frau E. Palm sowie die Herren J. Hedigan und E. Levits angeschlossen haben, beigefügt.