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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen

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Gast
New PostErstellt: 24.11.07, 21:06  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Tod von Lea-Sophie
Von der Leyen gibt Behörden Mitschuld

Trauer um ein Kind, das niemand sah, als es noch lebte

23. November 2007 Die Schweriner Stadtverwaltung hat nach dem Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie nicht ausgeschlossen, dass sich so ein Fall wiederholen kann. „Das kann überall wieder passieren“, sagte Sozialdezernent Hermann Junghans (CDU) am Freitag. „Es hätte in jeder anderen Stadt passieren können, und der, dem es passiert ist, hat in diesem Fall Pech gehabt“, sagte Oberbürgermeister Norbert Claussen (CDU). Das habe nichts mit fehlenden Finanzmitteln oder mangelhaften Verfahren zu tun - das Jugendamt könne nicht jede Familie kontrollieren.

Die fünfjährige Lea-Sophie war am Mittwoch gestorben, weil ihre Eltern sie laut Staatsanwaltschaft über Monate hinweg hatten verhungern lassen. Die 23-jährige Mutter und der 26-jährige Vater sitzen wegen gemeinschaftlichen Totschlags in Untersuchungshaft.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen gibt den Behörden eine Mitschuld am Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie in Schwerin. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Jugendamt vorschriftsmäßig gehandelt hat“, sagte die CDU-Politikerin der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Die Eltern Lea-Sophies seien als auffällig bekannt gewesen. „Da hätte man nachhaken müssen.“
Zum Thema

* Vernachlässigte Lea-Sophie: Am Ende nur noch 7,4 Kilogramm
* Kommentar: Wenn niemand hinschaut
* Aus Finanznot wollte die Stadt Halle Heimkinder nach Hause schicken

Nachbar hatte sich um Baby gesorgt

Mitarbeiter des Jugendamtes hatten der Familie im November 2006 und im Juni 2007 nahe gelegt, Lea-Sophie in eine Vorschulgruppe im Kindergarten zu geben. Das Angebot wurde von den Eltern nicht angenommen. In Schwerin gehen rund 95 Prozent der Fünfjährigen in den Kindergarten.

Acht Tage vor dem Tod Lea-Sophies ging ein anonymer Hinweis beim Jugendamt ein, in dem sich mutmaßlich ein Nachbar um das Wohl des acht Wochen alten Bruders von Lea-Sophie sorgte. Jugendamtsmitarbeiter trafen die Familie bei einem unangemeldeten Besuch nicht an, luden sie aber für den kommenden Tag ins Amt ein.

Mitarbeiter des Amtes werden beschimpft

Laut Stadtverwaltung erschienen die Eltern daraufhin mit ihrem augenscheinlich gut versorgten Kleinkind und führten ein längeres Beratungsgespräch, bei dem der erfahrene Mitarbeiter keinerlei Hinweise zum Zustand Lea-Sophies erhalten habe. Das Mädchen war demnach bei dem Gespräch nicht anwesend. Als der Jugendamtsmitarbeiter sich nach ihrem Verbleib erkundigte, habe er zur Antwort bekommen, sie sei bei Bekannten.

Unterdessen sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft am Freitag weitere Anzeigen gegen das Jugendamt eingegangen. Nach Angaben des Amtes werden dessen Mitarbeiter seit Tagen beschimpft. Der verantwortliche Sozialarbeiter mache sich schwere Vorwürfe, sagte Junghans. „Ich mache mir große Sorgen um den Mitarbeiter.“

Vorsorgeuntersuchungen zur Pflicht machen

Nach dem Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie haben Familienpolitiker erneut gefordert, die Vorsorgeuntersuchungen für Kinder zur Pflicht zu machen. Notwendig sei eine bundesweit einheitliche gesetzliche Regelung, sagte die Vorsitzende des Familienausschusses im Bundestag, Kerstin Griese (SPD) der „Berliner Zeitung“ vom Freitag.

Diese Forderung greift nach Ansicht des Präsidenten des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Wolfram Hartmann, aber zu kurz. Vorsorgeuntersuchungen seien natürlich wichtig, die Vernachlässigung von Kindern sei damit aber nicht wirksam zu bekämpfen, sagte Hartmann der Nachrichtenagentur AFP im nordrhein-westfälischen Kreuztal. So gebe es zwischen den Vorsorgeuntersuchungen viel zu große Lücken. Auch der Kinderschutzbund zeigte sich zurückhaltend.

Verschärfter Jugendschutz greift noch nicht

Die Jugendämter in Deutschland nutzen nach Ansicht der Deutschen Kinderhilfe Direkt ihre Rechte zum Schutz der Kinder nicht ausreichend. „Die Gesetze sind im Jahr 2005 massiv verschärft worden“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe. Die Jugendämter machten jedoch von ihren gesetzlichen Möglichkeiten nicht ausreichend Gebrauch. „Die schärferen Gesetze bringen gar nichts. Wir haben ein reines Vollzugsdefizit“, betonte Georg Ehrmann. Ein Mentalitätswechsel sei wichtiger als das Finanzielle, auch wenn kein Bereich in Deutschland so zusammengestrichen worden sei wie die Kinder- und Jugendhilfe.

Mit den verschärften Gesetzen haben Jugendämter Ehrmann zufolge das Recht, ohne richterlichen Beschluss und ohne Polizei Wohnungen zu durchsuchen, Türen gewaltsam zu öffnen und Kinder aus der Wohnung herauszuholen, wenn das Kindeswohl gefährdet sei, sagte Ehrmann weiter.



Text: FAZ.NET
Bildmaterial: dpa

http://www.faz.net/s/Rub77CAECAE94D7431F9EACD163751D4CFD/Doc~E5D89DFDFF1E3490BBD5FB23D03B3F709~ATpl~Ecommon~Scontent.html
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Gast
New PostErstellt: 25.11.07, 12:12  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

22. November 2007
Jugendamt im Fall Lea-Sophie unter Druck

Ihre Haustiere trugen sie die vielen Stufen zur Wohnung hinauf, die fünfjährige Tochter musste laufen - so schildern Nachbarn den Umgang der Eltern mit Lea Sophie. Nun ist das unterernährte Kind tot und das Jugendamt gerät unter Druck. Nach Ansicht der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutzzentren hätte das Jugendamt bei einer Kontrolle auf den Zustand des unterernährten Mädchens aufmerksam werden müssen. "Das Jugendamt hat das Kind vor zwei Wochen besucht. Ich kann mir schwer vorstellen, dass da nichts bemerkt wurde", sagte der Vorstandsvorsitzende Georg Kohaupt am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin.

Der NDR berichtete von Hinweisen, dass das Jugendamt über eine mögliche Vernachlässigung in der Familie informiert war. Das Jugendamt habe sich an den Vermieter gewandt, um einem entsprechenden anonymen Hinweis aus dem Haus nachzugehen. Der Schweriner Sozialdezernent Hermann Junghans (CDU) sagte, das Jugendamt habe wie in solchen Verfahren vorgegeben gehandelt. "Eine Kontaktaufnahme findet in der Regel durch einen unangekündigten Hausbesuch statt", sagte der Pressesprecher der Stadt. Ob der oder die Mitarbeiter des Amtes das Mädchen dabei gesehen haben, blieb unklar.
Kurz vor dem Tod hat das in Schwerin an Unterernährung gestorbene fünfjährige Mädchen nur noch sieben Kilogramm gewogen, wie die "Schweriner Volkszeitung" unter Berufung auf Mediziner des Klinikums berichtete, in das das Kind eingeliefert worden war. Eine Ärztin schilderte demnach Hungerödeme und offene Wunden am Körper des Mädchens, die Haare seien büschelweise ausgefallen gewesen. Das Mädchen müsse zudem tagelang in seinen Fäkalien gelegen haben.
Mit Hunden und Katzen im Plattenbau

Das Normalgewicht liegt bei fünfjährigen Mädchen zwischen 15 und 20 Kilogramm. Die Obduktion der Leiche soll die genaue Todesursache klären. Die 23-jährige Mutter und der 26 Jahre alte Vater sollten am Donnerstag dem Haftrichter vorgeführt werden. Die Polizei hatte beide am Mittwoch wegen des dringenden Tatverdachts der Tötung durch Unterlassung vorläufig festgenommen.
Das Paar hat nach Angaben der Staatsanwaltschaft auch einen zwei Monate alten Sohn. Nach Information des NDR lebten beide außerdem mit zwei Hunden und mehreren Katzen in der Plattenbausiedlung Lankow.
Der Fall erinnert an den Tod von Jessica aus Hamburg: Das Mädchen war am 1. März 2005 tot aufgefunden worden. Völlig abgemagert und entkräftet war es an Erbrochenem erstickt. Die Eltern wurden zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt.
Der Tod des Schweriner Mädchens sei "ein weiterer tragischer Beweis, dass unser in den vergangenen Jahren systematisch heruntergekürztes Kinder- und Jugendhilfesystem auf die Herausforderungen der wachsenden Kinderarmut und Überforderung von Eltern nicht mehr reagieren kann", sagte der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe Georg Ehrmann. (nz/dpa/AP)

http://www.n24.de/politik/article.php?articleId=169454&teaserId=174861
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Gast
New PostErstellt: 26.11.07, 07:50  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Mecklenburg-Vorpommern
Andacht für verhungerte Lea-Sophie in Schwerin
Andacht in der Schweriner Versöhnungskirche für die verhungerte Lea-Sophie © dpa-Bildfunk Fotograf: Jens Büttner
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Etwa 200 Menschen haben am Sonnabend während einer Andacht in der Schweriner Versöhnungskirche der verhungerten fünfjährigen Lea-Sophia gedacht. Unter den Trauergästen waren auch Mecklenburg-Vorpommerns Sozialminister Erwin Sellering (SPD) und Schwerins Oberbürgermeister Norbert Claussen (CDU). Das evangelische Gotteshaus im Stadtteil Lankow, wo das Mädchen mit ihrer Familie wohnte, hatte seine Tore für alle Betroffenen zum stillen Gedenken an das tote Kind geöffnet. Pastor Ralf Schlenker sagte in seiner Predigt, es sei wichtig, genau hinzuschauen, wie es den eigenen und den fremden Kindern gehe. Er habe in den letzten Tagen viel Betroffenheit in diesem Stadtteil erlebt. Mit der Andacht sollte den Menschen die Möglichkeit gegeben werden, ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Schlenker sprach von der Trauer, der Sprachlosigkeit und der Wut, die es zu überwinden gelte. Eine Antwort auf die Frage nach dem Warum konnte auch er nicht geben. Nach dem Gottesdienst entzündeten die Besucher vor dem Altar Kerzen für die tote Lea-Sophie.

Oberbürgermeister Norbert Claussen (CDU) zeigte sich nach der Andacht betroffen. "Es sind viele Menschen wütend, und ich habe viele Tränen gesehen", sagte er. Es sei aber wichtig, nicht einen Schuldigen zu suchen, sondern zu erreichen, dass alle Menschen wieder aufeinander achteten. Er rief dazu auf, nicht leichtfertig in dem Fall Lea-Sophie zu urteilen. "Wenn da nichts vorzuwerfen ist, dann kann ich auch nichts vorwerfen", betonte er.
Wachsende Kritik an den Behörden
Kerzen und Plüschtiere vor dem Haus in Schwerin-Lankow, in dem Lea-Sophie lebte. © AP Fotograf: Frank Hormann
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Unterdessen mehrte sich die Kritik an den Schweriner Behörden. Die Großeltern von Lea-Sophie sagten der "Bild am Sonntag", sie hätten sich bereits vor einem Jahr an das Schweriner Jugendamt gewandt, als sie bemerkt hätten, dass ihre Tochter mit der Erziehung überfordert gewesen sei. Den Schilderungen zufolge bemühten sich die Eltern von Lea-Sophies Mutter um eine Familienhilfe und einen Kita-Platz für das Mädchen. In diesem Sommer hätten sie ein zweites Mal die Behörde kontaktiert. Er sei dort gefragt worden, ob das Wohl des Mädchens gefährdet sei, erklärte der Großvater den Angaben zufolge. In diesem Fall würde die Polizei eingeschaltet, habe ihm der Sachbearbeiter gesagt. Er habe aber keine Gewalt gewollt, sondern nur deutlich machen wollen, dass Lea-Sophies Eltern Hilfe bei der Erziehung bräuchten. Die Großeltern sahen Lea-Sophie der Zeitung zufolge zuletzt im Juni, damals habe sie 13 Kilogramm gewogen. Bei einem Besuch der Tochter wenige Tage vor Lea-Sophies Tod sei das kleine Mädchen nicht dabeigewesen. Die Eltern hätten erklärt, sie wollten sie anschließend vom Kindergarten abholen - einen Kindergarten hatte die Fünfjährige allerdings nie besucht.
Sellering fordert Untersuchungsbericht

Sozialminister Sellering forderte am Sonnabend von Claussen einen vernünftigen Untersuchungsbericht, der Grundlage weiterer Aufklärung sein müsse. "Wenn das Jugendamt zweimal Kontakt mit einer Familie hatte und anschließend ist ein Kind tot - da kann man nicht sagen, man habe alles richtig gemacht", sagte Sellering. So ein Fall müsse auch Konsequenzen nach sich ziehen.
Von der Leyen: "Da hätte man nachhaken müssen"
Ursula von der Leyen (CDU) Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend © picture-alliance
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Auch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) kritisierte das Verhalten der Schweriner Behörden. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Jugendamt vorschriftsmäßig gehandelt hat", sagte die Ministerin der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" vom Sonnabend. Die Eltern des kleinen Mädchens, das laut Obduktionsbericht verhungert und verdurstet war, seien als auffällig bekannt gewesen. "Da hätte man nachhaken müssen", so die Ministerin. Darüber hinaus beklagte von der Leyen eine mangelnde Verzahnung von Gesundheitsvorsorge und Jugendhilfe und plädierte für verbindliche Vorsorgeuntersuchungen. Komme eine Familie der Einladung zu einem Untersuchungstermin nicht nach, müsse sich das Jugendamt einschalten. "Wir müssen alles tun, Familien in kritischen Situationen ausfindig zu machen, und wir dürfen sie nicht aus den Augen verlieren", sagte die Ministerin.
Stadt weist Kritik zurück

Die Stadt Schwerin hatte bereits am Freitag Kritik am Vorgehen der zuständigen Behörden zurückgewiesen. Den Mitarbeitern im Jugendamt könne nach derzeitigem Stand kein Vorwurf gemacht werden, betonte Oberbürgermeister Claussen nach Angaben von NDR 1 Radio MV. Die Behörde hatte seit 2006 mehrfach Hinweise auf Schwierigkeiten in der Familie des Mädchens bekommen und Kontakt zu den Eltern gehabt, Lea-Sophie aber dabei nicht zu Gesicht bekommen. Am Freitag hatte die Stadt eine Chronologie zum Fall Lea-Sophie veröffentlicht. Am Tag zuvor hatte das Amtsgericht Schwerin auf Antrag der Staatsanwaltschaft Haftbefehle wegen gemeinschaftlichen Totschlags gegen die Eltern erlassen.
Stand: 25.11.2007 14:36
http://www1.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/schwerin70.html
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Gast
New PostErstellt: 26.11.07, 09:51  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Der Fall Lea-Sophie +++ Der Fall Lea-Sophie +++ Der Fall Lea-Sophie
So täuschten Leas Eltern
das Jugendamt und die Familie
Die Großeltern der kleinen Lea sprechen zum ersten Mal ausführlich über die Familientragödie
Von A. WINDMANN, u. WOJTUSCHAK und C. ZAHARZEWSKI

Schwerin – Die zierliche Frau versinkt in dem Sessel. Ihre kurzen dunklen Haare sind zerzaust, die Augen verweint. Gertrud G. nimmt Beruhigungsmittel, wirkt benommen.

Auf dem Tisch steht eine Tasse mit einem aufgedruckten Foto. Es zeigt ihre Tochter Nicole (23) mit ihrem Lebensgefährten Stefan T. (26): Das Paar steht vor einem Kinderwagen, in dem ein Baby liegt. Es ist Lea-Sophie.

Die Stille erdrückt den Raum. Norbert G., Nicoles Vater, bricht sie zuerst. Er lehnt im Türrahmen des Wohnzimmers. Er wirkt gefasst, doch sein unrasiertes Gesicht ist fahl. „Warum haben sie nicht nach ihr gesehen?“, fragt er. Wieder herrscht Schweigen.

Seit fünf Tagen ist Lea-Sophie tot, verhungert und verdurstet. Täter waren die Untätigen: Ihre Eltern Nicole G. und Stefan T. 7,4 Kilo wog die Fünfjährige, normal sind in diesem Alter 20 Kilo.

„Dabei hat gerade Lea-Sophie so sehr für ihr Leben gekämpft. Sie kam im siebten Monat zur Welt“, erzählt Gertrud G. Wie viele Frühchen sei sie immer klein und zierlich gewesen. Dann fügt die Altenpflegerin fast tonlos hinzu: „Manchmal, wenn sie uns zu zart erschien, haben wir sie heimlich auf die Waage gestellt. Zuletzt im Sommer. Damals wog sie 13 Kilo.“ Für ein ehemaliges Frühchen erschien ihr das normal.

Nicole G. (damals 18) und Stefan T. (damals 21) kurz nach Lea Sophies Geburt mit ihrem Kinderwagen. Das Foto wurde BILD am SONNTAG von Nicoles Eltern zur Verfügung gestellt. Auf ihren Wunsch hin hat BamS die Gesichter unkenntlich gemacht
Info
Kinder in Gefahr
Behörden greifen
26 000 mal
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Familie. Für Gertrud und Norbert G. ist das ein Begriff mit Bedeutung. Die ersten zwei Jahre nach Lea-Sophies Geburt wohnten Nicole und Stefan bei ihnen. Für sie hatte das Ehepaar das Schlafzimmer geräumt. Stefan leistete zu der Zeit Wehrdienst, Nicole machte eine Lehre zur Bürokauffrau, die sie später abbrach.

Obwohl das Geld knapp war, zog das junge Paar aus. Gertrud G. brachte ihnen oft Essen. Klöpse mit Mischgemüse. „Manchmal hat sich Lea-Sophie rosa Torte gewünscht“, sagt sie.

Als Gertrud und Norbert G. merkten, dass Nicole mit der Erziehung der Kleinen überfordert war, handelten sie. „Anfang November vergangenen Jahres bin ich deshalb zum Jugendamt gegangen und habe mich um eine Familienhilfe und einen Kita-Platz für Lea-Sophie bemüht“, sagt Norbert G. Er ist ein Typ, der zupackt, nicht nur redet.

Das Jugendamt bot Nicole G. und Stefan T. Beratung an. Sie lehnten ab. „Uns erzählten sie aber, dass Lea nun in den Kindergarten gehen würde“, sagt Norbert G. Misstrauisch wurden die Großeltern erst wieder, weil ihre Tochter nie rausrücken wollte, in welche Kita Lea-Sophie gehen würde.
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„Im Sommer habe ich deshalb das Jugendamt noch mal um Auskunft gebeten“, sagt Norbert G. Statt einer Antwort bekam er die Gegenfrage: Ob das Wohl der Kleinen gefährdet sei, fragte ihn ein Sachbearbeiter. Dann würden sie die Polizei holen. „Ich wollte aber keine Gewalt, sondern nur deutlich machen, dass Nicole und Stefan Hilfe bei der Erziehung bräuchten.“ Ohne Auskunft sei er entlassen worden.

Norbert G. wandte sich daraufhin an Stefans Mutter. Elke T. arbeitet beim Schweriner Umweltdezernat, eine Etage unter dem Jugendamt. „Auch sie konnte auf dem kurzen Dienstweg nichts in Erfahrung bringen.“ Mit seiner Frau fuhr er dann Kindergärten ab. Sie schauten, ob Lea-Sophie irgendwo mit anderen Kindern draußen spielte. Vergeblich. Dennoch glaubten sie irgendwann den Aussagen ihrer Tochter, forschten nicht weiter.

Fühlen sie sich deshalb schuldig? Schweigen. Gertrud G. beginnt zu weinen.

Kurz darauf verlieren die Eltern den regelmäßigen Kontakt zu Nicole, die wieder schwanger ist. Im Juni sahen die Großeltern Lea-Sophie zum letzten Mal. Fünf Monate vor ihrem Tod – eine lange Zeit. Norbert G.: „Es gab viel Streit. Unsere Tochter stand unter Stefans Einfluss. Er bestimmte, was getan wurde. Er wollte nicht, dass Lea-Sophie zu uns kommt.“

Wenige Tage vor dem Tod des Mädchens war die junge Familie noch mal bei ihnen – ohne Lea-Sophie. „Sie wollten sie anschließend aus dem Kindergarten abholen, sagten sie uns.“ Wieder eine Lüge. Die Großeltern hakten nicht nach. Fürchteten sie, dass ein neuer Streit das geplante gemeinsame Weihnachtfest gefährden könnte? „Wir haben doch schon alle Geschenke gekauft“, sagt Gertrud G.

Welche Tragödie sich in der Familie ihrer Tochter abspielte, erfuhren die Eltern wie das ganze Land aus der Zeitung.

Weil er sich um das Wohl von Lea-Sophies mittlerweile geborenen Bruder Justin (zwei Monate) sorgte, verständigte ein Nachbar am 12. November das Jugendamt. Zwei Mitarbeiter fuhren zur Wohnung der Eltern. Weil sie niemanden antrafen, hinterließen sie eine Einladung aufs Amt für den Folgetag.

Pünktlich um neun Uhr erschienen Nicole G. und Stefan T. mit Baby Justin in der Wiege. Ein jüngerer und ein erfahrener Sachbearbeiter führten das Gespräch, vergewisserten sich, dass das Kind wohlauf, gut versorgt war.

Weil in den Akten auch die Ersuche des Großvaters verzeichnet waren, fragten sie abschließend auch nach Lea-Sophie. „Ihnen wurde glaubhaft versichert, dass das Mädchen bei Bekannten sei“, erklärte Schwerins Oberbürgermeister Norbert Claussen (49, CDU).

Warum sie die Aussage nicht überprüften? Claussen: „Das war eine subjektive Entscheidung, die aus heutiger Sicht objektiv falsch war.“ Spekulationen, dass die Mitarbeiter überarbeitet waren, wies Jugendamtschefin Heike Seifert zurück: „Sie hatten genügend Zeit, den Fall zu bearbeiten.“ Acht Tage später erfahren die Sozialarbeiter durch einen Anruf der Kripo vom Tod Lea-Sophies. Beide werden psychologisch betreut.

„Nein, das wollen wir nicht!“ Die Frage, ob sie bereit wären, sich fotografieren zu lassen, wehren Gertrud und Norbert G. ab. Die Entscheidung, sich überhaupt zu äußern, fiel ihnen schwer genug. Ihre Motivation liegt darin, etwas Schuld von ihrer Tochter zu nehmen. „Sie ist jetzt die Horror-Mutter. Dabei ist sie nicht allein verantwortlich für das, was passiert ist. Es gab auch einen Vater.“

Am Donnerstag hat das Ehepaar ihre Tochter das letzte Mal gesehen. Sie haben sie in der Untersuchungshaft besucht. Gegen Nicole G. und Stefan T. erging mittlerweile Haftbefehl wegen gemeinschaftlichen Totschlags. Haben sie sie nach dem Warum gefragt? Mutter Gertrud schüttelt den Kopf. .„Wir haben mehr geweint als geredet. Eine Erklärung für das alles, die wird es eh nie geben.“

Sie steht aus ihrem Sessel auf. Mit einem grünen Kasten in der Hand kommt sie zurück. Sachte nimmt sie den Deckel ab. Seidenpapier knistert. Ein Strampelanzug, ein Mützchen und ein Namensarmband für Neugeborene kommen zum Vorschein.

„Das sind Lea-Sophies Sachen“, sagt Gertrud G. leise. „Ich wollte sie ihr zum 18. Geburtstag schenken.“
http://www.bild.t-online.de/BTO/news/2007/11/25/lea-sophie/lea-sophie-tod.html
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Gast
New PostErstellt: 26.11.07, 09:56  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

25. November 2007
Lea-Sophies Großeltern haben Jugendamt frühzeitig informiert


Hamburg - Die Großeltern der verhungerten Lea-Sophie aus Schwerin haben sich bereits vor einem Jahr an das Jugendamt gewandt. Sie hätten bemerkt, dass ihre Tochter mit der Erziehung überfordert gewesen sei, erzählten Gertrud und Norbert G. der «Bild am Sonntag» zufolge. «Anfang November vergangenen Jahres bin ich deshalb zum Jugendamt gegangen und habe mich um eine Familienhilfe und einen Kita-Platz für Lea-Sophie bemüht», sagte demnach der Großvater. Im Sommer - der Kontakt zur Familie der Tochter war inzwischen abgebrochen - habe er ein zweites Mal die Behörde kontaktiert.

Er sei dort gefragt worden, ob das Wohl des Mädchens gefährdet sei. In diesem Fall würde die Polizei eingeschaltet, habe ihm der Sachbearbeiter gesagt. «Ich wollte aber keine Gewalt, sondern nur deutlich machen, dass Nicole und Stefan Hilfe bei der Erziehung bräuchten», sagte Norbert G. den Angaben zufolge.

Die Großeltern sahen Lea-Sophie zuletzt im Juni. Damals habe sie 13 Kilo gewogen. Für ein ehemaliges Frühchen - das Kind war im siebten Monat zur Welt gekommen - sei ihr das normal erschienen, erklärte die Großmutter.

Die junge Familie habe in der ersten Zeit nach Lea-Sophies Geburt bei ihnen gewohnt, sei später aber, obwohl das Geld knapp gewesen sei, ausgezogen, berichteten die Großeltern. Sie hätten öfters Essen vorbeigebracht, Klöpse mit Mischgemüse. «Manchmal hat sich Lea-Sophie rosa Torte gewünscht», sagte die Großmutter.

Nach Norbert G.s Intervention beim Jugendamt im vergangenen November - das Beratungsangebot des Jugendamtes hatten die jungen Eltern abgelehnt - hätten Nicole und Stefan ihnen gesagt, Lea-Sophie gehe jetzt in den Kindergarten. Doch seien sie misstrauisch geworden, weil sie nie erfahren hätten, um welche Tagesstätte es sich handele, erklärte Norbert G. Nach dem erfolglosen zweiten Besuch in diesem Sommer sei er deshalb die Kindergärten abgefahren in der Hoffnung, Lea-Sophie zu sehen.

Von Juni bis November hätten sie ihre Tochter nur unregelmäßig gesehen, Lea-Sophie gar nicht. «Es gab viel Streit. Unsere Tochter stand unter Stefans Einfluss. Er bestimmte, was getan wurde. Er wollte nicht, dass Lea-Sophie zu uns kommt», wird der Großvater in der «Bild am Sonntag» zitiert. Wenige Tage vor dem Tod des Mädchens sei die junge Familie noch mal bei ihnen gewesen - ohne Lea-Sophie. «Sie wollten sie anschließend aus dem Kindergarten abholen, sagten sie uns.»

Mit dem Interview wollten sie etwas Schuld von ihrer Tochter nehmen. «Sie ist jetzt die Horror-Mutter. Dabei ist sie nicht allein verantwortlich für das, was passiert ist. Es gab auch einen Vater», erklärten Lea-Sophies Großeltern. Sie hatten ihre Tochter am Donnerstag in der Untersuchungshaft besucht. Wir haben mehr geweint als geredet. Eine Erklärung für das alles, die wird es eh nie geben», sagte Gertrud G.


http://www.net-tribune.de/article/251107-160.php
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Gast
New PostErstellt: 26.11.07, 09:57  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

25. November 2007
Druck auf Schweriner Jugendamt wächst


Schwerin - Nach dem Tod der fünfjährigen Lea-Sophie gerät das Schweriner Jugendamt immer stärker unter Druck. Die Großeltern des verhungerten Mädchen erhoben schwere Vorwürfe: Sie hätten sich bereits vor einem Jahr an die Behörde gewandt, als sie gemerkt hätten, dass ihre Tochter mit der Erziehung überfordert gewesen sei, sagten sie der «Bild am Sonntag».

Kritik kam auch von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und dem Schweriner Sozialminister Erwin Sellering, der einen «vernünftigen Untersuchungsbericht» vom Jugendamt forderte. Am Samstag gedachten bei einem Gottesdienst im Stadtteil Lankow fast 200 Menschen des Mädchens, das bei seinem Tod nur noch knapp 7,5 Kilogramm gewogen hatte.

Die Eltern von Lea-Sophies Mutter, Gertrud und Norbert G., erzählten, sie hätten sich im November 2006 beim Jugendamt um eine Familienhilfe und einen Kita-Platz für Lea-Sophie bemüht. In diesem Sommer - der Kontakt zur Familie der Tochter war abgebrochen - hätten sie ein zweites Mal die Behörde kontaktiert. Er sei dort gefragt worden, ob das Wohl des Mädchens gefährdet sei, erklärte Norbert G. den Angaben zufolge. In diesem Fall würde die Polizei eingeschaltet, habe ihm der Sachbearbeiter gesagt. «Ich wollte aber keine Gewalt, sondern nur deutlich machen, dass Nicole und Stefan Hilfe bei der Erziehung bräuchten», sagte der Großvater.

Die Großeltern sahen Lea-Sophie zuletzt im Juni, damals habe sie 13 Kilogramm gewogen. Bei einem Besuch der Tochter wenige Tage vor Lea-Sophies Tod sei das kleine Mädchen nicht dabeigewesen, die Eltern hätten erklärt, sie wollten sie anschließend vom Kindergarten abholen, berichteten Gertrud und Norbert G. - einen Kindergarten hat Lea-Sophie allerdings nie besucht.

Kritik am Jugendamt übte auch von der Leyen. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Jugendamt vorschriftsmäßig gehandelt hat», sagte von der Leyen nach Angaben der Hannoverschen «Allgemeinen Zeitung». Die Eltern Lea-Sophies seien als auffällig bekannt gewesen. «Da hätte man nachhaken müssen.» Sellering erklärte am Samstag am Rande einer SPD-Konferenz in Waren, wenn das Jugendamt zweimal Kontakt mit der Familie gehabt habe und anschließend das Kind tot sei, dann könne man nicht sagen, alles richtig gemacht zu haben. So ein Fall müsse auch Konsequenzen nach sich ziehen. Sellering nahm ebenso wie der Schweriner Oberbürgermeister Norbert Claussen am Samstagabend in der Kirche der Versöhnungsgemeinde in Schwerin-Lankow an einer Andacht für Lea-Sophie teil.

SPD will Kinderarmut 2009 zum Wahlkampfthema machen

Von der Leyen forderte verbindliche Vorsorgeuntersuchungen für Kinder. Komme eine Familie der Einladung zu einem Untersuchungstermin nicht nach, müsse sich das Jugendamt einschalten, erklärte sie. Der Zeitschrift «Super Illu» sagte die CDU-Politikerin, in Berlin, Bremen und dem Saarland sei eine solche Regelung bereits gesetzlich umgesetzt worden, «die meisten anderen Bundesländer arbeiten derzeit daran». Auch andere Politiker sprachen sich für verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen aus. «Allerdings sollte man nicht meinen, dass gesetzlicher Zwang allein das Problem lösen kann», sagte die frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin und heutige Vorsitzende von UNICEF Deutschland, Heide Simonis, der «Neuen Presse» aus Hannover.

Der Leiter der SPD-Kommission «Kinderarmut», Wolfgang Jüttner, kündigte an, dass seine Partei Kinderarmut zu einem zentralen Thema der Bundestagswahl 2009 machen werde. Die von ihm geleitete Kommission wolle bis Januar ein Sofortprogramm entwickeln, um innerhalb der vorhandenen Familienförderung finanzielle Mittel umzuschichten, sagte er der Tageszeitung «Die Welt».

http://www.net-tribune.de/article/251107-151.php
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New PostErstellt: 26.11.07, 14:03  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Montag, 26. November 2007, 13:33 Uhr
Ulla Schmidt weist Vorwürfe zurück

Nach dem Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie hat Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt den Vorwurf der Untätigkeit scharf zurückgewiesen. Damit habe die niedersächsische Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann „eine Grenze überschritten“, empörte sich Schmidts Sprecher Klaus Vater. Der schreckliche Tod des Kindes eigne sich „absolut nicht“ für parteipolitische Auseinandersetzungen. Die CDU-Politikerin Ross-Luttmann hatte den staatlichen Schutz für Kinder am Wochenende als unzureichend kritisiert und der SPD-Politikerin Schmidt vorgeworfen, aus Angst vor Fehlern nichts zu tun. Hintergrund ist eine Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten und Krankenkassen. Dieser hatte es im September abgelehnt, Kinder bei den regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen generell auch auf Anzeichen für Verwahrlosung und Misshandlung zu untersuchen.
http://www.bild.t-online.de/BTO/news/telegramm/Newsticker,rendertext=3069150.html?o=RSS
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Gast
New PostErstellt: 26.11.07, 20:56  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Fall Lea-Sophie

Streit um Untersuchungspflicht für Kinder

Familienminister von der Leyen gegen Untersuchungspflicht

Sollten Eltern verpflichtet werden, ihre Kinder regelmäßig vom Arzt untersuchen zu lassen? Familienministerin Ursula von der Leyen ist dagegen: Es dürften nicht 100 Prozent der Eltern dem schrecklichen Verdacht der Kindesmisshandlung ausgesetzt werden, sagt die Ministerin.

Der Hungertod der kleinen Lea-Sophie aus Schwerin hat die Debatte über verpflichtende ärztliche Vorsorgeuntersuchungen zum Schutz von vernachlässigten Kindern neu entfacht. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) wandten sich am Montag in Berlin dagegen. Die unionsgeführten Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen sprachen sich ebenso wie die Bundesärztekammer für eine solche Pflicht aus.
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Schmidt sagte, bei einer Untersuchungspflicht brauche man "ein dichtes Netz nicht nur der Einladung, sondern auch der Überprüfung, ob denn alle Kinder, die in einer Kommune leben, tatsächlich diese Untersuchungen wahrgenommen haben". Praktikabler sei es, die Zahlung bestimmter Leistungen daran zu knüpfen, dass die Eltern mit ihren Kindern auch zum Arzt gehen. Sie warnte davor, sich durch Verpflichtungen in "falscher Sicherheit" zu wiegen. Besser wären mehr Geld für Jugendhilfe, Gesundheitsdienste und Familienarbeit. "Hier sind Investitionen, die wir brauchen, damit jedes Kind die gleiche Chance hat, gut und gesund aufzuwachsen."

"Wer nicht kommt, erhält Besuch vom Jugendamt"
Von der Leyen sagte der "Leipziger Volkszeitung", man dürfe nicht 100 Prozent der Eltern dem schrecklichen Verdacht der Kindesmisshandlung aussetzen. Eltern, die ihre Kinder schlagen, würden zudem rechtzeitig vor einer Pflichtuntersuchung damit aufhören. Vorsorgeuntersuchung sollen aber grundsätzlich gestärkt werden. "Wer nicht kommt, erhält Besuch vom Jugendamt." Lea-Sophie hätte gerettet werden können, "wenn an entscheidender Stelle Menschen aufmerksam sich um das Wohl des Kindes gekümmert und vor allem das Kind auch angeschaut hätten".

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Nordrhein-Westfalens Familienminister Armin Laschet (CDU) sprach sich in der ARD für bundesweit verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen aus. Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) forderte eine Koppelung des Kindergelds an frühkindliche Untersuchungen. Das bayerische Kabinett wolle darüber am Dienstag beraten.

Schmidt Versagen vorgeworfen
Hessens Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) kündigte an, das Land werde 2008 verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen einführen, um Kinder vor Missbrauch und Verwahrlosung zu schützen. Eine bundesweite Regelung wäre aber besser. Sie warf der sozialdemokratischen Gesundheitsministerin "Versagen auf der ganzen Linie" vor. Schmidts Sprecher Klaus Vater warnte, das Thema eigne sich nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen.

Das zuständige Gremium der Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen hatte gegen eine flächendeckende Vorsorgeuntersuchung auf Vernachlässigung entschieden. Der Hauptgrund des zuständigen Ausschusses war, dass es gar keine wirksamen Methoden für Ärzte gebe, Vernachlässigung zu erkennen.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa: "Um möglichst alle Kinder untersuchen und ihren Gesundheits- sowie Entwicklungsstand beurteilen zu können, brauchen wir ein System verbindlicher Früherkennungsuntersuchungen." Notwendig sei ein gesetzlich verankertes Meldewesen. Die Teilnahme werde dann im Konsens mit den Eltern bescheinigt. Jugendhilfe und Gesundheitsdienst könnten dann Eltern zur Teilnahme auffordern.

"So können schließlich auch diejenigen Kinder und Familien ausfindig gemacht werden, die sich einer Früherkennungsuntersuchung weiterhin entziehen." Zudem dürften die Hausbesuche der Behörden zur Hilfe betroffener Familien nicht weiter aus Sparsamkeitsgründen abgebaut werden, warnte Hoppe.


DPA



Artikel vom 26. November 2007
http://www.stern.de/politik/deutschland/:Fall-Lea-Sophie-Streit-Untersuchungspflicht-Kinder/603665.html?nv=rss
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MECKLENBURG-VORPOMMERN

Lea-Sophie: Untersuchungsausschuss gefordert

26. November 2007 | 12:31 Uhr | von dpa

Lea-Sophies Eltern wurden vergangene Woche dem Haftrichter vorgeführt. Foto: zvs

Schwerin - Nach dem Hungertod der fünfjährigen Lea-Sophie in Schwerin ist ein Untersuchungsausschuss zur Klärung möglicher Versäumnisse der Behörden gefordert worden. Der Jugendhilfeausschuss der Stadtvertretung werde am 5. Dezember über die Einsetzung eines solchen Ausschusses entscheiden, sagte die Vorsitzende Silke Gajek am Montag der dpa. Geprüft werden solle auch, wie andere Jugendämter nach Hinweisen auf Vernachlässigung vorgehen "und was man von ihnen lernen kann". Der zuständige Sozialarbeiter im Fall Lea-Sophie hatte bei einem Treffen mit den Eltern eine Woche vor dem Tod des Mädchens nicht darauf bestanden, das Kind zu sehen.

Mehrere Anzeigen gegen das Amt
Gegen das Jugendamt wurden mehrere Anzeigen wegen unterlassener Hilfeleistung erstattet. "Den Vorwürfen wird nachgegangen", sagte Oberstaatsanwalt Hans-Christian Pick. Die Stadtverwaltung kündigte einen eigenen Untersuchungsbericht zum Vorgehen des Jugendamts an. Einen Zeitpunkt für die Vorlage des Berichts konnte Stadtsprecher Christian Meyer am Montag noch nicht nennen. "Wir brauchen die nötige Zeit und Ruhe, um das belastbar aufzuarbeiten", sagte.
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Meyer.

Am Wochenende war das das städtische Jugendamt erneut kritisiert worden. "Wenn das Jugendamt zwei Mal Kontakt mit einer Familie hatte und anschließend ist ein Kind tot - da kann man nicht sagen, man habe alles richtig gemacht", hatte Sozialminister Erwin Sellering (SPD) gesagt. Ähnlich hatte sich zuvor auch Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) geäußert.
http://www.svz.de/mecklenburg-vorpommern/artikeldetail/article/393/lea-sophie-2.html?no_cache=1
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New PostErstellt: 26.11.07, 21:15  Betreff: Re: Jugendamt Schwerin: Fünfjähriges Mädchen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Leitartikel

Kinder schützen

In Schwerin ist ein fünfjähriges Kind verhungert. Die Eltern sahen ihm dabei zu. Um zwei Hunde, wohlgenährte Tiere, kümmerten sie sich vorbildlich. Die Stadt kündigt einen Untersuchungsbericht an. Sie will klären, ob und wie das Jugendamt versagte. Das ist das Mindeste. Aber es macht Lea-Sophie nicht wieder lebendig. Und es wird nicht verhindern, dass in Deutschland schutzlose Kinder weiter leiden und sterben müssen. Weil Eltern versagen. Weil Nachbarn wegschauen. Weil Behörden nicht durchgreifen.

Warum sieht niemand hin, wenn Mütter und Väter ihren Nachwuchs zu Tode vernachlässigen und misshandeln? Die Ursachen sind vielfältig, aber in der aktuellen Kinderschutzdebatte nicht immer richtig sortiert und gewichtet. Natürlich ist die Arbeitsbelastung in der Jugendhilfe groß. Doch selbst in Schwerin, wo jeder Mitarbeiter sich um 150 Problemfälle kümmern muss, erschien das Opfer gleich mehrfach auf dem Kontrollradar. Der entscheidende Fehler: Die Verantwortlichen beharrten nicht darauf, Lea-Sophie auch zu Gesicht zu bekommen. Sie glaubten den Eltern, dass es ihr gut gehe. Die Unschuldsvermutung ist in der Jugendhilfe weit verbreitet. Sie verhindert rechtzeitiges Eingreifen. Die Familie gilt als Ort, an dem ein Kind noch stets am besten aufgehoben ist. Als Schutzraum, den jedes unbefugte Eindringen zerstören könnte.

Die Frage ist nur: Wer ist hier eigentlich schutzbedürftig – die Eltern oder das Kind? Die Jugendämter müssen sich entscheiden. Sie müssen begreifen, dass ihre Problemklientel sich rasant verändert, dass viele Mütter und Väter seelisch verwahrlosen. Viele wissen nicht, wie man für Kinder sorgt. Wissen nicht, dass man eigene Bedürfnisse zurückstellen muss. Besonders im Zusammenspiel mit niedriger Bildung, Arbeitslosigkeit, sozialer Isolation sowie Suchtkrankheiten folgen daraus Überforderung und Frust, die die Familie zu einem gefährlichen Ort für Kinder werden lässt. In ihrem Interesse muss gelten: Besser einmal zuviel eingreifen als zuwenig. Die Zeit der Arglosigkeit ist vorbei.

Allerdings stehen nicht allein die Jugendämter in der Pflicht. Auch die Gesundheitsämter sind gefragt. Wo immer Hinweise auflaufen, dass Kinder bedroht sind, müssen Alarmglocken schrillen und Taten folgen. Häufig schieben Ämter die Verantwortung hin und her. „Die meisten Kinder kommen durch Systemversagen zu Tode“, urteilt Peter Lukasczyk, Abteilungsleiter im Jugendamt Düsseldorf. Man rede zu wenig miteinander und vertraue darauf, dass andere schon handeln werden. Lukasczyk ist Mitbegründer eines bundesweit vorbildlichen Frühwarnsystems. Diverse Ämter unterhalten eine ständige Fallkonferenz, bei der schon Geburtskliniken und Hebammen mitsprechen. Ziel ist, Problemfamilien zu erkennen, schon bevor ernste Probleme überhaupt auftauchen. Sind sie einmal identifiziert, koordiniert die Fallkonferenz entsprechende Hilfen und verordnet regelmäßige Hausbesuche. Notfalls so lange, bis eine Tageseinrichtung die Beobachtung der Kinder übernimmt.

Immerhin: Landauf, landab gibt es inzwischen eine Vielzahl ähnlicher Vorhaben. Fast alle befinden sich noch im Projektstadium. Wie im föderalen System der Bundesrepublik üblich, muss das Rad gleich mehrfach neu erfunden werden. Auch deshalb kann von einer flächendeckenden Versorgung wohl noch lange keine Rede sein. Aber selbst wenn es einmal so weit sein sollte – einen lückenlosen Kinderschutz kann es nicht geben. Viele kleine Schritte sind deshalb erforderlich. Dazu gehört die elterliche Pflicht, Kinder bei Vorsorgeuntersuchungen vorzustellen, auch wenn man sich davon nicht zu viel versprechen sollte. Je älter die Kinder werden, desto größer sind die Intervalle. Zudem dürften sich gerade Eltern, um deren Kinder man sich sorgen muss, einen Teufel um die Vorsorgepflicht scheren. Wie soll man ihnen beikommen? Indem man ihnen das Kindergeld streicht? Darunter würden zuerst wieder nur die Kinder leiden.


Willi Reiners, aus den StN vom 27. November 2007
http://www.stuttgarter-nachrichten.de/stn/page/detail.php/1575886
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