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Autor Beitrag
Jade
Tunnelexperte


Beiträge: 305


New PostErstellt: 12.08.05, 12:37     Betreff: Blutrosen

Blutrosen


Autor:
Jade Cooper
Fandom:
X-Men
FSK:
ab 16
Warnungen:
Ist etwas blutig. Für meinen Geschmack genau richtig... Für andere könnte es etwas makaber werden...
Zusammenfassung:
Lest selbst!
Notiz:
Derzeit kommen nur Originalcharaktere vor, die weder in den Filmen noch in den Comics auftreten.
Archive:
www.das-mondlicht.de, www.fanfiktion.de, www.fanfiction.net

 


Prolog

Kanada,
British Columbia,
irgendwo zwischen Alkali River und Williams Lake,
1985

Keuchend ging sie zu Boden.

Schnee peitschte ihr ins Gesicht als die nächste Wehe einsetzte.

Nicht jetzt...!, schoss es ihr durch den Kopf.

Das Kläffen hinter ihr wurde immer lauter und auch die Rufe der Männer aus dem Labor kamen stetig näher.

Sie musste weiter!

Zerrissen wehte das Leibchen um ihren entkräfteten Körper. Ihre Flucht war eigentlich sinnlos, aber wenn sie es nicht versucht hätte, so hätte sie es nie erfahren, ob es ihr gelingen würde. Nun war sie schonmal von dem Gelände runter... und das war gut.

Die Luft war eisig und trotzdem brannte sie in ihren Lungen.

Diese Wehe war besonders stark und ihre Niederkunft stand kurz bevor.

Sie schrie innerlich auf als ihr der Gedanke kam, was sie mit ihrem Kind machen könnten, wenn sie es ihr ersteinmal weggenommen hatten. Das durfte nicht passieren!

Ihr war es egal, was sie mit ihr machen würden. Es war unwichtig... Sie würde es zumindest überleben. Aber nicht ihr Baby!

Dogtags klapperten im Wind und verworren sich um ihren Hals und in ihren ungewaschenen Haaren. Sie machten es ihren Versuchskanninchen gerade so bequem, dass sie nach den Experimenten nicht starben. Einen anderen Luxus gab es nicht.

Fressen und gefressen werden... , dachte sie sich als sie sich und sie zog die Tags wieder unter ihr Leibchen auch wenn es nicht sonderlich viel nutzte.

Sie fror.

Die Winter in Kanada waren besonders erbarmungslos.

Die Nacht würde es zeigen, wer fressen und wer gefressen würde. Sie wusste, dass sie dringend Hilfe benötigte, denn ohne würde weder sie noch ihr Kind überleben.

Die Chancen hier in der Wildnis Hilfe zu finden waren gleich null und das machte ihr das Herz nicht leichter. Aber sie zog den freien Tod vor statt in einer Zelle dahin zu vegetieren und weitere Experimente über sich ergehen zu lassen.

Das Kläffen echote wieder von unten an sie heran und hallte an den Schneewänden wieder. Es brachte ihre Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. Mit einem neuen und wahrscheinlich auch letzten Energieschub sprang sie auf und lief weiter. Der Hang war steil und kostete sie viel Kraft, von der sie nicht mehr wusste, woher sie diese nahm. Ihr Herz raste unmöglich schnell. Sie dachte, es zerberste jeden Augenblick.

Panisch suchten ihre Augen nach einem Fluchtweg aus dieser weißen Hölle, aber alles was sie erblickte waren Schnee und kahle, große, bedrohliche Bäume. Der Sturm hatte den Himmel verdunkelt, doch die weiße Masse, welche sich wie eine weiche Decke auf alles niederlegte, war hell genug, um sie zu blenden. Sie kniff die Augen zu als der Sturm stärker wurde. Schützend hielt sie die rechte Hand vor ihr Gesicht. Der Sturm war stärker und schützen konnte sie sich nicht vor ihm. Die dicken Flocken erschwerten ihr die Sicht. Wenn sie noch eine Chance hatte so musste sie diese blind wahrnehmen.

Jeder weitere Schritt brachte sie der Freiheit näher... oder dem Verderben. Sie könnte ihren Verfolgern direkt in die Arme laufen, ohne es zu merken.

Es war ein Hoffnungsschimmer, wenn auch ein recht kleiner.

Sie lief weiter den Hang hinauf.

Kräftezehrend bereitete ihr jeder weitere Schritt mehr Schmerzen als jede bisherige Wehe. Ihre Knie würden jeden Moment nachgeben. Sie zitterte am ganzen Körper mehr vor Anstrengung statt vor Kälte. Allmählich war sie an dem Punkt angelangt, an dem in ihr vor Erschöpfung Übelkeit emporstieg. Sie würgte ein paar Mal und erwartete sich zu erbrechen, um den Spürhunden ihrer Verfolger eine unmissverständliche Fährte zu hinterlassen. Doch es blieb nur bei dem unüberwindlichen Zwang würgen zu müssen.

Ihr Atem dampfte und kleine Schweißperlen rannen zu dünnen Bächen an ihren Schläfen hinunter, um gleich wieder zu Eis zu gefrieren. Und die unsichtbaren Krallen des Windes schlugen ihr unerbittlich ins Gesicht bis es ihr in allen Zügen wehtat und es kaum noch bewegen konnte.

Stechende Schmerzen wühlten sich durch ihren ganzen Körper.

Die Wunden, welche ihr die Infusionsnadeln zugefügt hatten, waren längst verheilt. Nur noch das getrocknete Blut an ihrem Hemd wies darauf hin. Unzählige Schnitte sollten ihren Körper zieren, aber kein einziger Schnitt war zu sehen. Was äusserlich nicht zu sehen war, spürte sie jedoch wie eine frische Wunde in ihrem Geist. Überall in ihr gellte die Erinnerung an die grausamen Experimente auf. Überall noch konnte sie die in Latexhandschuhe gekleideten Hände spüren. Ekel keimte in ihr auf. Nie wollte sie diesen Ort je wieder betreten.

Das Gebell hallte unerträglich laut in ihrem Kopf und als sie wagte sich umzudrehen sah sie bereits einen der vielen schwarzen Hunde zwischen den Bäumen über Schnee und Unterholz hechten. Der Rest der Meute würde nicht lange auf sich warten lassen.

Ihre Schritte kamen ihr unheimlich langsam vor. Alles spielte sich in Zeitlupe vor ihren Augen ab. Sie versuchte schneller zu laufen, aber es misslang. Der Hang nahm einfach kein Ende und der Sturm baute eine undurchschaubare Schneewand vor ihr auf, während selbst die Meute gegen das Gestöber zuanzukommen hatte. Das würde vielleicht ihre letzte Chance sein. Mit einem letzten Aufbäumen von Kraft schnellte sie den Anstieg hinauf gegen den Wind kämpfend, der sie daran zu hindern suchte vorwärts zu kommen. Kahle, pechschwarze Äste schlugen nach ihr aus wie gierige Krallen eines grauenvollen Monstrums, das sich hinter der Schneewand versteckt hielt und auf sie lauerte, darauf wartete, dass sie endlich am Ende ihrer Kräfte angelangt war, damit es sich im rechten Moment auf sie stürzen konnte. Aber das Monstrum war keine Einbildung, es war real. Das Monster war die Labor-Security und ganz und gar nicht einer Phantasiewelt entsprungen. Große, stämmige Muskelpakete, die sie durch den Wald jagten. Und die Krallen waren kein dürres Gestrüpp sondern Spritzen, Nadeln, Skalpelle, die hungrig darauf warteten sich wieder in ihr Fleisch zu bohren sobald sie wieder einen Fuß ins Labor setzte.

Um Nichts in der Welt würde sie etwas freiwillig dazu bewegen, dies je wieder zu tun. Gerade als das Kläffen hinter ihr immer mehr abnahm und sie sich fast in Sicherheit wog, zwang sie die nächste Wehe in die Knie. Zähneknirschend kroch sie auf allen Vieren weiter. Feuerrot vor Kälte stach ihre Haut aus dem eisigen Schnee hervor, und sie spürte es warm an ihren Schenkeln hinunterlaufen als das letzte Toben ihres Kindes die Fruchtblase platzen ließ.

Es brannte auf ihrer geschändeten Haut.

Geschwächt wie sie war half auch ihre Selbstheilung kaum noch etwas. Keuchend sammelte sie wieder ihre Kräfte und stämmte sich auf die Füße. Zitternd schob sie sich Schritt für Schritt voran, stützte sich an den schwarzen Baumstämmen ab. Wankend packte sie wieder eine Welle der Übelkeit und musste würgen als sie plötzlich von einem der Hunde gepackt und niedergerissen wurde. Instinktiv schnellten ihre Krallen aus den Handknöcheln hervor und drangen in den Bauch des winselnden Kläffers.

Helles Blut rann an den Klingen hinunter. Das Tier landete röchelnd auf ihr und drückte mit seinem Gewicht auf ihren gerundeten Bauch.

Sein Kadaver roch bestialisch. Sie drehte sich weg angewidert von dessen Anblick.

Unsicher blickte sie auf die scharfen Messerklingen, welche aus jedem einzelnen Handknochen an ihrer Hand herausragten. Es waren insgesamt 4. An den Anblick musste sie sich wohl gewöhnen... Noch ein Grund warum sie dieses Labor nie wieder von innen sehen wollte... Wer weiß, was denen noch einfallen würde, das sie ihr antun könnten.

Mit Sicherheit würde das nicht der letzte Angriff gewesen sein, den sie zu erwarten hatte.

Langsam legte sich der Sturm wieder und somit auch ihre einzige Deckung. In der Verzweiflung eines in die Enge getriebenen Tieres stellte sie sich ihrem Gegner. Ihre Knie zitterten. Der Wind blies ihr eiskalt über den nackten Rücken. Ihr würde nichts anderes übrig bleiben als ihr Kind vor den hungrigen Mäulern der Meute zu gebären.

Gierig würden sie sich auf es stürzen aber das wusste sie zu verhindern. Mit gespreizten Beinen suchte sie mehr Halt in ihren Stand zu balancieren. Es gelang ihr nur mit Mühe.

Das Kläffen wurde wieder lauter, jetzt da der Sturm sich legte, stand keine Barriere mehr zwischen ihnen. Weiterlaufen hatte bis spätestens jetzt keinen Sinn mehr. Schemenhaft schälten sich die Silhouetten der bissigen Köter aus dem sich langsam legenden Schneenebel.

Das Tappen ihrer Pfoten auf der wattenen Schneedecke hörte sich in ihren Ohren an wie Reiszwecken, die auf Glas kratzten. Lechzend sprang der erste auf sie zu, die Lefzen zurückgezogen und die messerscharfen Reissfänge freilegend. Blanker Hass spiegelte sich in seinen Augen wieder. Sie konnte es in seinem Geist spüren. Abgerichtet für nur einen einzigen Zweck: sie zu jagen falls sie je entkommen sollte... Und nun kamen sie zum ersten Mal zum Einsatz. Gierig und übereifrig wie sie waren. Halb ausgehungert und schlecht behandelt, um nun ihren Hass auf das einzige scheinbar wehrlose Opfer zu zerreißen, auf das man sie gehetzt hatte. Das Kind bewegte sich in ihrer Aufregung noch heftiger.

»Du hast Dir einen sehr ungünstigen Termin ausgesucht, Kleiner. Jetzt heißt es hinten anstellen und warten.«

Sie unterdrückte die Wehe und wandte sich dem Kläffer zu, der es darauf anlegte unbedingt in die Hundehölle zu kommen.

"Wie Du willst..." sagte sie mehr zu sich selbst, setzte zum Sprung an und landete einen Treffer genau zwischen seinen Augen. Krachend durchstießen ihre Krallen seinen Schädel. Blut tropfte an allen vier Klingen herab als diese aus seinem Hinterkopf herausragten. Nichtmal für ein letztes Winseln blieb der armen Kreatur Zeit. Er war sofort tot. Dann kam der nächste auf sie zugesprintet und auch ihn spießte sie auf, auch wenn dieser ihr weitaus mehr Mühe bereitete als sein Vorgänger. Wieder wurde ihr schwindelig und musste ihrer Kraftlosigkeit erneut nachgeben. Der Schnee unter ihren Knien fühlte sich kühl und erfrischend an. Ihr Atem hing schwer in der Luft in weißen, dichten Kondenswolken. So sehr sie das Gefühl auch bekämpfte, sie konnte nicht dagegen ankommen. Ihr Blick verschwamm als sie den nächsten Köter auf sich zuhechten sah. Vage nahm sie seine Bewegungen wahr. Doppelköpfig kam er ihr vor. Mit mehr als vier Mäulern und Krallen noch länger als ihre. Schwach schüttelte sie den Kopf, um sich wieder einen klaren Blick zu verschaffen. Es war doch nur ein normaler Hund. Keine abartige Kreatur wie sie selbst.

Sie sah dem Wesen einen kurzen Moment in die Augen und wieder erblickte sie puren Hass. Mit kräftigen kurzen Sprüngen schnellte er auf sie zu ohne jemals den Blick von ihr zu nehmen.

Ihr Herz raste...

Dieser Schlag musste sitzen oder sie würde die Geburt ihres Kindes nicht mehr erleben geschweige denn vollführen können. Sie spürte den Boden unter sich vibrieren... rhythmisch zum fliegenden Takt seiner Pfoten. Monströs bäumte er sich vor ihr auf, um sie unter sich zu begraben. Erst jetzt bemerkte sie, um welchen Brocken es sich handelte. Seine kräftige Statur erinnerte sie an einen fast ausgewachsenen Bären. Aber sie war sich nicht mehr sicher, was ihre Wahrnehmungsfähigkeit betraf. Er hätte genauso gut ein normaler Schäferhund mit stattlichem Körperbau sein können. Sie konnte nicht mehr zwischen Realität und Illusion unterscheiden.

Sein Atem streifte ihre Wange.

Und genau dieser Moment brachte sie dazu wieder rational zu denken.

Zischend sog sie die Luft zwischen zusammengepressten Zähnen ein und holte zum Schlag aus.

Doch sie verfehlte ihr Ziel...

Bevor sich beide trafen, zischte ein weißer Fleck vor ihrem Gesicht her und riss den Köter von seinen Beinen. Jämmerliches Winseln durchbrach die Stille und erstickte sogleich wieder. Ungläubig starrte sie dem Hund hinterher. Und das was sie sah, bestärkte ihren Unglauben nur noch mehr. Sie musste genauer hinschauen, um die Kreatur zu erkennen, welche sich über ihren Verfolger hermachte. Es war ein Tiger!

Jedenfalls glaubte sie das, aber er war schneeweiß. Die perfekte Tarnung in einer verschneiten Gegend wie Kanada...

Knurrend biß er sich in der Kehle seines Opfers fest und erstickte es in nur wenigen Sekunden. Es dauerte nicht lange bis die Glieder des Köters vollkommen erschlafften und leblos dem Tiger zu Füßen lagen. Dann ließ er von ihm ab und hob den Blick. Eisblaue Augen trafen die ihren.

»Wenigstens sterbe ich nicht durch diese Tölen aus dem Labor... Dieses Tier ist frei... Soll es mich töten, dann ist es endlich vorbei...«

Resignierend ließ sie sich zu Boden sinken. Kalter Schnee kühlte ihre heißen Wangen.

Die Welt drehte sich. Die Baumkronen über ihrem Kopf beugten sich wie schwarze Schatten auf sie herab, wie eine Schar Schaulustiger. Die kahlen Äste wie dunkle verchromte Krallen beugten sich herab. Der Schnee begann sich in Schatten zu legen. Alles wurde langsam dunkler.

Sie spürte den heißen Atem des weißen Tigers auf ihrem Hals, erwartete jeden Moment den tödlichen Würgegriff seiner kräftigen Hauer.

Doch...

Nichts dergleichen geschah.

Vage nahm sie noch das beinahe sanfte Stupsen seiner nassen Schnauze an ihrer Wange wahr bevor sich die Welt endgültig um sie herum in tiefe Schatten begab.

Endlich sich zur Ruhe legen. Von niemandem verletzt werden. Nie wieder dieses Labor betreten. Einfach nur Stille... Kein Piepsen irgendwelcher Geräte, an denen sie angeschlossen war, keine Spritzen, Skalpelle oder irgendwelche anderen Geräte, die sie nicht beim Namen nennen konnte geschweige denn sich daran erinnern wollte.

Ihr Atem begann sich zu beruhigen, ging nur noch unendlich langsam.

Die kalte Luft brannte in ihren Lungen. Ihr Hals war ein einzige Feuerwerk von Schmerzen. Und als sie dachte endlich zu entschlafen, da begann es.

Die erste Presswehe riss sie zu vollem Bewusstsein in die Realität zurück.

Ihre Glieder verkrampften sich. Sie versuchte ihren Schmerz hinauszuschreien, doch die Luft blieb weg. Als wenn ihr Gesicht sich hinter einer Glasmaske versteckte ohne Löcher zum atmen. Und dann fielen ihr wieder ihre Verfolger ein.

Hatten sie die Jagd nach ihr aufgegeben? Oder warum ließen sie solange auf sich warten? Vielleicht hockten sie bereits hinter einem der verdorrten Gebüsche und schauten dem Spektakel belustigt zu. Ja, so musste es sein... anders ließ es sich nicht erklären.

Und nun lag sie da und lieferte diesen Lackaffen die gewünschte Show, unfähig sich vom Fleck zu rühren.

Verzweifelt wanderte ihr Blick zu dem weißen Geschöpf, das sich neben sie legte und geduldig ansah. Seine Augen strahlten eine ungeheure Ruhe aus, die sie nicht deuten konnte. Wartete er darauf, dass sie ihr Junges warf, damit er sich sogleich über das Festmahl stürzen konnte? Er war ein Raubtier, aber irgendetwas in seinen Augen irritierte sie. Er war nicht wie alle anderen... genau wie sie.

Eine weitere Presswehe zerrte sie aus ihren Gedanken.

Kleine Schweißperlen bildeten sich auf ihrem geröteten Gesicht als ein stechender Blitz durch ihren Kopf fuhr. Die Einsicht traf sie wie ein Todesurteil. Sie konnte das Kind gar nicht bekommen... jedenfalls nicht auf natürlichem Wege... Ihr Skelett war komplett mit einem unzerstörbaren Metall ummantelt. Sie hatte es die ganze Zeit gewusst, doch war sie mit dem Fluchtgedanken intensiver beschäftigt gewesen als sich die Frage zu stellen, wie sie ihr Kind ohne klinische Hilfe gebären konnte.

Der Schock stand ihr regelrecht ins Gesicht geschrieben.

Sie wartete die Presswehe ab und ließ den Kopf schließlich langsam wieder auf den weichen Schnee sinken. Die Dogtags klebten vereist auf ihrer Brust. Im Grunde genommen wusste sie, dass es gar keinen anderen Ausweg gab. Entsetzt schloss sie die Augen. Ihr ganzes verlogenes Leben spielte sich noch einmal in ihren Gedanken ab. Die meiste Zeit, an die sie sich erinnern konnte, hatte sie im Labor verbracht.

Ein hoffnungsloses und schmerzvolles Leben...

Als sie wieder die Augen öffnete erblickte sie das feine dichte Fell des Tigers über ihrer Nase. Er schnüffelte und sein Atem fiel warm auf ihre Kehle. Eine wohltuende Wärme.

Und wie trügerisch...

... denn auch das würde ihr nicht helfen können.

Sie atmete tief durch. Die Luft schmeckte nach Eisen und frischem Blut. In der Ferne hörte sie bereits die ersten Aasfresser, die sich von diesem Geruch angezogen fühlten. Als wenn sie nicht schon genug Probleme hatte...

Ein unbestimmtes Geräusch drang aus den Tiefen der Kehle des Tigers.

Es war kein Knurren, dafür klang es zu besänftigend.

Es war mehr wie ein zuversichtliches, flatterndes Schnauben. Immer wieder schubste er ihren Kopf an. Seine Schnurrhaare kitzelten auf ihrer Wange. Hin und wieder hob er dann seinen mächtigen Schädel an und ließ den Blick durch die Umgebung schweifen. Er wirkte wie eine Sphinx; geschmeidig, elegant und edel... und auch ein wenig erhaben und beschützend.

Misstrauisch sah sie ihn an und verwarf den letzten Gedanken gleich wieder.

Das war einfach unmöglich! Aber wo lag die Grenze zwischen möglichem und unmöglichem? Sie hatte eine Welt der unmöglichen Dinge kennengelernt, die sehrwohl so real war wie sie selbst. Wie konnte es sonst möglich sein, dass ihr Skelett von einem unzerstörbaren Metall ummantelt war? Bevor sie in die Fänge dieser Unmenschen geraten war, verlief ihr Leben mehr oder weniger normal. Jedenfalls so normal wie ein Leben für einen Menschen wie sie hätte verlaufen können. Doch was war noch möglich, wenn das unmögliche zur ungewollten Realität wurde?

Sie war müde.

Und das Schlimmste stand ihr noch bevor.

Entkräftet richtete sie sich auf ihre Ellenbogen. Ihr Blick wanderte an ihrem zitternden Körper hinab.

Sie hatte keine Zeit mehr.

Sie musste handeln!

Mit unsicherem Griff zog sie ihr Leibchen hoch und starrte auf den dicken, runden Bauch. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus. Angst vibrierte in ihrem Atem. Zögernd fuhr sie eine ihrer Krallen aus und setzte sie an ihren Unterleib. Die bloße Berührung der Klingenspitze jagte ihr eine Gänsehaut über den ganzen Körper. Es pikste ein wenig, obwohl die Spitze ihre Haut nur leicht berührte. Sie hielt inmitten ihrer Bewegung an.

»Bring es hinter Dich!«

Waren das ihre eigenen Gedanken? Sie zweifelte einen Moment daran.

Aber sicher waren das ihre Gedanken! Ihr Zustand musste dem Delirium sehr nahe sein, wenn ihr schon ihre eigenen Gedanken fremd erschienen.

Die Klinge zerteilte ihre Bauchdecke wie weiche Butter.

Sie schrie vor Schmerzen auf. Aber ihr Schrei erstickte, denn die Hetzjagd und die kalte Luft hatten ihren Stimmbändern so zugesetzt, dass sie kaum mehr als ein krächzendes Schluchzen von sich geben konnte. Höllische Qualen brachen wie eine Sintflut auf sie herein. Die Welt drehte sich als sie auf ihren geöffneten Bauch starrte. Blut strömte von allen Seiten in rhythmischen kleinen Fontänen heraus. Sie musste schnell handeln, aber das war ihr im Moment des Schocks nicht mehr bewusst. Wie hypnotisiert starrte sie auf die riesige Wunde. Ihr Körper war bereits ohnmächtig vor Schmerz, vollkommen apathisch, nicht mehr empfindungsfähig.

Wie betäubt schnitt sie weiter und konnte schließlich die Gebärmutter sehen, in der sich ihr Kind heftigst bewegte... oder kam ihr das nur so vor? Ihr Kopf wankte unwillkürlich von einer Seite zur anderen und die schneeweiße Landschaft verdunkelte sich rapide.

»Gib nicht auf! Du musst weitermachen!«

Schon wieder diese befremdenden Gedanken...

Langsam wunderte sie sich nicht mehr darüber. Sie hörte nur die Botschaft in ihnen und setzte zaghaft ihre Klinge an die Gebärmutter. Ihre Hand zitterte...

»Nicht zu tief... sonst verletzt Du ihn...«

Sie atmete ein paar mal tief durch. Tränen verschleierten ihren Blick. Der peitschende Wind machte alles nur noch schlimmer als es wieder zu stürmen begann. Dicke Schneeflocken setzten sich auf ihr ab. Und diesmal drang die Wirklichkeit zu ihrem Verstand vor. Sie musste schnell und präzise arbeiten!

Unweigerlich öffnete sie die Gebärmutter.

Und dort lag er... Klein, zierlich, mit zugekniffenen, ja fast zugeschwollenen Augen, und schmatzte wie im Schlaf vor sich hin. Der Moment der Ruhe war sogleich vorbei nachdem sie ihn der warmen und schützenden Höhle entrissen hatte. Unüberhörbar machte er seinen Protest kund.

Es ging alles so schnell...

Mit einer kurzen Bewegung befreite sie ihn von der Nabelschnur und legte ihn sich auf die Brust unter das Leibchen. Auch wenn es wenig half... Sie wollte nichts unversucht lassen. Benommen sank sie in den Schnee zurück während sie blind nach der Plazenta griff und auch diese aus der Gebärmutter holte. Zu schwach war sie, daher glitt ihr das rote Fleischstück aus der Hand wie ein unbedeutender Klumpen Dreck. Mit der anderen Hand presste sie das kreischende Bündel an sich. Etwas schwarzes huschte in ihrem Blickwinkel an ihr vorbei, aber sie war bereits an dem Punkt angekommen, da es ihr egal war. Kraftlos fiel ihr Arm auf die Plazenta. Es fühlte sich eigenartig an, so weich und warm und dennoch wiederlich glitschig. Der Schnitt in ihrer Bauchdecke interessierte sie nicht mehr. Sie fühlte ihn nicht, den Schmerz, der ihren Körper betäubte. Wieder war da dieser schwarze Fleck, der links von ihr vorbeihuschte, und wieder sah sie nicht hin.

Noch einer dieser bissigen Köter aus dem Labor?!

Sie konnte es nicht sagen, denn sie hörte nur die Pfoten oder derartiges über den Schnee schnellen. Noch war dieses edle weiße Tier an ihrer Seite. Allein das Wissen bot ihr - wenn auch nur oberflächlich - Schutz und Sicherheit.

Tief im Innern wusste sie jedoch, dass es mit ihr zuende ging.

Ihre Haut stach kalkweiß über dem blutroten Schnee hervor und gab ein surrealistisches Bild ab. Sie fühlte jegliche Wärme ihrem Körper entweichen. Es würde nciht mehr lange dauern, dann hatte sie es endlich geschafft. Dann könnten sie nichtmal mehr die Maschinen aus dem Labor retten. Ihre Selbstheilung zeigte jetzt schon keine Wirkung mehr. Sie spürte regelrecht wie ihre Lebensenergie von Moment zu Moment schwand. Auch ihr Sohn schien das zu spüren, denn für einen kurzen Augenblick öffnete er seine kleinen dunkelblauen Augen und scahute sie an. Er verstummte gänzlich. Nur hin und wieder nahm sie ein nicht zu deutendes Glucksen seinerseits wahr.

Ihr Atem war flach.

Ihr Zittern nahm ein Ende.

Das edle Tier an ihrer Seite stubste sie noch ein paar Mal an. Nur vage nahm sie seine Berührungen wahr. Wie ein in Nebel gehülltes Märchen kam ihr seine Anwesenheit vor. Unwahrscheinlich wie ein Traum. Keiner dieser unendlichen Albträume, die sie ihr ganzes Leben lang verfolgt hatten. Zum ersten Mal kam sie sich wirklich geborgen vor. Als wenn das Leben sie nur so akzeptierte und gerade erst jetzt bemerkte.

Und gerade jetzt war es zu spät.

Das Atmen fiel ihr von Mal zu Mal immer schwerer. Ihre Glieder wurden schwer. Das Kind auf ihrer Brust wog letztendlich eine Tonne. Der Schneesturm, der ihre Glieder mit Leichtigkeit hin und her wog, spielte keine Rolle mehr. Es war zum Ende hin nichts weiter mehr als nur eine Begleiterscheinung, nicht mehr würdig genug um wahrgenommen zu werden.

Sie lächelte.

Hatte sie den Kampf gegen das Labor schließlich doch gewonnen... auch wenn es sie das Leben kostete... und nicht nur ihres. Sie beschloss, daran zu glauben, dass ihr Baby es sowieso nicht wahrnahm. Die wenigen Augenblicke, die er auf der Welt verbringen würde, waren die Momente seines Todes. Gerade erst geboren, um zu sterben.

Welch Ironie!

Doch tat es ihr auch ein wenig leid... dass sie ihm nicht das bieten konnte, was ein kleines Kind vom Leben zu erwarten hatte. Er würde nie mit ihr in den Park gehen können. Sie könnte ihm auch nie Lesen und Schreiben beibringen oder ihn als ganz normales Kind in die Schule schicken.

Sie hatte sich ihr ganzes Leben anders vorgestellt. Wenn ihr jemand einmal gesagt hätte, sie werde einmal Mutter, sie hätte die Person vermutlich lauthals ausgelacht. Und nun lag sie da in einer vereisten Blutlache mit ihrem Sohn auf der Brust.

Sie lachte innerlich über sich selbst.

Wie konnte sie sich ein solches Glück nur verwähren wollen?!

Sein kleines Herz schlug kräftig in seiner zierlichen Brust. In diesem Jungen steckte sehr viel Leben.

»Vielleicht sehen wir uns in einem anderen Leben wieder...« dachte sie und streichelte ihm leicht über den verschmierten dunklen Schopf. »Und dann vielleicht auch unter leichteren Bedingungen.«

Sie keuchte.

Blut mischte sich unter ihre Geschmacksnerven. Das Atmen wurde plötzlich zu einem unmöglichen Kunststück. Winzige leuchtende Punkte wanderten ihr durch das Blickfeld während alles andere um sie herum sich in nächtliche Nebel wob. Ihre Augenlider wurden schwer. Das Herz schlug langsamer. Die offene Wunde erschien ihr nunmehr wie eine irreale Wahrheit.

»Es wird alles wieder gut.« hallte es undeutlich in ihrem Kopf wieder.

Ihr Geist war jedoch bereits in einem Status verwirrten und chaotischen Zustands, dass diese Nachricht ungehört unterging.

Der schwarze Schatten, der ausserhalb ihrer Sichtweite auf ihren Tod gewartet hatte, wuchs nun zu einer bedrohlichen Finsternis heran. Stimmen drangen an ihr Ohr, aber was sie sagten, konnte sie nicht deuten. Ihr Gehör schien mit Wasser gefüllt zu sein. Nun hörte sie auch wieder das Bellen von Hunden. Aber diesmal klang es energisch und in höheren Tönen.

Einen kurzen Augenblick flammte der schwache Gedanke in ihr auf, sie hätte versagt. Die ganze Flucht war nur vorgetäuscht, damit sie sich in Sicherheit wiegen konnte. Der Tiger war nichts weiter als nur sehr gut dressiert und die Hunde waren ersetzbar.

Sie hatten ihr nicht nur deutlich gemacht, dass sie ihrer Macht hilflos ausgesetzt war, sie hatten ihr auch damit gezeigt, dass sie mit ihr alles machen und sie zu allem bringen konnten, was sie wollten.

Sie hasste sich selbst dafür, dass sie sich selbst uneinsichtig in diese Falle gestürzt hatte.

"Verdammt..." krächzte sie kaum hörbar.

Das Licht erlosch....





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Cooperama @ deviantArt - Sportfotografien



[editiert: 12.08.05, 13:04 von Jade]
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