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Uschi-Nessaja
Tunnelexperte


Beiträge: 284


New PostErstellt: 10.08.08, 16:21     Betreff: Re: Neue Hoffnung

Panasonic Nasen-/ Ohrhaarschneider E...

Hi Mädels,

die Fortsetzung ist doch schneller fertig geworden, als ich dachte. Heute hat es so richtig schön "gefluscht".

Bitte nicht zurückhalten und gerne Kritik äußern. Das finde ich sehr hilfreich.

Viel Spaß beim Lesen!

Uschi

+++++++++++++++++++++

Kapitel 9

Chris hatte die Taschenlampe herausgenommen und beleuchtete damit ihren Weg. Sie war sehr froh, diese mitgenommen zu haben. Sie fühlte sich ein Wenig unsicher, so allein in der Dunkelheit. Sie stieg eine Treppe hinauf und fand sich vor einer alten sehr niedrigen Eisentür wieder. Sie zog am Türgriff, jedoch bewegte sich die Tür um keinen Zentimeter. Sie war sicher schon lange nicht mehr geöffnet worden. Das fand Chris erst einmal sehr beruhigend, da so die Tunnelbewohner nicht Gefahr liefen, von Außenstehenden entdeckt zu werden. Chris legte die Taschenlampe auf den Boden, um beide Hände frei zu haben. Sie setzte ihr ganzes Körpergewicht ein und zog so kräftig sie konnte. Die Tür gab nur ganz allmählich ihren Widerstand auf und öffnete sich schließlich ächzend so weit, dass Chris sich hindurchschieben konnte. Sie spähte vorsichtig in die dunkle Gasse, es war jedoch keine Menschenseele zu sehen. Chris kletterte mühsam aus der Unterwelt wieder nach draußen und zog die Tür hinter sich zu. Wenn man nicht genau wusste, wo sich die Tür befand, fiel sie beim flüchtigen Hinsehen gar nicht auf. Chris nahm sich vor, am Abend ein Fläschchen Öl mitzunehmen, um die Scharniere geschmeidig zu machen, damit sie keinen Lärm verursachten. Sie schaltete ihre Lampe aus und blickte sich in der Gasse um. Diese war nur etwas mehr als einen Meter breit und wurde offensichtlich nie benutzt. Es hatte sich Müll und Schmutz angesammelt und das einzige Lebewesen, das sie entdecken konnte, war eine Ratte, die bei Chris’ Anblick die Flucht ergriff. Chris schaute nach oben und ging unter der Feuerleiter hindurch, die zu ihrer Dachterrasse führte. Sie trat hinaus auf die Straße und fand sich fast unmittelbar vor ihrer Haustür wieder. Sie schloss die Tür auf und kehrte zurück in ihre Wohnung. Als sie ihren Flur betrat, saß Moses dort wie ein Wachtposten und schaute sie anklagend an; er maunzte vorwurfsvoll, so als wollte er fragen: Wo kommst du jetzt her? „Ja, ich weiß, es ist spät.“ entschuldigte sich Chris bei ihm. „Aber daran wirst du dich leider gewöhnen müssen. Das kommt jetzt sicher noch öfter vor.“ Hoffentlich! Setzte Chris in Gedanken hinzu. Sie ging ins Schlafzimmer, zog ihre Kleider aus und nahm ihren Schlafanzug mit ins Bad. Zum Glück war heute Samstag und sie konnte ausschlafen. Endlich fiel Chris erschöpft ins Bett. Moses hatte schon seinen Stammplatz eingenommen und wartete auf sie. „Du glaubst nicht, was ich heute erlebt habe.“ flüsterte Chris ihm ins Ohr und kraulte ihn zärtlich. Sie war durch die aufregenden Ereignisse einerseits müde und erledigt, andererseits aber zu aufgedreht, um sofort schlafen zu können. Sie verschränkte die Arme unter dem Kopf und lag mit offenen Augen in der Dunkelheit. Die Erlebnisse der letzten Stunden zogen noch einmal an ihr vorbei. Ihre Mutter hatte in den Tunneln gelebt! Sie konnte es noch immer nicht fassen. Sie hatte bei der Erzählung von Vater den Eindruck gehabt, dass die Beziehung zwischen ihm und ihrer Mutter tiefer gewesen war, als er zuzugeben bereit war. Chris wagte gar nicht daran zu denken, ob es möglich war ...; nun es hatte keinen Zweck, darüber zu spekulieren. Sie würde wohl ihren Mut zusammen nehmen und Vater selbst fragen müssen. Dann wanderten ihre Gedanken zu Vincent. Sie dachte an das intensive Gefühl, das sie durchströmt hatte, als sie beide Hand in Hand auf der Treppe zur Kammer der Winde gestanden hatten. Als sie nach langer Zeit schließlich doch eingeschlafen war, träumte sie von ihrer Mutter, mit der sie durch die Tunnel wanderte.

 

Chris erwachte davon, dass Moses intensiv damit beschäftigt war, ihr Ohr abzulecken. Sie schob ihn mit der Hand ein Stück von sich weg und protestierte schlaftrunken: "Moses, du Quälgeist! Es ist Samstag und wir müssen nicht zur Arbeit. Warum weckst du mich denn so früh auf?" Moses kam wieder näher und maunzte laut in ihr Ohr. Chris öffnete endlich die Augen und drehte den Kopf, um auf die Uhr zu schauen. Wie sie feststellte, war es "so früh" gar nicht mehr. Die Uhr zeigte viertel nach zehn. Chris schaute zweimal hin, um zu glauben, was sie da sah. Seit Peters Tod hatte sie nicht mehr so lange und tief geschlafen. Sie stieg stöhnend aus dem Bett und reckte und streckte sich erst einmal ausgiebig. Ihr Abenteuer von letzter Nacht steckte ihr noch in den Knochen. Moses tat es ihr nach, sah dabei aber wesentlich eleganter aus als Chris. "Angeber!" sagte sie im Vorbeigehen zu ihm und marschierte ins Bad. Als Chris fertig war, zog sie ihren Jogginganzug an und ging in die Küche, dicht gefolgt von Moses. Sie schaute aus dem Fenster und stellte fest, dass es ein wunderschöner sonniger Tag zu werden schien. "Moses, heute frühstücken wir auf der Terrasse!" verkündete sie dem Kater und begann, alle notwendigen Dinge auf ein Tablett zu räumen. "Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Los, geh' schon mal vor und deck' den Tisch, du Faulpelz. Ich hole die Zeitung rauf.“ Moses tat ganz empört über dieses Ansinnen und marschierte mit hoch aufgerichtetem Schwanz aus der Küche. "Typisch! Alles muss man alleine machen." Chris holte die Tageszeitung herauf, legte sie auf das Tablett und stieg hoch zu ihrer Terrasse, um in aller Ruhe und ausführlich zu frühstücken. Es war angenehm warm und windstill, ideal um draußen zu essen. Chris spannte ihren Sonnenschirm auf und kramte alles Notwendige auf den Tisch. Moses' Napf hatte sie mitgenommen und stellte ihn neben den Tisch auf den Boden. Der Kater fiel wie immer darüber her, während es sich Chris gemütlich machte. Sie hatte kaum richtig Platz genommen und eine Scheibe Toast mit Butter bestrichen, da hopste Moses schon auf den Nachbarstuhl und linste begehrlich nach der Wurst. Seinen Napf hatte er bis auf den letzten Krümel leer gefressen, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Chris schüttelte lächelnd den Kopf „Du Vielfraß! Ich weiß gar nicht, wo du das alles hintust. Wenn ich so viel essen würde wie du, sähe ich aus wie eine Tonne.“ Trotzdem tat sie etwas Leberwurst auf einen kleinen Teller und stellte ihn auf den Stuhl neben Moses. Moses liebte Leberwurst über alles. Chris widmete sich ihrem eigenen Frühstück und warf einen Blick in die Zeitung. Dabei fiel ihr ein Artikel ins Auge, der über die Eröffnung des Viertelladens berichtete. Chris fielen die Flyer wieder ein, die sie über die aufregenden Ereignisse in den Tunneln völlig vergessen hatte. Ein leiser Anflug eines schlechten Gewissens befiel sie. Sie hatte Linda schließlich versprochen, die Flyer an die Nachbarn zu verteilen und zur Eröffnung zu kommen. Sie nahm sich vor, das gleich nach dem Frühstück in Angriff zu nehmen. Chris und Moses genossen ausgiebig und lange ihr Frühstück und das wunderbare Wetter. Danach studierte Chris gründlich die Zeitung, wobei Moses auf ihrem Schoß saß und ihr dabei Gesellschaft leistete. Man hätte meinen können, er lese heimlich mit. Ab und zu gab er in Form eines verächtlichen Maunzens seine Meinung zu dem einen oder anderen Artikel kund, wie es Chris vorkam. Als ihm endlich das „Mitlesen“ zu langweilig wurde, verzog er sich in eine sonnige Ecke der Terrasse und streckte sich unter einer Palme lang aus. Er schloss die Augen und Chris hatte das Gefühl, dass er sicher nicht so schnell wieder von dort wegbewegen würde. Er musste ja auch schließlich neue Kräfte sammeln für seine nächtlichen „Kontrollgänge“. Chris räumte endlich alles wieder zusammen und machte sich  auf den Weg nach unten. Sie zog sich an, nahm ihre Handtasche und holte die Flyer heraus, die sie von Linda erhalten hatte. Chris verließ ihre Wohnung und steckte die Flyer in die Briefkästen ihrer Mitbewohner. Auch beim Nachbarhaus ging sie noch vorbei und verteilte die restlichen Exemplare. Schließlich machte sie sich auf den Weg zum Viertelladen. Dort angekommen stellte sie fest, dass schon einige interessierte Nachbarn sich eingefunden hatten. Die Aktivitäten hatten sich auf dem Platz vor dem Geschäft ausgebreitet. Es gab Infostände, Luftballons und Spiele für die Kinder und alles war hübsch bunt dekoriert mit Girlanden und Fähnchen. An einem Stand wurden Getränke und Kuchen verteilt, an einem anderen Würstchen gegrillt. Chris entdeckte Linda, die zwischen den Ständen geschäftig hin und her lief und winkte ihr lächelnd zu. Linda kam zu ihr herüber und schüttelte ihr strahlend die Hand. „Wie schön, dass sie kommen konnten Chris. Ich freue mich. Bitte schauen Sie sich ruhig um; leider habe ich nicht so viel Zeit, sonst hätte ich Ihnen gerne alles gezeigt. Eine meiner Helferinnen ist ausgefallen, die bei den Getränken eingesetzt werden sollte. Jetzt muss ich da auch noch ran.“ Sie war ein Wenig außer Atem und ihre Wangen waren gerötet. „Aber das kann ich doch machen.“ bot Chris ihre Hilfe an. „Das würden Sie wirklich tun?“ Chris lächelte über ihr erstauntes Gesicht. „Aber ja, das mache ich gern. Ich habe heute sowieso nichts weiter vor, erst heute Abend.“  Linda umarmte sie spontan und herzlich. „Vielen Dank, damit tun Sie mir einen großen Gefallen. Kommen Sie, ich stelle Ihnen unsere Mitstreiter vor." Chris folgte Linda zum Getränkestand gleich neben dem Kuchen. Linda stellte ihr Jenny vor, die dort die Verteilung übernommen hatte. Nach einer kurzen Einweisung stürzte sich Chris sofort mit Eifer in die Arbeit. Sie schenkte Kaffee aus, plauderte mit Nachbarn, verteilte Säfte und Wasser und dabei war ihr überhaupt nicht bewusst, wie schnell die Zeit verging. Ehe sie sich versah, war es 18:00 Uhr und die Aktion beendet. Die Leute gingen allmählich einer nach dem anderen nach Hause und zurück blieben geplünderte Stände und glückliche Mitarbeiter. Der Zuspruch war enorm gewesen und das Interesse riesig. Linda kam zu Chris, um sich für ihre Hilfe zu bedanken, während die anderen Mitarbeiter schon dabei waren, die Stände abzubauen und alles in den Keller unter dem Laden zu räumen. "Vielen Dank Chris für die Hilfe. Ohne Sie hätten wir das heute nicht so reibungslos geschafft. Möchten Sie sich vielleicht noch unseren Laden ansehen? Ich führe Sie gerne herum." Chris stimmte sofort zu und Linda ging voraus, um ihr alles zu zeigen. Der Laden war sehr freundlich und hell eingerichtet. Es gab eine Ecke mit gebrauchtem Kinderspielzeug, Büchern und Kleidung für Kinder. An der gegenüber liegenden Seite war eine Theke aufgebaut, wo Kaffee und kalte Getränke ausgeschenkt werden konnten. Davor gruppierten sich einige Tische und Stühle. Der hintere Teil des Raumes war durch eine Glaswand abgetrennt, in dem sich ein Büro befand, was für Beratungsgespräche gedacht war. Vor der Glaswand stand noch ein großer Infoständer mit diversen Broschüren und Flyern mit reichhaltigen Angeboten. Durch eine weitere Tür ging es in den hinteren Bereich, wo es einen Raum gab mit Lebensmitteln, die preiswert an bedürftige abgegeben werden konnten und einen weiteren Raum für Müttertreffs mit Kindern. „Ich bin ganz begeistert.“ wandte sich Chris schließlich an Linda. „Ihr Angebot ist wirklich großartig und wird bestimmt sehr gut angenommen. Genau so etwas haben wir noch gebraucht hier im Viertel.“ Linda strahlte, offensichtlich sehr glücklich über das Lob. „Vielen Dank Chris, freut mich unheimlich, dass es Ihnen gefällt. Sie haben nicht vielleicht Bedarf? Im Moment ist das Angebot noch nicht so groß, aber wir haben schon Einiges an Kinderspielzeug und –kleidung da.“ Das Lächeln auf Chris’ Gesicht verschwand augenblicklich und ein gequälter Ausdruck trat an dessen Stelle. Sie schüttelte den Kopf und ihre Augen wurden Feucht. Sie musste mehrmals schlucken, bevor sie antworten konnte. „Mein kleiner Sohn Peter ist vor vier Monaten an einem Hirntumor gestorben. Er ist nur 9 Jahre alt geworden.“ Sie wandte sich ab und starrte auf die Spielzeuge, zu denen sie auf ihrem Rundgang nun zurückgekehrt waren. Chris nahm einen Teddybären hoch und überlegte, welches Kind wohl damit gespielt, ihm seine Geheimnisse, Sorgen und Träume erzählt und heimlich nachts in sein Fell geweint hatte. Sie drückte den Teddybären an die Brust und drehte sich wieder zu Linda herum. Deren Gesicht war ganz bleich geworden und sie schaute Chris entsetzt an. „Oh Gott, das tut mir sehr leid. Ich hatte ja keine Ahnung.“ Chris schaute auf den Teddybären hinunter in ihren Armen und plötzlich fasste sie einen Entschluss. Sie setzte den Bären wieder zu seinen Kameraden, einem Kaninchen und einem Pferdchen, ins Regal und sagte entschlossen zu Linda: „Ich habe einen anderen Vorschlag für Sie. Peters Kinderzimmer steht immer noch so da, wie er es verlassen hat. Alle seine Sachen sind noch vorhanden. Bis auf ein paar Erinnerungsstücke möchte ich Ihnen alles schenken. Sicher gibt es hier viele Kinder, die davon profitieren können. Ich muss der Tatsache ins Auge sehen, dass Peter fort ist und nie wieder zurückkommt. Es wird Zeit, einen Schritt vorwärts zu gehen.“  Linda schaute sie überrascht und etwas zweifelnd an. „Möchten Sie das wirklich? Ich freue mich natürlich sehr über die Spende, aber Sie müssen nichts übereilen. Wenn Sie noch überlegen wollen ...“ „Nein,“ fiel ihr Chris ins Wort „mein Entschluss steht. Ich gebe Ihnen die Sachen gern. Ich werde in den nächsten Tagen aussortieren, was ich gerne behalten möchte und sage Ihnen dann Bescheid. Haben Sie vielleicht einen Wagen, mit dem Sie die Sachen transportieren können?" "Ja, wir haben einen gebrauchten Lieferwagen, da passen sicher alle Sachen hinein. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar. Wir können das sehr gut gebrauchen." Sie umarmte Chris herzlich und diese verabschiedete sich mit einem freundlichen "Dann bis nächste Woche!"

Als Chris wieder zu Hause in ihrer Wohnung war, zog sie etwas Bequemes an und stürzte sich in Aufräum- und Putzarbeiten. Sie wollte einerseits ihre Traurigkeit bekämpfen, die sie überfallen hatte, als sie über Peter gesprochen hatte, andererseits wollte sie die Nervosität vertreiben, die sie über das kommende Treffen mit Vincent verspürte. Aber je weiter die Zeit Richtung 22:00 Uhr vorrückte, desto kribbeliger wurde sie. Als sie fertig geduscht und angezogen war, verabschiedete sie sich von Moses, der zu seiner üblichen abendlichen Runde aufbrach. Sie hob ihn auf ihre Arme, drückte ihr Gesicht in sein Fell und flüsterte ihm ins Ohr: "Pass' auf dich auf und drück' mir die Daumen!" Sie setzte ihn ab und er marschierte durch die Katzenklappe in der Tapetentür hinauf auf's Dach. Chris verließ ebenfalls die Wohnung und schlüpfte, nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass sie niemand beobachtete, in die dunkle enge Gasse. Mit Mühe öffnete sie die Tür in die Unterwelt und ölte sie mit dem mitgebrachten Fläschchen. Chris testete den Erfolg ihrer Bemühungen und stellte fest, dass sich die Tür nun viel leichter öffnen und schließen ließ, aber vor allen Dingen lautlos. Zufrieden mit dem Ergebnis schloss sie sorgfältig die Tür. Beim Schwenken der Taschenlampe fiel der Schein auf einen metallisch schimmernden Gegenstand an der Wand neben der Tür. Chris ließ den Lichtstrahl zurückwandern und schaute genauer hin: Ein Schlüssel! Chris nahm ihn zögernd herunter und wog ihn zweifelnd in der Hand. Sollte er tatsächlich zu der Tür passen? Das wäre zu schön um wahr zu sein. Chris steckte den Schlüssel gespannt in das Schlüsselloch der Tür und drehte zweifelnd. Tatsächlich! Der Schlüssel drehte sich, zwar widerstrebend, aber er drehte sich. Chris jubilierte innerlich. Jetzt bestand keine Gefahr mehr, dass die Bewohner der Unterwelt entdeckt würden. Sie hatte große Bedenken gehabt, ob sie diesen Eingang benutzen könnte, ob es nicht zu gefährlich sei. Jetzt musste sie sich keine Sorgen mehr darüber machen. Erleichtert steckte sie den Schlüssel in die Tasche und stieg die Treppe hinunter.

Ihr Herz hatte angefangen, heftig zu klopfen. Sie betrat den Tunnel in Vincents Reich und stellte fest, dass sie noch alleine war. Gerade überlegte sie, ob sie den Weg auch selbst finden würde, da vernahm sie ein leises Geräusch und Vincent erschien mit einer Laterne in der Hand am Ende des Ganges. Erleichtert ging Chris auf ihn zu und begrüßte ihn, froh über sein Erscheinen. "Vincent, ich freue mich sehr, dass du gekommen bist. Manchmal denke ich fast, ich hab dies alles nur geträumt." Vincent schaute sie lächelnd an und meinte geheimnisvoll: "Es gibt noch viel mehr Wundersames zu sehen in meiner Welt, das du noch nicht kennst. Komm, ich werde es dir zeigen." "Das klingt ja sehr spannend und geheimnisvoll." erwiderte Chris und folgte Vincent erneut ins Ungewisse.

Eine Weile wanderten sie schweigend dahin. Chris hatte das Gefühl der Traurigkeit immer noch nicht ganz überwinden können und dachte an Peter und daran, was er wohl zu diesem "Abenteuer" gesagt hätte, was sie gerade erlebte. Sie wurde durch Vincents sanfte Stimme aus ihren Grübeleien gerissen. "Du bist so still und kommst mir traurig vor heute Abend." Er schaute sie fragend von der Seite an. Chris seufzte und schilderte Vincent ihre Begegnung mit Linda und wie sie ihr von Peter erzählt hatte. Vincent nickte verständnisvoll. "Ich kann sehr gut verstehen, was du empfindest. Das Gespräch hat die traurigen Gefühle wieder hervorgeholt." Chris ergriff Vincents Hand und drückte sie,  dankbar für sein Verständnis und Mitgefühl. Er hielt sie fest und so setzten sie ihren Weg fort. Schließlich vernahm Chris ein merkwürdiges Geräusch, das sie zuerst nicht identifizieren konnte. Anfangs nur ganz leise, wurde es allmählich lauter. Sie traute ihren Ohren kaum, denn dies klang wie rauschendes Wasser. Aber das war doch unmöglich! Hier unten? Schon wollte sie Vincent danach fragen, als dieser stehen blieb und sich zu ihr umwandte. "Was ich dir jetzt zeige, ist ein kleines Wunder. Ein Ort, an den ich mich gerne zurückziehe, um alleine zu sein, um nachzudenken." Gespannt folgte Chris Vincent um eine Tunnelbiegung und blieb mit aufgerissenen Augen staunend stehen. Ein Wasserfall unter der Erde! Sie konnte kaum glauben, was sie sah. Vor ihr öffnete sich eine große Höhle mit einem See, in den sich ein Wasserfall mit beständigem Rauschen ergoss. Das Wasser schäumte und feuchte Schleier zogen über den See. Ein sanftes Licht, wer weiß woher, malte bunte Flecken auf die Höhlenwände. Chris kam sich vor, als ob sie in ein Märchen versetzt worden sei; alles war so unwirklich. Es hätte sie nicht gewundert, im nächsten Moment eine Elfe über das Wasser fliegen zu sehen. Sie drehte sich um und stellte fest, dass Vincent seinen Umhang ausgezogen und über einen flachen Stein gelegt hatte. Er beobachtete lächelnd ihr staunendes Gesicht. "Oh Vincent, das ist wunderschön! So etwas märchenhaftes habe ich noch nie gesehen." Sie ging zu ihm hinüber und beide ließen sich auf Vincents Umhang nebeneinander nieder. So saßen sie eine ganze Weile schweigend da und genossen den wunderschönen Anblick. Vincent beobachtete Chris von der Seite, ihr staunendes Gesicht und fasste einen Entschluss. Als er zu sprechen begann, war seine Stimme leise und zögernd. "Ich habe auch oft mit ihr hier gesessen. Sie hat diesen Platz geliebt." Chris hatte sich ihm zugewandt und schaute ihm in die Augen. Vincent stockte und musste schlucken. "Du sprichst von der Frau, die du geliebt hast." Vincent schloss die Augen und auf sein Gesicht trat ein gequälter Ausdruck. "Ja, ich habe sie geliebt. Ihr Name war Catherine." Vincent begann zu erzählen, zuerst zögernd und stockend, aber dann immer flüssiger. Er berichtete Chris von seiner ersten Begegnung mit Catherine, wie er sie im Park gefunden hatte. Von ihrem Aufenthalt in den Tunneln, von ihrer Verbindung, ihrem Band. Er erzählte von den unzähligen Abenden auf ihrem Balkon, ihrer beider Liebe zu Büchern und Musik, von den vielen Gelegenheiten, wo er ihr Retter gewesen war. An dieser Stelle stockte Vincent; er konnte nicht weiter sprechen. Chris umfasste seine Hand mit ihren beiden Händen und drückte sie ermutigend. "Da ist doch noch mehr Vincent. Bitte, höre jetzt nicht auf; erzähle mir alles." Zögernd und leise berichtete Vincent von seiner Krankheit, vom Verlust ihrer Verbindung, dass er nicht mehr hatte spüren können, wenn sie in Gefahr war. An dieser Stelle konnte Vincent nicht mehr ruhig sitzen bleiben. Er stand auf und ging nervös hin und her. Nach kurzer Pause berichtete er von Catherines Schwangerschaft, von ihrem gemeinsamen Kind, ihrer Entführung und seiner Suche nach ihr. Chris hatte entsetzt eine Hand auf ihr Herz gepresst und folgte gespannt seiner Schilderung. Vincent ballte verzweifelt die Hände zu Fäusten und kam schließlich dazu, wie er Catherine gefunden hatte und wie sie in seinen Armen gestorben war. Chris stöhnte entsetzt und mitfühlend, Tränen rannen über ihr Gesicht. Vincent stand mit geballten Fäusten da, die Augen geschlossen, das Gesicht eine einzige gequälte Maske. Leise und tonlos sprach er schließlich von der Suche nach seinem Kind und wie er es dann endlich gefunden und nach Hause gebracht hatte. Als er geendet hatte, stand er nur da, sein Körper angespannt. Chris konnte selbst deutlich körperlich seine Verzweiflung und seinen Schmerz spüren, der ihn zu überwältigen drohte. Aber etwas in ihm sträubte sich immer noch dagegen, die Gefühle heraus zu lassen. Er versuchte immer noch, die Trauer und Verzweiflung zu unterdrücken. Chris stand langsam und zögernd auf und trat nahe an Vincent heran. Sie umfasste seine zu Fäusten geballten Hände, die er an die Brust gepresst hielt. "Vincent," flüsterte Chris "ich kann deinen Schmerz fühlen. Es ist so, als ob man mir ein Messer in den Leib stechen würde. Du kannst diese Gefühle nicht auf Dauer unterdrücken. Du wirst daran ersticken." Sie hob die rechte Hand und streichelte Vincents Gesicht. Vincent wankte leicht, Chris konnte spüren, wie ein Zittern durch seinen gesamten Körper lief. Er schloss die Augen, Tränen begannen, über sein Gesicht zu rinnen. Er öffnete keuchend den Mund und ein gequälter Schrei kam über seine Lippen. Er riss sich von Chris los und rannte wie ein eingesperrtes Tier auf und ab. Blind stieß er gegen die Tunnelwand und hieb laut brüllend mit den Fäusten dagegen. Entsetzt und ängstlich ob dieses Ausbruchs schaute Chris zu. Schließlich siegte aber ihr Mitgefühl und sie lief zu Vincent hinüber. Sie schlang von hinten ihre Arme um seine Taille. "Vincent, ich bin da. Ich halte dich." rief Chris verzweifelt. Ihr Ruf und ihre körperliche Nähe drangen offensichtlich in Vincents Bewusstsein. Sein Körper erschlaffte und er brach erschöpft auf dem Höhlenboden zusammen. Chris lief hinüber zu dem Stein, auf dem sie vorhin noch gesessen hatten und holte Vincents Umhang. Dann kehrte sie zu ihm zurück und sank neben ihm zu Boden. Sie zog Vincent in ihre Arme und bettete seinen Kopf an ihrer Brust. Dabei breitete sie den Umhang wie eine Decke über ihn. Sie streichelte zärtlich sein Gesicht und ihre Finger fuhren sanft durch sein langes Haar. Endlich hatten die so lange aufgestauten Gefühle gesiegt und brachen nun mit Macht aus Vincent heraus. Er schlang seine Arme um Chris und klammerte sich an sie wie ein Ertrinkender. Er schluchzte und sein Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. Chris hielt ihn fest und Tränen des Mitgefühls und des Schmerzes rannen leise über ihr Gesicht. Sie hatte die schützende Barriere, die sie sonst errichtet hatte, völlig aufgegeben und fühlte seinen Schmerz mit ihm. In diesem intimen Moment kam es ihr fast so vor, als seien sie eins. Sie küsste sanft seine Stirn und sein Haar und wiegte ihn in ihren Armen. Nach langer Zeit verebbte sein Schluchzen und sein Körper lag entspannt in ihren Armen. Chris saß gestützt an die Tunnelwand da und bot ihm Wärme und Nähe. Sie streichelte ihn und flüsterte tröstende Worte. An Vincents regelmäßigen Atemzügen spürte sie nach einer Weile, dass er erschöpft eingeschlafen war. Sie schaute auf sein nun entspanntes Gesicht hinunter und eine Flut von Gefühlen stürmte auf sie ein. Sie empfand ein tiefes Mitgefühl, Zuneigung, eine große Vertrautheit, so als ob sie Vincent schon Jahre kennen würde und nicht erst ein paar Tage und auch Trauer. Trauer darüber, weil sie für eine Beziehung zu Vincent keine Chance sah. Denn es hatte keinen Sinn, sich noch weiter etwas vorzumachen. Spätestens in dem Moment, wo sie Hand in Hand auf der Treppe zur Kammer der Winde gestanden hatten war ihr klar geworden, dass sie ihn liebte.


Wenn Liebende fallen, die Liebe fällt nicht.
Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.


[editiert: 10.08.08, 16:22 von Uschi-Nessaja]
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