Beauty and the Beast FORUM
Alles rund um die TV-Serie "Die Schöne und das Biest"
*** Keep the dream alive!!! ***
 
Sie sind nicht eingeloggt.
LoginLogin Kostenlos anmeldenKostenlos anmelden
BeiträgeBeiträge SucheSuche HilfeHilfe
ChatChat VotesUmfragen FilesDateien CalendarKalender

Anfang   zurück   weiter   Ende
Autor Beitrag
Uschi-Nessaja
Tunnelexperte


Beiträge: 284


New PostErstellt: 10.07.08, 17:49     Betreff: Re: Neue Hoffnung

166/und die Brennende Stadt

Kapitel 8

 

Vincent führte Chris durch eine enge Röhre. Es war dunkel und staubig. Chris kam es vor, als sei sie erneut in ihren Traum von letzter Nacht versetzt worden. Sie musste sich selbst kneifen um zu glauben, dass sie dies wirklich gerade erlebte. Sie wanderten durch etliche Gänge, vorbei an Kammern und Orten, die Chris auf eine sehr merkwürdige irritierende Art und Weise vertraut vorkamen. Chris hatte längst die Orientierung verloren und fragte sich, wie jemand sich in diesem Labyrinth zurechtfinden konnte, ohne sich hoffnungslos zu verirren. Vincent hatte offensichtlich keine Schwierigkeiten, seinen Weg zu finden. Er schritt ohne Zögern voran und Chris vertraute voll und ganz seinem Orientierungssinn. Als sie schließlich einen breiten Gang entlang gingen, verlangsamte er seine Schritte und schaute sie fragend von der Seite an. „Du bist so still. Hier unten brauchst du keine Furcht zu haben; dies ist ein absolut sicherer Ort und die Menschen die hier leben, sind sehr freundlich. Du wirst sie mögen.“ Chris schüttelte den Kopf. „Nein, das ist es nicht. Ich habe keine Angst.“ „Was ist es dann?“ fragte er. „Ich fühle mich so merkwürdig; so als ob ich schon hier gewesen wäre. Alles kommt mir seltsam vertraut vor. Das ist ein sehr irritierendes Gefühl.“ Vincent nickte zustimmend. „Das kann ich mir vorstellen. Es muss für dich ...“ Er wurde durch Chris unterbrochen, die plötzlich seinen Arm gepackt hatte und abrupt stehen blieb. Vor ihnen trafen drei Gänge aufeinander und Chris streckte ihren rechten Arm aus. Vincent konnte sehen, dass er zitterte. Sie wies auf den mittleren der drei Gänge und flüsterte mit heiserer Stimme: „Die Kammer der Winde! Da entlang geht es zur Kammer der Winde!“ Sie schaute Vincent erschrocken an und war ganz bleich geworden. „Ja, das ist richtig.“ erwiderte Vincent. Er hielt ihr seine Hand hin und Chris ergriff sie, froh darüber, seine Nähe zu spüren; dies gab ihr Sicherheit. Vincent führte sie in die von ihr gewiesene Richtung und nach einigen Schritten öffnete sich der Gang auf eine lange geschwungene Treppe. Ein heftiger Wind wehte zu ihnen herauf und fuhr in ihre Haare. Chris stand staunend neben Vincent, seine Hand fest umklammert. Vincent beobachtete ihre Reaktion, die Ehrfurcht und das Staunen, was deutlich von ihrem Gesicht abzulesen war. Der Schein zweier Fackeln am Tunneleingang fiel auf ihr Haar und ließ es schimmern wie Kupfer. Erst in diesem Augenblick bemerkte Vincent richtig, wie schön sie war. Dafür hatte er bisher keinen Blick gehabt. Chris drehte ihren Kopf zu ihm herum und ihre Blicke trafen sich. Einen langen Moment standen sie nur so da und schauten sich an. Chris verspürte ein Kribbeln und eine Gänsehaut lief über ihren ganzen Körper. Vincent löste die Spannung, indem er sie fragte: "Stimmt die Wirklichkeit mit deinem Traum überein?" Chris riss ihren Blick mit Mühe von ihm los und sah sich um. "Oh ja, genau so hat es auch in meinem Traum ausgesehen. Ich verstehe es selbst nicht. Hier jetzt zu stehen, das ist ein Gefühl, was ich nicht beschreiben kann." Sie überlegte einen Moment und fuhr dann fort: "Hast du dir schon einmal gewünscht, eine Geschichte aus einem Buch würde Wirklichkeit, weil du sie so sehr geliebt hast?" Vincent lächelte: "Ja, das habe ich. Als Kind träumte ich mich oft in Geschichten wie Das Dschungelbuch oder Die Schatzinsel und erlebte die Abenteuer." "Dann kannst du dir vielleicht vorstellen wie es sein würde, plötzlich wirklich mitten in dieser Geschichte zu sein. So ähnlich ist das Gefühl." Vincent nickte verstehend. "Komm, ich werde dich jetzt Vater vorstellen." Sie gingen den Gang zurück, den sie gekommen waren und wandten sich nach links. Chris hatte ein Wenig Angst vor der kommenden Begegnung. Sie befürchtete, dass sie nicht willkommen sein würde. "Du sprichst immer von Vater. Ist das ein Titel oder ist er wirklich dein Vater?" Vincent schilderte kurz die Geschichte, wie er als Baby durch Vater gefunden und dann aufgezogen wurde; wie Vater die Gemeinschaft hier mit aufgebaut und ihr geistiger Vater geworden war. "Ich kann kaum glauben, dass es diesen Ort hier wirklich gibt." sagte Chris immer noch staunend. "Aber Vincent, ist es nicht viel zu spät für solch einen Besuch. Oder gibt es hier unten einen anderen Rhythmus?" Vincent erwiderte: "Da musst du dir keine Gedanken machen, Vater ist immer sehr lange wach und studiert seine Bücher oder brütet über Plänen für neue Kammern. Keine Sorge, unser Besuch wird ihn freuen, du wirst sehen." Chris wusste, dass Vincent sie mit diesen Worten beruhigen wollte. Sie spürte sehr deutlich seine Nervosität, die er vor ihr zu verbergen suchte. Als sie schließlich Vaters Kammer erreichten, ging Vincent vor, um sie anzukündigen. Chris folgte ihm langsam und zögernd. Sie betraten den großen Raum und Chris vergaß sofort ihre Nervosität und schaute sich begeistert um: Bücher! Der Bewohner dieses Raumes war ihr schon jetzt sympathisch. Während Vincent im hinteren Bereich des schwach durch etliche Kerzen erleuchteten Raumes verschwand, trat Chris an ein großes Regel heran, das bis oben hin voll gestopft war mit den schönsten antiquarischen Büchern. Sie strich ehrfürchtig mit den Fingern über die ledernen Buchrücken und las verschiedene Titel. Es fanden sich sowohl wissenschaftliche und medizinische Werke darunter als auch eine ganze Reihe von Klassikern wie Shakespeare. Aus dem Hintergrund hörte sie leise den Wortwechsel von Vincent und Vater, ohne jedoch die Worte verstehen zu können. Sie vernahm deutlich Vincents Stimme, der offensichtlich beschwichtigend auf Vater einredete. Die Erwiderung klang eher aufgebracht und ärgerlich. Chris war nicht ganz wohl in ihrer Haut. Sie wollte auf gar keinen Fall, dass Vincent sich ihretwegen Ärger einhandelte. Sie drehte sich herum und wollte schon zu den beiden hinüber gehen, um Vincent beizustehen. Kaum hatte sie jedoch zwei Schritte gemacht, als aus dem Halbdunkel heraus die beiden auf sie zukamen und in den Lichtkreis der Kerzen traten. Chris schnappte laut vernehmlich nach Luft und starrte Vater mit offenem Mund an. Er sah haargenau so aus, wie sie ihn gezeichnet hatte. Vor Verblüffung bekam sie keinen Ton heraus. Auf die Reaktion von Vater war sie allerdings nicht gefasst gewesen. Er schaute sie an, wurde kreidebleich und schwankte, sodass Vincent ihn stützen musste. Er half ihm, sich an den Tisch zu setzen, der in der Mitte des Raumes stand und um den mehrere Holzstühle gruppiert waren. „Vater! Was ist? Geht es dir nicht gut?“ Vincent beugte sich besorgt über den alten Mann. Vater starrte noch immer Chris an und schließlich kam es leise und heiser aus seinem Mund: „Charlotte? Nein, das kann doch nicht sein!“ Er fuhr sich mit der Hand über die Augen, als ob er ein Trugbild verscheuchen wollte. Chris fand endlich ihre Sprache wieder. Sie ging auf Vater zu und hielt ihm ihre Hand hin. „Guten Tag Vater; mein Name ist Christine. Charlotte war der Vorname meiner Mutter.“  Vater ergriff ihre immer noch ausgestreckte Hand mit beiden Händen und hielt sie fest. „Ja natürlich; das ist die Erklärung. Du bist ihre Tochter, Charlottes Tochter! Du siehst genau so aus wie deine Mutter.“ Und zu ihrer großen Verblüffung stand er auf und zog Chris an sich, um sie herzlich zu umarmen. Vincent schaute erstaunt zu. Vater neigte normalerweise nicht zu solchen Gefühlsausbrüchen. Es musste also schon einen guten Grund dafür geben. Chris war genau so überrascht wie Vincent, erwiderte aber die Umarmung, da sie offensichtlich aufrichtig gemeint war. Als alle sich wieder etwas beruhigt hatten und schließlich um den Tisch saßen, konnte Chris ihre Neugier nicht mehr zurückhalten. Ihr lagen etliche Fragen auf der Zunge, die alle auf einmal heraussprudeln wollten. "Ich verstehe das nicht ganz, Vater. Du hast meine Mutter gekannt? Wie kann das sein? Sie hat mir nie etwas davon erzählt. Und wie kann es sein, dass ich dich und diesen Ort in meinem Traum gesehen habe? Und warum ..." Vater hob abwehrend die Hände. "Langsam, lass' mich erst einmal meinen Teil der Geschichte erzählen, vielleicht klärt sich dann schon Einiges. Moment, da muss auch noch ein Foto sein ..." Er erhob sich und ging hinüber zu seinem Schreibtisch, der mit Büchern, Papieren und Kartenmaterial überladen war. Wie jemand da auch nur irgend etwas finden konnte, war Chris völlig rätselhaft. Aber Vater brachte das Kunststück zustande und schon nach kurzer Zeit rief er triumphierend aus: "Da ist es ja! Ich wusste doch, dass es hier sein musste." Er kehrte mit einem schmalen Buch an den Tisch zurück, wohl offensichtlich ein Gedichtband, wie Chris bei einem Blick auf den Rücken feststellte. Vater blätterte die ersten Seiten um und zog ein altes vergilbtes Foto hervor. Er reichte es ihr hinüber und Chris sah einen viel jüngeren Vater, noch mit dunklem Haar, und neben ihm sich selbst. Nein, verbesserte sie sich in Gedanken, nicht sich selbst, sondern ihre Mutter natürlich! Ihr war bis heute nicht klar gewesen, wie ähnlich sie ihrer Mutter sah. Die beiden waren Arm in Arm auf dem Bild zu sehen und beide lachten und waren offensichtlich glücklich. Chris gab es sehr zu denken, dass Vater dieses Foto über lange Jahre offensichtlich in einem Gedichtband verwahrt hatte. Dass ihre Mutter einmal so jung gewesen war, kam ihr merkwürdig vor, sie wusste selbst nicht warum. Bei der Erinnerung an sie bekam Chris feuchte Augen. „Dieses Foto muss jetzt ...“ Chris löste den Blick von dem Foto und schaute Vater erwartungsvoll an. Dieser suchte in seinem Gedächtnis nach der richtigen Jahreszahl. „Ja, richtig! Das Foto ist jetzt 36 Jahre alt.“ Er schüttelte den Kopf, selbst erstaunt darüber, wie viel Zeit seitdem vergangen war. „Es wurde aufgenommen, kurz bevor deine Mutter die Tunnel wieder verlassen hat. Ich habe das damals sehr bedauert.“ Sein Blick verschleierte sich und er kehrte offensichtlich in die Vergangenheit zurück. „Charlotte hat nicht sehr lange hier gelebt; ich denke, es war ungefähr ein Jahr. Ihr Leben befand sich damals in einer schweren Krise, weil ihre Eltern beide bei einem verheerenden Brand umgekommen waren. Sie selbst hatte überlebt und kam „oben“ nicht mehr zurecht. Einer unserer Helfer hat sie hergebracht. Sie benötigte damals einen Platz zum Ausruhen, zum Heilen. Nach etwa einem Jahr ist sie dann wieder in ihre Welt zurückgekehrt. Sie wollte etwas bewirken, Menschen helfen; wohl auch aufgrund ihrer schrecklichen Erlebnisse. Danach haben wir leider nichts mehr von ihr gehört.“ Vater schien wie aus einem Traum zu erwachen, sein Blick klärte sich und er schaute Chris in die Augen. Seiner Erzählung hatte sie gebannt gelauscht und kaum gewagt zu atmen. Dieser Teil der Vergangenheit ihrer Mutter war ihr bisher völlig unbekannt gewesen. "Was vor meiner Geburt im Leben meiner Mutter passiert ist, davon habe ich bis jetzt nichts gewusst. Sie hat nie darüber gesprochen. Wir haben, als ich ein Kind war, in San Francisco gelebt. Sie hat in einer Hilfsorganisation gearbeitet, die weltweit tätig ist.  Ich bin jetzt 35 Jahre alt; meine Mutter muss also unmittelbar zum Zeitpunkt des Verlassens der Tunnel schwanger geworden sein." Chris stockte kurz und warf Vater einen fragenden Blick zu. "Meinen Vater habe ich nicht gekannt. Mutter hat immer gesagt, er sei an einer Krankheit gestorben. Aber irgendwie habe ich ihr das nie richtig geglaubt." Vater räusperte sich und fragte dann zögernd: "Und ... was macht Charlotte heute?" Er schien die Antwort zu ahnen. "Sie ist gestorben, als ich 10 Jahre alt war.“ Vater stöhnte auf und ließ sich in seinem Stuhl zurücksinken. Die Nachricht hatte ihn offensichtlich sehr getroffen. Chris fuhr fort mit ihrer Schilderung: „Es war ein Verkehrsunfall." Sie schluckte; sie spürte immer noch dumpf den Schmerz, den das kleine Mädchen damals gefühlt hatte. "Ich bin dann bei einer Tante aufgewachsen. Leider ist von meiner Familie nun niemand mehr übrig; nur noch ich." Vincent schaute sie mitfühlend an, streckte den Arm über den Tisch und drückte ihre Hand. Chris lächelte ihm dankbar zu, froh über sein Mitgefühl. "Ich glaube jetzt bin ich wohl an der Reihe, ausführlicher zu erzählen.“ Chris berichtete, wie sie mit 10 Jahren zu ihrer Tante nach New York gekommen war; von ihrer Liebe zu Büchern – an dieser Stelle warfen Vater und Vincent sich einen vielsagenden Blick zu -; von dem Mann, dem Vater ihres Kindes, der sie verlassen hatte, weil er sich noch „nicht reif genug" für ein Kind gefühlt hatte; von ihrer Arbeitsstelle bei George Miller; dem Leben in ihrem Viertel; von den glücklichen Jahren allein mit Peter; von seiner Krankheit und schließlich seinem Tod. Dann schilderte sie ausführlich die Begegnung mit Vincent im Park, ihren Traum und das merkwürdige Gefühl, hier in den Tunneln schon gewesen zu sein. Schließlich öffnete sie ihre Tasche und holte die Zeichnungen heraus, um sie Vater zu zeigen. Er setzte seine Lesebrille auf, um die Bilder zu betrachten. Chris war erneut erstaunt, wie genau sie ihn getroffen hatte. Vater schaute die Zeichnungen an und ließ sich viel Zeit dabei. Er schüttelte ein ums andere Mal den Kopf und murmelte „Unglaublich! Einfach unglaublich“. Schließlich legte er die Zeichnungen auf den Tisch und schaute Chris über seine Brille hinweg nachdenklich an. "Es besteht ganz offensichtlich eine Verbindung zwischen dir und unserer Welt hier unten. Wenn ich daran denke, wie genau dein Traum gewesen ist und mir diese Bilder ansehe, dann ist das ganz klar. War das eigentlich das erste Mal, dass du so etwas geträumt hast oder ist dir das früher schon einmal passiert?" Chris überlegte und wollte schon den Kopf schütteln. Da fielen ihr die Träume aus ihrer Kindheit wieder ein und wie sie ihrer Tante davon erzählt hatte. Wenn sie genau darüber nachdachte, dann hatten sie erst nach dem Tod ihrer Mutter begonnen. Sie hatte von Orten und Dingen geträumt, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Irgendwann später waren dann die Inhalte ihrer Träume auf irgend eine Weise real geworden. Ihre Tante hatte ihr dann verboten, irgend einem Menschen etwas davon zu erzählen und behauptet, sie würde sich dies alles nur einbilden. Später waren die Träume dann seltener geworden und hatten schließlich ganz aufgehört, bis heute. Als sie dies Vater und Vincent schilderte, hörten beide sehr aufmerksam zu und schienen darüber in keiner Weise erstaunt. Offensichtlich nahmen sie die Dinge ernst, die sie schilderte und glaubten ihr. Chris war darüber sehr froh und erleichtert. Dies gab ihr den Mut, noch weiter zu berichten: "Da ist auch noch etwas, eine besondere Gabe, wenn man es so nennen will. Ich kann intensive Gefühle von Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung wahrnehmen. Wenn jemand in meiner Nähe z. B. sehr verzweifelt und unglücklich ist, dann fühle ich das beinahe körperlich mit." Dabei warf sie Vincent einen vorsichtigen Blick zu. "Zu Beginn war das eine sehr große Belastung für mich. Mittlerweile habe ich gelernt, mich davor abzuschirmen, um mich selbst zu schützen. Aber manchmal, wenn es mir selbst nicht so gut geht, gelingt es nicht immer." Vater lehnte sich in seinem Stuhl zurück und nickte nachdenklich. "Offensichtlich hast du sehr sensible Sinne und nimmst wesentlich mehr wahr, als das andere Menschen tun. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das oft eine schwere Bürde ist." Dabei schaute er Vincent an und legte die Hand auf seinen Arm. „Es wundert mich überhaupt nicht, dass ihr beide euch auf diese Art und Weise begegnet seid. Und ich freue mich sehr, dass du den Weg zu uns gefunden hast, meine liebe Chris. Du bist jederzeit herzlich hier bei uns willkommen.“ Ein  Lächeln zog über sein Gesicht. „Vielen Dank Vater, ich bin auch sehr froh darüber.“ Chris war erleichtert und verspürte ein warmes Gefühl der Verbundenheit; so wie bei einem alten Bekannten, den man lange Jahre nicht gesehen, jedoch nicht vergessen hat. Sie erhob sich von ihrem Stuhl. „Ich denke, es wird langsam Zeit, dass ich gehe. Ich habe dich schon viel zu lange vom Schlaf abgehalten.“ Vater stand ebenfalls auf und winkte ab. „Nein, nein, das hast du nicht. Ich bin ein alter Mann, da braucht man nicht mehr so viel Schlaf.“ Er grinste schelmisch und sah mit einem Mal gar nicht mehr alt aus, sondern wie ein übermütiger Junge. Vater kam ganz nah zu ihr heran „Besuche uns bald mal wieder. Dann erzähle ich dir mehr über deine Mutter.“ „Oh ja, das mache ich gern!“ Er zog Chris in seine Arme und hielt sie lange fest. Sie verspürte plötzlich eine heftige Zuneigung zu dem alten Mann und ein Glücksgefühl durchströmte sie. Er ließ sie schließlich los, strich zärtlich mit seiner Hand über ihr Gesicht und küsste sie leicht auf die Wange. „Sei vorsichtig, wenn du nach Hause gehst und pass’ auf dich auf!“ ermahnte er sie noch zum Abschied. Vincent führte Chris schließlich hinaus und geleitete sie zurück durch das Labyrinth der Tunnel. Vater blieb zurück, sank erschöpft auf seinen Stuhl zurück und schloss die Augen. So saß er noch lange da und seine Gedanken wanderten in die Vergangenheit.

Chris folgte Vincent zurück, nahm aber zunächst nur wenig von ihrer Umgebung wahr. Sie musste das Gehörte erst einmal verarbeiten. Schließlich erwachte sie aber doch aus ihren Gedanken, weil sie feststellte, dass Vincent einen völlig anderen Weg eingeschlagen hatte, als sie auf dem Hinweg genommen hatten. „Täusche ich mich, oder ist das jetzt ein anderer Weg als vorhin?“ fragte sie Vincent erstaunt. „Das ist richtig;“ antwortete Vincent lächelnd „das hätten nicht viele Menschen bemerkt, die sich hier nicht auskennen. Es gibt einen Tunnel, der einen Ausgang zu der schmalen Gasse hat, die neben deinem Haus verläuft. Dorthin gehen wir jetzt, damit du nicht alleine durch den dunklen Park laufen musst. Das ist viel zu gefährlich.“ „Ach, wir kommen tatsächlich direkt in meiner Straße aus?“ Chris war sehr erstaunt über diese Tatsache und dachte daran, dass die Tunnel die ganze Zeit praktisch unter ihr gewesen waren, ohne dass sie es wusste. Vincent lächelte über ihren erstaunten Gesichtsausdruck. „Die Tunnel sind sehr weit verzweigt und selbst wir entdecken noch immer neue Bereiche, die wir bisher nicht kannten.“ Er blieb stehen und drehte sich zu ihr herum. „So, wir sind da.“ „Schon?“ fragte Chris ein wenig enttäuscht. Der Gedanke, sich so schnell wieder von Vincent trennen zu müssen, machte sie traurig. Sie blickte in den dämmrigen Durchgang, vor dem sie angehalten hatten und schaute dann wieder Vincent an. „Ich kann noch gar nicht glauben, was ich heute alles erlebt habe. Das muss ich erst einmal verdauen. Aber Vincent, wir haben nur über mich gesprochen und du konntest mir gar nicht erzählen, was dich so traurig macht. Du weißt, leugnen ist zwecklos, ich kann es fühlen.“ Vincent senkte den Kopf und schloss die Augen. Ein gequälter Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Ich habe Angst davor, alles wieder hervorzuholen, was ich versucht habe zu vergessen. Nein, nicht vergessen. Das kann ich nicht, so lange ich lebe. Ich habe versucht, den Schmerz und die Trauer zu unterdrücken, herunterzuschlucken. Aber das geht nicht. Die Gefühle kommen irgendwann mit Macht wieder zurück und dann ist es nur um so schlimmer.“ Chris spürte seine Verzweiflung fast körperlich und sie empfand großes Mitleid mit Vincent. Sie trat nah an ihn heran und legte eine Hand auf seine Brust. Mit der anderen hob sie sein Kinn, sodass er sie anschauen musste. „Ich werde versuchen dir zu helfen so gut ich kann. Du bist nicht alleine mit deinem Schmerz; ich weiß genau, wie du dich fühlst. Wann sehen wir uns wieder?“ „Ich werde heute Abend um 22:00 Uhr wieder hier sein und auf dich warten, wenn es dir Recht ist.“ Er schaute sie fragend und hoffnungsvoll an. „Ich werde da sein Vincent. Gute Nacht!“ Sie drehte sich herum und verschwand langsam durch den Mauerdurchbruch in der Dunkelheit. Vincent stand noch lange dort und dachte an die vielen anderen Gelegenheiten, wo er so dagestanden und einer Frau nachgeschaut hatte. Schließlich gab er sich einen Ruck und machte sich auf den Weg zurück.





Wenn Liebende fallen, die Liebe fällt nicht.
Und dem Tod soll kein Reich mehr bleiben.
nach oben
Benutzerprofil anzeigen Private Nachricht an dieses Mitglied senden YIM-Nachricht an dieses Mitglied senden
Sortierung ändern:  
Anfang   zurück   weiter   Ende
Seite 185 von 580
Gehe zu:   
Search

powered by carookee.com - eigenes profi-forum kostenlos

Design © trevorj