Sanft streichelt der milde Wind über den weißen Sandstrand,
wellt das azurblaue Meer ein wenig, lässt den grünen Schopf der Palmen
mal hierhin und mal dorthin winken.
Duftende Pflanzen locken mit ihrer knallroten, strahlend gelben oder
zart violetten Blütenpracht verspielte, ebenso farbenprächtige,
lustig zwitschernde Vögel an.
Weit hinten von den Bergen herab ergießt sich ein kristallklarer Fluss
durch die Wiesen, Fische springen die sprudelnden, gurgelnden
Stromschnellen hinauf, Hasenohren schauen zwischen den mit saftigen
Beeren übersäten Büschen am Ufer hervor.
Mutter Erde hat sich schön gemacht, sehr, sehr schön.
Noch ist niemand hier, der diese Pracht mit ihr teilen kann.
Mit ihrem Atem bläst sie kleine Tröpfchen in die strahlende Sonne,
ein wundervoller Regenbogen leuchtet vom Strand bis hoch zum Himmel.
Es ist eine Einladung, und sie ist so verlockend, dass kleine, zarte Wesen
den Regenbogen heruntergerutscht kommen.
Kinderfüße treten Spuren in den Sand, Lachen erfüllt die Luft,
kleine Hände greifen nach Muscheln, leuchtende Augen betrachten
staunend das zauberhafte Kleid von Mutter Erde, und sich selbst.
Viel, viel später.
Gerda und Kai sitzen neben den blühenden Rosenstöckchen auf den
Holzplanken, die hoch über der Gasse wie eine Brücke die beiden Häuser
miteinander verbinden.
"Oh, wie schön, sieh mal Kai!" Ruft Gerda vergnügt aus.
"Ja, ein herrlicher Regenbogen." Erwidert Kai.
"Bitte liebe Mutter Erde, schenk ihn uns, er soll uns für immer verbinden,
Kai und mich." Wünscht sich Gerda voller Freude.
Und so geschieht es.
Nun, ihr kennt sicher die Geschichte, wie Kai den Splitter ins Auge bekommt,
wie er sich an den Schlitten der Schneekönigin hängt, und weit, weit weg,
tief hinein in die Kälte gelangt.
Vielleicht wusstet ihr es auch, vielleicht nicht, es war der Regenbogen,
der die beiden immer miteinander verbunden hat, der Gerda gefüht hat,
auf ihrem langen Weg, zu Kai in die Kälte.
Nun sind sie wieder zusammen, und groß sind sie geworden,
am Ufer des Flusses schlendern sie entlang, dort wo der kleine Pfad
sich durch das herabhängende Grün der Weiden schlängelt.
"Ich sehne mich so sehr nach dem Meer, nach den weißen Stränden,
den Palmen, die sich im Wind wiegen, dem klaren Wasser, der ganz
leicht nach Salz schmeckenden Luft....." Schwärmt Gerda.
"Ja, diese Sehnsucht spüre ich in mir auch." Antwortet Kai. "Am Meer
war ich noch nie, doch ich fühle in mir, wie schön es dort ist."
Still bleiben sie stehen, betrachten den herrlich leuchtenden Regenbogen,
der sich vor ihnen aufspannt.
"Der ist für euch." Flüstert Mutter Erde ihnen zärtlich zu. "Wenn ihr möchtet,
führt er euch hinauf in den Himmel, und auf der anderen Seite wieder
hinunter, genau dorthin, wohin euch die Sehnsucht in eurem Herzen ruft.
Jedoch wisset eins. Man kann nur allein hinübergehen. Wer beschließt,
dorthin aufzubrechen, muss loslassen."
Schweigend betrachten sie den Regenbogen, und sie spüren die Sehnsucht
in ihren Herzen, das Gefühl, zurückkehren zu wollen.
"Zeit zu gehen." Kai blickt Gerda wehmütig an.
"Werden wir uns am Meer wiedersehen?" Fragt sie leise.
"Könnte es jemals anders sein?" Antworten Kais Augen, während der Wind
mit dem kreischenden Ruf einer Möwe spielt.
Diddi
Login
Kostenlos anmelden
Beiträge
Suche
Hilfe
Chat
Dateien
Kalender
