Ebbes Asyl
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New PostErstellt: 17.09.09, 13:00     Betreff: Re: BÄREN-Gedichte, -Märchen, -Textchen

Der Nackte Bär in Berlin

Tief im Märchenwald, auf einer dunkelblauen Wolke, schlief laut schnarchend
... der Nackte Bär.
Nachdem er einer der Märchenhexen ihr schwarzes Lieblingswildschwein gemoppst,
ihren Melonengarten geplündert und alles zusammen mit großem Appetit verzehrt
hatte, lag er satt und schwer im Tiefschlaf und bemerkte nicht, dass er immer tiefer
und tiefer in seiner Märchenbettwolke versank. - Und da, auf einmal, - schwupp,
rutschte er hindurch und fiel ... hinunter auf die Erde.
Rumms. Da lag er nun. Mitten in Berlin. Nachts.
Benommen öffnete er seine schwarzen runden Bärenaugen. Lichter. Ein Lichtermeer
rings um ihn herum. Was stand da auf einem alten verrosteten Schild?: 'Kudamm'.
"Kuh?-Damm?", dachte der Nackte Bär, "mm-jamm, sicher gibt es hier Gutes zu futtern".
Tja, - ein Fresstempel neben dem anderen, jeder getaucht in flackernd blaue, rote, gelbe
Neonbuchstaben. Doch, ohje, alle Türen so eng, dass der dicke Nackte Bär nirgends
hindurchpasste. Also wanderte er weiter, - und weiter. Auf seinem Weg durch Berlin
sah er viele Bären, verkleidete Bären, "phhhh", - na, aber das sah doch jeder Blinde!
Er schnappte die Worte "Fasenach" auf, "Fasching", "Karneval"; - sie sagten ihm nichts.
So kam der Nackte Bär auch zum Finanzamt nach Zehlendorf - und staunte nicht
schlecht, dort eine dicke alte nackte Bärin zu finden, die ihn sogleich weiterschickte
zum Spandauer Damm und meinte, dort würde er einen Gleichgesinnten finden.
Dem Nackten Bären schmerzten die Tatzen, - doch er tappte folgsam kreuz und quer
durch Berlin, als ihn der Spandauer weiterschickte zu den nackten Bären am Stadtbad,
diese ihn nach Frohnau verwiesen und der große Nacktbär, der dort auf einer riesigen
Kugel thronte, ihm den Rat gab, doch einmal im Zoo zu versuchen, dort Freunde und
etwas Fressbares zu finden.
Als der Nackte Bär müde und mit wunden Nacktbärenpfoten im Zoo ankam, erschrak
er fürchterlich. Eisbären in allen Größen, Braunbären, Schwarzbären, Koalabären ...,
alle dicht bewachsen, dick befellt. Oh-nein, - mit ihnen wollte er nicht fressen, nicht
spielen, nicht träumen - und schon gar nicht in ihren eng bemessenen Käfigen leben.
Traurig schleppte sich der Nackte Bär hinfort, weiter und weiter. Bald sah er einen hohen,
hohen Turm. 'Fernsehturm Berlin' stand da auf einem gelben Schild. "Dort hinauf werde
ich steigen", dachte der Nackte Bär, " und von oben versuchen, wieder auf meine geliebte
blaue Wolke und ins Märchenland zu gelangen".
Er erzwang sich einen Weg ins Innere des Turmes, betrat eine enge Kapsel, drückte dort
auf einen Knopf "nach oben", sauste in Windeseile in die Höhe - und stand bald darauf
auf einer Plattform hoch über Berlin.
Dort, auf einem Gitter, saß ... eine alte grüne Hexe. Sie kicherte und lachte so sehr,
dass grüner heißer Schleim aus allen ihren Poren tropfte. "Hehehehe, hier finde ich
Dich also, Nackter Bär. Ich mache Dir ein Geschenk! Duuu hast meine Hexenschwester
mit deinem Schweine- und Melonenraub so sehr geärgert, dass mir vor Schadenfreude
das Herz im Leibe schwoll. Dafür werde ich Dich, wenn Du es denn wünschst, wieder
hinauf in Deinen Märchenwald bringen."
Noch niemals zuvor war der Nackte Bär so froh gewesen, einer Hexe zu begegnen.
Schnell willigte er ein, setzte sich hinter der Märchenhexe auf deren Besen, - und
in Windeseile durchflogen sie die Berliner Luft, duchstießen alle menschlichen Gedanken,
alle irdischen Wölkchen, und landeten in wenigen Minuten mitten im wunderschön
geheimnisvollen, heimatlichen Märchenwald.
Der Nackte Bär fühlte sich so überglücklich, dass er die grüne Hexe fest umpfotete und
sie voller Dankbarkeit voll auf ihren zahn- und lippenlosen Mund küsste.
"Iiiigitt", schrie die Hexe - und machte sich schleimigst aus dem Staube.
Und der Nackte Bär schwor sich, nie, nie, nie mehr so viel auf einmal zu fressen,
dass er wieder sooo schwer würde, durch sein kuschligblaues Wolkenbett zu plumpsen. 

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