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bjk

Beiträge: 7353
Ort: Berlin


New PostErstellt: 03.09.03, 09:35  Betreff:  Re: aus dem DF kopiert  drucken  weiterempfehlen



Baba_Yaga
Sapere aude! Wage es zu wissen - Horaz


Re: Die Juden - Ephraim Lessing 1749

am: 09/12/02 um 22:53:16

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Funfzehnter Auftritt

Der Reisende

Der Reisende. Ich vermisse meine Dose. Es ist eine Kleinigkeit; gleichwohl ist mir der Verlust empfindlich. Sollte mir sie wohl der Vogt? – – Doch ich kann sie verloren haben, – ich kann sie aus Unvorsichtigkeit herausgerissen haben. – – Auch mit seinem Verdachte muß man niemand beleidigen. – Gleichwohl, – er drängte sich an mich heran; – er griff nach der Uhr: – ich ertappte ihn; könnte er auch nicht nach der Dose gegriffen haben, ohne daß ich ihn ertappt hätte?

Sechzehnter Auftritt

Martin Krumm. Der Reisende

Martin Krumm (als er den Reisenden gewahr wird, will er wieder umkehren).

Hui!
Der Reisende. Nu, nu, immer näher, mein Freund! – – (Beiseite.) Ist er doch so schüchtern, als ob er meine Gedanken wüßte! – – Nu? nur näher!
Martin Krumm (trotzig). Ach! ich habe nicht Zeit! Ich weiß schon, Sie wollen mit mir plaudern. Ich habe wichtigere Sachen zu tun. Ich mag Ihre Heldentaten nicht zehnmal hören. Erzählen Sie sie jemanden, der sie noch nicht weiß.

Der Reisende.

Was höre ich? vorhin war der Vogt einfältig und höflich, jetzt ist er unverschämt und grob. Welches ist denn Eure rechte Larve?

Martin Krumm.

Ei! das hat Sie der Geier gelernt, mein Gesicht eine Larve zu schimpfen. Ich mag mit Ihnen nicht zanken, – sonst – – (Er will fortgehen.)

Der Reisende.

Sein unverschämtes Verfahren bestärkt mich in meinem Argwohne. – Nein, nein, Geduld! Ich habe Euch etwas Notwendiges zu fragen –

Martin Krumm.

Und ich werde nichts drauf zu antworten haben, es mag so notwendig sein, als es will. Drum sparen Sie nur die Frage.

Der Reisende.

Ich will es wagen – Allein, wie leid würde mir es sein, wann ich ihm unrecht täte. – – Mein Freund, habt Ihr nicht meine Dose gesehn? – Ich vermisse sie. – –

Martin Krumm.

Was ist das für eine Frage? Kann ich etwas dafür, daß man sie Ihnen gestohlen hat? – – Für was sehen Sie mich an? für den Hehler? oder für den Dieb?

DerReisende.
Wer redt denn vom Stehlen? Ihr verratet Euch fast selbst – –

Martin Krumm.

Ich verrate mich selbst? Also meinen Sie, daß ich sie habe? Wissen Sie auch, was das zu bedeuten hat, wenn man einen ehrlichen Kerl dergleichen beschuldigt. Wissen Sie's?

Der Reisende.

Warum müßt Ihr so schreien? Ich habe Euch noch nichts beschuldigt. Ihr seid Euer eigner Ankläger. Dazu weiß ich eben nicht, ob ich großes Unrecht haben würde? Wen ertappte ich denn vorhin, als er nach meiner Uhr greifen wollte?

Martin Krumm.

Oh! Sie sind ein Mann, der gar keinen Spaß versteht. Hören Sie's! – – (Beiseite.) Wo er sie nur nicht bei Lisetten gesehen hat – Das Mädel wird doch nicht närrisch sein, und sich damit breit machen – –

Der Reisende.

Oh! ich verstehe den Spaß so wohl, daß ich glaube, Ihr wollt mit meiner Dose auch spaßen. Allein wenn man den Spaß zu weit treibt, verwandelt er sich endlich in Ernst. Es ist mir um Euren guten Namen leid. Gesetzt, ich wäre überzeugt, daß Ihr es nicht böse gemeint hättet, würden auch andre – –

Martin Krumm.

Ach, – andre! – andre! – andre wären es längst überdrüssig, sich so etwas vorwerfen zu lassen. Doch, wenn Sie denken, daß ich sie habe: befühlen Sie mich, – – visitieren Sie mich – –

Der Reisende.

Das ist meines Amts nicht. Dazu trägt man auch nicht alles bei sich in der Tasche.

Martin Krumm.

Nun gut! damit Sie sehen, daß ich ein ehrlicher Kerl bin, so will ich meine Schubsäcke selber umwenden. – Geben Sie acht! – (Beiseite.) Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn sie herausfiele.

Der Reisende.

O macht Euch keine Mühe!

Martin Krumm.

Nein, nein: Sie sollen's sehn, Sie sollen's sehn. (Er wendet die eine Tasche um.) Ist da eine Dose? Brotkrümel sind drinne: das liebe Gut! (Er wendet die andere um.) Da ist auch nichts! Ja; – doch! ein Stückchen Kalender. – Ich hebe es der Verse wegen auf, die über den Monaten stehen. Sie sind recht schnurrig. – Nu, aber daß wir weiterkommen. Geben sie acht: da will ich den dritten umwenden. (Bei dem Umwenden fallen zwei große Bärte heraus.) Der Henker! was laß ich da fallen?
(Er will sie hurtig aufheben, der Reisende aber ist hurtiger, und erwischt einen davon.)

Der Reisende.

Was soll das vorstellen?

Martin Krumm (beiseite).

O verdammt! ich denke, ich habe den Quark lange von mir gelegt.

Der Reisende.

Das ist ja gar ein Bart. (Er macht ihn vors Kinn.) Sehe ich bald einem Juden so ähnlich? – –

Martin Krumm.

Ach geben Sie her! geben Sie her! Wer weiß, was Sie wieder denken? Ich schrecke meinen kleinen Jungen manchmal damit. Dazu ist er.

Der Reisende.

Ihr werdet so gut sein, und mir ihn lassen. Ich will auch damit schrecken.

Martin Krumm.

Ach! vexieren Sie sich nicht mit mir. Ich muß ihn wiederhaben. (Er will ihn aus der Hand reißen.)

Der Reisende. Geht, oder – –

Martin Krumm (beiseite).

Der Geier! nun mag ich sehen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. – – Es ist schon gut; es ist schon gut! Ich seh's, Sie sind zu meinem Unglücke hiehergekommen. Aber, hol mich alle Teufel, ich bin ein ehrlicher Kerl! und den will ich sehn, der mir etwas Schlimmes nachreden kann. Merken Sie sich das! Es mag kommen zu was es will, so kann ich es beschwören, daß ich den Bart zu nichts Bösem gebraucht habe. – (Geht ab.)

Siebzehnter Auftritt

Der Reisende.

Der Reisende.

Der Mensch bringt mich selbst auf einen Argwohn, der ihm höchst nachteilig ist. – – Könnte er nicht einer von den verkappten Räubern gewesen sein? – Doch ich will in meiner Vermutung behutsam gehen.

Achtzehnter Auftritt

Der Baron. Der Reisende.

Der Reisende.

Sollten Sie nicht glauben, ich wäre gestern mit den jüdischen Straßenräubern ins Handgemenge gekommen, daß ich einem davon den Bart ausgerissen hätte? (Er zeigt ihm den Bart.)

Der Baron.

Wie verstehn Sie das, mein Herr? – – Allein, warum haben Sie mich so geschwind im Garten verlassen?

Der Reisende.

Verzeihen Sie meine Unhöflichkeit. Ich wollte gleich wieder bei Ihnen sein. Ich ging nur meine Dose zu suchen, die ich hier herum muß verloren haben.

Der Baron.

Das ist mir höchst empfindlich. Sie sollten noch bei mir zu Schaden kommen?

Der Reisende.

Der Schade würde so groß nicht sein – – Allein betrachten Sie doch einmal diesen ansehnlichen Bart!

Der Baron.

Sie haben mir ihn schon einmal gezeigt. Warum?

Der Reisende.

Ich will mich Ihnen deutlicher erklären. Ich glaube – – Doch nein, ich will meine Vermutungen zurückhalten. – –

Der Baron.

Ihre Vermutungen? Erklären Sie sich!

Der Reisende.

Nein; ich habe mich übereilt. Ich könnte mich irren – –

Der Baron.

Sie machen mich unruhig.

Der Reisende.

Was halten Sie von Ihrem Vogt?

Der Baron.

Nein, nein; wir wollen das Gespräch auf nichts anders lenken – – Ich beschwöre Sie bei der Wohltat, die Sie mir erzeigt haben, entdecken Sie mir, was Sie glauben, was Sie vermuten, worinne Sie sich könnten geirrt haben!

Der Reisende.

Nur die Beantwortung meiner Frage kann mich antreiben, es Ihnen zu entdecken.

Der Baron.

Was ich von meinem Vogte halte? – – Ich halte ihn für einen ganz ehrlichen und rechtschaffnen Mann.

Der Reisende.

Vergessen Sie also, daß ich etwas habe sagen wollen.

Der Baron.

Ein Bart, – Vermutungen, – der Vogt, – wie soll ich diese Dinge verbinden? – Vermögen meine Bitten nichts bei Ihnen? – Sie könnten sich geirrt haben? Gesetzt, Sie haben sich geirrt; was können Sie bei einem Freunde für Gefahr laufen?

Der Reisende.

Sie dringen zu stark in mich. Ich sage Ihnen also, daß der Vogt diesen Bart aus Unvorsichtigkeit hat fallen lassen; daß er noch einen hatte, den er aber in der Geschwindigkeit wieder zu sich steckte; daß seine Reden einen Menschen verrieten, welcher glaubt, man denke von ihm ebensoviel Übels, als er tut; daß ich ihn auch sonst über einem nicht allzugewissenhaften – – wenigstens nicht allzuklugen Griffe, ertappt habe.

Der Baron.

Es ist als ob mir die Augen auf einmal aufgingen. Ich besorge, – Sie werden sich nicht geirrt haben. Und Sie trugen Bedenken, mir so etwas zu entdecken? – Den Augenblick will ich gehn, und alles anwenden, hinter die Wahrheit zu kommen. Sollte ich meinen Mörder in meinem eignen Hause haben?

Der Reisende.

Doch zürnen Sie nicht auf mich, wenn Sie, zum Glücke, meine Vermutungen falsch befinden sollten. Sie haben mir sie ausgepreßt, sonst würde ich sie gewiß verschwiegen haben.

Der Baron.

Ich mag sie wahr oder falsch befinden, ich werde Ihnen allzeit dafür danken.

Neunzehnter Auftritt

Der Reisende (und hernach) Christoph.

Der Reisende.

Wo er nur nicht zu hastig mit ihm verfährt! Denn so groß auch der Verdacht ist, so könnte der Mann doch wohl noch unschuldig sein. – Ich bin ganz verlegen. – – In der Tat ist es nichts Geringes, einem Herrn seine Untergebnen so verdächtig zu machen. Wenn er sie auch unschuldig befindet, so verliert er doch auf immer das Vertrauen zu ihnen. – Gewiß, wenn ich es recht bedenke, ich hätte schweigen sollen – Wird man nicht Eigennutz und Rache für die Ursachen meines Argwohns halten, wenn man erfährt, daß ich ihm meinen Verlust zugeschrieben habe? – Ich wollte ein Vieles darum schuldig sein, wenn ich die Untersuchung noch hintertreiben könnte –

Christoph (kömmt gelacht).

Ha! ha! ha! wissen Sie, wer Sie sind, mein Herr?

Der Reisende.

Wißt Ihr, daß Ihr ein Narr seid? Was fragt Ihr?

Christoph.

Gut! wenn Sie es denn nicht wissen, so will ich es Ihnen sagen. Sie sind einer von Adel. Sie kommen aus Holland. Allda haben Sie Verdrüßlichkeiten und ein Duell gehabt. Sie sind so glücklich gewesen, einen jungen Naseweis zu erstechen. Die Freunde des Entleibten haben Sie heftig verfolgt. Sie haben sich auf die Flucht begeben. Und ich habe die Ehre, Sie auf der Flucht zu begleiten.

Der Reisende.

Träumt Ihr, oder raset Ihr?

Christoph.


Keines von beiden. Denn für einen Rasenden wäre meine Rede zu klug, und für einen Träumenden zu toll.

Der Reisende.

Wer hat Euch solch unsinniges Zeug weisgemacht?

Christoph.

O dafür ist gebeten, daß man mir's weismacht. Allein finden Sie es nicht recht wohl ausgesonnen? In der kurzen Zeit, die man mir zum Lügen ließ, hätte ich gewiß auf nichts Bessers fallen können. So sind Sie doch wenigstens vor weitrer Neugierigkeit sicher!

Der Reisende.

Was soll ich mir aber aus alledem nehmen?

Christoph.

Nichts mehr, als was Ihnen gefällt; das übrige lassen Sie mir. Hören Sie nur, wie es zuging. Man fragte mich nach Ihrem Namen, Stande, Vaterlande, Verrichtungen; ich ließ mich nicht lange bitten, ich sagte alles, was ich davon wußte; das ist: ich sagte, ich wüßte nichts. Sie können leicht glauben, daß diese Nachricht sehr unzulänglich war, und daß man wenig Ursache hatte, damit zufrieden zu sein. Man drang also weiter in mich; allein umsonst! Ich blieb verschwiegen, weil ich nichts zu verschweigen hatte. Doch endlich brachte mich ein Geschenk, welches man mir anbot, dahin, daß ich mehr sagte, als ich wußte; das ist: ich log.

Der Reisende.

Schurke! ich befinde mich, wie ich sehe, bei Euch in feinen Händen.

Christoph.

Ich will doch nimmermehr glauben, daß ich von ohngefähr die Wahrheit sollte gelogen haben?

Der Reisende.

Unverschämter Lügner, Ihr habt mich in eine Verwirrung gesetzt, aus der – –

Christoph.

Aus der Sie sich gleich helfen können, sobald Sie das schöne Beiwort, das Sie mir jetzt zu geben beliebten, bekannter machen.

Der Reisende.

Werde ich aber alsdenn nicht genötiget sein, mich zu entdecken?

Christoph.

Desto besser! so lerne ich Sie bei Gelegenheit auch kennen. – Allein, urteilen Sie einmal selbst, ob ich mir wohl, mit gutem Gewissen, dieser Lügen wegen ein Gewissen machen konnte? (Er zieht die Dose heraus.) Betrachten Sie diese Dose! Hätte ich Sie leichter verdienen können?

Der Reisende.

Zeigt mir sie doch! – (Er nimmt sie in die Hand.) Was seh ich?

Christoph.

Ha! ha! ha! Das dachte ich, daß Sie erstaunen würden. Nicht wahr, Sie lögen selber ein Gesetzchen, wenn Sie so eine Dose verdienen könnten.

Der Reisende.
Und also habt Ihr mir sie entwendet?

Christoph.

Wie? was?

Der Reisende.

Eure Treulosigkeit ärgert mich nicht so sehr, als der übereilte Verdacht, den ich deswegen einem ehrlichen Mann zugezogen habe. Und Ihr könnt noch so rasend frech sein, mich überreden zu wollen, sie wäre ein, – – obgleich beinahe ebenso schimpflich erlangtes, – Geschenk? Geht! kommt mir nicht wieder vor die Augen!

Christoph.

Träumen Sie, oder – – aus Respekt will ich das andre noch verschweigen. Der Neid bringt Sie doch nicht auf solche Ausschweifungen? Die Dose soll Ihre sein? Ich soll sie Ihnen, salva venia, gestohlen haben? Wenn das wäre; ich müßte ein dummer Teufel sein, daß ich gegen Sie selbst damit prahlen sollte. – Gut, da kömmt Lisette! Hurtig komm Sie; helf Sie mir doch, meinen Herrn wieder zurechte bringen.

Zwanzigster Auftritt

Lisette. Der Reisende. Christoph.

Lisette.

O mein Herr, was stiften Sie bei uns für Unruhe! Was hat Ihnen denn unser Vogt getan? Sie haben den Herrn ganz rasend auf ihn gemacht. Man redt von Bärten, von Dosen, von Plündern; der Vogt weint und flucht, daß er unschuldig wäre, daß Sie die Unwahrheit redten. Der Herr ist nicht zu besänftigen, und jetzt hat er sogar nach dem Schulzen und den Gerichten geschickt, ihn schließen zu lassen. Was soll denn das alles heißen?

Christoph.

Oh! das ist alles noch nichts, hör Sie nur, hör Sie, was er jetzt gar mit mir vorhat – –

Der Reisende.

Ja freilich, meine liebe Lisette, ich habe mich übereilt. Der Vogt ist unschuldig. Nur mein gottloser Bedienter hat mich in diese Verdrüßlichkeiten gestürzt. Er ist's, der mir meine Dose entwandt hat, derenwegen ich den Vogt im Verdacht hatte; und der Bart kann allerdings ein Kinderspiel gewesen sein, wie er sagte. Ich geh, ich will ihm Genugtuung geben, ich will meinen Irrtum gestehn, ich will ihm, was er nur verlangen kann – –

Christoph.

Nein, nein, bleiben Sie! Sie müssen mir erst Genugtuung geben. Zum Henker, so rede Sie doch, Lisette, und sage Sie, wie die Sache ist. Ich wollte, daß Sie mit Ihrer Dose am Galgen wäre! Soll ich mich deswegen zum Diebe machen lassen? Hat Sie mir sie nicht geschenkt?

Lisette.

Ja freilich! und sie soll Ihm auch geschenkt bleiben.

Der Reisende.

So ist es doch wahr? Die Dose gehört aber mir.

Lisette.

Ihnen? das habe ich nicht gewußt.

Der Reisende.

Und also hat sie wohl Lisette gefunden? und meine Unachtsamkeit ist an allen den Verwirrungen schuld? (Zu Christophen.) Ich habe Euch auch zuviel getan! Verzeiht mir! Ich muß mich schämen, daß ich mich so übereilen können.

Lisette (beiseite).

Der Geier! nun werde ich bald klug. Oh! er wird sich nicht übereilt haben.

Der Reisende.

Kommt, wir wollen – –

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Was nicht originell ist, daran ist nichts gelegen,
und was originell ist, trägt immer die Gebrechen des Individuums an sich.
(Goethe)





Baba_Yaga
Sapere aude! Wage es zu wissen - Horaz


Re: Die Juden - Ephraim Lessing 1749

am: 09/12/02 um 23:41:28

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Einundzwanzigster Auftritt

Der Baron. Der Reisende. Lisette. Christoph.

Der Baron (kömmt hastig herzu).

Den Augenblick, Lisette, stelle dem Herrn seine Dose wieder zu! Es ist alles offenbar; er hat alles gestanden. Und du hast dich nicht geschämt, von so einem Menschen Geschenke anzunehmen? Nun? wo ist die Dose?

Der Reisende.

Es ist also doch wahr? – –

Lisette.

Der Herr hat sie lange wieder. Ich habe geglaubt, von wem Sie Dienste annehmen können, von dem könne ich auch Geschenke annehmen. Ich habe ihn sowenig gekannt, wie Sie.

Christoph.

Also ist mein Geschenk zum Teufel? Wie gewonnen, so zerronnen!

Der Baron.

Wie aber soll ich, teuerster Freund, mich gegen Sie erkenntlich erzeigen? Sie reißen mich zum zweitenmal aus einer gleich großen Gefahr. Ich bin Ihnen mein Leben schuldig. Nimmermehr würde ich, ohne Sie, mein so nahes Unglück entdeckt haben. Der Schulze, ein Mann, den ich für den ehrlichsten auf allen meinen Gütern hielt, ist sein gottloser Gehilfe gewesen. Bedenken Sie also, ob ich jemals dies hätte vermuten können! Wären Sie heute von mir gereiset – –

Der Reisende.

Es ist wahr – – so wäre die Hilfe, die ich Ihnen gestern zu erweisen glaubte, sehr unvollkommen geblieben. Ich schätze mich also höchst glücklich, daß mich der Himmel zu dieser unvermuteten Entdeckung ausersehen hat; und ich freue mich jetzt so sehr, als ich vorher, aus Furcht zu irren, zitterte.

Der Baron.

Ich bewundre Ihre Menschenliebe, wie Ihre Großmut. O möchte es wahr sein, was mir Lisette berichtet hat!

Zweiundzwanzigster Auftritt

Das Fräulein und die Vorigen.

Lisette.

Nun, warum sollte es nicht wahr sein?

Der Baron.

Komm, meine Tochter, komm! Verbinde deine Bitte mit der meinigen: ersuche meinen Erretter, deine Hand, und mit deiner Hand mein Vermögen anzunehmen. Was kann ihm meine Dankbarkeit Kostbarers schenken, als dich, die ich ebensosehr liebe, als ihn? Wundern Sie sich nur nicht, wie ich Ihnen so einen Antrag tun könne. Ihr Bedienter hat uns entdeckt, wer Sie sind. Gönnen Sie mir das unschätzbare Vergnügen, erkenntlich zu sein! Mein Vermögen ist meinem Stande, und dieser dem Ihrigen gleich. Hier sind Sie vor Ihren Feinden sicher und kommen unter Freunde, die Sie anbeten werden. Allein Sie werden niedergeschlagen? Was soll ich denken?

Das Fräulein.

Sind Sie etwa meinetwegen in Sorgen? Ich versichere Sie, ich werde dem Papa mit Vergnügen gehorchen.

Der Reisende.

Ihre Großmut setzt mich in Erstaunen. Aus der Größe der Vergeltung, die Sie mir anbieten, erkenne ich erst, wie klein meine Wohltat ist. Allein, was soll ich Ihnen antworten? Mein Bedienter hat die Unwahrheit gered't, und ich –

Der Baron.

Wollte der Himmel, daß Sie das nicht einmal wären, wofür er Sie ausgibt! Wollte der Himmel, Ihr Stand wäre geringer, als der meinige! So würde doch meine Vergeltung etwas kostbarer, und Sie würden vielleicht weniger ungeneigt sein, meine Bitte stattfinden zu lassen.

Der Reisende (beiseite).

Warum entdecke ich mich auch nicht? – Mein Herr, Ihre Edelmütigkeit durchdringet meine ganze Seele. Allein schreiben Sie es dem Schicksale, nicht mir zu, daß Ihr Anerbieten vergebens ist. Ich bin – –

Der Baron.

Vielleicht schon verheiratet?

Der Reisende.

Nein – –

Der Baron.

Nun? was?

Der Reisende.

Ich bin ein Jude.

Der Baron.

Ein Jude? grausamer Zufall!

Christoph.

Ein Jude?

Lisette.

Ein Jude?

Das Fräulein.

Ei, was tut das?

Lisette.

St! Fräulein, st! ich will es Ihnen hernach sagen, was das tut.


Der Baron

So gibt es denn Fälle, wo uns der Himmel selbst verhindert, dankbar zu sein?

Der Reisende.

Sie sind es überflüssig dadurch, daß Sie es sein wollen.

Der Baron.

So will ich wenigstens soviel tun, als mir das Schicksal zu tun erlaubt. Nehmen Sie mein ganzes Vermögen. Ich will lieber arm und dankbar, als reich und undankbar sein.

Der Reisende.

Auch dieses Anerbieten ist bei mir umsonst, da mir der Gott meiner Väter mehr gegeben hat, als ich brauche. Zu aller Vergeltung bitte ich nichts, als daß Sie künftig von meinem Volke etwas gelinder und weniger allgemein urteilen. Ich habe mich nicht vor Ihnen verborgen, weil ich mich meiner Religion schäme. Nein! Ich sahe aber, daß Sie Neigung zu mir, und Abneigung gegen meine Nation hatten. Und die Freundschaft eines Menschen, er sei wer er wolle, ist mir allezeit unschätzbar gewesen.

Der Baron.

Ich schäme mich meines Verfahrens.

Christoph.

Nun komm ich erst von meinem Erstaunen wieder zu mir selber. Was? Sie sind ein Jude, und haben das Herz gehabt, einen ehrlichen Christen in Ihre Dienste zu nehmen? Sie hätten mir dienen sollen. So wär' es nach der Bibel recht gewesen. Potz Stern! Sie haben in mir die ganze Christenheit beleidigt – Drum habe ich nicht gewußt, warum der Herr, auf der Reise, kein Schweinfleisch essen wollte, und sonst hundert Alfanzereien machte. – Glauben Sie nur nicht, daß ich Sie länger begleiten werde! Verklagen will ich Sie noch dazu.

Der Reisende.

Ich kann es Euch nicht zumuten, daß Ihr besser, als der andre christliche Pöbel, denken sollt. Ich will Euch nicht zu Gemüte führen, aus was für erbärmlichen Umständen ich Euch in Hamburg riß. Ich will Euch auch nicht zwingen, länger bei mir zu bleiben. Doch weil ich mit Euren Diensten so ziemlich zufrieden bin, und ich Euch vorhin außerdem in einem ungegründeten Verdachte hatte, so behaltet zur Vergeltung, was diesen Verdacht verursachte. (Gibt ihm die Dose.) Euren Lohn könnt Ihr auch haben. Sodann geht, wohin Ihr wollt!

Christoph.

Nein, der Henker! es gibt doch wohl auch Juden, die keine Juden sind. Sie sind ein braver Mann. Topp, ich bleibe bei Ihnen! Ein Christ hätte mir einen Fuß in die Rippen gegeben, und keine Dose!

Der Baron.

Alles was ich von Ihnen sehe, entzückt mich. Kommen Sie, wir wollen Anstalt machen, daß die Schuldigen in sichere Verwahrung gebracht werden. O wie achtungswürdig wären die Juden, wenn sie alle Ihnen glichen!

Der Reisende. Und wie liebenswürdig die Christen, wenn sie alle Ihre Eigenschaften besäßen! (Der Baron, das Fräulein und der Reisende gehen ab.)

Letzter Auftritt

Lisette. Christoph.

Lisette.

Also, mein Freund, hat Er mich vorhin belogen?

Christoph.

Ja, und das aus zweierlei Ursachen. Erstlich, weil ich die Wahrheit nicht wußte; und anderns, weil man für eine Dose, die man wiedergeben muß, nicht viel Wahrheit sagen kann.

Lisette.
Und wann's dazu kömmt, ist Er wohl gar auch ein Jude, so sehr Er sich verstellt?

Christoph.

Das ist zu neugierig für eine Jungfer gefragt! Komm Sie nur!
(Er nimmt sie untern Arm, und sie gehen ab.)
(Ende der Juden)

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Was nicht originell ist, daran ist nichts gelegen,
und was originell ist, trägt immer die Gebrechen des Individuums an sich.
(Goethe)





Michael
Serdce serdcu vest podajot


Re: Die Juden - Ephraim Lessing 1749

am: 09/24/02 um 19:08:59

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Baba hat hier mit großer Mühe ein Stück von Gotthold Ephraim Lessing wiedergegeben. Man kann nur ahnen, wie viele Stunden hierfür nötig waren. Dafür gebührt ihr besonderer Dank!

Das Drama "Die Juden" ist heute, anders als "Nathan der Weise" oder "Emilia Galotti", kaum noch bekannt. Von einer Aufführung in neuerer Zeit ist nichts zu erfahren. Es bereitet selbst Mühe, eine gedruckte Ausgabe dieses Stückes zu bekommen. Deshalb hat sich auch Baba daran gemacht, es abzutippen, wie einst die "Samizdat"-Autoren.

Kaum zu glauben, daß es sich hier um ein Jugendwerk handeln soll!
Denn Lessing bekannte später, sein Drama "Die Juden" im Jahre 1749 verfaßt zu haben. Da war er zwanzig Jahre alt. Das Drama erschien erst einige Jahre später in einer bereits veränderten Fassung.

Seit 1748 wohnte Lessing in Berlin. Aus der Familie eines Pfarrers im oberlausitzischen Kamenz stammend, besuchte er die Fürstenschule St.Afra in Meißen (die jetzt übrigens unter dem Hochwasser gelitten hat) und studierte an der kursächsischen Landesuniversität in Leipzig Theologie. Die weltoffene Messestadt hatte zu jener Zeit etwa 27 000 Einwohner. In jungen Jahren lernte Lessing außer den alten Sprachen auch Französisch und Italienisch.
Nur mit großer Sorge beobachtete sein Vater die Neigung seines Sohnes zum Theater. Galt doch zu jener Zeit das Theater noch als Heimstatt der Sittenverderbnis. Lessing schrieb später: "Meine Lust zum Theater war damals so groß, daß ich alles, was mir in den Kopf kam, in eine Komödie verwandelte."

Bereits während seines Studiums begann Lessing, sich kritisch mit der lutherisch-orthodoxen Theologie auseinanderzusetzen. Außer der Leidenschaft für das Theater führte auch die Beschäftigung mit nonkonformistischer religiöser Literatur dazu, daß der Student nicht die Theologenlaufbahn einschlug. Er wurde zu einem der ersten freien Schriftsteller, die sich mit Mühe und Not ihren Lebensunterhalt vom Ertrag ihrer Feder verdienen mußten.
Über seine religiösen Auffassungen ist nur wenig überliefert, denn Lessing mußte sehr vorsichtig in seinen gedruckten wie mündlichen Äußerungen sein. Nur gegenüber seinen engsten Freunden, so dem Juden Moses Mendelssohn, äußerte er seine wirkliche Meinung, und die war vernichtend für die lutherische Orthodoxie.

In der preußischen Hauptstadt Berlin nun herrschte ein für jene Zeit recht hohes Maß an Glaubensfreiheit und Toleranz. König Friedrich II. machte aus seiner Verachtung für Theologengezänk und Glaubensstreit keinen Hehl. Zur gleichen Zeit wie Lessing weilte auch Voltaire in Berlin und Potsdam, der ebenfalls den Kampf gegen die "infame", die katholische Kirche, aufgenommen hatte.

Lessing wohnte in der Spandauer Straße 68. Zu seinen Bekannten gehörte der jüdische Arzt Gomperz, der als Sekretär des Präsidenten der Königlichen Akademie der Wissenschaften Maupertuis wirkte (eines der ärgsten Gegners Voltaires). In jenen Jahren begannen Vertreter der jüdischen Gemeinde in Berlin, nach einer Integration in das Kulturleben zu streben und deutschsprachige Werke zu veröffentlichen. G.E. Lessing beobachtete mit Interesse diese Anfänge jüdischen Kulturlebens, das später im Wirken Moses Mendelssohns und in den Salons der Rahel Levin von Varnhagen und der Henriette Herz noch eine besondere Blüte erleben sollte.

In seinem Drama berichtet der Schriftsteller von der mutigen Tat eines Juden, der einen adligen Grundbesitzer aus den Fängen von Räubern befreit. Seine jüdische Herkunft suchte dieser "Reisende" geheimzuhalten, nicht ohne Grund, wie sich bald herausstellen sollte. Denn auch der Adlige, den er gerettet hatte, steckte voller Vorurteile gegenüber den Juden. Der Baron sprach von den Juden als von einem Volk, "das auf den Gewinnst so erpicht ist", damit das wohl wirkungsvollste Vorurteil gegenüber den Juden als einem Volk von Wechselhändlern wiederholend.

Die beteiligten Unholde, so ein Vogt namens Krumm (sprechender Name!), versuchten, von ihren Taten abzulenken und die Schuld auf die Juden zu schieben. Tatsächlich durchstreiften gerade in den dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts auch Gruppen von jüdischen Wegelagerern verschiedene Gebiete des Reichs, gehörten zu den Geächteten und Ausgegrenzten. Die Juden waren zu jener Zeit gezwungen, sich ihren Lebensunterhalt in kaufmännischen Berufen zu unterhalten. Wem das jedoch auch angesichts des Bevölkerungswachstums zu jener Zeit, nicht gelang, dem blieb mitunter nichts anderes übrig, als sich den Diebesbanden anzuschließen.
(vgl. Rudolf Glanz, Geschichte des niederen jüdischen Volkes in Deutschland. Eine Studie über historisches Gaunertum, Bettlerwesen und Vagantentum, New York 1968; Ernst Schubert, Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts, Neustadt/Aisch 1983, S. 174-178.

Lessing schrieb rückblickend, das Drama sei "Resultat einer sehr ernsthaften Betrachtung über die schimpfliche Unterdrückung, in welcher ein Volk seufzen muß".
Unterdrückung – das wurde das Leitmotiv für Lessing. Mit seinem Drama war er der erste in der deutschen Literatur, der Mitgefühl für die Juden äußerte. Die positive Gestalt eines hilfsbereiten Juden hatte bereits wenige Jahre zuvor Christian Fürchtegott Gellert in seinem zu jener Zeit überaus populären Roman "Leben der schwedischen Gräfin von G***" (1746) gezeichnet.

Unter den Stellungnahmen zu Lessings Drama ist die des Göttinger Theologen Johann David Michaelis (1717-1791) zu nennen. Dieser galt als einer der gelehrtesten Kenner der Entstehungsgeschichte des Alten Testaments. Durch seine quellenkritischen Untersuchungen der Bibel bereitete der Hebräist den Boden für das Entstehen der bibelkritischen Schulen des 19. Jh. (Strauss, Baur). Michaelis brachte denn auch durch die positive Zeichnung eines Juden das Drama Lessings in eine Verbindung mit dem Roman Gellerts. Seine Hauptkritik an Lessings Werk zielte auf die mangelnde Glaubhaftigkeit. Es sei höchst unwahrscheinlich, daß "solch edles Gemüt sich gleichsam bilden könne", wo doch bei der Mehrzahl der Menschen ohnehin nur mittelmäßige Tugend verbreitet sei.

Nicht nur Lessing selbst meinte, daß hier ein Mißverständnis vorliege. Es gäbe durchaus unter den Juden solche vorbildhafte, tugendsame Persönlichkeiten. Er druckte einen an seinen Bekannten Aaron Salomon Gumperz gerichteten Brief eines jüdischen Glaubensgenossen ab, der Lessing, den Autor des Dramas, lebhaft verteidigt.

Dieser nicht mit Namen genannte Autor war der mit Lessing gleichaltrige Moses Mendelssohn (1729-1781), der später zum engsten Vertrauten des Dichters werden und ein Vorbild für die Dramengestalt "Nathan der Weise" werden sollte.

Noch einmal schönen Dank an Baba,
schöne Grüße einstweilen

Michael




Baba_Yaga
Sapere aude! Wage es zu wissen - Horaz


Re: Die Juden - Ephraim Lessing 1749

am: 09/24/02 um 23:36:51

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Hallo, Michael!

Der Dank gebührt Dir!

Ich habe Lessigs Werk hier nur eingestellt, weil es mir so gut gefallen hat.
Es schien mir nicht nur zeitlos, sondern sehr aktuell,
...es ist feinfühlend in den Dialogen,
...offenbart die Tragik der Vorurteile
...und beschreibt menschliche Größe und Abgründe!

Du hast mit Deinem Beitrag das Stück in einen historischen und gesellschaftlichen Zeitzusammenhang gebracht und mir damit einen Eindrck über die Entsteheung und Hintergründe verschafft!

Besonders aber danke ich Dir dafür, daß Du mir,
...nach meiner vergeblichen Suche,
...dieses Bühnenstück irgend wo aufzufinden und zu erwerben,
...mir aus Deiner eigenen Bibliothek ein wunderschönes Faksimile schenktest!

Jüdische Freunde hatten mich damals auf das Drama aufmerksam gemacht und so wollte ich es lesen und kennen lernen.

Es war aber, wie Du ja weißt, unmöglich ein Exemplar aufzutreiben, auch nicht im Antiquariat großer Buchhandlungen oder bei bekannten I-net-Anbietern!
Ich danke Dir also nochmals von ganzem Herzen für Dein großzügiges Geschenk!

Gute Nacht
Baba Yaga

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Was nicht originell ist, daran ist nichts gelegen,
und was originell ist, trägt immer die Gebrechen des Individuums an sich.
(Goethe)




Diese enorme Mühe, Lessings Werk in's Internet zu stellen und so kenntnisreich zu kommentieren, mußte auch hier im Forum gewürdigt werden! Und ich hoffe, ihr werdet beim Lesen genauso viel Freude und Genuß haben, wie

Euer bjk


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Baba_Yaga
Sapere aude! Wage es zu wissen - Horaz

Die Juden - Ephraim Lessing 1749

am: 04/23/02 um 18:51:32

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Ich stelle hier nun in Fortsetzungen das "Lustpiel"


Die Juden


von Ephraim Lessing aus dem Jahr 1747 ein.


Zitat:Die Juden

Ein Lustspiel in einem Aufzug

Verfertigt im Jahre 1749

Von

Gotthard Ephraim Lessing

Personen:

Michel Stich
Martin Krumm
Christoph, dessen Bedienter
Baron
Ein junges Fräulein, dessen Tochter
Lisette

Erster Auftritt

Michel Stich Martin Krumm

Martin Krumm:

Du dummer Michel Stich!

Michel St.

Du dummer Martin Krumm!

Martin Kr.

Wir wollens nur gestehen, wir sind heyde erzdumm gewesen. Es wäre ja auf einen nicht angekommen, den wir mehr todt geschlagen hätten!

Michel St.

Wie hätten wir es aber klüger können anfangen? Waren wir nicht gut vermummt? War nicht der Kutscher auf unserer Seite? Konnten wir was dafür, dass uns das Glück so einen Querstrich machte? Habe ich doch viel hundertmal gesagt: das verdammte Glücke! Ohne das kann man nicht einmal ein guter Spitzbub seyn.

Martin Kr.

Je nu, wenn ich’s beym Lichte besehe, so sind wir kaum dadurch auf ein paar Tage länger dem Stricke entgangen.

Michel St.

Ah, es hat sich was mit dem Stricke! Wenn alle Diebe gehangen würden, die Galgen müssten dichter stehn. Man sieht ja kaum alle zwey Meilen einen: und wo auch einer steht, steht er meist leer. Ich glaube, die Herren Richter werden, aus Höflichkeit, die Dinger gar eingehen lassen. Zu was sind sie auch nütze? Zu nichts, als aufs höchste, dass unser einer, wenn er vorbey geht, die Augen zublinzt.

Martin Kr.

O! das thu ich nicht einmal. Mein Vater und mein Großvater sind daran gestorben, was will ich’s besser verlangen? Ich schäme mich meiner Eltern nicht.

Michel St.

Aber die ehrlichen Leute werden sich deiner schämen. Du hast noch lange nicht so viel gethan, dass man dich für ihrer rechten und ächten Sohn halten kann.

Martin Kr.

O! denkst du denn, dass es deswegen unserm Herr soll geschenkt seyn? Und an dem verzweifelten Fremden, der uns so einen fetten Bissen aus dem Munde gerissen hat, will ich mich gewiß auch rächen. Seine Uhr soll er so richtig müssen da lassen ----Ha! Sieh, da kommt er gleich. Hurtig geh fort! Ich will mein Meisterstück machen.

Michel St.

Aber, halbpart! halbpart!


Zweiter Auftritt

Martin Krumm Der Reisende

Martin Kr.

Ich will mich dumm stellen.----
Ganz dienstwilliger Diener, mein Herr,-----
Ich werde Martin Krumm heissen und werde auf diesem Gute hier, wohlbestalter Vogt seyn.

Der Reisende

Das glaube ich euch, mein Freund. Aber habt ihr nicht meinen Bedienten gesehen?

Martin Kr.

Ihnen zu dienen, nein; aber ich habe wohl, von Dero preiswürdigen Person sehr viel gutes zu hören, die Ehre gehabt. Und es erfreut mich also, dass ich die Ehre habe, die Ehre Ihrer Bekanntschaft zu geniessen. Man sagt, dass Sie unsern Herrn gestern Abends, auf der Reise, aus einer sehr gefährlichen Gefahr sollen gerissen haben. Wie ich nun nicht anders kann, als mich des Glücks meines Herren zu erfreuen, so erfreu ich mich----

Der Reisende

Ich errate was ihr wollt; Ihr wollt euch bey mir bedanken, dass ich eurem Herrn beygestanden habe-----

Martin Kr.

Ja, ganz recht; eben das!

Der Reisende

Ihr seyd ein ehrlicher Mann-----

Martin Kr.

Das bin ich! Und mit der Ehrlichkeit kommt man immer auch am weitesten.

Der Reisende

Es ist mir kein geringes Vergnügen, dass ich mir, durch eine so kleine Gefälligkeit, so viel rechtschaffene Leute verbindlich gemacht habe. Ihre Erkenntlichkeit ist eine überflüssige Belohnung dessen, was ich gethan habe. Die allgemeine Menschenliebe verband mich dazu. Es war meine Schuldigkeit; und ich müßte zufrieden seyn, wenn man es auch für nichts anders, als dafür, angesehen hätte. Ihr seyd allzugütig, ihr lieben Leute, daß ihr ihr euch dafür bei mir bedanket, was ihr mir, ohne Zweifel, mit eben so vielem Eifer würdet erwiesen haben, wenn ich mich in ähnlicher Gefahr befunden hätte. Kann ich euch sonst worin dienen, mein Freund?

Martin Kr.

O! mit dem Dienen, mein Herr, will ich Sie nicht beschweren. Ich habe meinen Knecht, der mich bedienen muß, wenn’s nöthig ist. Aber-----wissen möchte ich wohl gern, wie es doch dabey zugegangen wäre? Wo wars denn? Warens viel Spitzbuben? Wollten sie unsern guten Herrn gar ums Leben bringen, oder wollten sie ihm nur sein Geld abnehmen? Es wäre doch wohl eins besser gewesen, dals das andere.

Der Reisende

Ich will euch mit Wenigem den ganzen Verlauf erzählen. Es mag ohngefähr eine Stunde von hier seyn, wo die Räuber euren Herrn, in einem hohlen Wege, angefallen hatten. Ich reiste eben diesen Weg, und sein ängstliches Schreyen um Hilfe bewog mich, daß ich nebst meinem Bedienten eilends herzu ritt.

Martin Kr.

Ey!ey!

Der Reisende

Ich fand ihn in einem offenen Wagen----

Martin Kr.

Ey! ey!

Der Reisende

Zwey vermummte Kerle-----

Martin Kr.

Vermummte? ey! ey!

Der Reisende

Ja! Machten sich schon über ihn her.

Martin Kr.

Ey! ey!

Der Reisende

Ob sie ihn umbringen, oder ob sie ihn nur binden wollten, ihn alsdann desto sicherer zu plündern, weiß ich nicht.

Martin Kr.

Ey! ey! Ach freylich werden sie ihn wohl haben umbringen wollen: die gottlosen Leute!

Der Reisende

Das will ich eben nicht behaupten, aus Furcht, ihnen zuviel zu thun.

Martin Kr.

Ja, ja, glauben Sie mir nur, sie haben ihn umbringen wollen. Ich weiß, ich weiß ganz gewiß----

Der Reisende

Woher könnt ihr das wissen? Doch es sey. So bald mich die Räuber ansichtig wurden, verliessen sie ihre Beute, und lifen über Macht dem nahen Gebüsche zu. Ich lösete das Pistol auf einen. Doch es war schon zu dunkel, und er schon zu weit entfernt, dass ich also zweifeln muß, ob ich getroffen habe.

Martin Kr.

Nein, getroffen haben Sie ihn nicht;---

Der Reisende

Wißt ihr es?

Martin Kr.

Ich meyne nur so, weil’s doch schon finster gewesen ist: und im Finstern soll man,hör isch, nicht gut zielen können.

Der Reisende

Ich kann euch nicht beschreiben, wie erkenntlich sich euer Herr gegen mich bezeugte. Er nannte mich hundertmal seinen Erretter, und nöthigte mich, mit ihm auf sein Gut zurück zu kehren. Ich wollte wünschen, dass es meine Umstände zuliessen, länger um diesen angenehmen Mann zu seyn; so aber muß ich mich noch heute wieder auf den Weg machen --- Und eben deswegen suche ich meinen Bediensteten.

Martin Kr.

O! lassen Sie sich doch die Zeit bey mir nicht so lang werden. Verziehen Sie noch ein wenig----Ja, was wollte ich denn noch fragen? Die Räuber,----sagen Sie mir doch----wie sahen sie denn aus? Wie giengen sie denn? Sie hatten sich verkleidet: aber wie?

Der Reisende

Euer Herr will durchaus behaupten, es wären Juden gewesen. Bärte hatten sie, das ist wahr; aber ihre Sprache war die ordentliche hiesige Bauernsprache. Wenn sie vermummt waren, wie ich gewiß glaube, so ist ihnen die Demmerung sehr wohl zu statten gekommen. Denn ich begreife nicht, wie Juden die Straßen sollten können unsicher machen, da doch in diesem Lande so wenige geduldet werden.

Martin Kr.

Ja, ja, das glaub ich ganz gewiß auch, daß es Juden gewesen sind. Sie mögen das gottlose Gesindel noch nicht so kennen. So viel als ihrer sind, keinen ausgenommen, sind Betrieger, Diebe und Strassenräuber. Darum ist es auch ein Volk, das der liebe Gott verflucht hat. Ich dürfte nicht König seyn: ich ließ keinen, keinen einzigen am Leben. Ach! Gott behüte alle rechtschaffne Christen vor diesen Leuten! Wenn sie der liebe Gott nicht selber haßte, weswegen wären denn nur vor Kurzem, bey dem Unglücke in Breßlau, ihrer bald noch einmal so viel, als Christen, geblieben? Unser Herr Pfarrer erinnerte das sehr weislich, in der letzten Predigt. Es ist, als wenn sie zugehört hätten daß sie sich gleich deswegen an unserm guten Herrn haben rächen wollen. Ach! Mein lieber Herr, wenn Sie wollen Glück und Segen in der Welt haben, so hüten Sie sich vor den Juden, ärger, als vor der Pest.

Der Reisende

Wollte Gott, dass das nur die Sprahe des Pöbels wäre!

Martin Kr.

Mein Herr, zum Exempel: ich bin einmal auf der Messe gewesen---ja! Wenn ich an die Messe denke, so möchte ich gleich die verdammten Juden alle auf einmal mit Gift vergeben, wenn ich nur könnte. Dem einen hatten sie im Gedrenge das Schnupftuch, dem andern die Tobackdose, dem dritten die Uhr und, ich weiß nicht, was sonst mehr, wegstipitzt. Geschwind sind sie, ochsenmäßig geschwind, wenn es aufs Stehlen ankömmt. So behände, als unser Schulmeister nimmermehr auf der Orgel ist. Zum Exempel, mein Herr: erstlich drengen sie sich an einen heran, so wie ich mich ungefähr jetzt an Sie---

Der Reisende

Nur ein wenig höflicher, mein Freund!—

Martin Kr.

O! lassen Sie Sichs doch nur weisen. Wenn sie nun so stehen,----sehen Sie----wie der Blitz sind sie mit der Hand nach der Uhrtasche.
(erfährt mit der Hand, anstatt nach der Uhr, in die Rocktasche, und nimmt seine Tobackdose heraus)
Das können sie nun aber alles so geschickt machen, dass man schwören sollte, sie führen mit der Hand dahin, wenn sie dorthin fahren. Wenn sie von der Tobackdose reden so zielen sie gewiß nach der Uhr, und wenn sie von der Uhr reden, so haben sie gewiß, die Tobackdose zu stehlen, im Sinn (er will ganz sauber nach der Uhr greifen, wird aber ertappt). Da können Sie sehen, mein Herr, was ich für ein ungeschickter Spitzbube seyn würde. Wenn ein Jude schon so einen Griff gethan hätte, so wäre es gewiß um die gute Uhr geschehen gewesen----Doch weil ich sehe, dass ich Ihnen beschwerlich falle, so nehme ich mir die Freyheit, mich Ihnen bestens zu empfehlen, ich verbleibe Zeitlebens für Dero erwiesene Wohlthaten, meines hochzuehrenden Herrn gehorsamster Diener, Martin Krumm, wohlbestallter Vogt auf diesem Hochadelichen Rittergute.

Der Reisende

Geht nur, geht!

Martin Kr.

Erinnern Sie sich ja, was ich Ihnen von den Juden gesagt habe. Es ist lauter gottloses, diebisches Volk.




Fortsetzung folgt mit dem nächsten Beitrag
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Was nicht originell ist, daran ist nichts gelegen,
und was originell ist, trägt immer die Gebrechen des Individuums an sich.
(Goethe)





Baba_Yaga
Sapere aude! Wage es zu wissen - Horaz


Re: Die Juden - Ephraim Lessing 1749

am: 04/24/02 um 09:28:00

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Zitat:Dritter Auftritt


Der Reisende


Vielleicht ist dieser Kerl, so dumm er ist, oder sich stellt, ein boshafterer Schelm, als je einer unter den Juden gewesen ist. Wenn ein Jude betriegt, so hat ihn, nunter neunmalen, der Christ vielleicht siebenmal dazu genöthiget. Ich zweifle, ob viel Christen sich rühmen können, mit einem Juden aufrichtig verfahren zu seyn: und sie wundern sich, wenn er ihnen Gleiches mit Gleichem zu vergelten sucht? Sollen Treu und Redlichkeit unter zwey Völkerschaften herrschen, so müssen beyde gleich viel dazu beytragen. Wie aber, wenn es bey der einen ein Religionspunct, und beynahe ein verdienstliches Werk wäre, die andere zu verfolgen? Doch----



Vierter Auftritt



Der Reisende Christoph


Der Reisende

Daß man euch doch allezeit eine Stunde suchen muß, wenn man euch haben will.

[/b]Christoph[/b]

Sie scherzen, mein Herr. Nicht wahr, ich kann nicht mehr, als an einem Ort zugleich seyn? Ist es also meine Schuld, dass Sie sich nicht an diesen Ort begeben? Gewiß Sie finden mich allezeit da, wo ich bin.

Der Reisende

So? und ihr taumelt gar? Nun begreif ich, warum ihr so sinnreich seyd. Müßt ihr euch denn schon früh morgens besaufen?

Christoph

Sie reden von Besaufen, und ich habe kaum zu trinken angefangen. Ein paar Flaschen guten Landwein, ein paar Gläser Brandwein, und eine Mundsemmel ausgenommen, habe ich, so wahr ich ein ehrlicher Mann bin, nicht das geringste zu mir genommen. Ich bin noch ganz nüchtern.

Der Reisende

O! das sieht man euch an. Und ich rathe euch, als ein Freund, die Portion zu verdoppeln.

Christoph

Vortrefflicher Rath! Ich werde nicht unterlassen, ihn, nach meiner Schuldigkeit, als einen Befehl anzusehen. Ich gehe, und Sie sollen sehen, wie gehorsam ich zu seyn weiß.

Der Reisende

Seyd klug! Ihr könnt dafür gehen, und die Pferde satteln und aufpacken. Ich will noch diesen Vormittag fort.

Christoph

Wenn Sie mir im Scherze gerathen haben, ein doppeltes Frühstück zu nehmen, wie kann ich mir einbilden, dass Sie jetzt im Ernste reden? Sie scheinen, sich heute mit mir erlustigen zu wollen? Macht sie vielleicht das junge Fräulein so aufgeräumt? O! es ist ein allerliebstes Kind.---Nur noch ein wenig älter, ein klein wenig älter sollte sie seyn. Nicht wahr, mein Herr? Wenn das Frauenzimmer nicht zu einer gewissen Reife gelangt ist,----

Der Reisende

Geht und thut, was ich euch befohlen habe.

Christoph

Sie werden ernsthaft. Nichts destoweniger werde ich warten, bis Sie mir es das drittemal befehlen. Der Punct ist zu wichtig! Sie könnten sich übereilt haben. Und ich bin allzeit gewohnt gewesen, meinen Herren Bedenkzeit zu gönnen. Ueberlegen Sie es wohl, einen Ort, wo wir fast auf den Händen getragen werden, so zeitig wieder zu verlassen? Gestern sind wir erst gekommen. Wir haben uns um den Herrn unendlich verdient gemacht, und gleychwohl ihm kaum ein Abendmahlzeit und ein Frühstück genossen.

Der Reisende

Eure Grobheit ist unerträglich. Wenn man sich zu dienen entschließt, sollte man sich gewöhnen, weniger Umstände zu machen.

Christoph

Gut, mein Herr! Sie fangen an zu moralisiren , das ist: Sie werden zornig. Mäßigen Sie sich; ich gehe schon----

Der Reisende

Ihr müsst wenig Ueberlegungen zu machen gewohnt seyn. Das, was wir diesem Herrn erwiesen haben, verlieret den Namen einer Wohlthat, so bald wir die geringste Erkenntlichkeit dafür zu erwarten scheinen, ich hätte mich nicht einmal sollen mit hierher nöthigen lassen. Das Vergnügen, einem Unbekannten ohne Absicht beygestanden zu haben, ist schon vor sich groß! Und er selbst würde uns mehr Segen nach gewünscht haben, als er uns jetzt übertriebene Danksagung hält. Wen man in die Verbindlichkeit setzt, sich weitläufig, und mit dabey verknüpften Kosten zu bedanken, der erweist uns einen Gegendienst, der ihm vielleicht sauer wird, als uns unsere Wohlthat geworden. Die meisten Menschen sind zu verderbt, als daß ihnen die Anwesenheit eines Wohlthäters nicht höchst beschwerlich seyn sollte. Sie scheint ihren zu erniedrigen;---

Christoph

Ihre Philosophie, mein Herr, bringt Sie um den Athem. Gut! Sie sollen sehen, daß ich eben so großmüthig bin, als Sie. Ich gehe: in einer Viertelstunde sollen Sie sich aufsetzen können.




Fünfter Auftritt



Der Reisende Das Fräulein


Der Reisende

So wenig ich mich mit diesem Menschen gemein mache, so gemein macht er sich mit mir.

Das Fräulein

Warum verlassen Sie uns, mein Herr? Warum sind Sie hier so allein? Ist Ihnen unser Umgang schon die wenigen Stunden die Sie bey uns sind, zuwider geworden? Es sollte mir leid thun. Ich suche, aller Welt zu gefallen; und Ihnen möchte ich, vor allen anderen, nicht gern missfallen.

Der Reisende

Verzeihen Sie mir, Fräulein. Ich habe nur meinem Bedienten befehlen wollen, alles zur Abreise fertig zu halten.

Das Fräulein

Wovon reden Sie? Von Ihrer Abreise? Wenn war denn Ihre Ankunft? Es ey noch, wenn Sie über Jahr und Tage eine melancholische Stunde auf dieen Einfall brächte. Aber wie, nicht einmal einen völligen Tag aushalten wollen? Das ist zu arg. Ich sage es Ihnen, ich werde böse, wenn Sie noch einmal daran gedenken.

Der Reisende

Sie könnten mir nichts empfindlicheres drohen.

Das Fräulein

Nein? Im Ernst? Ist es wahr, würden Sie empfindlich seyn, wenn ich böse auf Sie würde?

Der Reisende

Wem sollte der Zorn eines liebenswürdigen Frauenzimmers gleichgültig seyn können?

Das Fräulein

Was Sie sagen, klingt zwar beynahe, als wenn Sie spotten wollten: doch ich will es für Ernst aufnehmen; gesetzt, ich irrte mich auch. Also, mein Herr,---ich bin ein wenig liebenswürdig, wie man mir gesagt hat,---und ich sage Ihnen noch einmal, ich werde entsetzlich, entsetzlich zornig werden, wenn Sie, binnen hier und dem neuen Jahr, wieder an Ihre Abreise gedenken.

Der Reisende

Der Termin ist sehr liebreich bestimmt. Alsdann wollten Sie mir, mitten im Winter, die Thüre weisen: und bey dem unbequemsten Wetter---

Das Fräulein

Ey! wer sagt das? Ich sage nur, dass Sie alsdann, des Wohlstands halber, etwa einmal an die Abreise denken können. Wir werden Sie deswegen nicht fort lassen; wir wollen Sie schon bitten---

Der Reisende

Vielleicht auch des Wohlstands halber?

Das Fräulein

Ey! seht, man sollte nicht glauben, dass so ehrliches Gesicht auch spotten könnte.---Ah! Da kömmt der Papa. Ich muß fort! Sagen Sie ja nicht, dass ich bey Ihnen gewesen bin. Er wirft mir so oft genug vor, dass ich gern um Mannspersonen wäre.

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Was nicht originell ist, daran ist nichts gelegen,
und was originell ist, trägt immer die Gebrechen des Individuums an sich.
(Goethe)





Baba_Yaga
Sapere aude! Wage es zu wissen - Horaz


Re: Die Juden - Ephraim Lessing 1749

am: 05/05/02 um 23:42:21

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Sechster Auftritt




Der Baron Der Reisende



Der Baron

War nicht meine Tochter bey Ihnen? Warum läuft denn das wilde Ding?

Der Reisende


Das Glück ist unschätzbar, eine so angenehme und muntere Tochter zu haben. Sie bezaubert durch ihre Reden, in welchen die liebenswürdigste Unschuld, der ungekünsteltste Witz herrschet.

Der Baron


Sie urteilen zu gütig von ihr. Sie ist wenig unter ihres gleichen gewesen, und besitzt die Kunst zu gefallen, die man schwerlich auf dem Lande erlernen kann, und die doch oft mehr, als die Schönheit selbst vermag, in einem sehr geringen Grade. Es ist alles bey ihr noch die sich selbst gelassne Natur.

Der Reisende


Und diese ist desto einnehmender, je weniger man sie in den Städten antrifft. Alles ist da verstellt, gezwungen und erlernt. Ja, man ist schon so weit darinn gekommen, daß man Dummheit, Grobheit und Natur, für gleichviel bedeutende Wörter hält.

Der Baron


Was könnte mir angenehmer seyn, als daß ich sehe, wieunsere Gedanken und Urtheile so sehr übereinstimmen? O! daß ich nicht längst einen Freund Ihres gleichen gehabt habe!

Der Reisende


Sie werden ungerecht gegen Ihre übrigen Freunde.

Der Baron


Gegen meine übrigen Freunde, sagen Sie? Ich bin fünfzig Jahre alt.—Bekannte habe ich gehabt, aber noch keinen Freund. Und niemals ist mir die Freundschaft so reizend vorgekommen, als seit wenigen Stunden, da ich nach der Ihrigen strebe. Wodurch kann ich sie verdienen?

Der Reisende


Meine Freundschaft bedeutet so wenig, daß das bloße Verlangen darnach ein genugsames Verdienst ist, sie zu erhalten. Ihre Bitte ist weit mehr wert, als das, was Sie bitten.

Der Baron


O! mein Herr, die Freundschaft eines Wohlthäters----

Der Reisende


Erlauben Sie,----ist keine Freundschaft. Wenn Sie mich unter dieser falschen Gestalt betrachten, so kann ich Ihr Freund nicht seyn. Gesetzt, einen Augenblick, ich wäre Ihr Wohltäther: würde ich nicht zu befürchten haben, daß Ihre Freundschaft nichts, als eine wirksame Dankbarkeit wäre?

Der Baron


Sollte sich beydes nicht verbinden lassen?

Der Reisende


Sehr schwer! Diese hält ein edles Gemüth für seine Pflicht; jene erfordert lauter willkührliche Bewegungen der Seele.

Der Baron


Aber wie sollte ich----Ihr allzuzärtlicher Geschmack macht mich ganz verwirrt.---

Der Reisende


Schätzen Sie mich nur nicht höher, als ich es verdiene. Aufs höchste bin ich ein Mensch, der seine Schuldigkeit mit Vergnügen gethan hat. Die Schuldigkeit an sich selbst ist keiner Dankbarkeit werth. Daß ich sie aber mit Vergnügen gethan habe, dafür bin ich genugsam durch Ihre Freundschaft belohnt.

Der Baron


Diese Großmuth verwirrt mich nur noch mehr----Aber ich bin vielleicht zu verwegen.----Ich habe mich noch nicht unterstehen wollen, nach Ihrem Namen, nach Ihrem Stande zu fragen.----Vielleicht biete ich meine Freundschaft einem an, der----der sie zu verachten---


Der Reisende


Verzeihen Sie, mein Herr!----Sie---Sie machen sich----Sie haben allzugroße Gedanken von mir.


Der Baron


(bey Seite) Soll ich ihn wohl fragen? Er kann meine Neugierde übel nehmen.

Der Reisende


(bey Seite)Wenn er mich fragt, was werde ich ihm antworten?

Der Baron


(bey Seite) Frage ich ihn nicht; so kann er es als eine Grobheit auslegen.

Der Reisende


(bey Seite) Soll ich ihm die Wahrheit sagen?

Der Baron


(bey Seite) Doch ich will den sichersten Weg gehen. Ich will erst seinen Bediensteten ausfragen lassen.

Der Reisende


(bey Seite) Könnte ich doch dieser Verwirrung überhoben seyn!---

Baron


Warum so nachdenkend?

Der Reisende


Ich war gleich bereit diese Frage an Sie zu thun, mein Herr---

Der Baron


Ich weiß es, man vergisst sich dann und wann. Lassen Sie uns von etwas anderen reden---Sehen Sie, daß es wirkliche Juden gewesen sind, die mich angefallen haben? Nur jetzt hat mir mein Schulze gesagt, daß er vor einigen Tagen ihrer drey auf der Landstrasse angetroffen. Wie er sie mir beschreibt, haben sie Spizbuben ähnlicher, als ehrlichen Leuten, gesehen. Und warum sollte ich auch daran zweifeln? Ein Volk, das auf den Gewinnst so erpicht ist, fragt wenig darnach, ob es ihn mit Recht oder Unrecht, mit List oder Gewaltsamkeit erhält----Es scheinet auch, zur Handelschaft, oder deutsch zu reden, zur Betrügerey gemacht zu seyn. Höflich, frey, unternehmend, verschwiegen, sind Eigenschaften, die es schätzbar machen würden, wenn es sie nicht allzu sehr zu unserm Unglück anwendete.---(er hält etwas inne)----- Die Juden haben mir sonst schon nicht wenig Schaden und Verdruß gemacht. Als ich noch in Kriegsdienste war, ließ ich mich bereden, einen Wechsel für einen meiner Bekannten mit zu unterschreiben; und der Jude, an den er ausgestellet war, brachte mich nicht allein dahin, daß ich ihn bezahlen, sondern, daß ich ihn sogar zweymal bezahlen musste----O! es sind die aller boshaftesten und niederträchtigsten Leute----Was sagen Sie dazu? Sie scheinen ganz niedergeschlagen.

Der Reisende


Was soll ich sagen? Ich muß sagen, daß ich diese Klage schon sehr oft gehört habe----

Der Baron


Und ist es nicht wahr , ihre Gesichtsbildung hat gleich etwas, das uns wider sie einnimmt? Das Tückische, das Ungewissenhafte, das Eigennützige, Betrug und Meineid, sollte man sehr deutlich aus ihren Augen lesen glauben----Aber, warum kehren Sie sich von mir?


Der Reisende


Wie ich höre, mein Herr, so sind sie ein grosser Kenner der Physiognomie; und ich besorge, daß die meinige----

Der Baron


O! Sie kränken mich. Wie können Sie auf dergleichen Verdacht kommen? Ohne ein Kenner der Physognomie zu seyn, muß ich Ihnen sagen, daß ich nie eine so aufrichtige, großmüthige und gefällige Mine gefunden habe, als die Ihrige.

Der Reisende


Ihnen die Wahrheit zu gestehen; ich bin kein Freund allgemeiner Urtheile über ganze Völker---Sie werden meine Freyheit nicht übel nehmen.---Ich sollte glauben, daß es unter allen nationen gute und böse Seelen geben könne. Und unter den Juden---




Siebenter Auftritt



Das Fräulein Der Baron

Der Reisende



Das Fräulein


Ach! Papa----

Der Baron


Nu, Nu! Fein wild, fein wild! Wohin liefst du vor mir: was sollte das bedeuten?---

Das Fräulein


Vor Ihnen bin ich nicht gelaufen, Papa; sondern nur vor Ihrem Verweise.

Der Baron


Der Unterschied ist sehr subtil. Aber was war es denn, das meinen Verweis verdient?

Das Fräulein


O! Sie werden es schon wissen. Sie sahen es ja! Ich war bey dem Herrn----

Der Baron


Nun? Und---

Das Fräulein


Und der Herr ist eine Mannsperson, und mit den mannspersonen, haben Sie befohlen, mir nicht allzu viel zu thun zu machen.---

Der Baron


Daß dieser Herr eine Ausnahme ist, hättest du wohl merken sollen. Ich wollte wünschen, daß er dich leiden könnte-----Ich werde es mit Vergnügen sehen, wenn du auch beständig um ihn bist.

Das Fräulein


Ach!----es wird wohl das erste und letzte mal gewesen seyn. Sein Diener packt schon auf ------Und das wollte ich Ihnen eben sagen

Der Baron


Was? Wer? Sein Diener?

Der Reisende


Ja, mein Herr, ich hab es ihm befohlen. Meine Verrichtungen und die Besorgniß Ihnen beschwerlich zu fallen---

Der Baron


Was soll ich ewig davon denken? Soll ich das Glück nicht haben, Ihnen näher zu zeigen, daß Sie sich ein erkenntliches Herz verbindlich gemacht haben? O! ich bitte Sie, fügen Sie zu Ihrer Wohlthat noch die andre hinzu, die mir eben so schätzbar, als die Erhaltung meines Lebens seyn wird; bleiben Sie einige Zeit ---wenigstens einige Tage bey mir; ich würde mir es ewig vorzuwerfen haben, daß ich einen Mann wie Sie, ungekannt, ungeehrt, unbelohnt, wenn es anders in meinem Vermögen steht, von mir gelassen hätte. Ich habe einige meiner Anverwandten auf heute einladen lassen, mein Vergnügen mit ihnen zu theilen, und ihnen das Glück zu verschaffen, meinen Schutzengel kennen zu lernen.

Der Reisende


Mein Herr, ich muß notwendig-----

Das Fräulein


Da bleiben, mein Herr, da bleiben! Ich laufe, Ihrem Bediensteten zu sagen, daß er wieder abpacken soll. Doch da ist er schon.




Achter Auftritt




Christoph (in Stiefeln und Sporen) Die Vorigen





Christoph


Nun! Mein Herr, es ist alles fertig. Fort! Kürzen Sie Ihre Abschiedsformeln ein wenig ab. Was soll das viele Reden, wenn wir nich da bleiben können?

Der Baron


Was hindert euch denn, hier zu bleiben?

Christoph


Gewisse Betrachtungen, mein Herr Baron, die den Eigensinn meines Herrn zum Grunde, und seine Großmuth zum Vorwande haben.

Der Reisende


Mein Diener ist öfters nicht klug: verzeihen Sie ihm. Ich sehe, daß Ihre Bitten in der That mehr als Komplimente sind. Ich ergebe mich; damit ich nicht aus Furcht, grob zu seyn, eine Grobheit begehen möge.

Der Baron


O! was für Dank bin ich Ihnen schuldig!

Der Reisende


Ihr könnt nur gehen, und wieder abpacken! Wir wollen erst morgen fort.

Das Fräulein


Nu! Hört er nicht? Was steht er denn da? Er soll gehen, und wieder abpacken.

Christoph


Von Rechts wegen sollte ich böse werden. Es ist mir auch beynahe, als ob mein Zorn erwachen wollte; doch weil nichts schlimmers daraus erfolgt, als daß wir hier bleiben, und wohl gepflegt werden, so mag es seyn! Sonst laß ich mir nicht gern unnöthige Mühe machen: wissen Sie das?

Der Reisende


Schweigt! Ihr seyd zu unverschämt.

Das Fräulein


O! das ist vortrefflich, daß Sie bey uns bleiben. Nun bin ich ihnen noch einmal so gut. Kommen Sie, ich will Ihnen unsern Garten zeigen; er wird Ihnen gefallen.

Der Reisende


Wenn er Ihnen gefällt, Fräulein, so ist es schon so gut, als gewiß.

Das Fräulein


Kommen Sie nur;----unterdessen wird es Essenszeit. Papa, Sie erlauben es doch?

Der Baron


Ich werde Euch sogar begleiten.

Das Fräulein


Nein, nein, das wollen wir Ihnen nicht zumuthen. Sie werden zu thun haben.

Der Baron


Ich habe jetzt nichts wichtigeres zu thun, als meinen Gast zu vergnügen.

Das Fräulein


Er wird es Ihnen nicht übel nehmen: Nicht wahr mein Herr? (sachte zu ihm) Sprechen Sie doch nein. Ich möchte gern mit Ihnen allein gehen.

Der Reisende


Es wird mich gereuen, daß ich mich so leicht habe bewegen lassen, hier zu bleiben, so bald ich sehe, daß ich Ihnen im geringsten verhinderlich bin. Ich bitte also----

Der Baron


O! warum kehren Sie sich an des Kindes Rede?

Das Fräulein


Kind?-----Papa!-----beschämen Sie mich doch nicht so!-----Der Herr wird denken, wie jung ich bin!------Lassen Sie es gut seyn; ich bin alt genug, mit Ihnen spazieren zu gehen -----Kommen Sie!------Aber sehen Sie einmal: Ihr Diener steht noch da, und hat die Mantelsäcke unter den Armen.

Christoph


Ich dächte, das gienge nur den an, dem es sauer wird?

Der Reisende


Schweigt! Man erzeigt euch zu viel Ehre---





Neunter Auftritt


[center]Lisette Die Vorigen




Der Baron


(indem er Lisette kommen sieht) Mein Herr ich werde Ihnen gleich nachfolgen, wann es Ihnen gefällig ist, meine Tochter in den Garten zu begleiten.

Das Fräulein


O! bleiben Sie so lange, als es Ihnen gefällt. Wir wollen uns schon die Zeit vertreiben. Kommen Sie! (das Fräulein und der Reisende gehen ab)

Der Baron


Lisette, dir habe ich etwas zu sagen!----

Lisette


Nu?

Der Baron


(sachte zu ihr) Ich weiß noch nicht, wer unser Gast ist. Gewisser Ursachen wegen, mag ich ihn auch nicht fragen. Könntest du nicht von seinem Diener----

Lisette


Ich weiß was Sie wollen. Dazu trieb mich meine Neugierigkeit von selbst, und deswegen kam ich hierher----

Der Baron


Bemühe dich also und gieb mir Nachricht davon. Du wirst Dank bey mir verdienen.

Lisette


Gehen Sie nur.

Christoph


Sie werden es also nicht übel nehmen, mein Herr, daß wir es uns bey Ihnen gefallen lassen. Aber ich bitte, machen Sie sich meinetwegen keine Ungelegenheiten; ich bin mit allem zufrieden, was da ist.

Der Baron


Lisette, ich übergebe ihn deiner aufsicht. Laß ihn an nichts Mangel leiden (geht ab)


Christoph


Ich empfehle mich also, Mademoisell, Dero gütigen Aufsicht, die mich an nichts wird Mangel leiden lassen (will abgehen).


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Was nicht originell ist, daran ist nichts gelegen,
und was originell ist, trägt immer die Gebrechen des Individuums an sich.
(Goethe)





Baba_Yaga
Sapere aude! Wage es zu wissen - Horaz


Re: Die Juden - Ephraim Lessing 1749

am: 05/06/02 um 01:32:17
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Zehnter Auftritt

Lisette. Christoph.


Lisette

(hält ihn auf). Nein, mein Herr, ich kann es unmöglich über mein Herz bringen, Sie so unhöflich sein zu lassen – Bin ich denn nicht Frauenzimmers genug, um einer kurzen Unterhaltung wert zu sein?


Christoph.

Der Geier! Sie nehmen die Sache genau, Mamsell. Ob Sie Frauenzimmers genug oder zuviel sind, kann ich nicht sagen. Wenn ich zwar aus Ihrem gesprächigen Munde schließen sollte, so dürfte ich beinahe das letzte behaupten. Doch dem sei, wie ihm wolle; jetzt werden Sie mich beurlauben; – – Sie sehen, ich habe Hände und Arme voll. – – Sobald mich hungert oder dürstet, werde ich bei Ihnen sein.

Lisette.

So macht's unser Schirrmeister auch.


Christoph.

Der Henker! das muß ein gescheuter Mann sein: er macht's wie ich!


Lisette.


Wenn Sie ihn wollen kennenlernen: er liegt vor dem Hinterhause an der Kette.


Christoph.


Verdammt! ich glaube gar, Sie meinen den Hund. Ich merke also wohl, Sie werden den leiblichen Hunger und Durst verstanden haben. Den aber habe ich nicht verstanden; sondern den Hunger und Durst der Liebe. Den, Mamsell, den! Sind Sie nun mit meiner Erklärung zufrieden?


Lisette.


Besser als mit dem Erklärten.


Christoph.


Ei! im Vertrauen: – – Sagen Sie etwa zugleich auch damit so viel, daß Ihnen ein Liebesantrag von mir nicht zuwider sein würde?


Lisette.

Vielleicht! Wollen Sie mir einen tun? im Ernst?

Christoph.

Vielleicht!


Lisette.


Pfui! was das für eine Antwort ist! vielleicht!
Christoph. Und sie war doch nicht ein Haar anders, als die Ihrige.


Lisette.


In meinem Munde will sie aber ganz etwas anders sagen. Vielleicht, ist eines Frauenzimmers größte Versicherung. Denn so schlecht unser Spiel auch ist, so müssen wir uns doch niemals in die Karte sehen lassen.


Christoph.


Ja, wenn das ist! – Ich dächte, wir kämen also zur Sache. – – (Er schmeißt beide Mantelsäcke auf die Erde.) Ich weiß nicht, warum ich mir's so sauer mache? Da liegt! – – Ich liebe Sie, Mamsell.


Lisette.


Das heiß ich, mit wenigen viel sagen. Wir wollen's zergliedern – –


Christoph.


Nein, wir wollen's lieber ganz lassen. Doch, – damit wir in Ruhe einander unsre Gedanken eröffnen können; – – belieben Sie sich niederzulassen! – – Das Stehn ermüdet mich. – – Ohne Umstände! – (Er nötiget sie auf den Mantelsack zu sitzen.) – – Ich liebe Sie, Mamsell. – –

Lisette.


Aber, – – ich sitze verzweifelt hart. – – Ich glaube gar, es sind Bücher darin – –


Christoph.


Darzu recht zärtliche und witzige; – und gleichwohl sitzen Sie hart darauf? Es ist meines Herrn Reisebibliothek. Sie besteht aus Lustspielen, die zum Weinen, und aus Trauerspielen, die zum Lachen bewegen; aus zärtlichen Heldengedichten; aus tiefsinnigen Trinkliedern, und was dergleichen neue Siebensachen mehr sind. – – Doch wir wollen umwechseln. Setzen Sie sich auf meinen; – ohne Umstände! – – meiner ist der weichste.


Lisette.


Verzeihen Sie! So grob werde ich nicht sein – –


Christoph.


Ohne Umstände, – ohne Komplimente! – Wollen Sie nicht? – So werde ich Sie hintragen. –


Lisette.


Weil Sie es denn befehlen – (Sie steht auf und will sich auf den andern setzen.)


Christoph.


Befehlen? behüte Gott! – Nein! befehlen will viel sagen. – – Wenn Sie es so nehmen wollen, so bleiben Sie lieber sitzen. – (Er setzt sich wieder auf seinen Mantelsack.)


Lisette

(beiseite). Der Grobian! Doch ich muß es gut sein lassen – –


Christoph


Wo blieben wir denn? – Ja, – bei der Liebe – – Ich liebe Sie also, Mamsell. Je vous aime, würde ich sagen, wenn Sie eine französische Marquisin wären.


Lisette.


Der Geier! Sie sind wohl gar ein Franzose?


Christoph.

Nein, ich muß meine Schande gestehn: ich bin nur ein Deutscher. – Aber ich habe das Glück gehabt, mit verschiedenen Franzosen umgehen zu können, und da habe ich denn so ziemlich gelernt, was zu einem rechtschaffnen Kerl gehört. Ich glaube, man sieht mir es auch gleich an.


Lisette.

Sie kommen also vielleicht mit Ihrem Herrn aus Frankreich?


Christoph.


Ach nein! – –


Lisette.


Wo sonst her? freilich wohl! –


Christoph.

Es liegt noch einige Meilen hinter Frankreich, wo wir herkommen.


Lisette.

Aus Italien doch wohl nicht?


Christoph.

Nicht weit davon.


Lisette.

Aus Engeland also?


Christoph.


Beinahe; Engeland ist eine Provinz davon. Wir sind über funfzig Meilen von hier zu Hause. – – Aber, daß Gott! – meine Pferde, – die armen Tiere stehen noch gesattelt. Verzeihen Sie, Mamsell! – – Hurtig! stehen Sie auf! – – (Er nimmt die Mantelsäcke wieder untern Arm.) – – Trotz meiner inbrünstigen Liebe muß ich doch gehn, und erst das Nötige verrichten. – – Wir haben noch den ganzen Tag, und, was das meiste ist, noch die ganze Nacht vor uns. Wir wollen schon noch eins werden. – Ich werde sie wohl wieder zu finden wissen.



Eilfter Auftritt


Martin Krumm. Lisette.


Lisette


Von dem werde ich wenig erfahren können. Entweder, er ist zu dumm, oder zu fein. Und beides macht unergründlich.


Martin Krumm


So, Jungfer Lisette? Das ist auch der Kerl darnach, daß er mich ausstechen sollte!


Lisette.


Das hat er nicht nötig gehabt.


Martin Krumm.


Nicht nötig gehabt? Und ich denke, wer weiß wie fest ich in Ihrem Herzen sitze.


Lisette.


Das macht, Herr Vogt, Er denkt's. Leute von Seiner Art haben das Recht, abgeschmackt zu denken. Drum ärgre ich mich auch nicht darüber, daß Er's gedacht hat; sondern, daß Er mir's gesagt hat. Ich möchte wissen, was Ihn mein Herz angeht? Mit was für Gefälligkeiten, mit was für Geschenken hat Er sich denn ein Recht darauf erworben? – Man gibt die Herzen jetzt nicht mehr, so in den Tag hinein, weg. Und glaubt Er etwa, daß ich so verlegen mit dem meinigen bin? Ich werde schon noch einen ehrlichen Mann dazu finden, ehe ich's vor die Säue werfe.


Martin Krumm


Der Teufel, das verschnupft! Ich muß eine Prise Tabak darauf nehmen. – – Vielleicht geht es wieder mit dem Niesen fort. – (Er zieht die entwende Dose hervor, spielt einige Zeit in den Händen damit, und nimmt endlich, auf eine lächerlich hochmütige Art, eine Prise.)


Lisette


(schielt ihn von der Seite an). Verzweifelt! wo bekömmt der Kerl die Dose her?


Martin Krumm


Belieben Sie ein Prischen?


Lisette


Oh, Ihre untertänige Magd, mein Herr Vogt! (Sie nimmt.)


Martin Krumm


Was eine silberne Dose nicht kann! – – Könnte ein Ohrwürmchen geschmeidiger sein?


Lisette.


Ist es eine silberne Dose?


Martin Krumm.


Wann's keine silberne wäre, so würde sie Martin Krumm nicht haben.


Lisette.


Ist es nicht erlaubt, sie zu besehn?


Martin Krumm.


Ja, aber nur in meinen Händen.


Lisette.


Die Fasson ist vortrefflich.


Martin Krumm.


Ja, sie wiegt ganzer fünf Lot.


Lisette.


Nur der Fasson wegen möchte ich so ein Döschen haben.


Martin Krumm


Wenn ich sie zusammenschmelzen lasse, steht Ihnen die Fasson davon zu Dienste.


Lisette.


Sie sind allzu gütig! – Es ist ohne Zweifel ein Geschenk?


Martin Krumm


Ja, sie kostet mir nicht einen Heller.


Lisette.


Wahrhaftig, so ein Geschenk könnte ein Frauenzimmer recht verblenden! Sie können Ihr Glück damit machen, Herr Vogt. Ich wenigstens würde mich, wenn man mich mit silbernen Dosen anfiele, sehr schlecht verteidigen können. Mit so einer Dose hätte ein Liebhaber gegen mich gewonnen Spiel.


Martin Krumm.


Ich versteh's, ich versteh's!


Lisette.


Da sie Ihnen so nichts kostet, wollte ich Ihnen raten, Herr Vogt, sich eine gute Freundin damit zu machen – –


Martin Krumm.


Ich versteh's, ich versteh's! –


Lisette


(schmeichelnd). Wollten Sie mir sie wohl schenken? – –


Martin Krumm.


O um Verzeihung! – – Man gibt die silbernen Dosen jetzt nicht mehr, so in den Tag hinein, weg. Und glaubt Sie denn, Jungfer Lisette, daß ich so verlegen mit der meinigen bin? Ich werde schon noch einen ehrlichen Mann dazu finden, ehe ich sie vor die Säue werfe.


Lisette.


Hat man jemals eine dümmre Grobheit gefunden! – – Ein Herz einer Schnupftabaksdose gleich zu schätzen?


Martin Krumm.


Ja, ein steinern Herz einer silbern Schnupftabaksdose – –


Lisette.


Vielleicht würde es aufhören, steinern zu sein, wenn – – Doch alle meine Reden sind vergebens – – Er ist meiner Liebe nicht wert – – Was ich für eine gutherzige Närrin bin! – (will weinen) beinahe hätte ich geglaubt, der Vogt wäre noch einer von den ehrlichen Leuten, die es meinen, wie sie es reden –


Martin Krumm


Und was ich für ein gutherziger Narre bin, daß ich glaube, ein Frauenzimmer meine es, wie sie es red't! – Da, mein Lisettchen, weine Sie nicht! – (Er gibt ihr die Dose.) – Aber nun bin ich doch wohl Ihrer Liebe wert? – Zum Anfange verlange ich nichts, als nur ein Küßchen auf Ihre schöne Hand! – – (Er küßt sie.) Ah, wie schmeckt das! –



Zwölfter Auftritt


Das Fräulein. Lisette. Martin Krumm.



Das Fräulein

(sie kömmt dazu geschlichen, und stößt ihn mit dem Kopfe auf die Hand). Ei! Herr Vogt, – küß Er mir doch meine Hand auch!


Lisette.


Daß doch! – –


Martin Krumm.


Ganz gern, gnädiges Fräulein – (Er will ihr die Hand küssen.)


Das Fräulein


(gibt ihm eine Ohrfeige). Ihr Flegel, versteht Ihr denn keinen Spaß?


Martin Krumm.


Den Teufel mag das Spaß sein!


Lisette.


Ha! ha! ha! (Lacht ihn aus.) O ich bedaure Ihn, mein lieber Vogt – Ha! ha! ha!


Martin Krumm.


So? und Sie lacht noch dazu? Ist das mein Dank? Schon gut, schon gut! (Gehet ab.)


Lisette.

Ha! ha! ha!



Dreizehnter Auftritt


Lisette. Das Fräulein.



Das Fräulein.


Hätte ich's doch nicht geglaubt, wenn ich's nicht selbst gesehen hätte. Du läßt dich küssen? und noch dazu vom Vogt?


Lisette


Ich weiß auch gar nicht, was Sie für Recht haben, mich zu belauschen? Ich denke, Sie gehen im Garten mit dem Fremden spazieren.


Das Fräulein.


Ja, und ich wäre noch bei ihm, wenn der Papa nicht nachgekommen wäre. Aber so kann ich ja kein kluges Wort mit ihm sprechen. Der Papa ist gar zu ernsthaft – –

Lisette.


Ei, was nennen Sie denn ein kluges Wort? Was haben Sie denn wohl mit ihm zu sprechen, das der Papa nicht hören dürfte?


Das Fräulein.

Tausenderlei! – Aber du machst mich böse, wo du mich noch mehr fragst. Genug, ich bin dem fremden Herrn gut. Das darf ich doch wohl gestehn?


Lisette.


Sie würden wohl greulich mit dem Papa zanken, wenn er Ihnen einmal so einen Bräutigam verschaffte? Und im Ernst, wer weiß, was er tut. Schade nur, daß Sie nicht einige Jahre älter sind: es könnte vielleicht bald zustande kommen.


Das Fräulein.


Oh, wenn es nur am Alter liegt, so kann mich ja der Papa einige Jahr älter machen. Ich werde ihm gewiß nicht widersprechen.


Lisette.


Nein, ich weiß noch einen bessern Rat. Ich will Ihnen einige Jahre von den meinigen geben, so ist uns allen beiden geholfen. Ich bin alsdann nicht zu alt, und Sie nicht zu jung.


Das Fräulein.

Das ist auch wahr; das geht ja an!


Lisette.


Da kömmt des Fremden Bedienter; ich muß mit ihm sprechen. Es ist alles zu Ihrem Besten – Lassen Sie mich mit ihm allein. – Gehen Sie.


Das Fräulein.


Vergiß es aber nicht, wegen der Jahre – – Hörst du, Lisette?




Vierzehnter Auftritt


Lisette. Christoph.




Lisette.


Mein Herr, Sie hungert oder durstet gewiß, daß Sie schon wiederkommen? nicht?


Christoph.


Ja freilich! – – Aber wohlgemerkt, wie ich den Hunger und Durst erklärt habe. Ihr die Wahrheit zu gestehn, meine liebe Jungfer, so hatte ich schon, sobald ich gestern vom Pferde stieg, ein Auge auf Sie geworfen. Doch weil ich nur einige Stunden hierzubleiben vermeinte, so glaubte ich, es verlohne sich nicht der Mühe, mich mit Ihr bekannt zu machen. Was hätten wir in so kurzer Zeit können ausrichten? Wir hätten unsern Roman von hinten müssen anfangen. Allein es ist auch nicht allzusicher, die Katze bei dem Schwanze aus dem Ofen zu ziehen.


Lisette.


Das ist wahr! nun aber können wir schon ordentlicher verfahren. Sie können mir Ihren Antrag tun; ich kann darauf antworten. Ich kann Ihnen meine Zweifel machen; Sie können mir sie auflösen. Wir können uns bei jedem Schritte, den wir tun, bedenken, und dürfen einander nicht den Affen im Sacke verkaufen. Hätten Sie mir gestern gleich Ihren Liebesantrag getan; es ist wahr, ich würde ihn angenommen haben. Aber überlegen Sie einmal, wieviel ich gewagt hätte, wenn ich mich nicht einmal nach Ihrem Stande, Vermögen, Vaterlande, Bedienungen und dergleichen mehr zu erkundigen Zeit gehabt hätte?


Christoph.


Der Geier! wäre das aber auch so nötig gewesen? So viel Umstände? Sie könnten ja bei dem Heiraten nicht mehrere machen? –


Lisette.


Oh! wenn es nur auf eine kahle Heirat angesehen wäre, so wär' es lächerlich, wenn ich so gewissenhaft sein wollte. Allein mit einem Liebesverständnisse ist es ganz etwas anders! Hier wird die schlechteste Kleinigkeit zu einem wichtigen Punkte. Also glauben Sie nur nicht, daß Sie die geringste Gefälligkeit von mir erhalten werden, wenn Sie meiner Neugierde nicht in allen Stücken ein Gnüge tun.


Christoph.


Nu? wie weit erstreckt sich denn die?


Lisette.


Weil man doch einen Diener am besten nach seinem Herrn beurteilen kann, so verlange ich vor allen Dingen zu wissen – –


Christoph.


Wer mein Herr ist? Ha! ha! das ist lustig. Sie fragen mich etwas, das ich Sie gern selbst fragen möchte, wenn ich glaubte, daß Sie mehr wüßten, als ich.


Lisette.


Und mit dieser abgedroschnen Ausflucht denken Sie durchzukommen? Kurz, ich muß wissen, wer Ihr Herr ist, oder unsre ganze Freundschaft hat ein Ende.


Christoph.


Ich kenne meinen Herrn nicht länger, als seit vier Wochen. So lange ist es, daß er mich in Hamburg in seine Dienste genommen hat. Von da aus habe ich ihn begleitet, niemals mir aber die Mühe genommen, nach seinem Stande oder Namen zu fragen. So viel ist gewiß, reich muß er sein; denn er hat weder mich noch sich auf der Reise notleiden lassen. Und was brauch ich mich mehr zu bekümmern?



Lisette.


Was soll ich mir von Ihrer Liebe versprechen, da Sie meiner Verschwiegenheit nicht einmal eine solche Kleinigkeit anvertrauen wollen? Ich würde nimmermehr gegen Sie so sein. Zum Exempel, hier habe ich eine schöne silberne Schnupftabaksdose – –


Christoph.


Ja? nu? – –


Lisette.

Sie dürften mich ein klein wenig bitten, so sagte ich Ihnen, von wem ich sie bekommen habe – –


Christoph.


Oh! daran ist mir nun eben so viel nicht gelegen. Lieber möchte ich wissen, wer sie von Ihnen bekommen sollte?


Lisette.


Über den Punkt habe ich eigentlich noch nichts beschlossen. Doch wenn Sie sie nicht sollten bekommen, so haben Sie es niemanden anders, als sich selbst zuzuschreiben. Ich würde Ihre Aufrichtigkeit gewiß nicht unbelohnt lassen.


Christoph.


Oder vielmehr meine Schwatzhaftigkeit! Doch, so wahr ich ein ehrlicher Kerl bin, wann ich dasmal verschwiegen bin, so bin ich's aus Not. Denn ich weiß nichts, was ich ausplaudern könnte. Verdammt! wie gern wollte ich meine Geheimnisse ausschütten, wann ich nur welche hätte.


Lisette.


Adieu! ich will Ihre Tugend nicht länger bestürmen. Nur wünsch ich, daß sie Ihnen bald zu einer silbernen Dose und einer Liebsten verhelfen möge, so wie sie Sie jetzt um beides gebracht hat. (Will geben.)


Christoph.


Wohin? wohin? Geduld! (Beiseite.) Ich sehe mich genötigt, zu lügen. Denn so ein Geschenk werde ich mir doch nicht sollen entgehn lassen? Was wird's auch viel schaden?


Lisette.


Nun, wollen Sie es näher geben? Aber, – – ich sehe schon, es wird Ihnen sauer. Nein, nein; ich mag nichts wissen –


Christoph.


Ja, ja, Sie soll alles wissen! – – (Beiseite.) Wer doch recht viel lügen könnte! – Hören Sie nur! – Mein Herr ist – – ist einer von Adel. Er kömmt, – – wir kommen miteinander aus – – aus – – Holland. Er hat müssen – – gewisser Verdrüßlichkeiten wegen – – einer Kleinigkeit – – eines Mords wegen – – entfliehen –


Lisette.


Was? eines Mords wegen?


Christoph.


Ja, – – aber eines honetten Mords – – eines Duells wegen entfliehen. – Und jetzt eben – – ist er auf der Flucht – –


Lisette.


Und Sie, mein Freund? – –


Christoph.


Ich, bin auch mit ihm auf der Flucht. Der Entleibte hat uns – – will ich sagen, die Freunde des Entleibten haben uns sehr verfolgen lassen; und dieser Verfolgung wegen – – Nun können Sie leicht das übrige erraten. – – Was Geier, soll man auch tun? Überlegen Sie es selbst; ein junger naseweiser Laffe schimpft uns. Mein Herr stößt ihn übern Haufen. Das kann nicht anders sein! – Schimpft mich jemand, so tu ich's auch, – oder – oder schlage ihn hinter die Ohren. Ein ehrlicher Kerl muß nichts auf sich sitzen lassen.


Lisette.


Das ist brav! solchen Leuten bin ich gut; denn ich bin auch ein wenig unleidlich. Aber sehen Sie einmal, da kömmt Ihr Herr! sollte man es ihm wohl ansehn, daß er so zornig, so grausam wäre?


Christoph.


O kommen Sie! wir wollen ihm aus dem Wege gehn. Er möchte mir es ansehn, daß ich ihn verraten habe.


Lisette.


Ich bin's zufrieden – –


Christoph.


Aber die silberne Dose –


Lisette.


Kommen Sie nur. (Beiseite.) Ich will erst sehen, was mir von meinem Herrn für mein entdecktes Geheimnis werden wird: Lohnt sich das der Mühe, so soll er sie haben.

--------------------------------------------------------------------------------
Was nicht originell ist, daran ist nichts gelegen,
und was originell ist, trägt immer die Gebrechen des Individuums an sich.
(Goethe)


Fortsetzung folgt[/b]


[editiert: 03.09.03, 09:39 von bjk]
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New PostErstellt: 02.09.03, 10:01  Betreff: Re: aus dem DF kopiert  drucken  weiterempfehlen

Silberstern

Die schwarzen Seelenvögel

am: 11/01/02 um 00:53:28

--------------------------------------------------------------------------------
Hier ein kurzer Aufsatz von mir, zum Thema Seelenvögel, Hexenrichtplatz in Höchberg.


Die schwarzen Seelenvögel von Höchberg

„Andere haben einen Wetterhahn auf der Kirchturmspitze,-
wir Höchberger haben die Kracken“

Tatsächlich kann man, vorallem in strengen Wintern, auf dem alten
Kirchturm unserer Marienwallfahrtskirche manchmal bis zu fünf
tiefschwarze Krähenvögel beobachten.Sie lassen sich auf jedem der vier
Kreuzbalken und auf der Spitze des Doppelkreuzes nieder. Ihre
schwarzglänzenden Kollegen besiedeln dabei in Scharen die kahlen
Bäume des nebenan gelegenen Friedhofes. Mit laut vernehmbarem
Krächzen überfliegen sie in kunstvollen Bögen den stillen Ort. An
frischen Gräbern finden diese intelligenten Tiere in den abgelegten
Blumengebinden Nahrung für den Winter. Im Sommer ist ihr Tisch in
der umliegenden Feldflur reich gedeckt. Wie der Name schon sagt,
können Saatkrähen, gerade weil sie in Scharen einfallen, auch heute
noch gewaltigen Schaden an Getreidefeldern anrichten. So versteht man,
daß man diesen Vogel im Mittelalter, als Gedeih und Verderb einer
ganzen Dorfgemeinschaft vom jährlichen Ernteerfolg abhing, als
Kulturschädling erbarmungslos verfolgte.

Mit diesem Krähenvogel verbindet sich für die Höchberger ein
ungelöstes Rätsel, denn sie selbst werden seit alter Zeit „Kracken“
genannt. Im Zuge meiner Festjahresplanungen, auf die ich schon etwas stolz bin,
- machte ich mich auf die
Suche nach des Rätsels Lösung. Ich fragte die Höchberger, welche
Eigenschaft dem Krähenvogel denn aneignete,die diesen mit ihnen
verbinden könnte...

Von unterschiedlichen, meist älteren Personen wurde folgende Erklärung
gegeben. Man will beobachtet haben, daß Höchberg aus der
Vogelperspektive einem Krähenvogel - oder vielleicht auch einem
Krähennest (?) recht ähnlich sieht oder - ähnlich gesehen hat,- und daher
stamme der Name.

Eine weitere Erklärung, die sich nicht direkt auf den Krähenvogel bezog,
gab ein Höchberger Wanderfreund. Er wies darauf hin, daß auf dem
sogenannten „Fabriker-Weg“ im Gemeindewald zwischen Höchberg
und Oberzell noch vor einigen Jahren jeden Morgen eine Schar
Höchberger Männer in den Nachbarort unterwegs war. Sie hatten Arbeit
in der weltweit bekannten Druckerei „König und Bauer“ gefunden.
Immer wenn Sie den Weg bergab in den Ort hineinliefen, müssen sie
sich recht lautstark unterhalten haben, so daß die Bewohner von Zell
recht bald schon behaupteten, die Höchberger „krakeelten“ - was dann
wohl aus ethymologischen Gründen, oder aber tatsächlich der heiser-
lauten Stimmen wegen, zur Bezeichnung „Kracken“ geführt habe.

Die häufigste Erklärung, welche heute noch gerne den Kindern gegeben
wird, erklärt den Namen „Kracken“ für die Höchberger mit dem
gehäuften Auftreten des Vogels im Winter. So suchen speziell die
Saatkrähen im Winter die Nähe des Menschen, um, als echter
„Allesfresser“, im Ort von Essensresten und Abfällen zu leben.
Außerdem weiß man, daß im Winter zudem noch weitere Krähenarten
aus nördlicher gelegenen Gegenden den Ort aufsuchen, um in unserer
Region zu überwintern.

Es wurde noch Verschiedenes als Lösung angeboten, doch in einem
Punkt war man sich einig - es mußte sich um einen Schimpfnamen
handeln - zumal auch die Nachbarorte mit gesucht ehrenrührigen
Ortsschimpfnamen belegt werden. Wie das Beispiel aus dem
nahegelegenen Heidingsfeld zeigt, dessen Bewohner wenig
schmeichelhaft als „Gimäuler“ (=Verräter), bezeichnet werden. Die
Namenforschung geht davon aus, daß Ortsschimpfnamen
erfahrungsgemäß eher auf ein einzelnes Vorkommnis zurückzuführen
sind, als auf allgemeine topographische Gegebenheiten oder spezifische
Eigenheiten der Bewohner. - und dieses Ereignis herauszufinden, wenn
es weit zurückliegt, ist eigentlich unmöglich.

Wer möchte sich damit zufrieden geben?-
Schauen wir noch einmal zurück, was der Krähenvogel eigentlich seit
alter Zeit im Volksaberglauben, im Empfinden der Leute bedeutet.
Vielleicht ist es sein gehäuftes Erscheinen im Winter, sein spottendes,
lautes Krächzen und sein tiefschwarzes glänzendes Gefieder, vielleicht
aber auch seine Nahrungsgewohnheiten als Schädling und Aasfresser die
hinter diesem Vogel ein Geheimnis zu verbergen scheinen. Sein Ruf, in
dem manche Menschen das Wort „grab, grab“ oder „starb starb“ gehört
haben wollen, bringen das Tier nicht nur in unserem Kulturkreis, in den
Zusammenhang mit der Ankündigung eines nahenden Lebensendes, als
dessen Boten sie schon im antiken Mythos galten. Ja, in vielen Fällen
sollen sie selbst die schwarzen Seelen verstorbener Missetäter
verkörpern. Die Beobachtung der Wirklichkeit in Zusammenhang mit
der abergläubischen Interpretationen des Volkes findet sich meisterhaft
beschrieben in den Novellen von Theodor Storm. In seinen Geschichten
finden wir die schwarzen Krähenvögel, die einen verwaisten
Hinrichtungsort, meist einen Hexenrichtplatz belagern - es sind
Galgenvögel, die sich an den menschlichen Überresten, zumeist an den
Augen der Gerichteten, gütlich tun. Es ist kein Wunder, daß der
Volksaberglaube die Krähen damit auch als ständige, der Weissagung
mächtige Hexenbegleiter überliefert....


Inwieweit diese Interpretation auf Höchberg zutrifft, wird sich sicher
nicht mehr beweisen lassen, aber einen Hinweis gibt es:

In der Leichenrede des Jesuitenpaters P.Gaar heißt es anläßlich der
Hinrichtung der letzten fränkischen Hexe, der Subpriorin des Klosters
Unterzell, Maria Renata Singer von Mossau, am 20.Juni 1749 auf dem
Höchberger Hexenrichtplatz „...und ein schwarzer Geiersvogel flog
auf..“ damit war, zumal in Höchberg, sicher der „Seelenvogel“ und
Aasfresser, die Krähe gemeint -

Höchberg liegt spätestens seit dem frühen 17. Jahrhundert zwischen
zwei Hinrichtungsorten. Ein Richtplatz befand sich auf dem Hexenbruch, der zweite soll sich auf dem Nikolausberg befunden haben. So
muß es nicht einmal sein, daß Höchberg aus diesem Grund stärker von
Krähen frequentiert war als die Nachbarorte, - allein die Tatsache, daß
Höchberg selbst, ähnlich den Krähenkolonien um einen Richtplatz, so nahe zwischen zwei „Würzburger“ Richtplätzen lag, dürfte wohl für die
herablassende, wahrscheinlich auch auf ihre Lebensbedingungen
anspielende, Bezeichnung dieser damals sicher sehr armen Menschen
ausschlaggebend gewesen sein...,

Übrigens gibt es in Franken noch einen weiteren Ort, - Goßmannsdorf
bei Ochsenfurt, dessen Bewohner als Kracken bezeichnet werden, - und
- Wen wunderts?, - auch Ochsenfurt war im 16. und 17. Jahrhundert
schwer heimgesucht vom Hexenwahn.

Vielleicht weil es sich gerade bei der Krähe, dem unterfränkischen
„Krack“ vor allem wegen seiner Intelligenz, aber auch seiner
Geselligkeit und seines eleganten Aussehens doch um einen recht
sympathischen Gesellen handelt, identifiziert man sich in Höchberg
gerne mit Ihm.

Silberstern


[editiert: 02.09.03, 10:01 von bjk]
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bjk

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New PostErstellt: 01.09.03, 19:52  Betreff:  Re: aus dem DF kopiert  drucken  weiterempfehlen

viel Spaß beim Opernbesuch



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bjk-berlin

wrangelchen etwas umgeschrieben

am: 05/08/03 um 11:36:08

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ohne in Vands Urheberrecht eingreifen zu wollen,
hab ich mal die Nuancen im 2. und 3. Akt leicht verändert.

Am Beginn und am Ende jeder Veränderung plaziere ich das Smily

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2. Akt

Vand hat eine kleine Imbißbude für die ausgesperrten Heilsarmisten eröffnet.

Vand:
"Ich lade gern mir Gäste ein,
Zu Tee und Escorial
Auch gibt es Bier und Sekt und Wein,
In meinem Streiklokal."

Dort laß‘ durch meine Weiber
Gerne ich verwöhnen mir.
Denn schließlich bin ich der Betreiber
dieser Imbißbude hier!

Ich bin kein Kostverächter
In Sachen Weib und Speis
Und hol‘ höchstselbst beim Schlächter
Das Rinderhack, wie jeder weiß.

Überlegen stets und ganz Macho
Laß‘ ich meine Weiber streiten,
Mit Zetern und mit Mordio,
Wer mir darf Tatar nun zubereiten.

Steht die Siegerin dann fest
Und ist beendet jede Krise,
wird verfaßt ein Manifest,
„Am besten kann‘s Luise“!

Also öffne ich die Kühlschranktür,
Lang heraus das Rinderhack,
Reiche Zwiefel, Salz und Pfeffer ihr,
daß sie’s zubereite mit Geschmack.

Köstlich kann sie’s, die Luise,
knetet Fleisch, mengt Gewürze
und Kräutlein von der Wiese,
so lieb‘ ich Tatar in aller Kürze!

Und ließ es mir gut schmecken,
genoß noch einen Escorial,
und dann - - - überfiel mich großer Schrecken!
- - - Sterben würd‘ ich voller Qual.

Mein Rinderhack, das war 3 Tage alt,
oh Vand, wie konntest Du‘s vergessen,
mir wurd’s heiß und dann eisekalt,
bin selber schuld am verdorb’nen Essen.


Eine arglose Heilsarmistin serviert ihm jedoch dort ein verdorbenes Tatar, das ihn mit einer Lebensmittelvergiftung auf die Bretter haut. Vand muß in die Klinik.




3. Akt

Jahrhundertflut, Wahlen und Krieg ziehen vorüber.
Die Leute von der Heilsarmee haben inzwischen eine Wurstküche gegenüber vom "Schwarzen Keiler" aufgemacht, in der die arglose Heilsarmistin von ehedem als Köchin nach wie vor auch immer wieder gern ihr köstliches Tatar zubereitet. Der Wurstküchenbetreiber gehört dem Reich der sanften Mitte an und ist Vegetarier. In der Wurstküche geht es hoch her. Demokratisch natürlich.

Die Köchin ( streitbarer Koloratursopran) singt:
"Mein Frikassee und mein Tatar, sind wunderbar, sind wunderbar
Mein Frikassee und mein Tatar, sind wirklich wunderbar!
Ich mach dich fertig, du Faschist, du Faschist, du Faschist!
Ich mach dich fertig, du Faschist, bis du rot statt braun bist."

Hin und wieder schleudert sie ein paar Wurfmesser aus ihrer Küche in den "Schwarzen Keiler". Wer ihr als Straßenpassant in die Quere kommt, staunt über ihre Treffsicherheit.

Der gemischte Wurstküchenchor wirft den dort zu Abend essenden Seebären Robro auf die Straße, dabei singend:
"Seemann, laß das Schäumen,
schluck unser Gericht!
Seemann, wer uns blöd kommt,
der ist ein Faschist."

Der sterbende Robro (im Rebroff-Bass) singt:
"Mir ist manches schon passiert,
Aber so etwas noch nicht, aber so etwas noch nicht.
Mir ist manches schon passiert,
Aber so etwas, so etwas, so was nicht!"





bjk-berlin

Akt 4 und 5, leicht überarbeitet

am: 05/08/03 um 12:30:01

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auch hier sind die Nuancierungen eingefaßt von folgendem Smiley

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4. Akt

Bjk (lyrischer Tenor), der ältere Bruder des Keilerwirts, sitzt am Fenster über der Wirtschaft und schaut sehnsüchtig sinnend hinüber zur vegetarischen Wurstküche. Er hatte dort schon öfter einen Plausch mit der Köchin, jetzt wechselt er die Fronten und bekennt sich voll und ganz zu ihr.

Köchin und Bjk (im Duett):
"Meine Liebe, deine Liebe, die sind beide gleich,
Menschenrecht und rote Liebe sind mein Himmelreich.
Meine Liebe, deine Liebe hat denselben Sinn,
Du kämpfst für mich, und ich für Dich
und da liegt alles drin."

Bjk nimmt den Weihrauchkessel und umfächelt die Köchin.
Er wird ihn im ganzen Rest der Oper schwenken.


5. Akt

Vand ist unter dem Namen Wrangel wieder aufgetaucht und spielt als Moritatensänger vorm "Schwarzen Keiler" auf. 158mal wird er vom Keilerwirt vertrieben, verhaftet und weggesperrt, beim 159. mal hält er als WeichWahnitzki Laudationes. Seine Werke werden wie gehabt zerrissen.

VandWrangelWeichWahnitzki (eben eine seiner Lobeshymnen singend):
"Cicero, du gehst sohoo stille - deine sanfte, kluge Bahn,
Schon seit Jaahren und Sekuhunden - wiegst du dich in deinem Wahn."

Bjk, der, vom Bruder verstoßen, sich in der Maske eines kleinen Propheten in den "Schwarzen Keiler" zurückgeschlichen hat, taucht plötzlich vor Wrangel auf und singt freundlich einladend:
"Laß den "Schwarzen Keiler" sausen!
Sing an unsrer Bar,
Bei uns kannst du auch gut schmausen,
Bei uns gibt's Tatar!"

Wrangel schaut stumm auf die Latex-Leichenimitate hinter der Wurstküche.
Da liegen Robros Wachskopf mit dem Aufkleber: "Brauner Verräter!" und "War nicht so gemeint!"
und Zimmermanns rechter Gipsarm mit dem Etikett "Mach die Fliege!" und "Tut uns leid!"
Er summt das Wiegenlied vom Totschlag, sagt aber nichts.

Die Leute des Keilerwirts tauchen auf und vertreiben Bjk.
Bjk (Wrangel im höchsten Tenor entgegenschmetternd):
"Warum hast du so schändlich mich erdolcht,
Du finsterer, prinzipienloser Strolch?
Komm jetzt an die Bar,
Iß hier das Tatar,
Wie’s früher mal war!"

Wrangel schaut noch einmal auf Robros Wachskopf, tippt sich an die Stirn, sagt aber immer noch nichts. Das Blumenmädchen Sarabande weiß von Wrangels Lebensmittelvergiftung damals in Vands Imbißstube, zieht Bjk am Ärmel und singt:
"Tut mir leid, Bjk,
Er war krank vom Tatar.
Das kann er nicht vergessen.
Mag’s einfach nicht mehr essen."

Mit dieser Mitteilung verschwindet Bjk beleidigt hinter einer Weihrauchwand in der Wurstküche.

Köchin (schickt eine Kompanie Nummerngirls mit den Lettern "DAS IST ÜBLE SIPPENHAFT!" los und singt, dabei Falschen Hasen in die Form des Lensman knetend ):
"Wrangel verzeih, es wird wieder schön!
Was einmal war, wird nie wieder gescheh’n.
Wir sind als Freunde für Dich da -
Iß unser Tatar, so wunderbar!"

Es folgt die "Seufzerarie", ebenfalls gesungen von der
Köchin:
"Soll ich nun aus dieser Küche scheiden,
Sagt es nur zu mir, und ich geh fort!
Wenn andre nunmehr diese Küche meiden,
Verlaß ich, wenn es sein muß, diesen Ort!"

Küchenchor:
Laß uns nicht allein mit dem Müll und den Schaben!
laß uns nicht allein mit dem Spam und Dreck!
Wir woll'n dich gern weiter bei uns haben,
Oh Baby, geh nun bloß nicht von hier weg!

Sarabande (erscheint in der Wurstküche und singt dort das Erklärungslied):
"Es ist nicht die Köchin, die ihn irritiert
Auch Kellner und Mixer und Chef sind es nicht!
Es ist nicht die Theke, warum er sich ziert,
Es ist ganz allein dieses Hackfleischgericht."

Der vegetarische Wurstküchenwirt singt dazu im Hintergrund schlafwandelnd das Abend- und Klagelied:
"Warum tut ihr meinem weißen Zwergkaninchen weh?"
(Zur Erklärung: er meint, Wrangel hätte etwas gegen ihn und seine Wurstküche, aber Wrangel mag eben nur kein Tatar.)

Die Köchin schickt noch einmal die Nummerngirls mit der "SIPPENHAFT!" raus und beteuert wie sicher und freundlich-demokratisch es doch bei ihnen zuginge.
Unterdessen wird der gebackene Falsche Hase in Lensman-Form in Spezial-Dosen eingemacht.

Den Küchenchor kümmern die Lensman-Dosen nicht, denn er hat Wichtigeres zu tun.
Er singt ein Shaker-Gospel und schüttelt über Wrangel den Kopf:
"Was ist nur los mit diesem Mann!
Die Köchin hat doch nun getan,
was immer man erwarten kann.
Wie nachtragend von diesem Mann."

Bjk (den Refrain allein singend):
"Daß man sich so täuschen kann,
dieser Mann ist kein Mann!"

Dann stellen sie die Speisekarte und die Dosen mit dem Lensmann-Tatar ins Fenster, daneben die Konserven mit den leckeren Wienerle in Form von Ohnelands Fingern.


Großes Finale:
Wrangel nimmt seinem Vize Bjk die weihrauchbeschlagene Brille ab und erklärt ihm, daß Köchin und Tatar nicht identisch sind, sie bereite dieses Hackfleischgericht eben nur zu gern und zu oft, und würde beim Modellieren immer wieder gegen das künstlerische Urheberrecht verstoßen, davon seien dann auch oft unschuldige und edle Geschöpfe wie Vand betroffen.
Das sollten sie mal unter Kontrolle bringen.

Vand singt Bjk das Einsichts-Frontlied vor:
"Laßt in Frieden ruh'n,
Killt nicht jedes Huhn.
Seift nicht jeden ein,
Laßt Menschen Menschen sein.
Qualmt nicht wie ein Meiler,
sonst seid ihr wie der "Keiler".
Schlaft gut in der Nacht
Vand hält für Euch Wacht.
Wartet auf das Licht,
Sonst erleucht‘s Euch nicht!"

Alle im Chor:
"Ohne Tatar, nur ohne Tatar
ist das Leben so wuhunderbaaar!"


V O R H A N G

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Insider werden auch hier verstehend schmunzeln. Anderen erkläre ich die Story gerne auf Anfrage.

Gruß
bjk


Reife ist
schärfer zu trennen
und inniger zu verbinden


[editiert: 03.09.03, 09:40 von bjk]
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bjk

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New PostErstellt: 01.09.03, 19:34  Betreff:  aus dem DF kopiert  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Kommentar nicht nötig



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Nebelhexen

« am: 05/09/03 um 23:16:36 » Zitieren Bearbeiten

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"Der Wald steht schwarz und schweiget,
und aus den Wiesen steiget
der weiße Nebel wunderbar......"

"....Wie ist die Welt so stille
und in der Dämmrung Hülle
Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen
und ist doch rund und schön.

So sind wohl manche Sachen,
die wir getrost belachen,
weil unsre Augen sie nicht sehn."

Genau so war´s!

Bin gerade mit meiner Mimi vom Weiher aus dem Wald zurückgekommen!
Tropfnasse Haare, klitschige Schuhsohlen, aber an meiner Seite ein vergnügtes Kind,
eine Kinderpatschhand in meiner Hand,
zwei blaue, strahlende Augensterne zu mir hochblickend,
...irgend welche Sinnfragen des Lebens stellen sich in solchen Stunden nicht mehr!

Nebelhexen, mit dichten Schleiern tanzten über´m See, den feuchten Wiesen und Ihre Gewänder fingen sich in den Bäumen des Waldes,
und meine Mimi konnte sogar ihre dunklen Augen unterm dünnen Gewebe erkennen,
...sagte sie mir!
Dicke Tropfen fielen von den Ästen auf unsere Köpfe, auf Schultern und Arme. Weiches Wasser lief uns übers Gesicht und der halbe Mond zwinkerte uns, zwischen Wolkenfetzen am dunklen Nachthimmel, mit einem Auge zu.
Mimi hat es auch gesehen!

Jetzt aber schläft sie, warm und trocken eingekuschelt und wahrscheinlich träumt sie von den wehenden Nebeln, vom Tanz der Mückenschwärme, den segelnden Rauch-Schwalben in der Dämmerung und natürlich von der Wanderung des Mondes, der uns auf dem Heimweg begleitete!

Ich freue mich auf morgen, wenn sie mir ihren Traum dann erzählen wird!

Gute Nacht
Baba Yaga
--------------------------------------------------------------------------------
Was nicht originell ist, daran ist nichts gelegen,
und was originell ist, trägt immer die Gebrechen des Individuums an sich.
(Goethe)



bjk-berlin

Re: Nebelhexen

am: 05/10/03 um 00:08:12

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Zlebog wird seinen Waldgeistern und Feen auftragen, daß sie Euch nach einem so wunderschönen Tag in ein geheimnisvolles Traumland entführen, wo Ihr beide märchenhafte Dinge erleben werdet, bis die kleine und die große Hexe endlich glücklich und erschöpft einschlafen und am nächsten Morgen frisch und munter wieder gemeinsam aufwachen, staunen und froh einen neuen Tag und viele viele weitere herrliche Erlebnisse gemeinsam genießen werden.

Dir, liebe Baba und Deiner Mimihexe
auch eine gute Nacht
wünscht bjk




Wahnsinn - wie die Zeit vergeht!

am: 05/11/03 um 23:53:22

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Wahnsinn!!!...
Wie die Zeit vergeht!

Gestern noch war die Wiese voll von saftig gelben Blüten des Löwenzahns!
In der Frühe fragte meine kleine Mimi, warum die Köpfchen alle geschlossen seien, und ich erzählte ihr von den Wolken und dem Regen, vor dem sich diese Sonnenkinder schützten,
...mittags aber bis abends dann, strahlte uns ein gelbes Meer, lachender Blüten entgegen!
Ich flocht ein Kränzchen aus Blumen, die mir die Kleine lachend reichte und setzte ihr´s ins blonde Haar!

Heute, weg die ganze Pracht!
Aus den dicken gelben Blüten sind über Nacht tausende von Pusteblumen entstanden.
Meine Mimi verbindet den Wandel nicht mit Zeit!
Sie rannte in die Wiese, zupfte einen Samen-Stengel nach dem anderen und pustete die Schirmchen in die Luft!
Freust Du Dich nicht, fragte sie mich von der Seite?
"Doch, doch", antwortete ich, "siehst Du, jetzt ist über Nacht das Jahr schon wieder einen Schritt weiter gerückt."

"Das ist doch auch fein" meinte sie, "da muß ich mich gleich, wenn wir zuhause sind, an die Wand stellen und Du mißt nach, ob ich schon wieder ein Stückchen gewachsen bin"

Das haben wir dann auch gemacht,
...und siehe da,
sie ist wirklich um einen halben Zentimeter größer geworden, seit dem letzten Strich an der Wand!

Gute Nacht
Baba Yaga
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Was nicht originell ist, daran ist nichts gelegen,
und was originell ist, trägt immer die Gebrechen des Individuums an sich.
(Goethe)



bjk-berlin

Zur Nachahmung empfohlen :-))))))))

am: 05/14/03 um 10:59:34

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Weil unsere Babahexe uns so wunderschöne Erlebnisse mit ihrer Mimihexe erzählt, ist mir in den Sinn gekommen, diese Anregung gerne aufzunehmen und in Anbetracht der schnöden Welt um uns herum die „Hexenküche“ ruhig mit ähnlich erbaulicher Prosa zu „würzen“. Da ist mir als Auftakt eingefallen, was ich Anfang März beobachtet und niedergeschrieben habe:


heute morgen habe ich während des Nachdenkens über den Irak-Konflikt erfolgreiche psychologische Kriegsführung eines größen- und kräftemäßig klar unterlegenen Biotop-Bewohners gegen aggressive Territoriums- und Ressourcen-Räuber erlebt.

So gegen 7 Uhr in der Frühe flattert es aufgeregt auf meinem Balkon herum! Ein rabenschwarzer kecker fescher Amselhahn erkundet Balkonien, inspiziert voller Entdeckerfreude meine beiden Nistkästen, wobei eine davon ja extra für Amseln oder Stare gedacht ist, und will damit wohl seiner grauen Amselschönen imponieren, um sie endlich kirre zu kriegen und es sich mit ihr auf meinem Balkonien gemütlich zu machen!

Doch da hat das saubere Pärchen die Rechnung ohne mein Meisenmännchen gemacht! Der kleine tapfere Kerl hat sich das Herumscharwenzeln des Amselhahns schon eine ganze Weile von der Birke gegenüber angesehen. Konnte ihm ja egal sein, solange die Meisenmama nicht belästigt wurde und die schwarzgrauen ungebetenen Gäste es nicht unbedingt vor seinem Zuhause trieben da kamen sie zwar eh nicht rein, dieweil das Türloch viel zu klein aber bald wurde es meinem Meisenpapa doch zuviel, er schwirrte in mehreren eleganten Schwüngen von der Birke auf meine anderthalb Meter hohe Salix-Hängeweide und er setzte sich demonstrativ auf die Bäumchenspitze, mitten in die sich demnächst öffnenden Weidenkätzchen.

So - hier sitz ich - das ist mein Baum und mein Zuhause - sollte das wohl heißen!

Als der Amselwüstling sich nicht sonderlich beeindruckt zeigte und mal hierhin und mal dahin rund um seine Angebetete mit aufgerichtetem gespreizten Schwanz ziemlich albern herumhüpfte und dabei aufgeregt von den Balkonkästen Erdkrümel auf meinen (Kunst-)Rasenteppich scharrte, änderte mein Meisenpapa seine Taktik. Ungerührt hopste er zwischenmang mal über mal unter die Amseln, schwang sich kurz in die Höhe um sich dann sogleich im Sturzflug wieder so cirka 20 cm neben dem Amselhahn hinzuplautzen. Das ging so etwa 10 Minuten. Alles bei herrlichem Sonnenschein.

Schließlich wurde es dem eitlen Amselgalan doch zu lästig, dauernd vom Meisenpapa beobachtet zu werden, wann er denn nun endlich bei der Amseldame zum Zuge käme er verlor die Lust und den Schwung und flog ab und davon, ließ seine Schöne einfach auf'm Balkon sitzen! Die hockte noch so etwa 5 Minuten recht traurig da aber machte sich, schnöde alleingelassen, dann auch davon. Tja, so sind se nu mal, die Männer!

Nu aufeinmal war auch die Meisenmama zur Stelle, sie muß die heroische Verteidigungstaktik des Meisenpapas schon die ganze Zeit, in der Blautanne nebenan versteckt, wohlgefällig beobachtet haben. Jedenfalls erlaubte sie ihm gnädig, sich neben ihr auf die Salix mang die Weidenkätzchen zu hocken, mit ihr frische Batt-Knospen zu picken und sie dabei zu bezirpsen.

Während ich das hier schreibe, ist der Meisenpapa schon wieder zugange, mein Spatzenpärchen, das vor 2 Jahren auf meiner Markise erfolgreich gebrütet hat und nun wieder auf der Suche nach einem geschützten Plätzchen ist, durch besitzergreifende Präsenz, immer dicht neben den Eindringlingen, zu zeigen, wer hier nun der eigentliche Revier-Inhaber auf Balkonien ist. Spatzenpapa ist zwar größer und sicher auch kräftiger aber wohl auch beeindruckt von Meisenpapas psychologischer Kriegsführung, denn er flattert jetzt ziemlich kleinlaut mit der Spatzenmama davon.

Aggression ist, so scheint es, in der Natur überlebensnotwendig - oder? Doch homo sapiens sollte doch intelligentere Lösungen als Bush und Konsorten finden. Meisenpapa hat's vorgemacht!

meint
Euer bjk

Übrigens hat meine Meisenfamily auf Balkonien bereits im vergangenen Jahr 3 kleine Meisen großgezogen



Baba Yaga

Heuer das erste Bad in einem Natursee

am: 05/05/03 um 17:40:40

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Komme gerade zurück von einem wunderschönen Weiher, mitten zwischen Fichten und Kiefern bewachsenen Hügeln.
Das Blau des Himmels tauchte das "stille Auge" in tiefes Türkis, der weisse Sand giltzerte und glimmerte aus dem klaren, kalten Wasser und die Sonne lachte dazu!

Ein wunderbarer Tag!

Jetzt aber gibt´s für meine kleinen Begleiter,
...je nach gusto
a) Milchreis mit Zimt, Zucker und brauner Butter und dazu gezuckerte, gescheibte, frischen Erdbeeren (nicht aus Spanien, wg. Boykott )
b) Kirschknödel (echt böhmisch), darüber geriebener Käse und Zucker verschmozen durch Überguß von heißer Butter!

Ein wunderbarer Tag für alle drei von uns,
...fernab von Politik, Sorgen und Arbeit!

Ich wünsche Euch allen auch ähnliche Sternstunden, für Auge, Ohren, Haut und Gaumen!

Eure
Forumshexe
Baba Yaga




bjk-berlin

Re: Heuer das erste Bad in einem Natursee

am: 05/05/03 um 21:14:40
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Baaaaaaaba!!!!!!!!

Das ist seelische Grausamkeit, vor allem wegen a) und b)

Du und Deine "kleinen Begleiter" hattet da einen herrlichen Sonnentag, den sicher nicht nur ich Euch von Herzen gönne.

Tja, es irren eben all jene, die einer Hexe nur Bosheiten und Übles zusprechen wollen, die haben schlicht keine Ahnung, daß eine Hexe in uralter Zeit vor allem als weise Zauberin und Heilerin verehrt wurde und erst durch christliche Mißgunst à là bornierter CDU-Forums-Bodensatz zur bösen Hexe gestempelt wurde.

Es freut sich für Dich mit
bjk
der Dir auch die seelische Grausamkeit nicht nachträgt

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ich schmunzele noch heute beim Lesen von Babas wunderschönen Erzählungen, die mir hoffentlich vergibt, daß ich sie hier eingestellt habe, ohne zu fragen.

Gruß
bjk

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