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NJWE-FER 2000 Heft 03 51
Verweise
Unterhaltskürzung wegen Nichtvollzugs des Geschlechtsverkehrs BGB §§ 1353 , 1361 , 1579 Nr. 7
Der Verwirkungstatbestand gem. §§ 1361 III , 1579 Nr. 7 BGB ist bei Nichterfüllung der ehelichen Geschlechtsgemeinschaft gegeben. (Leitsatz der Redaktion)
AG Brühl, Urteil vom 24. 3. 1999 - 32 F 65/98
Zum Sachverhalt:
Die Parteien sind seit 1997 getrennt lebende Eheleute. Sie hatten im August 1994 miteinander die Ehe geschlossen. Die Kl. begehrt mit der Klage von dem Bekl. die Zahlung von Unterhalt für die Zeit ab April 1998. Sie trägt u.a. vor, ob und in welchem Umfang sie mit dem Bekl. einen von ihm erbetenen Geschlechtsverkehr vollzogen habe, sei unbeachtlich. Ein Kinderwunsch sei zum Zeitpunkt der Eheschließung gar nicht aktuell gewesen. Sie habe jedenfalls vor und auch während der Ehe mit dem Bekl. Geschlechtsverkehr gehabt. Dafür, dass sie ihm das verwehrt habe, sei er beweispflichtig. Der Bekl. trägt vor, der Kl. stehe ein Anspruch auf Unterhalt nicht zu. Denn sie habe nicht nur vor der Ehe mit ihm keinen Geschlechtsverkehr gehabt, was er akzeptiert habe. Auch während der Ehe sei sie dazu nicht in der Lage gewesen. Seinem Rat, fachärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei sie nicht gefolgt. Lediglich einmal habe sie sich wegen Unterleibsschmerzen stationär behandeln lassen, wobei ihr Jungfräulichkeit attestiert worden sei. Die ehelichen Probleme habe sie jedoch trotz seiner Bitte nicht mit dem Arzt besprochen. Sie habe ihn fast drei Jahre lang mit Versprechungen hingehalten.
Das AG - FamG - hat der Klage nur teilweise (in Höhe von 238 DM monatlich ab April 1998) stattgegeben.
Aus den Gründen:
… Die Differenz der beiderseitig anrechenbaren Einkünfte beträgt 1508 DM. Der Anteil der Kl. hieraus würde 646 DM betragen, die der Bekl. der Kl. als Aufstockungsunterhalt zu zahlen hätte. Dabei würde aber der notwendige Selbstbehalt des Bekl. nach der Düsseldorfer Tabelle von wenigstens 1500 DM unterschritten. Ihr Anspruch auf Unterhalt ist also schon aus diesem Grunde zu beschränken.
Der Unterhaltsanspruch der Kl. ist aber auch weiter eingeschränkt gem. § 1361 III i.V. mit § 1579 Nr. 7 BGB. Denn der Unterhalt der Kl. ist schon während der Zeit des Getrenntlebens zu beschränken wegen Nichterfüllung ihrer Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§ 1353 I 2 BGB). Dies ist ein Grund, der ebenso schwer wiegt wie die anderen in § 1579 BGB ausdrücklich aufgeführten Gründe. Die Kl. bestreitet zwar, dass die Geschlechtsgemeinschaft notwendiger Teil der ehelichen Lebensgemeinschaft sei. Sie ist aber nach einhelliger Auffassung eheliche Pflicht. Allein Wacke (in: MünchKomm, § 1353 Rdnr. 30) lässt es dahingestellt sein, ob eine Rechtspflicht zum Geschlechtsverkehr besteht; er schließt damit aber nur eine Klage auf Herstellung der ehelichen Gemeinschaft nach § 1353 II BGB in diesem Punkte aus. Für den BGH war jedenfalls die Pflicht zum ehelichen Verkehr derart selbstverständlich, dass er für die Erfüllung dieser Pflicht in seiner Entscheidung vom 2. 11. 1966 (NJW 1967, 1078 [1079]) Formulierungen wählte, die heute sicherlich „reduktionsbedürftig“ sind, wie Lange (in: Soergel, BGB, § 1353 Rdnr. 10 Fußn. 7) mit Recht betont. Unzweifelhaft verpflichtet die Ehe nach wie vor zur ehelichen Treue. Denn die Ausschließlichkeit der Sexualbeziehungen zwischen den Ehegatten ist unverzichtbares Element des Prinzips der Einehe (Wacke, in: MünchKomm, § 1353 Rdnr. 29). Die Ehe war seit langem und bis vor ganz kurzem der alleinige Bereich für „legale“ sexuelle Betätigung. Ehebruch, Konkubinat und selbst Kuppelei waren nicht nur unerwünscht, sondern strafbar. Soweit also sexuelles Tun auf die Ehe beschränkt war, entsprach dem ganz konsequent auch die Pflicht zu solchem Tun, weil eheliche Gemeinschaft von sexueller Gemeinschaft nicht zu trennen war. Auch wenn außereheliches Treiben heute nicht mehr von Staats wegen bekämpft wird, so ist doch die Ehe als Institution nach wie vor nicht nur bloße Haushaltsgemeinschaft, sondern auch Geschlechtsgemeinschaft. Anders als noch zu den Zeiten der oben erwähnten Entscheidung des BGH ist zwar unterdessen anerkannt, dass die Pflicht zum Geschlechtsverkehr nicht zu jeder Zeit und unter allen Umständen besteht. Die Pflicht als solche besteht aber unzweifelhaft.
Die Kl. hat nicht ausreichend dargetan, dass sie sich dieser Pflicht während der drei Jahre des Zusammenlebens der Parteien gestellt hat. Sie hat zwar den Vollzug der Ehe behauptet; zugleich meint sie, dass insoweit dem Bekl. die Beweislast obliege, wenn er den ehelichen Verkehr leugne. Der Bekl. hat lediglich vorgetragen, dass er hingehalten und vertröstet worden sei. Er hat weiter vorgetragen, dass er die Kl. zu ärztlichen Untersuchungen und wenn nötig Behandlungen gedrängt habe. Er hat schließlich behauptet, dass die Kl. unberührt sei und sie sich allen seinen Wünschen verweigert habe.
Damit ist zwar kein Nachweis erbracht, dass ein Intimverkehr zwischen den Parteien ausgeblieben ist. Doch kann auch der Bekl. nicht mehr vortragen. Denn der Beweis, dass etwas nicht geschehen sei, kann nicht geführt werden. Damit obliegt es der Kl. selbst, darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass der von ihr nur vage behauptete Geschlechtsverkehr stattgefunden hat. Damit wird auch nichts Unmögliches verlangt. Denn dieses Ereignis bleibt, sei es im Guten oder im Schlechten, meist besser im Gedächtnis haften als manches andere.
Die Nichterfüllung eine der Hauptverpflichtungen aus der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft wiegt ebenso schwer wie die anderen Gründe, die nach § 1579 BGB zur Versagung des Unterhalts berechtigen. Für diese selbstverständliche Konsequenz findet sich in der Literatur, soweit dies von hier aus feststellbar ist, kein Beleg. „Kein Sex“ ist erstaunlicherweise in der Vielzahl der veröffentlichten Entscheidungen zum Unterhalt kein Thema, immer nur „zuviel“ Sex, nämlich mit anderen Personen als dem Ehepartner. Allein die Entscheidung des KG (NJW-RR 1992, 648) kommt der hier zu entscheidenden Frage recht nahe, dass nämlich selbst wiederholter außerehelicher Verkehr bei jahrelanger fast völliger Verweigerung sexueller Kontakte in der Ehe für den Unterhalt ohne Bedeutung sein kann.
Die Ehe, insbesondere die auf Liebe und Zuneigung gegründete „bürgerliche“ Ehe ist keine reine Zweckgemeinschaft, die sich in der Haushaltsgemeinschaft der Ehegatten erschöpft. Wesentliches Merkmal ist auch die Geschlechtsgemeinschaft. Denn nicht nur die Sicherung der wirtschaftlichen Basis der Eheleute ist die Grundlage für die Ehe als kulturelle Errungenschaft des Menschen, sondern auch die Sicherung der Folgen aus der als weithin selbstverständlich praktizierten Geschlechtsgemeinschaft, nämlich der gemeinsamen Versorgung und Betreuung der gemeinsamen Kinder aus dieser Gemeinschaft. Die Geschlechtsgemeinschaft kann zwar durch Vereinbarung ausgeschlossen werden („Josefsehe“, vgl. Wacke, in: MünchKomm, § 1353 Rdnr. 30), doch behauptet selbst die Kl. eine solche Abrede nicht. Der Bekl. konnte also wie jeder Heiratende davon ausgehen, dass der Partner sich dem Wunsch nach geschlechtlicher Erfüllung nicht verschließen werde (Wacke, in: MünchKomm, § 1353 Rdnr. 30). Die grundlos gebliebene, weil von ihr nie erklärte Verweigerung der Kl. reduzierte die nur äußerlich gelebte Gemeinschaft der Ehegatten derart, dass auch ihr Anspruch auf Unterhalt zu reduzieren ist. Da der „Wert“ der Reduktion kaum in Zahlen zu fassen ist, kann der Unterhalt der Kl. auf zumutbare Weise auf dem Wege begrenzt werden, dass dem Bekl. wegen der schon weitgehenden Lösung des ehelichen Bandes nicht nur der notwendige, sondern der angemessene Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle in Höhe von 1800 DM belassen wird (vgl. hierzu Johannsen/Henrich/Büttner, EheR, § 1361 Rdnr. 90). Damit bleibt der Unterhalt der Kl. auf 238 DM monatlich beschränkt.
(Mitgeteilt von Rechtsanwältin Dr. G. Bemm, Erftstadt)
Anm. d. Schriftltg.:
Zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen intimer Beziehungen der Ehefrau zum eigenen Vater s. (im konkreten Fall verneinend) OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, 153 = NJWE-FER 1999, 52 L.
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