Sie sind nicht eingeloggt.
LoginLogin Kostenlos anmeldenKostenlos anmelden
BeiträgeBeiträge MembersMitglieder SucheSuche HilfeHilfe StatStatistik
ChatChat VotesUmfragen FilesDateien CalendarKalender BookmarksBookmarks
Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 

Anfang   zurück   weiter   Ende
Autor Beitrag
Gast
New PostErstellt: 18.04.07, 08:11     Betreff: Frauenhaussicht: Begleiteter Umgang Antwort mit Zitat  

White House Down [Blu-ray]

Kinder im Umfeld häuslicher Gewalt - Erfahrungen aus der Arbeit im Frauenhaus und Vorstellung der Jugendhilfemaßnahme „Begleiteter Umgang“ und „Kontrollierter Umgang“

FPR 2001 Heft 04   275- 279

Marion Wurdak und Angelika Rahn, Berlin

1. Einleitung

Unser Beitrag ist als Anregung zu weiterer fachlicher Auseinandersetzung und Diskussion gedacht. Inhaltlicher Hintergrund sind unsere Erfahrungen aus der Praxis und institutionsübergreifende Überlegungen mit dem Ziel, die Situation von Kindern misshandelter Mütter deutlicher erkennbar werden zu lassen und sinnvolle Unterstützung für diese Kinder zu entwickeln, wenn es zum Umgang mit dem Vater kommt.

Ausgangspunkt für Bemühungen, Kinderrechte konkreter zu definieren und umzusetzen, ist die traurige Realität, dass Kinder trotz aller erreichten Fortschritte weiterhin innerhalb und außerhalb der Familie unterschiedlichsten Gefährdungen ausgesetzt sind.

Kindesmisshandlung, Vernachlässigung, sexuelle Gewalt gehören zum Lebensalltag vieler Kinder: So zählte die Berliner Polizei für das Jahr 1999 7482 Taten in diesem Bereich und geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Misshandlungen innerhalb der Familie würden im Gegensatz zu Anzeigen gegenüber Fremdtätern zu selten öffentlich gemacht.1

In meiner mehrjährigen Arbeit mit Frauen, die von ihren Partnern misshandelt wurden wird deutlich, wie sehr auch die Kinder dieser Frauen betroffen sind. Bisher wurde aus professionellen Kreisen die Misshandlung der Mutter erst in Ansätzen als potenzieller Gefährdungstatbestand für die kindliche Entwicklung gesehen bzw. erst dann, wenn die physische Gewalt auch direkt dem Kind gegenüber ausgeübt wurde. Die Erfahrungen im Bereich der Unterstützung für misshandelte Frauen zeigen jedoch: Kinder misshandelter Mütter befinden sich in einer ihre Entwicklung gefährdenden Situation. Nicht immer und nicht unbedingt von Anfang an werden diese Kinder selbst Opfer direkter körperlicher Misshandlung. Doch ihr seelisches Wohl, ihr Bedürfnis nach einer stabilen, vertrauensvollen elterlichen Basis und ihr Recht auf gewaltfreie Erziehung werden beeinträchtigt oder sogar je nach Intensität der Gewalterlebnisse und individueller Verarbeitungsmöglichkeiten massiv geschädigt. Es entstehen Gefährdungsausmaße, die im Sinne des § 1666 BGB zu begreifen sind.

Der Begriff „Häusliche Gewalt“, der in diesem Artikel benutzt wird, orientiert sich an „domestic violence“, das im englischsprachigen Raum in der Arbeit für misshandelte Frauen benutzt wird. Das Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt (BIG e.V.) definiert ihn folgendermaßen:

„Der Begriff Häusliche Gewalt umfasst die Formen der physischen, sexuellen, psychischen, sozialen und emotionalen Gewalt, die zwischen erwachsenen Menschen stattfindet, die in nahen Beziehungen zueinander stehen oder gestanden haben. Das sind in erster Linie Erwachsene in ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften aber auch in anderen Verwandtschaftsbeziehungen. Häusliche Gewalt wird fast ausschließlich von Männern gegen Frauen ausgeübt und zwar überwiegend im vermeintlichen Schutzraum des eigenen 'zu Hause'. Sie ist an das strukturelle Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen gebunden“.2

II. Kinder und häusliche Gewalt

1. Situation von Kindern im Frauenhaus

In Deutschland suchen jährlich ca. 45.000 Frauen mit ebenso vielen Kindern in einem Frauenhaus Schutz vor der Gewalt des Ehemannes oder Lebenspartners. Von diesen Kindern wissen wir, dass sie oft jahrelang miterlebt haben, wie ihre Mutter gedemütigt, kontrolliert, entwertet, sozial isoliert, finanziell kurz gehalten, körperlich und/oder sexuell misshandelt und verletzt wurde.

Dazu Aussagen von Kindern und Jugendlichen, die ich in meiner Arbeit kennen gelernt habe:

„Der Papa hat ein Blumentopf geworfen auf die Mama. Die hat geweint. Die Polizei ist gekommen.“ (Die 3-jährige M. erzählt fast ein Jahr lang immer in gleichen Worten, was sie erlebt hat. Sie hat Albträume, nässt ein und klammert sich bei Trennungen panisch an ihre Mutter)

„... und einmal, da wollte er meine Mutter erwürgen. Da sind wir ins Frauenhaus gegangen.“ (Der 10-jährige C.)

„Der wollte die Mama vom Balkon werfen. Ich hab mich an der Mama festgehalten, der hätte mich mit runterwerfen müssen.“ (Der 8-Jährige T., der große Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Kindern hat, sich sozial in eine Traumwelt zurückzieht, Selbstgespräche führt, schwer zu kontrollierende Wutausbrüche hat).

„Ich habe 3 Bilder, die sind wie eingebrannt in meine Erinnerung: wie mein Vater meine Stiefmutter laut und hemmungslos zum Sex gebrauchte. Wie mein Vater besoffen meiner Stiefmutter durch die Wohnung hinterherrannte. Sie kam ins Kinderzimmer und wir hielten die Tür zu. Er hat sie aufbekommen und hat meine Stiefmutter an den Haaren gefasst und mit dem Kopf auf die Bettkante gehauen. Wie ich meinen Vater im Bad gefunden habe, er wollte sich die Pulsadern aufschneiden, alles war voll Blut.“ (Die 19-jährige C.).

Fast alle Kinder, die mit ihren Müttern in Zufluchtseinrichtungen kommen, haben Ähnliches erlebt. Manche können darüber sprechen, viele noch nicht. Ein Teil der Kinder wurde über das Miterleben der Gewalt gegen die Mutter hinaus selbst Opfer von Misshandlung und Missbrauch.3

Die Flucht mit der Mutter in ein Frauenhaus bedeutet für die Kinder zwar die Unterbrechung (des Miterlebens) einer Gewaltsituation und das Aufsuchen eines sicheren Ortes, gleichzeitig aber auch Ängste und Verluste in vielerlei Hinsicht. Das Kind verliert seinen Vater, sein gesamtes vertrautes Umfeld, Freunde, fast immer auch Kita oder Schule, sein Haustier, das nicht mit ins Frauenhaus kommen darf, lieb gewordenes Spielzeug und vieles mehr, was bisher seine kindliche Welt ausmachte. Über den Aufenthaltsort Frauenhaus muss es schweigen, die Adresse darf niemandem mitgeteilt werden, wieder gibt es ein Geheimnis, das freies Reden über die Lebenssituation unmöglich macht. Die Situation des Kindes im Frauenhaus bringt neue Belastungsfaktoren mit sich und verläuft nicht immer konfliktfrei.

Trotz individueller Unterschiede im Ausmaß der konkreten Gewalterfahrungen wird in unserer praktischen Arbeit immer wieder deutlich: Alle Kinder aus häuslichen Gewaltsituationen sind geprägt durch ein meist langjähriges familiäres Klima von Unterdrückung, Angst und Gewalt. Das Familiengeheimnis wird tabuisiert, die Kinder fühlen sich verantwortlich, schuldig und dürfen mit niemandem darüber reden. Bei manchen Kindern begann die häusliche Gewalt bereits vor ihrer Geburt und sie haben nie eine andere Familienatmosphäre kennen gelernt. Eine solche Atmosphäre bedeutet für ein Kind hochgradige Verunsicherung und Irritation der emotionalen Entwicklung. Angst und Double-bind-Situationen wirken kontinuierlich auf den kindlichen Entwicklungsprozess.

Die Kinder, die Zeugen der häuslichen Gewalt im Sinne des Mitansehens oder Mitanhörenmüssens der Gewalt gegen die Mutter geworden sind, reagieren auf das Erlebte und das Aufwachsen in einer gewaltgeprägten Familienatmosphäre.

Sie entwickeln Verhaltensauffälligkeiten, Lern- und Schulschwierigkeiten, Ängstlichkeit und Überanpassung, Schlafstörungen, Einnässen, Aggressivität, Autoaggressivität, Depression bis hin zu Suizidalität.

Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses bieten den Kindern Begleitung und Unterstützung und stärken auch die Mütter in ihrer Rolle. Bei Aufnahme im Frauenhaus wird auch über die Situation der Kinder gesprochen und versucht, Tagesbetreuung und Schule nahtlos zu ermöglichen. Es wird versucht, Hilfen auch außerhalb des Hauses zu vermitteln, z.B. Erziehungsberatung für die Mütter. Manchmal gelingt es auch, eine therapeutische Hilfe für ein Kind in die Wege zu leiten.

Im Frauenhaus selbst werden je nach personeller Situation Freizeitangebote für die Kinder gemacht, um den Kindern belastungsfreie Räume zu ermöglichen und den Müttern Entlastung zu bieten. Leider stoßen die Möglichkeiten des Frauenhauses recht schnell an finanzielle und personelle Grenzen.

2. Trennung als Moment erhöhter Gefährdung für eine misshandelte Frau - Auswirkungen auf die Sicherheit der Kinder

Um das Erleben der Kinder besser nachempfinden zu können, ist es wichtig zu wissen, dass die Dynamik von Misshandlung und Gewalt mit einer Trennung der Eltern nicht beendet ist. Es ist sogar so, dass gerade während einer Trennungssituation die Gefährdung einer Frau und damit auch die der Kinder am höchsten ist4.

Es ist die Regel, dass Frauen nach Trennungen von misshandelnden Partnern weiterhin bedroht werden, ihnen aufgelauert wird und die Familie und Freunde der Frau belästigt und auch bedroht werden. Besonders die Kinder bieten eine leichte Brücke, die verloren gegangene Kontrolle über die Frau wieder herstellen zu können. Schulen und Kitas werden abgesucht, da bei Auffinden der Kinder auch wieder Zugang zur Mutter möglich wird.

Dass besonderes Augenmerk auch auf die Sicherheit der Kinder gelegt werden muss, macht der „Fall Gloria“ in Berlin im letzten Jahr deutlich: „Der geständige Kindesvater, hat erklärt, das Kind in bewusstem Wollen umgebracht zu haben. Bei der Vernehmung gab G. an, er habe seine 34-jährige Ex-Frau an ihrer empfindlichsten Stelle treffen wollen - dem Kind. Auslöser für die Tat war offenbar das Scheitern der Ehe ... Der Fall ist der dritte innerhalb einer Woche, bei dem ein Ehemann Amok lief:“5.

Das Mädchen Gloria hatte sich in der gerichtlichen Anhörung zur Regelung des Umgangs dem Vater auf den Schoß gesetzt. Aus solchen kindlichen Reaktionen allein lässt sich folglich keine zuverlässige Aussage über die tatsächliche Gefährdung eines Kindes treffen.

Welche zusätzlichen Kriterien können aber dann darüber Aufschluss geben, ob und wie ein Umgang zwischen Vater und Kind durchgeführt werden kann?

Eine Möglichkeit die das Kindschaftsrecht in solchen Fällen vorsieht ist der Begleitete Umgang. Durch Einschaltung eines „neutralen Dritten“ sollen die Bedürfnisse der Kinder stärker berücksichtigt werden.

3. Welche Bedürfnisse haben Kinder aus häuslichen Gewaltsituationen bezüglich des Umgangs mit dem Vater?

a) 

Kinder haben das Bedürfnis nach Sicherheit und Wahrung ihrer Grenzen. Damit überhaupt ein angstfreier Raum der Begegnung mit dem Vater entstehen kann, muss ein Kind sicher sein können, dass weder ihm noch der Mutter etwas geschehen kann. Dazu gehören ein sicherer Ort, klare Absprachen, Ernstnehmen der Ängste des Kindes und der Mutter und Verabredungen über Hilfsmöglichkeiten, die ein Zusammentreffen für Kind und Mutter gefahrlos machen.

Vielleicht möchte ein Kind erst langsam wieder mit dem Vater in Kontakt kommen, ist misstrauisch, braucht das Gefühl, die Nähe zu ihm selbst bestimmen zu können, da die Gefühle dem Vater gegenüber ambivalent sind, diffus und aufwühlend. Für das Kind können sichere erste Kontakte auch brieflich z.B. über das Jugendamt geschickt, geschehen und das Kind kann sich Zeit lassen, seine Reaktionen darauf zu erleben, mit einer vertrauten Mitarbeiterin im Frauenhaus über seine Gefühle zu sprechen, falls die Mutter noch sehr mit ihrer eigenen Beziehungsklärung zum ehemaligen Partner beschäftigt ist. Es kann dem Vater schreiben, malen, und deutlich machen, an welchem Kontakt mit dem Vater es überhaupt interessiert ist und welche Ängste und Bedürfnisse es ihm gegenüber hat.

b) 

Kinder brauchen die Rücknahme von Realitätsverzerrungen und Bestätigung ihrer Wahrnehmung. Das Kind hat in der Vergangenheit beängstigende Situationen mit dem Vater erlebt. Auf Grund seiner Gewalt musste es mit der Mutter ins Frauenhaus flüchten. In ihrer Ohnmacht erleben Kinder auch sehr viel Wut auf den Vater und die Ungerechtigkeit, wegen seines Verhaltens ihr Zuhause zu verlieren. Sie kennen Versprechungen aus der Vergangenheit von ihm, dass alles wieder gut werden würde und sind enttäuscht worden. Sie glauben ihm nicht mehr und spüren, dass der Vater Fehler gemacht hat. Damit ein Umgang für das Kind tatsächlich positiv wirken kann und Vertrauen für die Zukunft entstehen kann, wäre es wichtig, dass der Vater zu seinem gewalttätigen Verhalten in der Vergangenheit selbstkritisch Stellung bezieht und damit die Realitätsverzerrungen zurücknimmt. Dadurch würde für das Kind eine Entlastung und eine Stärkung des Selbstgefühls geschehen. Der Konflikt, der aus der Double-bind-Situation gespeist wird, und das im Kind wirksame Schweigegebot würden zumindest aufgelockert werden, wenn der Vater selbst thematisiert, was geschehen ist und Verständnis äußern könnte, dass Mutter und Kind sich vor ihm in Sicherheit gebracht haben. Möglicherweise sind nur wenige misshandelnde Männer dazu in der Lage. Aus Sicht des Kindes jedoch liegt hier eine wichtige Schwelle in der Beziehungsklärung zwischen Vater und Kind. Falls sie vom Vater nicht überschritten werden kann, stellt sich die Frage, inwieweit die weiter betriebene Verleugnung der ausgeübten Gewalt vom Vater eine Grundlage sein kann für guten Kontakt, Kommunikation, verlässliche Absprachen und Vertrauen.

c) 

Kinder brauchen die Verantwortungsübernahme von Erwachsenen. Wenn der Vater, der Gewalt gegenüber der Mutter ausgeübt hat, sich dafür nicht verantwortlich zeigt, wie soll er dann künftig weitere Gewalt ausschließen können? Kinder neigen zu ego-zentrischer Wahrnehmung, sie beziehen die Reaktionen der Umwelt auf sich, unabhängig davon, ob es tatsächlich so ist oder nicht. Hintergrund ist der mangelnde Überblick über mögliche andere Gründe für das Verhalten anderer Menschen und die noch nicht ausreichend entwickelte Distanzierungsfähigkeit eines Kindes, so dass es sich sofort angesprochen und verantwortlich fühlt. Wenn die Erwachsenen nicht die Verantwortung für Familienkonflikte, Trennungen, Scheidungen, Gewalt übernehmen, dann bleibt diese Verantwortung und in Folge davon ein unermessliches Schuldgefühl auf den Schultern des Kindes liegen. Solange es davon nicht entlastet wird, glaubt es, schuld an der ganzen Misere zu sein. Unterstützt wird dieses Gefühl, wenn das Kind miterlebt, dass es Auseinandersetzungen wegen strittigem Sorge- und Umgangsrecht vor Gericht gibt. Seinetwegen muss nun Mutter oder Vater vor Gericht. Vielleicht hat es auch selbst Angst, „angeklagt“ zu werden, da es sich schuldig glaubt.

d) 

Kinder haben das Bedürfnis, nicht unter Druck gesetzt zu werden. In der Regel haben Kinder, die häusliche Gewalt miterlebt haben, ein ambivalentes Verhältnis zum Vater. Trotz Angst, Wut, Hass und Enttäuschung gibt es auch Mitleid, Sehnsucht und Liebe. Natürlich war der Vater manchmal nett und in Abwesenheit des Vaters, wenn die Sehnsucht wächst, neigen Kinder zu idealisierten Vorstellungen über den Vater. Für Kinder ist es manchmal erst zu einem späten Zeitpunkt möglich und sehr schmerzhaft, den Vater so sehen zu können, wie er ist und nicht, wie sie ihn sich ersehnt haben. Kinder sollten, begleitend zum Umgang, Unterstützung erhalten, ihren Vater realistischer wahrnehmen zu können. Ebenso ist es wichtig, dass das Kind geschützt wird davor, im Auftrag des Vaters bei der Mutter Botschaften zu hinterlassen oder als „Partnerinnenersatz“ dem Vater nun Rede und Antwort stehen zu müssen, warum sie als Familie nicht mehr zusammenleben oder wo sich das Frauenhaus, die Zufluchtswohnung befindet, wie es dort aussieht etc. Alleine durch die Trennung der Mutter vom gewalttätigen Ehemann steckt das Kind in einem Loyalitätskonflikt, der während des Umgangs verschärft werden könnte.

e) 

Kinder brauchen Verlässlichkeit und Kontinuität. Wenn Umgang zwischen Vater und Kind stattfinden soll, weil davon ausgegangen wird, dass dies auch förderlich für die kindliche Entwicklung sein wird, so braucht das Kind einen überschaubaren, klaren Rahmen. Ein solcher Rahmen gibt Sicherheit in der neuen, ungewohnten Situation. Damit sich ein Kind darauf einstellen kann, braucht es Verlässlichkeit in den Absprachen mit dem Vater. Es muss wiederholt erleben, dass er Verabredungen einhält, Grenzen respektiert, die Bedürfnisse des Kindes ernst nimmt und sich zumindest bemüht, darauf einzustellen. Das Kind spürt dann, dass es dem Vater tatsächlich darum geht, einen guten Kontakt zum Kind herstellen zu wollen, dass er bereit ist, Kompromisse zu machen, sich um Geduld bemüht. Wenn ein Kind spürt, dass es dem Vater ernst ist, er die Sicherheitsbedürfnisse des Kindes akzeptiert und es ihm nicht nur darum geht, das Kind als Streitobjekt zwischen sich und der ehemaligen Partnerin zu benutzen, dann wird es sich auch öffnen und der Umgang hat tatsächlich eine positive Wirkung für die kindliche Entwicklung und die Beziehung zwischen Vater und Kind.

III. Das Angebot Begleiteter Umgang

Begleiteter Umgang wird von Trialog e.V. seit der Reform des Kindschaftsrechts durchgeführt. In der Praxis muss man den Begleiteten Umgang im engeren Sinne vom Kontrollierten Umgang unterscheiden. Er kommt nicht nur für Fälle häuslicher Gewalt in Frage, sondern stellt ein Angebot für alle Familien dar, die sich in Trennungssituationen nicht selbstständig auf eine Umgangsregelung einigen können. Beim Begleiteten Umgang sind unterschiedliche Fallkonstellationen möglich.

Begleiteter Umgang (im engeren Sinne)

a) 

Häufig hat es längere Zeit oder noch nie einen Kontakt zwischen dem Kind und dem Antragstellenden gegeben. In diesen Fällen ist meist auch der Kontakt zwischen den Erwachsenen unterbrochen oder erheblich gestört. Trialog e.V. unterstützt die Beteiligten darin, einen Kontakt einzuleiten und allmählich Vertrauen aufzubauen.

b) 

In anderen Fällen versucht ein Elternteil im Verlauf einer Trennung auch den Kontakt zwischen dem gemeinsamen Kind und dem anderen Elternteil zu unterbinden. Hier steht eine Aufrechterhaltung der Bindung im Vordergrund, während gleichzeitig mit den Eltern daran gearbeitet werden kann, die Konflikte auf der Paarebene von den Kindesinteressen zu trennen.

c) 

Eine Begleitete Übergabe ist in Fällen notwendig, in denen bei der Übergabesituation ständig Auseinandersetzungen stattfinden und das Kind dabei sehr belastet wird.

d) 

In Fällen, in denen ein Sorgerechtsentzug aufgehoben wurde, kann der Begleitete Umgang die allmähliche Rückführung des Kindes in die Familie sichern.
Kontrollierter Umgang

e) 

In einigen Fällen ist auf Grund einer realen oder vermuteten Einschränkung der Erziehungseignung des Umgangsberechtigten kein selbstständiger Kontakt möglich, beispielsweise bei psychischer- oder Suchterkrankung. Häufig liegt hier ein Teilentzug des Sorgerechts gem. § 1666 BGB vor.

f) 

Bei einem Schutzbedürfnis von Frauen und Kindern in Fällen häuslicher Gewalt ist Kontrollierter Umgang notwendig.

g) 

Bei Verdacht des sexuellen Missbrauchs durch den Umgangsberechtigten ist neben gezielter Diagnostik Kontrollierter Umgang sinnvoll. Wird eine Kindesentführung durch den Umgangsberechtigten befürchtet, sollte der Umgang bis zur Klärung unter Aufsicht durchgeführt werden.

Das Angebot von Trialog berücksichtigt die individuelle Problemlage der betroffenen Familie. Andere Fallkonstellationen oder Mischungen der oben dargestellten Fälle sind denkbar.

In einigen Fällen ist die Entscheidung, ob ein Begleiteter oder aber ein Kontrollierter Umgang zu beantragen bzw. anzuordnen sei, äußerst schwierig. Maßgeblich wird hier die befürchtete Kindeswohlgefährdung sein. In der Durchführung unterscheiden sich beide Maßnahmen insbesondere in ihrer Zielsetzung und in den erforderlichen Sicherungsmaßnahmen für das Kind.

1. Zielsetzung

Das neue Kindschaftsrecht betont das Recht des Kindes auf beide Eltern. Dementsprechend beinhaltet es den Wunsch des Gesetzgebers, Kindern nach Trennungen und Scheidungen beide Elternteile sowie weitere wichtige Angehörige zu erhalten.

Vorrangiges Ziel des Begleiteten Umgangs ist es, mit den Familien eine außergerichtliche einvernehmliche und tragfähige Umgangsregelung zu erarbeiten und zu erproben. Es wird angestrebt, einen Kontakt zwischen den Beteiligten herzustellen, der ihnen nach Abschluss der Maßnahme eine selbstständige Umsetzung des Umgangs ermöglicht. Hierbei richtet sich die Zielsetzung der Maßnahme nach der individuellen familiären Situation. Dabei steht das Kindeswohl im Vordergrund. Aufgabe des Begleiteten Umgangs ist demnach auch, etwaige Kindeswohlgefährdungen in Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangs zu erkennen und Maßnahmen zum Schutz der Kinder einzuleiten. Dies gilt in besonderem Maße für Kinder die häusliche Gewalt erlebt haben. Ein konkretes Ziel der Maßnahme besteht daher darin, anhand der beobachteten Besuchskontakte zu einer abschließenden Einschätzung eventuell gegebener Kindeswohlgefährdung zu kommen. Diese kann zu einer Entscheidung über den weiteren Umgang mit dem Kind beitragen. In der Regel werden aber noch weitere Informationsquellen (z.B. Gutachterliche Stellungnahme) zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung nötig sein.

2. Begleiteter Umgang in den Fällen häuslicher Gewalt

Der Begleitete Umgang ist ein strukturierter Arbeitsprozess, der sich in einzelne Phasen einteilen lässt. Insgesamt erscheint eine Untergliederung in drei Phasen sinnvoll zu sein. Dieses möchte ich kurz erläutern.

a) Vorlaufphase: Diese Phase beinhaltet die erste Vorinformation, gegenseitiges Kennenlernen und erste kurze Einblicke in die Problematik, sowie die Entscheidung über die Auftragsübernahme.

b) Hauptphase: In Fällen häuslicher Gewalt werden die Eltern getrennt zu Hilfekonferenzen im zuständigen Jugendamt eingeladen. Hier werden die Dauer, Häufigkeit eines Kontaktes und der zeitliche Umfang festgelegt.

Danach beginnt die Maßnahme beim freien Träger. Hier finden die ersten Einzelgespräche mit den Beteiligten statt und es wird eine Eingangsvereinbarung mit den Eltern und dem Kind erarbeitet. Eine Eingangsvereinbarung beinhaltet feste Regeln für den Ablauf des Umgangs. Dürfen beispielsweise die Räumlichkeiten mit dem Umgangsberechtigten verlassen werden, welche Gesprächsthemen sind nicht erlaubt (z.B. Ausfragen des Kindes über die jetzige Adresse oder Telefonnummer) und welche Konsequenzen treten bei einer Regelverletzung ein.

Es findet eine längere Vorbereitungszeit mit dem Kind statt, um eine Vertrauensbasis aufzubauen. Dabei geht es unter anderem darum bestimmte, Wünsche und Interessen herauszufinden, Ängste zu erkennen und die Erlaubnis zu erteilen, einen Umgang auch vorzeitig zu beenden.

c) Abschlussphase/Verselbstständigungsphase: In dieser Phase werden die Besuchskontakte im Haushalt des Umgangssuchenden durchgeführt. Hierbei werden Eltern und Kind noch durch Gespräche begleitet. In diesen Gesprächen wird eine Abschlussvereinbarung getroffen.

Die einzelnen Phasen müssen nicht zwangsläufig durchlaufen werden. In Fällen häuslicher Gewalt findet ein Kontrollierter Umgang häufig nur bis zu einer Gutachtenerstellung oder Gerichtsverhandlung statt. Bei Unterbrechung oder Abbruch der Maßnahme kommt es zu einem Gespräch im Jugendamt und/oder Abschlussbericht.

3. Anforderungen an die beteiligten Institutionen

Die oben dargestellten Fallkonstellationen sowie die Zielsetzung des Begleiteten Umgangs zeigen, dass diese Maßnahme nur von qualifiziertem Fachpersonal durchgeführt werden kann. Trialog e.V. beschäftigt daher eine Psychologin (Familientherapeutin), eine Pädagogin, eine Sozialpädagogin (Verfahrenspflegerin) und einen Sozialpädagogen (Mediator).

Professionalität und Qualität gibt es nicht zum Nulltarif. Obwohl die Kindschaftsrechtsreform seit drei Jahren in Kraft ist, ist die Finanzierung des Begleiteten Umgangs immer noch unklar. Infolge dieser schwierigen Situation ist in Berlin ein Arbeitskreis der Freien Träger entstanden, der ein Kooperations- und Finanzierungsmodell erarbeitet hat.

Insbesondere in Fällen Häuslicher Gewalt ist eine Kooperation aller beteiligten Institutionen dringend erforderlich.

4. Die Finanzierung der Jugendhilfemaßnahme

Der Begleitete Umgang ist eine eigenständige Leistung nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz4 und kann von freien Trägern der Jugendhilfe angeboten werden, die Kostenerstattung erfolgt zurzeit noch sehr unterschiedlich, aber in Anlehnung an die „Hilfen zur Erziehung“ nach einem Stundenkontingent mit Fachleistungsstundensatz.

Wenn ein Begleiteter Umgang von einem freien Träger durchgeführt werden soll, muss die Frage der Kostenübernahme im Vorlauf geklärt werden. Dies erfolgt in der Regel über das zuständige Jugendamt nach Antragstellung und nach Abklärung mit dem Allgemeinen Sozialpädagogischen Dienst. Leider existiert noch kein einheitliches Finanzierungmodell, was sich in einer Verzögerung der Umsetzung der Maßnahme und dem Beginn des Begleiteten Umgamgs niederschlägt. Zwischen einem Gerichtsbeschluss und dem Beginn der Maßnahme können Wartezeiten bis zu zwei Monaten entstehen. Dieses verhindert die konzeptionelle Umsetzung der Niederschwelligkeit.

IV. Ideen, Ausblick, Perspektive

Abschließend möchten wir noch einige Anregungen formulieren, die uns für die weitere Diskussion bedeutsam erscheinen. Das pauschale Bestreben, Bindungen um jeden Preis zu erhalten, greift aus unserer Erfahrung zu kurz. Daher bedarf es genauer Betrachtung der tatsächlichen Bindung zwischen Vater und Kind, ebenso wie der Veränderungsbereitschaft eines misshandelnden Ehemannes, der deutlich machen will, dass er gute väterliche Qualitäten aufzuweisen hat. Dies sollte geschehen, bevor ein Umgangskontakt tatsächlich umgesetzt wird. Die Maßnahme „Begleiteter Umgang“ wird umso stärker greifen können und Erfolg versprechender sein, je mehr sie im Rahmen einer Gesamtvernetzung geschehen kann. Der Träger, der den Umgang anbietet und durchführt, sollte in Kooperation stehen mit anderen Trägern von Interventionen und Kontrollinstanzen, die im Feld Häusliche Gewalt tätig sind. Der Vater, der zu seinem Kind Kontakt halten will und Verabredungen trifft im Rahmen des kontrollierten Umgangs muss wissen, dass der Umgangsträger davon Kenntnis erhalten wird, wenn es zwischen den Umgangskontakten zu Übergriffen auf die Frau kam oder andere Regelverletzungen stattfanden. Wünschenswert und sicherlich am ehesten wirksam ist ein aufeinander abgestimmtes Gesamtkonzept. Sowohl die misshandelte Frau als auch das Kind sowie der Misshandler werden durch spezifische Angebote erreicht (siehe hierzu auch Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt, aber auch weitere Kooperationsmodelle, die inzwischen in Deutschland entstanden sind).

Konzepte für Unterstützungsprogramme für Frauen liegen vor, ebenso soziale Trainingsprogramme für gewalttätige Ehemänner/Lebenspartner und es müssen erste Erfahrungen mit der Umsetzung gesammelt werden. Hierbei wird deutlich, wie wichtig eine gute Zusammenarbeit aller Institutionen und Stellen wie z.B. Polizei, Jugendämter, Gerichte, Schulen, Verwaltungen und freier Träger (Zufluchtsstätten für Frauen, Beratungsstellen, Kinderschutzeinrichtungen) ist. Weiterbildungen zu dieser Thematik in den genannten Bereichen erhöhen die Effektivität der Interventionen. Auch für die Kinder sind spezielle Angebote notwendig, wie z.B. soziale Gruppenarbeit, die auf die Zielgruppe „Kinder, die häusliche Gewalt erfahren haben“ abgestimmt ist und deren besondere Schwierigkeiten aufgreift, damit die Kinder alters- und themenangemessen in ihrer Entwicklung eine Weile begleitet werden. Ebenso sollte auf Seiten der Jugendhilfe noch stärker die Einsicht wachsen, dass häufig - vor allem auch nach dem Auszug aus dem Frauenhaus, was erfahrungsgemäß eine erneute besondere Schwelle darstellt - eine individuelle ambulante Jugendhilfemaßnahme (Familienhilfe, Einzelfallhilfe) eine gute Unterstützung sein kann.

Zusammenfassend stellen wir fest, dass eine klare Linie und gute Kooperationsabsprachen zwischen allen beteiligten Kontroll- und Unterstützungsinstanzen im Fall von häuslicher Gewalt der Komplexität des Geschehens am ehesten gerecht wird. Der „Begleitete Umgang“ als eine Maßnahme der Jugendhilfe sollte in die Vernetzung eingebunden sein. Bei aller realistischen Skepsis bietet das vorgestellte Konzept zum Begleiteten Umgang dem veränderungswilligen Vater die Möglichkeit zur Entwicklung. Bei erfolgreicher Durchführung und Etablierung der Maßnahme könnten Kindern tatsächlich beide Elternteile erhalten bleiben. Möglicherweise wäre damit auch ein kleiner Beitrag zu einer gesellschaftlichen Gewaltprävention geleistet.

Spezialliteratur zu diesem Beitrag:

Veröffentlichungen und Broschüren des Berliner Interventionsprojektes gegen häusliche Gewalt (BIG e.V.), Paul-Lincke-Ufer 7, 10999 Berlin

It hurts my too, Children's experiences of domestic violince, on refuge life, WAFE,NISW, Childline, März 1995

Children living with domestic violence, Audrey Mullender, Rebeccer Moley, Ipswick Book Company, England 1996

„Mehr Mut zum Reden“, von misshandelten Müttern und ihren Kindern, Hg. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2000

„Weil der Papa die Mama haut“, Kinder aus dem Frauenhaus zeichnen und erzählen, Lercher/Haberl/Voggeneder/Geisler (Hg.), Ruhnmark: Donna Vita, 1997
Wurdak, Rahn: Kinder im Umfeld häuslicher Gewalt - Erfahrungen aus der Arbeit im Frauenhaus und Vorstellung der Jugendhilfemaßnahme „Begleiteter Umgang“ und „Kontrollierter Umgang“  FPR 2001 Heft 04  280  Vorheriger Seitenumbruch
Nächster Seitenumbruch

Zu den Autorinnen dieses Beitrags:

Marion Wurdak, Dipl. Soz.päd., Verfahrenspflegerin, Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin i.A. (VAKJP), Mitarbeiterin von BORA e.V. (Beratungsstelle, Zufluchtswohnungen, Frauenhaus und therapeutische Wohngemeinschaft für misshandelte Frauen) im Bereich der Arbeit mit den Kindern, Mitarbeiterin im Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt (BIG e.V.) im Bereich Kinder und Jugendliche

Fritz-Reuter-Str. 8, 10827 Berlin

Angelika Rahn, Dipl. Soz.päd., Verfahrenspflegerin, Mediatorin i.A., Koordinatorin des Begleiteten und Kontrollierten Umgangs; Trialog e.V. (Ambulante Präventive Jugendhilfeleistungen)

Weißenburgerstr. 43, 13595 Berlin

1Der Tagesspiegel vom 26.8.2000

2BIG o.J., S. 4

3Siehe hierzu auch die in englischer Sprache vorliegende Untersuchung von Bowker/Arbitrell/McFerron 1988, wonach 70% der Kinder von misshandelten Müttern selbst direkte Misshandlungen durch Vater/Lebenspartner der Mutter erleben.

4Siehe hierzu: „Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich“, Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt, 2. Aufl., Berlin 1997

5„Der Tagesspiegel“ Berlin vom 3.9.2000

4§ 18 Abs. 3 SGB VIII


nach oben
Sortierung ändern:  
Anfang   zurück   weiter   Ende
Seite 150 von 154
Gehe zu:   
Search

powered by carookee.com - eigenes profi-forum kostenlos

Design © trevorj