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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 

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Gast
New PostErstellt: 25.04.07, 07:16     Betreff: Wann Umgangsauschluss ? Antwort mit Zitat  

R.E.D. 2 - Noch älter. Härter. Besse...

FPR 2002 Heft 06   219 - 225

Wann ist der begleitete Umgang, wann ist der Ausschluss des Umgangs indiziert?*

Professor Dr. Jörg M. Fegert, Ulm

I. Einleitung

Die von den Herausgebern formulierte Frage nach der Indikationsstellung für den begleiteten Umgang bzw. nach dessen Kontraindikationen ist für mich als Arzt in vieler Hinsicht befremdlich, weil hier offensichtlich ein anderer Indikationsbegriff als in der Medizin allgemein oder in der Psychotherapie zu Grunde gelegt wird. König1 definiert Indikationen in der Psychotherapie wie folgt:

„Aus medizinischer Sicht ist Indikation die Entscheidung für eine bestimmte Heilbehandlung, die bei einem Patienten angewendet werden soll. Abhängig ist diese Entscheidung von der Symptomatik des Patienten und deren Dauer. Bei den Entstehungsursachen von der Art des Umgangs des Patienten mit seiner Symptomatik, den Ressourcen, seiner Persönlichkeit und seiner sozialen Situation, der Kompetenz und den Persönlichkeitseigenschaften des Therapeuten bzw. Helfers und dessen Ressourcen.“

Im Bereich der Pharmakotherapie, doch zunehmend auch im Bereich der Interventionen und Psychotherapien, hat man sich an eine kontrollierte Überprüfung von Interventionseffekten gewöhnt und geht in der Regel davon aus, dass eine gewisse Indikation auf einer beschreibbaren „Evidence Base“ beruhen sollte. Als gesichert können Befunde zur Effektivität dann angesehen werden, wenn mehr als zwei kontrollierte Studien in der gleichen Altersgruppe vorliegen. Von besonderer Bedeutung ist gerade bei Interventionen im Kindes- und Jugendalter auch die Frage der Langzeitwirkungen bzw. Nebenwirkungen oder Schäden. Will man ein neues Vorgehen einführen, so wird man zunächst den bisherigen Standard definieren und die neue Behandlung im Sinne von Heilversuchen mit besonderer Aufklärung und einem besonderen Vetorecht der betroffenen Patienten zunächst im Einzelfall ausprobieren. Bewährt sich hier das neue Vorgehen, kann eine Studie in einem Experimentaldesign am besten mit einer randomisierten Kontrollgruppe durchgeführt werden.

Ganz anders das Vorgehen des Gesetzgebers. Mit einer Gesetzesänderung wird ein bestimmtes Instrument, wie z.B. der begleitete Umgang, eingeführt und seine Verwendung in bestimmten Situationen nahe gelegt, einfach weil der Gesetzgeber in solchen häufig extrem umstrittenen Situationen diese Möglichkeit eröffnet. In Deutschland haben wir im Gegensatz zu England, wo wenigstens teilweise eine empirisch fundierte Gesetzgebung stattfindet, es mit bestimmten Setzungen zu tun und haben dann die Auswirkungen solcher Setzungen zu reflektieren. Wäre der begleitete Umgang also eine kurative oder therapeutische Intervention, dann müsste ihm derzeit die Zulassung verweigert werden, weil es an abgesicherten Daten über seine Wirkungen und Nebenwirkungen fehlt. Gezielte Studien wären kaum durchführbar, weil das dabei notwendige unqualifizierte Vetorecht der Kinder zu häufigen Abbrüchen führen würde. Was wären überhaupt die Zielgrößen einer solchen Effektivitätsuntersuchung? Unumstritten wäre sicher die Annahme, dass der begleitete Umgang dem Kindeswohl dienen soll. Doch um diesen sehr allgemeinen Begriff in erreichbare Unterkategorien zu operationalisieren, müsste in Bezug auf den begleiteten Umgang gefragt werden: Wie verhält sich z.B. das Kriterium Aufrechterhaltung einer Eltern-Kind-Beziehung im Verhältnis zur psychischen Belastung durch die Umgangssituation? etc.

Schwierig ist auch die Erfassung von Ursache und Wirkung, da eine reine Beobachtung die Frage danach, ob Umgangsschwierigkeiten ein Indikator für ein Problem sind oder tatsächlich das Problem darstellen, durch eine reine Beschreibung nicht gegeben werden kann2. In einer neueren Untersuchung stellten Struss et al.3 bei einer Befragung von 245 Jugendlichen mit getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern fest, dass die Besuchsrate von dem Alter des Kindes zum Zeitpunkt der Trennung und von der Frage der Wiederverheiratung eines oder beider Elternteile abhing. Beeinträchtigende Faktoren waren massive Konflikte zwischen den Eltern, Absagen von Besuchen oder mangelnde Unterstützung durch den Elternteil, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese Belastungsfaktoren korrelierten mit den belastenden Emotionen und Aufregungen, die die Jugendlichen vor den Besuchen verspürten. Hohe Aktivitätsniveaus während der Besuche korrelierten mit Besuchszufriedenheit. Dies wird zwar den „Wochenendvätern“ häufig vorgeworfen, dass sie am Wochenende den Alltag außer Kraft setzen und häufig auch für sie selbst interessante spannende Aktivitäten mit den Kindern und Jugendlichen unternehmen, offensichtlich scheinen diese Aktivitäten aber auch den Umgang für die Kinder gerade attraktiv zu machen. Was bedeutet dies für begleiteten Umgang? Eine Situation des begleiteten Umgangs sollte nicht nur Begegnung in gespannter Emotion unter deutlich erschwerten Bedingungen bedeuten, sondern sollte vor allem durch gut geplante und eventuell auch pädagogisch begleitete Planungen von Aktivitäten strukturiert und unterstützt werden. Dies ist vor allem bei Elternteilen mit extrem mangelnden oder schwankenden Erziehungsfertigkeiten, wie z.B. schwer psychisch kranke oder suchtkranke Elternteile, notwendig. Häufig bedürfen diese der strukturierten Anregung, was während des begleiteten Umgangs unternommen werden kann. Insofern ist die Ausgestaltung von begleitetem Umgang regional sehr unterschiedlich und hängt auch sehr von der pädagogischen bzw. therapeutischen Kompetenz der Begleitperson ab. Deshalb ist die Diskussion über Indikationen und Kontraindikationen von begleitetem Umgang schwer zu führen, weil es, um in der Metapher der medizinischen Testung zu bleiben, nicht eine spezifische Darreichungsform von begleitetem Umgang gibt, sondern sehr viele unterschiedliche Modelle mit unterschiedlichen Wirkmöglichkeiten. Die Gerichte nehmen in der Regel keinen Einfluss darauf, wie dieser Umgang inhaltlich umgesetzt werden soll. Generelle Aussagen sind deshalb nur schwer möglich.

II. Mögliche „Indikationen“ für begleiteten Umgang

Trotz dieser Vorbehalte möchte ich mich im Folgenden mit möglichen „Indikationen“ für den begleiteten Umgang auseinandersetzen. Fthenakis et al.4 sprechen in ihrem Projekt davon, dass begleiteter Umgang indiziert sei, wenn Belastungen im Verhältnis zwischen Kind und umgangsberechtigtem Elternteil bestünden. Als Beispiele nennen sie fehlenden Kontakt oder längere Phasen der Kontaktunterbrechung, starke Konflikte zwischen Kind und umgangsberechtigtem Elternteil, Entfremdung des Kindes vom umgangsberechtigten Elternteil, Gefahr physischer oder psychischer Misshandlung des Kindes durch den umgangsberechtigten Elternteil, Gefahr der Vernachlässigung oder des sexuellen Missbrauchs des Kindes durch den umgangsberechtigten Elternteil. Hier werden meiner Ansicht nach sehr unterschiedliche Phänomene vermischt. Selbstverständlich zustimmen würde ich der Auffassung, dass Belastungen, die durch fehlenden Kontakt oder längere Phasen der Kontaktunterbrechung entstanden sind, durch eine gezielte Umgangsbegleitung, insbesondere bei günstiger Vorbereitung, hilfreich unterstützt werden könnten. Auch in Konfliktsituationen zwischen den Elternteilen oder Konflikten zwischen Kind und umgangsberechtigtem Elternteil kann eine Begleitung für eine gewisse Zeit Klarheit schaffen und Chancen für einen Neuanfang ermöglichen. Einen deutlichen Unterschied im Bereich des Misshandlungsspektrums würde ich bei der Vernachlässigung z.B. durch sehr junge Eltern oder Eltern mit psychischen Erkrankungen sehen. Hier kann durch gezielte Unterstützungsmaßnahmen, durch videogestützte Eltern-Kind-Trainings etc. während des Umgangs eine Verhaltenskompetenz auch seitens der Eltern aufgebaut werden und somit eine Chance für spätere unbeaufsichtigte Kontakte geschaffen werden. Gerade bei zyklisch oder schwankend verlaufenden psychischen Erkrankungen von Elternteilen wird aber immer wieder die Einbeziehung externer Hilfspersonen bei Besuch und Umgang notwendig werden. Hier haben sich mancherorts Patenschaftsmodelle als extrem hilfreich erwiesen. Vielleicht sind solche Formen der Jugendhilfe durch nachbarschaftliche sozialraumorientierte Organisation hier insgesamt effektiver als begleiteter Umgang in Institutionen. In Hamburg hat z.B. eine Initiative von Pflegeeltern solche Patenschaftsmodelle entwickelt und auch angeleitet. Aus einer solchen Patenschaft kann insbesondere dann in extrem unterstützender Weise Umgang gesichert bzw. begleitet werden, wenn z.B. beide Elternteile des Kindes psychisch krank oder suchtkrank sind. Ist es zu massiven sexuellen Übergriffen oder zu einer massiven Misshandlung gekommen, löst die Konfrontation mit dem Verursacher der Pein bei vielen Kindern massive posttraumatische Symptome aus. Sehr richtig wird deshalb von Fthenakis et al.5 z.B. nachgewiesener sexueller Missbrauch des Kindes als Ausschlussgrund genannt. Unklar bleibt aber, wie die Autoren zwischen nachgewiesenen und Verdachtsfällen unterscheiden. Der Maßstab des Strafrechts scheint mir hier nicht sehr geeignet zu sein, da gerade die Rechtsprechung des BGH in Strafsachen zur Glaubhaftigkeitsbegutachtung dazu geführt hat, dass die Irrtumsrisiken im strafrechtlichen Kontext aus gut nachvollziehbaren Gründen eindeutig im Zweifel für den Angeklagten gewichtet werden. Unter der Prämisse der Kindeswohlsicherung kann aber eine solche Zugangsweise nicht angemessen sein. Insofern halte ich längerfristige begleitete Kontakte trotz eindeutiger Zeichen massiver psychischer Belastung des Kindes in der Situation und nach der Umgangssituation für ethisch nicht vertretbar. Zuzustimmen ist den Autoren wiederum bei der Rubrik „Problemlagen und besondere Lebensumstände beim umgangsberechtigten Elternteil“ sofern daraus Belastungen für die Eltern-Kind-Beziehung oder Gefährdung des Kindeswohls resultieren. Dies betrifft den ganzen Bereich der Suchterkrankungen und psychiatrischen Erkrankungen, wo auch längerfristige Begleitung mal mit stärkerer, mal mit weniger starker Intensität indiziert sein kann. Auch bei wegen Straftaten verurteilten Elternteilen und inhaftierten bzw. in einer Maßregelvollzugsanstalt behandelten Elternteilen kann der begleitete Umgang für Kinder sehr sinnvoll sein. Ob die Einflüsse bei einer Sektenangehörigkeit durch begleiteten Umgang eingedämmt werden können, sei eher wieder zum Teil in Frage gestellt. Noch stärkere Zweifel löst bei mir die Frage aus, ob Konflikte wegen der sexuellen Orientierung eines Elternteils grundsätzlich durch begleiteten Umgang besser handelbar werden als durch eine gezielte Beratung der Kindeseltern zum Umgang mit der neuen spezifischen Situation. Unter dem Bereich „Mangel an Erziehungskompetenz“ sind auch Gefährdungssituationen durch mangelnde Aufsicht oder mangelnde Versorgung zu fassen. Fthenakis et al.6 gehen davon aus, dass starke Verhaltensauffälligkeiten in oder vor und nach der Umgangssituation eine Indikation für begleiteten Umgang sein könnten. Es kann auch sein, dass die Begleitung hier das Misstrauen des Elternteils, bei dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zu reduzieren vermag. Ob es aber wirklich zur Reduktion der Verhaltensauffälligkeiten beiträgt, sei kritisch in Frage gestellt. Interessant erscheint mir die Unterscheidung, die die Autoren in Bezug auf die Intensität und die Ziele des begleiteten Umgangs treffen. Gerade in dysfunktionalen, nicht hinreichenden Erziehungsverhältnissen sprechen sie von „unterstütztem Umgang“; von „begleitetem Umgang“ sprechen sie dann, wenn elterliche Kommunikationsprobleme und mangelnde Kooperationsbereitschaft zu heftigen Auseinandersetzungen führen, während sie von „beaufsichtigtem Umgang“ immer dann sprechen, wenn direkter Misshandlungs- oder Missbrauchsverdacht nur Umgang unter Aufsicht gerechtfertigt zu sein scheinen lässt. Zu den Voraussetzungen für einen geglückten begleiteten Umgang gehört für mich auch eine Vorbereitung und Aufklärung vor der Kontaktsituation. Dies kann zu einer besseren Motivation, zu einer besseren Kooperation der betroffenen Kinder führen und gleichzeitig dafür sorgen, dass sie in Krisensituationen die Begleitperson wirklich als Unterstützung nützen und damit unnötige Komplikationen vermieden werden. Gerade in Gefährdungssituationen ist es wichtig, zum Teil auch nonverbale Zeichen zum Abbruch des Kontakts mit dem Kind zu vereinbaren. Gerade weil die Auswirkungen erzwungenen oder von Erwachsenen arrangierten Umgangs noch nicht hinreichend erforscht sind und manche Indizien, wie z.B. der Ergebnisse der Nachuntersuchung von Wallerstein7, eher dafür sprechen, dass solche Situationen zu späteren kompletten Kontaktabbrüchen führen, sollte in gewisser Weise ein Vetorecht der Kinder wenigstens in der Situation gegeben sein. Der umganggewährende oder -tolerierende Elternteil hat ein Recht darauf, Informationen darüber zu erhalten, was während des Umgangs geschehen ist.

Die Frage, ob Umgang auch gegen den artikulierten Willen des Kindes auf Grund einer Begleitung durchgeführt werden kann, sollte vor dem Hintergrund der kindlichen Entwicklung gesehen werden und kann nicht pauschal beantwortet werden. Wichtig ist in solchen Situationen die Ermittlung der spezifischen Entscheidungskompetenz von Kindern in Bezug auf die in Frage stehende Situation. Letztendlich läuft die Entscheidung auf eine Güterabwägung zwischen artikuliertem Kindeswillen und generellerem Kindesinteresse hinaus. Ich bin zwar der Ansicht, dass betreuter Umgang als Phase in einem Stufenplan ein sehr sinnvolles Instrument sein kann, genauso wie beobachtete Umgangssituationen im Rahmen einer Begutachtung äußerst sinnvoll sind und häufig für alle Seiten entängstigend wirken. Aber generelle Grundvoraussetzung dafür ist die professionelle Gewährleistung von Sicherheit durch klare Regeln, die von allen Beteiligten akzeptiert werden. Schwierig wird es dann, wenn durch die gerichtlich geregelte Situation des begleiteten Umgangs eine belastende Kontaktsituation aufrechterhalten wird, die das Kind über längere Zeit immer wieder unter Druck setzt bzw. mit Erinnerungen und spezifischen Symptomen in Zusammenhang mit früheren Erfahrungen konfrontiert. Räumlicher Schutz allein bietet meines Erachtens nicht hinreichend emotionalen Schutz vor schwerer emotionaler Belastung und eventuell sogar Retraumatisierung durch Konfrontation z.B. mit einem Misshandlungs- oder Missbrauchstäter. Die scheinbar fürsorgliche advokatorische Wahrnehmung des Kindesinteresses, indem zum Wohle des Kindes Umgang hergestellt wird, kann einer völligen Ignorierung des artikulierten Kindeswillens gleichkommen. Hier gilt es, mit etwas Abstand von den jetzigen neuen gesetzlichen Regelungen zu fragen und auch wissenschaftlich zu klären, ob die Prioritätenveränderung in den letzten zehn Jahren hier wirklich empirisch legitimiert ist. Kritisch zu sehen ist auch, dass ein professionell gemachter institutionell begleiteter Umgang eventuell auch zu Verzögerungen des Übergangs zu einer neuen Normalität führt.

III. „Kontraindikationen“

In völliger Übereinstimmung mit Fthenakis et al.8 kann festgestellt werden, dass die anhaltende Weigerung des Kindes, den umgangsberechtigten Elternteil zu sehen, eine erzwungene begleitete Umgangssituation zu einer unerträglichen Belastung werden lässt und deshalb zunächst mit den Eltern gearbeitet werden muss. Schwere Misshandlungs- und Missbrauchstraumata sind ganz sicher auch weitgehend von den meisten Experten akzeptierte Ausschlussgründe. Wenig anfangen kann ich mit der Kategorie der Familienprobleme, die zunächst einer therapeutischen oder gutachterlichen Intervention oder Abklärung bedürfen. Gerade weil die richterliche Empfehlung des begleiteten Umgangs häufig am Ende von langen gerichtlich ausgefochtenen Konfliktsituationen steht, in denen Gutachter eben keine kompromissfähigen Lösungsvorschläge machen konnten und auch familienpsychologische Interventionen nichts erbracht haben, stellt sich hier die Frage, ob nicht bei extrem zerstrittenen Elternteilen aber bei bestehendem Kontaktwunsch der Kinder begleiteter Umgang nicht das kleinere Übel sein mag. Dies muss sicher auch altersabhängig differenziert gesehen werden. Ältere Kinder und Jugendliche werden unter dieser Konfliktsituation sicher deutlich weniger leiden, als sehr kleine Kinder, die in viel stärkerem Maße von den primären Betreuungspersonen abhängig sind. Die Situation eines angeordneten begleiteten Umgangs macht aber auch Angriffe auf den umgangsgewährenden Elternteil möglich. Drängt der umgangsbegehrende Elternteil den anderen Elternteil, z.B. wenn dieser zusammen mit dem Kind zur Institution kommt, in der der begleitete Umgang durchgeführt wird, so können solche Druck- und Erpressungssituationen Anlass für den Ausschluss eines begleiteten Umgangs sein. Bisher meines Erachtens zu wenig diskutiert wurden Gründe, die nicht alleine in der psychischen Belastung, sondern in einer manifesten psychiatrischen Erkrankung der betroffenen Kinder und Jugendlichen liegen. Zu denken ist hier z.B. an Kinder, bei denen auf Grund massiver Vernachlässigung die Diagnose der frühen Bindungsstörung des Kindesalters bzw. der Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung (F 94.1 bzw. F 94.2 ICD-10) gestellt werden muss. Die ICD-10 ist die internationale Klassifikation von Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation9. Diese diagnostische Einordnung ist im Rahmen der Krankenversorgung (vgl. SGB V) die derzeit geforderte Klassifikation und stellt auch für die Verwirklichung von Eingliederungshilfen nach der Einführung des SGB IX die verbindliche Grundlage für die Beschreibung des Vorliegens psychischer Störungen als erster Feststellungsschritt in Bezug auf einen Rechtsanspruch nach § 35a KJHG dar10. Gerade die Kinder, bei denen eine Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung festgestellt werden muss, haben häufig in den ersten fünf Lebensjahren einen extremen Mangel an Kontinuität der Betreuungspersonen erfahren. Sie haben ein oft wahllos freundliches aufmerksamkeitssuchendes Verhalten bis hin zur Distanzlosigkeit, Schwierigkeiten beim Aufbau vertrauensvoller Beziehungen zu Gleichaltrigen und zu Erwachsenen, dazu nicht selten eine Fülle emotionaler und Verhaltensstörungen.

Kinder mit frühkindlichem Autismus (ICD F 84.0) sind in der Regel durch eine extreme Irritabilität durch Veränderung gekennzeichnet. Sie bedürfen besonders konstanter Rahmenbedingungen und können sich in fremder Umgebung selten wirklich entspannt auf ein Spielangebot einlassen. Für sie ist das Setting eines begleiteten Umgangs eventuell eine große Belastung, welche sie in ihrem Verhalten erheblich aus der Bahn werfen kann. Kinder mit Tic-Störungen, vor allem Kinder, die unter der Extremform des „Gilles-de-la-Tourette“-Syndroms leiden (F 95.2), haben bisweilen eine schwankende Symptomatik, die sich unter Stress deutlich verstärkt. Auch hier kann es teilweise aus ärztlicher Sicht nicht günstig sein, ruhige Alltagsabläufe durch stressvolle belastete Umgangssituationen - und seien sie auch kontrolliert - zu komplizieren. Bei den Kindern mit Anpassungsstörungen (ICD 10, Kategorie F 4) und insbesondere bei traumatisch bedingten Belastungsstörungen ist eine erneut wiederholte Exposition der betroffenen Kinder gegenüber dem Verursacher des Traumas aus psychiatrischer Sicht nicht vertretbar.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass das Vorliegen einer kinder- und jugendpsychiatrischen Erkrankung generell ein Hinderungsgrund für einen begleiteten Umgang sein muss. Vielmehr gilt, dass überall da, wo der Krankheitsverlauf durch die mit dem begleiteten Umgang verbundenen Belastungen verschlechtert werden kann, besondere Vorsicht angezeigt ist. Dies gilt auch für akute schizophrene Psychosen in stationärer Behandlung oder früher Remission etc. Es gilt aber gerade nicht für massive Angsterkrankungen, Angstsymptomatiken, bei denen es den Kindern in einem gut unterstützten begleiteten Verfahren eher hilft, z.B. soziale Ängste zu überwinden. Schwieriger zu beurteilen sind so genannte „folie à deux“-ähnliche Zustände, die in der ICD-10-Terminologie „induzierte wahnhafte Störungen“ genannt werden (F 24). Diese treten zwar relativ selten auf, spielen aber gerade im Zusammenhang mit der Debatte um ein mögliches so genanntes „PAS“ eine gewisse Rolle11. Kinder, die wahnhafte Vorstellungen ihrer primären Beziehungsperson teilen, sind behandlungsbedürftig krank und können nur in einem neutralen meist stationären Behandlungssetting dahingehend eingeschätzt werden, ob sie in diesem anderen Milieu sich von den Wahninhalten distanzieren können oder ob sie selbst an einer psychotischen Symptomatik leiden. Diese Kinder wegen der massiven Beeinflussung z.B. durch ihre Mutter von dieser durch einen erzwungenen betreuten Umgang wegzureißen, um sie anschließend in die gleiche Situation zurückzubringen, führt nur zu weiterer wahnhafter Verarbeitung. Hier ist eine kurative Trennung von dem erkrankten Elternteil durch eine Krankenbehandlung des Kindes und Krankenbehandlung des Elternteils erforderlich. Besuchsaufbau kann dann in der stationären Behandlung unter gesicherten Bedingungen erfolgen und sollte nicht dem ambulanten Setting eines betreuten Umgangs überlassen werden. Im Gegensatz dazu haben Kinder mit einem elektiven Mutismus eine Symptomatik, in der sie gänzlich fremden Personen die verbale Kommunikation verweigern und nur bestimmte Gesprächspartner wie z.B. die Mutter wählen. Hier ist es schwierig für außenstehende Personen, Umgang zu gestalten/begleiten, weil diese Kinder sich nicht ihnen gegenüber über ihre Belastungen und Einschätzungen äußern, sondern nur der Mutter gegenüber Äußerungen machen werden. Diese sind dann nicht frei von Loyalitätsbezeugung und werden vielleicht auch nicht objektiv wiedergegeben. In solchen Situationen hängt es insbesondere von der Verhaltensbeobachtung der Kinder während des Umgangs ab, ob die Situation eines begleiteten oder betreuten Umgangs vertretbar ist. Allein aus der Kommunikationsverweigerung, die ja auch gegenüber anderen Personen, anderen Kindern und den Betreuungspersonen beim Umgang erfolgt, zu schließen, dass diese Situation unzumutbar sei, ist meines Erachtens nicht legitim. Auch Mädchen mit Essstörungen (Magersucht ICD-10 F 50.0) oder Bulimie (F 50.2) sind durchaus in der Lage, ein solches Setting zu ertragen. Ihre Symptomatik wird in der Regel dadurch nicht verschlechtert, auch wenn dies teilweise durch den gewöhnlich betreuenden Elternteil reklamiert werden mag. Vielmehr kann es eine Chance sein, dass diese Kinder hier in eine verbale Auseinandersetzung gehen, wenn sie über solche Arrangements der Erwachsenen wütend werden.

Kein expliziter Anlass zum Ausschluss eines begleiteten Umgangs sind hyperkinetische Störungen sowie Störungen des Sozialverhaltens oder gar Teilleistungsschwächen wie die Lese-Rechtschreib-Störung, die nicht durch eine auch noch so belastende Umgangssituation jetzt verschlechtert oder gebessert wird. Stellt die Fachperson, welche den begleiteten Umgang sicherstellt, psychische Auffälligkeiten bei Kindern fest und hat sie den Eindruck, dass diesen Problemen bisher noch nicht hinreichend nachgegangen worden ist, gehört es meines Erachtens zur Fachlichkeit bei der Umsetzung des begleiteten Umgangs, hier dann dafür zu sorgen, dass diese Kinder fachkundig untersucht und diagnostiziert werden, so dass dann auf einer sicheren Basis eine mögliche Behandlung erfolgen kann.

IV. Begünstigende Voraussetzungen für die Durchführung eines begleiteten Umgangs

Für die Kinder ist die am wenigsten belastende Situation sicher die, in der sich beide Eltern im Rahmen von Beratungskontakten auf diese dann meist zeitlich befristete Unterstützung einigen können und dies gemeinsam den Kindern mitteilen können. Es empfiehlt sich meines Erachtens immer, dass die Betreuungsperson die Chance bekommt, im vertrauten Umfeld die Kinder zuerst kennen zu lernen, so dass sie tatsächlich eine Vertrauensperson für die betroffenen Kinder darstellen kann. Gerade bei Situationen, in denen ein betreuter Umgang angesichts einer schwankenden psychischen Erkrankung eines Elternteils immer wieder mit wechselnder Intensität notwendig ist, ist die Umgangsbegleitung durch auf Kontinuität angelegte Patenschaften günstiger als die Durchführung in einer Institution mit wechselnden Mitarbeitern. Besteht ohnehin ein Bedarf auf Hilfe zur Erziehung oder bei psychisch kranken Kindern auf Eingliederungshilfe, dann sollten Maßnahmen des begleiteten Umgangs bei der Hilfeplanung nach § 36 KJHG mitberücksichtigt werden. Wird ein erfahrener Arzt nach § 36 III KJHG mit in die Hilfeplanungen miteinbezogen, weil das Kind unter einer psychischen Belastung leidet, so sollte auch sein Urteil hier bei der Ausgestaltung mitberücksichtigt werden. Gelingt es dem Kind nicht, in diesen massiven Interessenkonfliktsituationen seine Meinung hinreichend selbst zu äußern oder ist es dabei gerade sogar beeinträchtigt wie im oben dargestellten Fall einer mutistischen Erkrankung, so ist meines Erachtens immer die Bestellung eines Verfahrenspflegers erforderlich, um sicherzustellen, dass nicht durch gerichtliche Anordnung und institutionelle Umsetzung eine Situation geschaffen wird, die auf längere Zeit massiv den Interessen des Kindes widerspricht. Der Verfahrenspfleger oder die Verfahrenspflegerin hat dann in diesem Zusammenhang allgemeine Entwicklungs- und Belastungsfaktoren im Zusammenhang mit dem Kindesinteresse den vernünftigen Wunsch nach Beziehungserhalt etc. abzuwägen, aber gleichzeitig auch den vom Kind in anderem Kontext artikulierten Willen in das Verfahren einzubringen12.

Begleiteter oder betreuter Umgang sollte in der Regel eine gezielte Maßnahme auf Zeit sein. Dauert diese länger an, sollte in regelmäßigen Abständen überprüft werden, ob die ursprüngliche Güterabwägung, die zur Einrichtung des begleiteten Umgangs führte, so noch besteht und es ethisch immer noch vertretbar oder haltbar ist, das einmal gewählte Vorgehen weiter beizubehalten. Bei solchen Evaluationen darf die Beteiligung der betroffenen Kinder nicht vergessen werden. Wichtig erscheint mir auch, dass solche Evaluationseinschätzungen vor allem in streitigen Fällen nicht allein von der den begleiteten Umgang durchführenden Stelle getroffen werden, sondern dass hier eine externe Meinung, z.B. die des ehemaligen Gutachters in familiengerichtlichen Verfahren o.ä., einbezogen wird.

Felder13 informierte in einer ausführlichen differenzierten Abhandlung über das begleitete Besuchsrecht unter der besonderen Berücksichtigung der Besuchsrechte psychisch kranker Eltern. Er berichtet über eine entsprechende Stelle beim Jugendamt der Stadt Bern, in der in den ersten zehn Jahren 77 Familien bei begleitetem Umgang unterstützt wurden. 64-mal war der Vater, 13-mal die Mutter besuchsberechtigt. Die Kinder waren in einem Altersbereich zwischen fünf Monaten und 14 Jahren im Durchschnitt 5,2 Jahre alt. Die Gründe für den begleiteten Umgang waren Entführungsgefahr (17 Fälle), massive Verständigungsprobleme (17 Fälle), Gewalt des Vaters gegen die Mutter (14 Fälle), psychische Störung des besuchsberechtigten Elternteils (zwölf Fälle), Drogen- und Alkoholprobleme des besuchsberechtigten Elternteils (zwölf Fälle), Verweigerung des Besuchs durch die Mutter (zwölf Fälle), langer Kontaktabbruch (acht Fälle), Angst der Mutter vor dem Vater/Misstrauen (acht Fälle), Verdacht auf sexuellen Missbrauch (acht Fälle), Überforderung des besuchsberechtigten Elternteils mit dem Kind (sechs Fälle), besuchsberechtigter Elternteil ohne festen Wohnsitz (vier Fälle), ablehnende Haltung des Kindes gegenüber dem Vater (zwei Fälle), Inzest unter den Geschwistern (ein Fall). Felder führte dann 76 Expertinnen- und Experteninterviews im Bereich der Jugendhilfe, Jugendpsychiatrie und Psychologie (21 PsychologInnen, 15 PsychiaterInnen, 40 MitarbeiterInnen des Jugendamtes, meist SozialarbeiterInnen). Er fragte nach Empfehlung dieser Fachpersonen für ein begleitetes Umgangsrecht nach der Präferenz zwischen privaten Arrangements und institutionalisierten und nach der Indikation für einen kompletten bzw. vorübergehenden Ausschluss. Hauptindikation mit 54 von 75 Nennungen war die Frage der Gefährdung des Kindes. Es folgten dann in absteigender Rangfolge Verständigungsprobleme der Kindeseltern, psychische Probleme, Entführungsgefahr, Unterstützung beim Kontakt, Überforderung von Elternteilen, Verweigerung der üblichen Betreuungsperson und nur in ca. 6 bis 7% die Verweigerung des Kindes. Wenn der Vater keine direkte Gefahr für das Kind darstellte und die Betreuungsqualität durch private Personen gewährleistet wurde, wurde dieses Setting von mehr als der Hälfte der Befragten für günstig gehalten. Allerdings artikulierte mehr als ¼ der Befragten generelle Zurückhaltung gegenüber privaten Lösungen, da sie Privatpersonen in jedem Fall für überfordert hielten. Doch noch 10% waren der Ansicht, dass private Lösungen immer vorzuziehen seien, wenn zwischen privaten und institutionellen Lösungen diskutiert werden könne. Einige wenige Befragte sahen gerade in einer spezifischen Institutionsangst oder Institutionsablehnung eine spezifische Indikation für die Beteiligung Privater an der Realisierung des betreuten oder begleiteten Umgangs.

Betrachtet man nun die Angaben der ExpertInnen zu den Gründen, begleiteten Umgang generell oder vorübergehend auszuschließen, wurde von mehr als 50% zunächst die psychische Belastung beim Kind genannt. Die Befragten verwiesen auf den massiven Loyalitätskonflikt und setzten aber voraus, dass das Kind durch das Arrangement erwiesenermaßen stark psychisch belastet wird. Insofern ist die kinder- und jugendpsychiatrische oder fachpsychologische Evaluation der Ausgangssituation bei den Kindern oder der Situation während der Einführung des Umgangs in vielen Fällen anzuraten. ¼ bis 1/3 der Befragten sah in der vehementen Verweigerung des Kontakts durch das Kind einen Ausschlussgrund. Nur 20 von 75 Befragten sahen in einem nachweislichen sexuellen Missbrauch oder in einer nachgewiesenen Misshandlung einen kategorischen Ausschlussgrund. Ähnlich häufig wurde die psychiatrische Erkrankung des Elternteils oder eine andere Kindeswohlgefährdung als Ausschlussgrund genannt. Seltener (zwölf von 75 Experten) wurde die Interesselosigkeit des Elternteils in Form von Unzuverlässigkeit, Unverbindlichkeit auch bei den begleiteten Besuchskontakten genannt. Einige wenige Expertinnen und Experten nannten akute Entführungsgefahr als einen Ausschlussgrund.

In der weiteren Diskussion der Befunde geht Felder noch einmal auf die Frage der psychiatrischen Erkrankung beim umgangsberechtigten Elternteil ein und nennt neben den hier schon mehrfach erwähnten Problemen auch die Gefährdung durch Suizidalität, insbesondere durch Vorstellungen von einem erweiterten Suizid.

Felder betont aber auch die Bedeutung der Tatsache, dass Kinder eines psychisch kranken Elternteils wenigstens für die Funktion der Realitätskontrolle einen persönlichen Eindruck von diesem Elternteil haben sollten. Er empfiehlt deshalb in solchen Fällen mindestens einen minimalsten Kontakt von ein bis zwei Begegnungen pro Jahr14.
V. Schluss

Begleiteter Umgang ist durch die Kindschaftsrechtsreform zu einer Lösungsschiene geworden, die sich vor allem dem Familiengericht in scheinbar ausweglosen Situationen aufdrängt, weil dadurch eine Pattsituation und Stagnation vermieden werden kann und nicht allein schon durch das Verstreichen erheblicher Zeit so viele Fakten geschaffen werden, dass hinterher kaum mehr eine Veränderung möglich ist. Diese Fälle, die sich den juristischen Entscheidungsträgern also quasi als Lösungsmöglichkeit aufdrängen, sind in der Regel aber nicht unbedingt die geeignetsten Fälle für dieses Lösungsinstrument. Eine sehr viel günstigere Prognose hat meines Erachtens die im Beratungsprozess von den Eltern selbst gewählte Lösung einer Umgangsbegleitung oder die notwendige Begleitung und Betreuung, wenn ein Elternteil unter einer schweren psychischen Erkrankung leidet. Es war mein Anliegen, in diesem Beitrag auch auf solche Situationen verstärkt hinzuweisen und dabei klarzustellen, dass eine psychische Erkrankung bei einem Elternteil oder bei einem Kind allein nie Grund für den Ausschluss eines Umgangs sein kann, aber dass es gerade in diesen Fällen geboten ist, mit entsprechender Fachkompetenz die Bedeutung der Risiken und Chancen zu erörtern und in Abhängigkeit davon betreuten Umgang zu gestalten. Betreuter Umgang ist sicher auch als entwicklungsabhängiges Phänomen zu sehen. Betreuter Umgang über längere Zeit ist nur bei kleineren Kindern bis zur Vorpubertät sinnvoll. Handelt es sich hierbei um ganz unterschiedliche Intensitäten des Betreuungsbedarfs, die sogar so weit gehen können, dass die Kinder für bestimmte Zeiten fremdbetreut werden müssen, weil beide Elternteile auf Grund von psychischen Problemen behandlungsbedürftig sind, dann sind Patenschaftsmodelle in Verbindung mit Jugendämtern (vgl. Hamburg oder Cuxhaven) meines Erachtens die sinnvollsten Lösungsmöglichkeiten. Hier können sich z.B. engagierte Pflegeeltern einerseits im Sinne der Nachbarschaftshilfe, aber auch im Rahmen vorübergehender Inpflegenahme durch eine kontinuierliche Beziehung zum Kind als wesentlicher protektiver Faktor herausstellen. Die mögliche Kontinuität solcher Beziehungen ist hier gerade die Chance und trägt zur Verminderung von Risiken bei. Die stabile regelmäßige Beziehung erlaubt es den Kindern, bei diesen Personen wirklich Kontakt und Hilfe zu suchen und gerade dann, wenn ihre Eltern stark hilfebedürftig sind, nicht noch in eine parentifizierte Versorgungssituation zu kommen und dabei auch noch den durch die Verzerrung der Wahrnehmung mancher psychiatrisch erkrankter Patienten verschärften Loyalitätskonflikt, der durchaus wahnhaft überformt sein kann, ertragen zu müssen. Eine kontinuierliche Position des Realitätsbezugs, eine freundliche dauerhafte Beziehung und ein Rückzugsraum in einer solchen Patenschaftsfamilie ist bei vernünftiger Begleitung dieser Familien durch Supervision, durch hinreichende vorherige Information sicher für viele Kinder ein Segen.

Bei Jugendlichen, die nach längerer Zeit unter großen Ängsten um der Realitätsprüfung Willen wieder versuchen, Kontakt zu einem Elternteil aufzunehmen, kann auch eine professionelle Begleitung für einige Stunden sehr hilfreich sein. In der Regel sind Jugendliche sehr klar in der Lage, ihren Willen zu artikulieren. Sie sollten im gerichtlichen Verfahren rechtliches Gehör finden und, wenn dies nicht hinreichend möglich erscheint, durch Verfahrenspfleger dabei unterstützt werden. Maßnahmen der Umgangsbegleitung oder des betreuten Umgangs sind bei Jugendlichen deshalb in der Regel nur auf deren Wunsch bzw. bei deren Mitarbeit oder für sehr kurze Zeit meines Erachtens inhaltlich sinnvoll. Für die große Gruppe der jüngeren Kinder, die mit der Abwägung der hier genannten Konstrukte und Interessensituationen überfordert sind, kann begleiteter oder betreuter Umgang eine Chance sein, er kann aber auch eine Scheinlösung zu Lasten der betroffenen Kinder darstellen. Den Familiengerichten sollte klar sein, dass die scheinbar erledigten Pattsituationen durch begleiteten Umgang in der Regel nicht geklärt sind. Insofern ist es eine Frage der Prozess- und Ergebnisqualität, Ziele bei der Anordnung eines begleiteten Umgangs zu operationalisieren und zu überprüfen, ob diese Ziele in bestimmten Zeiträumen auch erwartungsgemäß erreicht wurden. Werden diese nicht erreicht und spielt sich die gleiche massive Konfliktsituation nun bei dem freien Träger und nicht nur unter den Augen des Gerichts ab, dann ist den Kindern damit wenig geholfen worden. Insofern ist es sicher nicht verfehlt, bei solchen Maßnahmen die beteiligten Jugendämter um Berichte in regelmäßigen Abständen zu bitten und eventuell zur Absicherung auch eine psychodiagnostische bzw. kinder- und jugendpsychiatrische/psychotherapeutische Evaluation des Zustands der Kinder zu veranlassen. Ich habe anderenorts15 darauf hingewiesen, dass hypothetische, empirisch nicht belegte Plädierformeln, wie das so genannte „PAS“, hier nicht hilfreich sind, sondern eine differenzierte Betrachtung von Suggestionseffekten, Beeinflussungseffekten und psychischen Erkrankungen sowie psychischer Belastung bei Eltern und Kind. Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, dass besser evaluierte und beschriebene Konzepte Entfremdungssituationen, die zur Umgangsvereitelung führen, klarer erfassen, als die in der streitigen Auseinandersetzung wohlfeile Formel des PAS. Dieser Mangel an Präzision und die scheinbar nahe liegenden „Hau-ruck“-Lösungen, die die PAS-Debatte impliziert, wird auch nicht durch eine scheinbare Lösungskette, die zum betreuten Umgang führt, aufgelöst. Gefahr erkannt (PAS), Gefahr gebannt (begleiteter Umgang) ist eine zu einfache Gleichung mit zu vielen Unbekannten. Vielmehr geht es, wie hoffentlich in diesem Beitrag deutlich geworden ist, darum, differenziert einzelne Gefahren zu erkennen, diese zu beschreiben und dann unter Berücksichtigung der Zeitperspektive angemessene, immer wieder adäquat anzupassende Lösungen zu finden, die auch dem Entwicklungszustand der betroffenen Kinder entsprechen und ihren Willen hinreichend respektieren. Gerade in der globalen Ausschaltung und Ignorierung des Kindeswillens, der nur noch als Ergebnis elterlicher Manipulation dargestellt wird, ist nämlich das so genannte „PAS“ ein für die betroffenen Kinder gefährliches Konstrukt, welches sehr schnell dazu führen kann, dass alles schief geht16. Die Autorin Bruch unterstreicht, dass gerade die Debatte um Parental Alienation zeige, dass es im familiengerichtlichen Feld zunehmend interdisziplinärer Arbeits- und Ausbildungsansätze bedürfe, damit einzelne Professionen nicht wissenschaftlich unfundierten Annahmen aus anderen Kompetenzbereichen aufsitzen. Dies sei deshalb besonders schwierig, weil einerseits nüchterne wissenschaftliche methodische Haltung gefragt sei und gleichzeitig der Umgang mit Kindern eine starke emotionale und ethische Verantwortung impliziere.

*Der Autor ist Professor am Universitätsklinikum in Ulm und ärztlicher Direktor der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie.

1König, Indikation. Entscheidungen vor und während einer psychoanalytischen Therapie, 1994.

2Vgl. Zollinger/Felder, Children of Divorce and Their Viewpoints on Visiting-Rights. Journal of Divorce & Remarriage, 1991, 16 (3/4), 275 - 289.

3Struss/Pfeiffer/Preuss/Felder, Adolescents from Divorced Families and Their Perceptions of Visitation Arrangements and Factors Influencing Parent-Child Contact. Journal of Divorce & Remarriage, 2001, 35 (1/2), 75-89.

4Fthenakis/Gödde/Reichert-Garschhammer/Walbiner, Vorläufige deutsche Standards zum begleiteten Umgang, 2001.

5Fthenakis et. al. (o. Fußn. 4).

6Ftehnakis et al. (o. Fußn. 4).

7Wallerstein, FamRZ 2000, 65; Wallerstein/Lewis/Blakeslee, The Unexpected Legacy of Divorce. A 25 Year Landmark Study, New York, 2000.

8Ftehnakis et al (o. Fußn. 4).

9Vgl. Remschmidt/Schmidt/Poustka (Hrsg.), Multiaxiales Klassifikationsschema, Bern, 2001.

10Vgl. Fegert, Indikation zu Hilfen nach § 35a KJHG, in: Fröhlich-Gildhoff (Hrsg.), Indikation in der Jugendhilfe, 2002.

11Vgl. Fegert, KindPrax 2001, 3; ders., KindPrax, 2001, 39.

12Vgl. Salgo/Zenz/Fegert/Bauer/Weber/Zitelmann, Verfahrenspflegschaft für Kinder und Jugendliche, 2002; darin zu den entwicklungspsychologischen und entwicklungspsychopathologischen Voraussetzungen insbesondere auch die Kapitel von Ziegenhain und Fegert, sowie zum Konflikt zwischen Kindeswohl, Kindesinteresse und Kindeswille die Beiträge von Zitelmann und Zitelmann und Fegert.

13Felder, Begleitetes Besuchsrecht und Besuchsrecht psychisch kranker Elternteile. Liechtensteinische Juristen-Zeitung (LJZ) 1998, 4, 95-100.

14Vgl. auch Felder/Hausheer, Drittüberwachtes Besuchsrecht: Die Sicht der Kinderpsychiatrie. Zum BGE 119 II Nr. 41, Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins 1993, 129 (11), 698-706.

15Fegert (o. Fußn. 11).

16Bruch, Parental Alienation Syndrome and Parental Alienation: Getting It Wrong in Child Custody Cases. Family Law Quarterly, 2001, 35 (3), 527-552.

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