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Erwachte Überlebenskräfte in Banda Aceh

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New PostErstellt: 23.01.05, 20:20  Betreff: Erwachte Überlebenskräfte in Banda Aceh  drucken  weiterempfehlen

Neue Zürcher Zeitung online, 19. Januar 2005


Leben mit den Tsunami-Trümmern
Erwachte Überlebenskräfte in Banda Aceh


Nach dem Tsunami-Schock rappelt sich Banda Aceh wieder auf. Die zahlreichen Ausländer bieten neben Soforthilfe auch neue Einkunftsmöglichkeiten. Die Preise für Güter des täglichen Bedarfs haben sich normalisiert. Man hat grossflächig mit Schrottverwertung und mit Aufräumarbeiten begonnen.


Bild:REUTERS/Kimimasa Mayama

rt. Banda Aceh, 17. Januar

Augenzeugen des IKRK und Hilfskräfte des singapurischen Militärs berichten übereinstimmend, dass in den ersten Tagen nach der Tsunami-Katastrophe Banda Aceh wie ausgestorben wirkte. Die Bewohner hatten sich aus dem Stadtzentrum zurückgezogen oder blieben in ihren Häusern. Handel und Verkehr waren wie erstarrt. Die Stadt, die trotz den hohen Opferzahlen immerhin noch etwa 600 000 Einwohner zählte, stand unter einem Schock. Bereits das Erdbeben vor der Flut hatte die Stromversorgung unterbrochen. Mit den Wassermassen, die zwanzig Minuten später kamen, brach alles zusammen, besonders auch das Gesundheitssystem, lag doch das Spital im Zentrum der Zerstörung. Zu den mehreren zehntausend Todesopfern zählen nach Angaben der australischen AusAid etwa 150 Ärzte.

Ruhe hier - Chaos dort

Drei Wochen danach kann man die Stadt, die flächenmässig durchaus mit Zürich vergleichbar ist, grob in drei Sektoren unterteilen. In einem ersten Streifen entlang der Küste, wo alles weggefegt worden ist, bewegt sich abgesehen von Baggern immer noch praktisch gar nichts. Das entspräche, auf Zürich übertragen, vom See her gesehen etwa Tiefenbrunnen, dem Seefeld, Teilen der Bahnhofstrasse und dem Enge-Quartier. Hier lag - wie im Fall Zürichs - ein Nervenzentrum der Stadt: zahlreiche Geschäfte, Hotels, Restaurants und alle Hafeneinrichtungen. Dahinter folgt ein Streifen, der - wieder auf Zürich umgelegt - bis etwa auf Höhe Central/Langstrasse reicht. Hier stehen die meisten Häuser zwar noch, doch aus den weggefegten Türen und Fenstern quillt der Schutt. Ein Teil der Familien arbeitet da mit blossen Händen. Ihre Autos stecken oft bis zu den Türen im Dreck.

Den übrigen Teil von Banda Aceh haben die Fluten nicht erreicht, und selbst das Erdbeben hat - punktuell und scheinbar willkürlich - nur ein paar Gebäude zum Einsturz gebracht, allerdings meist grössere, bei denen vermutlich bauliche Schwachstellen bestanden. In diesem Teil der Stadt herrscht zwar immer noch ein Chaos, nicht zuletzt, weil sich hier viele Hilfsorganisationen und Auffanglager konzentrieren. Doch das Leben pulsiert gleichzeitig so intensiv, dass die Doppelfrage, ob die Stadt überhaupt noch lebt bzw. ob sie überleben wird, eindeutig beantwortet werden kann. Der Schock hat, mit anderen Worten, wieder einem recht hektischen Treiben Platz gemacht, in dem sich jeder auf seine Weise aufzurappeln versucht.

Genügend Nahrungsmittel verfügbar

Dies fällt naturgemäss denjenigen am leichtesten, die den zahlreichen Ausländern etwas anbieten können, seien es Geldwechsel, Transport-, Kurier- oder Übersetzungsdienste oder gar eine Unterkunft. Die entsprechenden Preise sind hoch, vor allem für Zimmer, doch jeder versucht eben sein Glück mit der Unerfahrenheit und der etwas anderen Not der Fremden. Im Übrigen haben sich aber viele Preise wieder stabilisiert. Der Literpreis für Treibstoff, der vor der Katastrophe 1810 Rupiah (Rp.), also etwa Fr. 0.25, betragen hatte, schnellte kurzzeitig auf 3000 Rp., hat sich aber schon wieder bei 2000 Rp. stabilisiert. Gemüsepreise indessen verfünffachten sich. Für das Kilo Tomaten musste man zuvor 3000 Rp. - also knapp Fr. 0.50 - zahlen. Bevor die Versorgung aus dem fruchtbaren Hinterland einsetzte, kletterten die Preis auf 15 000 Rp. Fleischpreise, mit umgerechnet 10 Fr. pro Kilogramm immer schon relativ hoch, verdoppelten sich kurzzeitig.

Nach wie vor herrscht ein Mangel an Fisch und Zucker. Die meisten Mahlzeiten bestehen aus Reis, gebratenem Huhn, Eiern und Gemüsesuppe. In den unzähligen Tante-Emma-Länden gibt es indessen alles für den täglichen Bedarf. Im Gegensatz zur Küstenprovinz herrschte in der Stadt also nie die Gefahr einer Hungersnot. Nach Angaben des IKRK tauchte deshalb nach Eintreffen der Hilfe schon bald die Gefahr einer Überversorgung der Zentren zulasten der schwer zugänglichen Gebiete auf. Das Ziel, Überlebensinstinkte zu wecken, würde damit beeinträchtigt. Allerdings fehlte es zu Beginn lange überall an Trinkwasser. Es kann nun seit Tagen in der Stadt an zahlreichen Aufbereitungsanlagen bezogen werden.

Havarierte Industrieanlagen

Zum Stolz der Acehnesen, die provinzweit zu 75% in der Landwirtschaft tätig sind, gehört ihr Kaffee, der aus zahlreichen Kleinröstereien stammt. Die grösste «Kaffeestube» Brawee ist ein Ort der Begegnung, wo auch zahlreiche Geschäfte abgeschlossen werden. Dudi Donut, eine Grossbäckerei, die pro Tag 9000 Donuts herstellte, ist nicht verwüstet worden, musste aber den Betrieb wegen fehlender Rohmaterialien einstellen. Völlig zerstört wurde das Zementwerk PT Semen Andalas Indonesia in Lhoknga. Auch der Düngemittelhersteller PT Asean Aceh Fertilizer, der 3000 Personen beschäftigte, ist angeschlagen. Hin und wieder gibt es Stromunterbrüche, weil auch ein Kraftwerk ausgefallen ist, und das Telefonnetz ist völlig überlastet. Aber die Stadt regt sich, und von Apathie kann trotz der Tragik keine Rede mehr sein.

Andere Betriebe haben sich ganz in den Dienst der humanitären Hilfe gestellt. Der moderne Ausstellungs- und Verkaufskomplex von Toyota ist vollständig von der Föderation des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds belegt. In Innenhöfen anderer Betriebe werden Kleider verteilt, es wird Schrott zerlegt oder Wasser in riesigen Containern aufbereitet. Vor zahlreichen Häusern stapeln sich Unmengen von gesammeltem Schrott, der auf Motorrädern oder Lieferwagen herangekarrt und dann von der Familie ausgeschlachtet wird. In den Hinterhöfen der Häuser und an zahlreichen kleinen Kanälen werden laufend Kleider gewaschen. An Strassenkreuzungen wird am Morgen ein Lokalblatt verkauft, das naturgemäss (fast) nur ein Thema hat. Fussballkommentare gibt es auf der zweitletzten Seite.

Aufräumarbeiten

Um der Stadt wieder auf die Beine zu helfen, haben die Behörden in der ganzen Provinz etwa 3000 Freiwillige angeheuert, die zusammen mit dem Militär in die verwüsteten Zonen vordringen und mit der Aufräumarbeit beginnen. Der bunte Haufen wird am Morgen mit Lastwagen und Omnibussen herangeschafft, wobei auch die Dächer der Busse voll belegt sind. Selbst diesen Leuten ist das Gelächter und der Arbeitseifer nicht vergangen: Sie erhalten pro Tag 30 000 Rp. und werden verpflegt.



Wir müssen selbst die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen.
Mahatma Gandhi
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