Angeregt durch die gestrige Diskussion habe ich mich entschlossen, Euch "meine" Geschichte zu diesem Thema in Kurzform zu geben:
1989 habe ich soeben eine neue Stelle angetreten und da bin ich ihm zum ersten Mal begegnet. Ich wurde schnell in einen „hobbykreis“ aufgenommen, wo er auch dazugehörte. Er wirkte eher verschlossen, war aber allseits beliebt, höflich und freundlich zu jedermann. In seinem Job war er sehr gut.
Was ich erst später erfahren sollte, hat sich seine langjährige Freundin, welche Kinder in diese Beziehung brachte, kurz vorher von ihm getrennt. So rutschte er kurz nach unserem Kennenlernen erneut in die Drogenszene ab. Dazu kann ein mehrmonatiger, geschäftlicher Aufenthalt im Fernen Osten.
Dort erlitt er einen Motorradunfall und erhielt die verhängnisvolle Bluttransfusion.........
1991 dann die Gewissheit, dass er hiv-positiv war. Zu diesem Zeitpunkt zählte er mich schon zu seinen besten Freunden. Dass ich eine Frau war, spielte dabei nie eine Rolle. Ich habe damals mit meinem Freund (heutiger Ex-Mann bereits zusammengelebt, die beiden mochten sich und das war nie ein Problem)
Vieles vertraute er mir an, und ich genoss dieses Vertrauen und habe ihn nie enttäuscht.
1993 hat er auf eigenen Wunsch sein festes Arbeitsverhältnis in ein Stundenlohnverhältnis umgewandelt. „Dann muss ich weiterarbeiten, damit ich Geld habe“. Dies, obwohl er mittlerweile schon stark von der Krankheit gezeichnet war. Er sagte auch immer, dass er sich auf der Arbeit wohl fühlt, getragen fühlt und dadurch auch abgelenkt wird von seiner Krankheit. Wenn er ein paar Tage ausfiel, war er immer wieder froh, unter uns zu sein!
Im gleichen Jahr hat er auch eine Entziehungskur gemacht. Wenige seiner Arbeitskollegen durften ihn besuchen, ich gehörte dazu. Geblieben ist mir davon, dass wir einmal bei einem Besuch einen stundenlangen Spaziergang durch die Felder und Wiesen der Umgebung gemacht haben und viele tiefe Gespräche geführt haben
Im Januar 1994 bekam ich eine Karte aus seinen Skiferien: Ich geniesse zum letzten Mal den Schnee und das Skifahren.
Im Sommer eine Karte aus den Algarven – ich sehe nun zum letzten Mal das Meer, stand darauf.
Im Juli 1994 stand er eines Tages bei mir im Büro und hat mir mitgeteilt, dass er nun seine Sachen abgegeben hat und nicht mehr arbeiten könne (sein selbstgewähltes Pensum betrug zuletzt ca. 20%). Er habe sich von allen verabschiedet und sei sich bewusst, dass er uns alle nicht mehr wiedersehen werde. Zukünftige Besuche hat er gerade von 3 nahestehenden Personen aus der Firma gewünscht. So lernte ich dann auch endlich während der Besuche bei ihm seine Eltern persönlich kennen, dies nachdem wir die letzten Jahre doch schon viele Telefonate um die Sorge nach ihm geführt haben.
Sehr nah und willkommen haben wir uns bei diesen Gesprächen bei ihm daheim gefühlt, herzlich und auch dankbar aufgenommen von seinen Eltern. Gingen wir wieder, wussten wir nie, ob es unsere letzte Begegnung sein sollte.
Wir haben am 15. November 1994 von ihm Abschied genommen.
Voller Dankbarkeit denke ich noch heute an diese aussergewöhnliche, intensive Zeit zurück, die mir einen wundervollen Freund auf Zeit geschenkt hat. Auch Bewunderung für einen ganz speziellen Arbeitgeber, der ihn begleitet und mich in meiner speziellen Situation auch immer unterstützt hat.
Geblieben sind mir die 2 Ansichtskarten, die Erinnerung und noch heute höre ich manchmal ganz leise im Ohr seinen ganz speziellen Kosenamen „härzchläppertäschli, es got mer doch guet“
4 Wochen später hat mir mein Arzt mitgeteilt, dass ich schwanger bin. Zufall? Schicksal?
hd